A18 Arbeit im 21. Jahrhundert (2020)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteirat
Sitzung: Landesparteiratssitzung, August 2020
Bezeichnung: A18
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen

Prolog:

Die Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein ist mutig, offen und zuverlässig. Wir werden den Arbeitsmarkt fit machen für das 21. Jahrhundert. Das gilt insbesondere für die Zeit während und nach Ende der Corona-Krise. Wir setzen auf wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, Bildung und Qualifizierung, um nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. Wir werden in Bildung investieren und die Verknappung von Arbeitskräften in bestimmten Branchen bekämpfen.

Qualitatives Wachstum setzt eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft mit hoher Produktivität und Wertschöpfung voraus. Sie schaffen die Grundlagen dafür, Armut, Ausbeutung sowie Verschwendung natürlicher Ressourcen ein Ende zu machen und garantieren humane Arbeitsbedingungen.

Um den Strukturwandel durch Globalisierung und Digitalisierung zu bewältigen, brauchen wir zu allererst: Gute Arbeit. Qualifizierung, faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen sind keine sozialpolitischen Wunschvorstellungen, sondern unverzichtbare Elemente einer sozialen und nachhaltigen Marktwirtschaft. Die Tarifautonomie, das Flächentarifsystem und eine starke Tarifbindung bleiben dabei das Herzstück für faire Entgelt- und Arbeitsbedingungen.

Wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit gehören zusammen, denn der soziale Frieden in unserem Land ist ein wesentlicher Faktor des wirtschaftlichen Erfolgs. Und ohne die Leistungskraft von Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wäre unser soziales System nicht zu stemmen. Und - wirtschaftliche Verantwortung für Arbeit im 21. Jahrhundert macht an Ländergrenzen nicht halt.

Wir wollen deshalb,

Verantwortliches Unternehmertum stärken

1. Unternehmen sollen noch verantwortlicher handeln: Das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft scheint in unserer Gesellschaft geschwunden zu sein. Um dies zurückzugewinnen, ist die Neuausrichtung einer Verantwortungskultur notwendig. Daran müssen sich alle Akteure beteiligen, die in der Wirtschaft tätig sind.

Die persönliche Risikobereitschaft, die Verfolgung einer zukunftsorientierten, nachhaltigen Unternehmensstrategie und eine ausgeprägte soziale Verantwortung sind die besonderen Merkmale guter Unternehmerinnen und Unternehmer. Gerade die Übernahme sozialer und ethischer Verantwortung stärkt das Vertrauen in die Unternehmen und trägt damit zur Leistungsfähigkeit, Qualität, Ideenreichtum und Innovationen bei. Wir stehen für Unternehmer und Unternehmerinnen, die sich zu einer fairen sozialen Marktwirtschaft bekennen, Mut zur Verantwortung zeigen und sich einer Unternehmensethik verpflichtet fühlen, die sich am ehrbaren Kaufmann und nicht an einem kurzfristigen und renditegetriebenen Shareholder-Value orientiert.

Gewinnstreben ist die Triebfeder jedes wirtschaftlichen Handelns und steht nicht im Widerspruch zu sozialdemokratischen Werten. Denn nur Unternehmen, die sich am Markt behaupten und Gewinne erwirtschaften, bieten dauerhaft sichere Arbeitsplätze. Unternehmer-Einkommen muss jedoch an volkswirtschaftliche Verantwortung und eigenes Risiko gekoppelt sein. Haftung und Verantwortung müssen in Deckung gebracht werden.

2. Neugründungen müssen staatlich unterstützt werden. Es muss heute möglich sein, Unternehmen schnell und unbürokratisch zu gründen, damit neue Arbeitsplätze entstehen können. Gerade in der Gründungsphase kann die Bereitstellung von Finanzmitteln oder die Schaffung von Marktzugängen ein entscheidender Faktor für die Marktbehauptung sein. Wo aus wettbewerblicher Sicht zulässig, sollte der Staat unterstützend wirken.

3. Die Zahl der zukünftigen Selbstständigen hängt auch von der Qualität einer frühzeitig geförderten Gründermentalität ab. Das setzt voraus, dass die Kultur der Selbständigkeit an den allgemeinbildenen und beruflichen Schulen sowie Hochschulen im Lande intensiver als bisher vermittelt wird. Alle Gründer und Gründerinnen in Schleswig-Holstein haben in der SPD eine politische Heimat, sofern sie die soziale Marktwirtschaft als Basis ihres Handelns sehen.

4. Die Aus- und Weiterbildung ist einer der entscheidenden Faktoren, damit Unternehmen in einem sich verändernden Marktumfeld bestehen: Die Digitalisierung ermöglicht neue Geschäftsmodelle und führt zu einer Veränderung der Arbeit und Arbeitsplätze. Einerseits wird die menschliche Arbeitskraft in vielen Bereichen ersetzt, andererseits bietet die Digitalisierung Möglichkeiten, flexibler und ortsunabhängiger zu arbeiten. An die neu entstehenden Strukturen des Arbeitsmarktes müssen sich Unternehmer und Arbeitnehmer anpassen. Die Rahmenbedingungen für eine bessere Work-Life-Balance, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Flexibilität in Weiterbildungen von Arbeitnehmern müssen verbessert werden.

Mit dem Einsatz neuer Technologien wird uns die Erwerbsarbeit nicht ausgehen, sie wird sich aber ändern. Digitalisierung heißt in vielen Fällen Automatisierung. Und damit haben wir seit Beginn der Industrialisierung Erfahrung.

Erwerbsarbeit wird weiterhin das zentrale Fundament zur gesellschaftlichen Teilhabe, zum Gemeinwesen/-wohl und zu den sozialen Sicherungssystemen bleiben. Deshalb ist es so bedeutsam die Tätigkeitsprofile in den Berufen anzupassen und mit den Beschäftigten weiterzuentwickeln. Viele Anpassungserfordernisse sind heute schon bekannt und wir müssen entsprechende Maßnahmen einleiten.

Verantwortliche Digitalisierung fördern

5. Da die Digitalisierung eine gesellschaftliche Tatsache ist, ist deren politische Ausgestaltung ein wirtschaftspolitisches Muss. Es kommt auf die verantwortliche Ausgestaltung an: Digitalisierung beruht im Wesentlichen auf dem Streben nach Effizienz. Es geht vereinfacht um die effizientere Gestaltung von Arbeits- oder Kommunikationsprozessen. Digitalisierung ist per se weder gut noch schlecht. Staatliche Regulierung und Kontrolle ist wie bei anderen Formen des technologischen Wandels (z.B. Gen-Technik, Nutzung der Kernkraft, Fracking) konsequent ein- und umzusetzen.

6. Digitalisierung verursacht Veränderungen nicht nur, aber besonders in der Arbeitswelt. Veränderungen verursachen Unsicherheit und sind immer persönlich, unmittelbar und subjektiv. Die SPD steht an der Seite derjenigen, die die Chancen der Digitalisierung zur Entwicklung unserer Sozialen Marktwirtschaft nutzen wollen. Wir wollen den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern jede Entwicklungsmöglichkeit geben, die dafür notwendig ist.

7. Digitale Prozesse zu entwickeln und nutzbar zu machen, erfordert ein hohes Maß an qualifizierter Weiterbildung sowie Wissensdiffusion von den berufsbildenden Schulen, Hochschulen über die Volksschulen hin zu den Menschen in den Betrieben. Digitalisierung in vielen Wirtschaftsbereichen gewinnt an Bedeutung und ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen im Wettbewerb sowie für die öffentliche Verwaltung. Eine wissensbasierte Gesellschaft muss neugierig bleiben. Schleswig-Holstein braucht kluge Köpfe, Zentren der Digitalisierung, in dem sich frische Geister austauschen können. Die Neugier auf Wissen muss aber auch organisiert werden. Ein Einzelner ist schnell überfordert. Perspektiven und Zuversicht müssen Verunsicherung und Ängste ablösen, Chancen müssen ergriffen, Risiken in einer solidarischen Gemeinschaft reduziert werden. Bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen wir die Lust auf gemeinsame Umsetzung der neuen Arbeit wecken.

8. Von der Digitalisierung betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen in die Lage versetzt werden, mit dem digitalisierungsbedingten Wandel Schritt zu halten.

Die Art und Weise der Weiterbildung richtet sich nach individuellen Bedarfen aus. Insbesondere Personen, die ihren Arbeitsplatz im Zuge von digitalisierungsbedingten Maßnahmen verloren haben oder in Zukunft verlieren, sollten über den Zeitraum der Weiterbildung, zumindest jedoch bis zu 36 Monate ein Recht auf Fortbildungsgeld haben. Denn dies ist ein Zeitraum, der erforderlich ist, einen beruflichen Wechsel nachhaltig zu gestalten. Der Verbleib im Unternehmen während der Fortbildung bedingt Rechte für Arbeitnehmer-innen und Arbeitnehmer.

9. Wirtschaftliche Bereiche mit Schlüsseltechnologien und die öffentliche Verwaltung sind besonders auf eine sichere IT-Infrastruktur angewiesen. Es ist wichtig, dass es beispielsweise Cloud-Anbieter gibt, die internationalen Standards bspw. im Bereich der Software als Service- Angebote ebenso gerecht werden wie den datenschutzrechtlichen Vorgaben. Dies ist insbesondere für die öffentliche Verwaltung und sicherheitsrelevanten und innovativen Wirtschaftsbereiche zentral. Schleswig-Holstein bietet sich – auch wegen der Versorgung mit erneuerbaren Energien - als Standort für sichere und innovative Rechenzentren an.

10. Eine Open Source Strategie für Schleswig-Holstein, Deutschland und Europa ist ein wichtiger Bestandteil für den Weg zur digitalen Souveränität. Digitaler Eckpfeiler für die Arbeit der Zukunft in unserem Sinne ist die digitale Souveränität.

Verantwortlichkeit für Arbeit, auch weltweit

1. Die planetaren Grenzen des Wachstums sowie die Einhaltung sozialer Mindeststandards in den Wertschöpfungsketten von Produkten und Dienstleistungen müssen den Handlungsrahmen für die Art und Weise des weltweiten Handels und des Wirtschaftens bilden.

Jede Organisation, jeder Mensch ist Teil der Wirtschaft und trägt Verantwortung dafür, dass die planetaren Grenzen sowie soziale Mindeststandards eingehalten werden. Die letzten Jahrzehnte waren geprägt durch relativ freien internationalen Handel. Umwelt- und Sozialstandards sind eher als Handelshemmnisse beispielsweise im Regelsystem der WTO betrachtet worden. In diesem Sinne sehen wir uns in der Verantwortung, die Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftsaspekte in Einklang zu bringen und zu halten.

2. Die SPD unterstützt internationale Strukturen, die Gerechtigkeit in der Arbeitswelt schaffen und lehnt bilaterale Ansätze ab, die die Macht des Stärkeren zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmern ausnutzen. Handel überwindet schnell nationale Grenzen. Die Welt ist zusammengewachsen. Arbeitsleistungen in Wertschöpfungsketten werden weltweit verteilt. Gesellschaftliche, verbraucherfreundliche und umweltschützende Rahmenbedingungen sind meistens national verhaftet. Die Sozial- und Arbeitsgesetzgebung ist selbst in der EU überwiegend national organisiert. Der Weg in internationale Verträge ist in jedem Fall träge und findet zeitversetzt statt, wenn überhaupt. Dies liegt zum einen an der Komplexität der Materie. Oft werden geringe Standards bewusst eingesetzt, um komparative Vorteile im weltweiten Handel zu erzielen. Die SPD steht für starke Arbeitnehmerrechte, auch weltweit.

3. Wir brauchen ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, Menschenrechts-verletzungen, Umweltzerstörung und Ausbeutung in ihrem gesamten Wirtschaftskreislauf zu unterbinden. Bei Schäden an Menschen und Umwelt müssen die Verursacher haftbar gemacht werden. Darüber hinaus muss das Gesetzt geeignet sein, die Risiken eines Ausfalls der globalen Lieferketten zu minimieren.

4. Was bedeutet dies für eine verantwortungsvolle sozialdemokratische Politik in Schleswig Holstein?

a. Verbraucher und Verbraucherinnen sollten Entscheidungen für Produkte oder Dienstleistungen nicht nur am Preis ausrichten. Auch Sozial- und Umweltaspekte entlang von Wertschöpfungsketten wollen wir berücksichtigen.

b. Unternehmen und die öffentliche Hand in Schleswig-Holstein tragen Verantwortung dafür, dass sie Produkte und Dienstleistungen an den Markt bringen, die soziale und umweltbezogene Mindeststandards erfüllen. Die öffentliche Hand trägt Verantwortung für ihre Beschaffungsprozesse.

c. Um dieser Verantwortung gerecht werden zu können, bedarf es transparenter Produkt- und Dienstleistungsbeschreibungen, die sozial- und umweltbezügliche Informationen gleichermaßen beinhalten. Wir unterstützen entsprechende Kennzeichnungspflichten von Produkten und Dienstleistungen.

d. Wir wollen alles dafür tun, dass die in Schleswig-Holstein genutzten Rohstoffe wieder und wieder genutzt werden können.