A1: Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung (1996)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Kiel 1996
Bezeichnung: A1
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Überwiesen an Landesvorstand

Diskussionspapier - vorgelegt vom Landesvorstand


Der SPD-Landesparteitag teilt im Grundsatz die im Jugendpolitischen Memorandum und im Programm "Jugend - Beruf — Zukunft" des SPD-Parteivorstands enthaltenen Positionen zur schulischen Bildung und zur beruflichen Aus- und Weiterbildung. Insbesondere gilt dies für einen gerechten Leistungsausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben, der ein geeignetes Mittel ist, um jungen Menschen ein auswahlfähiges Angebot an Ausbildungsplätzen zu gewährleisten.

Schulische Bildung sowie berufliche Erstausbildung und Weiterbildung stehen angesichts der sich abzeichnenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Prozesse sowie technologischer und struktureller Veränderungen zu Anfang des 21. Jahrhunderts vor zentralen Herausforderungen: Industrie, Handel und Dienstleistungen werden sich immer stärker global und arbeitsteilig organisieren, während sich die Informations- und Kommunikationsstruktur weiter verdichtet.

Die "Halbwertzeiten" des Wissens nehmen ab: In der Informations- und Kommunikationsbranche ist nach drei Jahren die Hälfte des Basiswissens veraltet; bis zum Jahre 2010 kommt genauso viel neues Wissen auf uns zu wie in den letzten 2.500 Jahren. Der Bedarf nach Bildung und Qualifikation wird stetig steigen.

Die immer schnelleren technologischen und strukturellen Veränderungen führen in der Berufsausbildung dazu, daß die Begrifflichkeit des "Auslernens" verschwindet. Berufliche Qualifikation läßt sich heute nur durch kontinuierliches lebensbegleitendes Lernen aufrechterhalten. Dabei wird dem selbstorganisierten Lernen ein immer größerer Stellenwert zukommen.

Das bedeutet, daß auch die Ausbildungsmethoden und -verfahren sowohl in der allgemeinen als auch in der beruflichen Bildung an die sich verändernden Bedürfnisse angepaßt werden müssen.

Bildung hat einerseits die persönliche Entwicklung des Menschen zum Ziel, andererseits geht es darum, ihn zur Eingliederung in den Wirtschaftsprozeß zu befähigen. Gerade der zweite Teil des Ziels steht in der Berufsausbildung im Mittelpunkt. Die tiefgreifenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft bringen zunehmend weitergehende Herausforderungen mit sich. Deshalb will die SPD Schleswig-Holstein in einem über den Tag hinausgehenden Diskussionsprozeß über folgende Punkte einen öffentlichen Diskurs führen:

  • Eine Flexibilisierung der Erstausbildung sollte ermöglichen, die Fachrichtung der Ausbildung nach einer Kennenlernphase noch zu wechseln, denn das Abbrechen einer Ausbildung wird damit zu einem Wechsel und von den Jugendlichen nicht mehr als erstes Scheitern in der Arbeitswelt verstanden. (In Dänemark ist ein Wechsel in der Ausbildungsrichtung im ersten Ausbildungsjahr problemlos möglich, weil die Ausbildung mit Schulblöcken beginnt, in denen bereits hohe Praxisanteile eine Erprobung in verschiedenen Fachrichtungen ermöglichen.)
  • Die Erstausbildung und die Weiterbildung müssen enger verzahnt werden, so daß sie dynamischer, flexibler und effizienter werden. Wir müssen darüber diskutieren, ob die Dauer der Erstausbildung nicht verkürzt werden sollte zugunsten der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen sowie der Fähigkeit, "lernen zu lernen". Ein Teil der Erstausbildungszeit könnte gegen garantierte Weiterbildungszeiten im Berufsleben eingetauscht werden, in denen fachliche Inhalte mit hohem Praxisbezug vermittelt werden.
  • Wir wollen über die Erarbeitung eines neuen Generationenvertrages der Ausbildungsfinanzierung im Hochschulbereich sprechen. Dabei sollen verschiedene Finanzierungsmodelle einschließlich besonderer steuerlicher Regelungen für akademisch Ausgebildete ab einem noch festzulegenden Einkommen geprüft werden. Auch ist als Modell ein prämienbegünstigtes Bildungssparen nach dem Vorbild des Vermögensbildungsgesetzes zu diskutieren.

Die Ziele des Memorandums "Jugend — Beruf - Zukunft" müssen auf der Ebene der Schulen, der Betriebe und der Regionen durch geeignete Maßnahmen in praktisches Handeln umgesetzt werden. Unter Bekräftigung des Beschlusses des Landesparteitages vom Februar und Mai 1995 "Bildungspolitik in schwieriger Zeit - Neue Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen Erwartung und Machbarkeit" beschließt der Landesparteitag, folgende Änderungen zum Memorandum "Jugend - Beruf - Zukunft (Stand: Diskussionsentwurf Juli 1996) an den Bundesparteitag der SPD weiterzuleiten:


S. 16

  1. ergänze nach 70:
    • Jugendliche ohne Hauptschulabschluß sollen nach dem ersten Ausbildungsjahr in einem anerkannten Ausbildungsberuf diesen automatisch erhalten.
    • Der zusammen mit der erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung erworbene mittlere Abschluß soll in allen Bundesländern anerkannt werden.
  2. statt 72 setze:
    • Die informationstechnische Ausrüstung der Schulen muß so schnell wie möglich aktualisiert werden. So sollte es in jeder Schule eine Computerbibliothek zur Nutzung durch die Schülerinnen und Schüler geben.

S. 17

  1. ergänze zu 83:
    • Deshalb fordern wir die Drittelparität in der Schulkonferenz.
  2. ergänze zu 86:
    • Häuser des Lernens müssen auch breiten Raum zur freien Entfaltung von Kreativpotential bieten.
  3. ergänze nach 86:
    • Im Sinne einer ganzheitlichen Bildung, die das Denken in komplexen Zusammenhängen zum Ziel hat, muß in die Lehrpläne auch Umweltbildung aufgenommen werden. Dabei sollen nicht nur das Verständnis für ökologische Prozesse und die damit zusammenhängenden Probleme, sondern auch die Methoden nachhaltigen Wirtschaftens vermittelt werden. Durch ihren hohen Praxisbezug stellt die Umweltbildung gleichzeitig eine Brücke zwischen schulischer und beruflicher Bildung dar.

S. 18

  • ergänze nach 90:
    • Für Lehrer an allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen sind regelmäßige Betriebspraktika verbindlich vorzusehen. Bereits in der Lehrerausbildung müssen verstärkt Kooperationsformen mit der Wirtschaft entwickelt werden, um frühzeitig Entwicklungen in den Unternehmen wahrnehmen und in die Ausbildung miteinbeziehen zu können.
      Das Berufsschullehrerstudium ist attraktiver zu machen und aufzuwerten. Im Mittelpunkt einer Überarbeitung der Studieninhalte sollen die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen und die Teamerausbildung der Lehrer stehen.

S. 18

  • ergänze zu 93:
    • Deshalb müssen auch überbetriebliche Ausbildungsstellen betriebliche Anteile sicherstellen.

S. 20

  • ergänze nach 105:
    • In der Berufsausbildung ist eine zeitliche, curriculare und methodisch-didaktische Differenzierung

erforderlich, die je nach Eingangsvoraussetzung zusätzliche Lernangebote zur Vertiefung bereithält. Die Binnendifferenzierung soll sowohl den höher Qualifizierten zugute kommen als auch der stärkeren Förderung von benachteiligten, lernschwachen Jugendlichen dienen. Sie müssen im Rahmen ihrer Fähigkeiten gleichberechtigten Zugang zu Bildung bekommen. Die methodischen Vorteile der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien für den Unterricht dieser Jugendlichen müssen genutzt werden.

  • zu 106:
    • Ein modularer Aufbau der Ausbildung bei möglichst hoher Kompatibilität der Module kann die Durchlässigkeit zum nächst höheren Bildungsgang erleichtern: Ziel ist ein integratives Bildungssystem im dualen Verbund, das sowohl die beruflich-betriebliche Option als auch die Option Hochschulzugang auf allen Stufen offenhält.

S. 20

  • nach 106:
    • Die Besoldungsstruktur im öffentlichen Dienst sollte von der Gleichwertigkeit ausgehen und Fachhochschulabsolventen leistungsbezogene Aufstiegschancen ermöglichen.
  • zu 108:
    • Insbesondere brauchen wir eine bundeseinheitliche Regelung der Zugangsvoraussetzungen zum Hochschulstudium für die Absolventen einer Berufsausbildung. Teilzeitstudiengänge während des Berufslebens müssen ermöglicht werden.
  • nach 109:
    • Die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung muß sich in der Besoldungsstruktur des öffentlichen Dienstes widerspiegeln und Fachhochschulabsolventen leistungsbezogene Aufstiegschancen ermöglichen.
  • von 110 neue Überschrift:
    • Neue Berufsbilder zügig entwickeln - bestehende zügig aktualisieren
  • nach 110:
    • Berufsbilder und Ausbildungsordnungen müssen zügiger überarbeitet werden. Hierzu sind nach den Sozialpartnern ständige Berufsfachkommissionen einzurichten, die kontinuierlich die Entwicklung in dem jeweiligen Berufsfeld beobachten, bewerten und hieraus die notwendigen Veränderungsbedarfe beraten und dementsprechende Umsetzungen regeln.
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