B1: Das vereinigte Deutschland und seine Rolle in den Vereinten Nationen (1991)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Lübeck/Travemünde 1991
Bezeichnung: B1
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


I. Unser Ziel ist eine dauerhafte Weltfriedensordnung. Sie kann nur von der Völkergemeinschaft selber geschaffen werden. Unser Ziel ist es, eine Krisen vorbeugende, gewaltfreie Weltinnenpolitik zu ermöglichen, die

  • mithilft, soziale Gerechtigkeit im Weltmaßstab zu verwirklichen;
  • Konflikte frühzeitig erkennt und an der Beseitigung ihrer Ursachen arbeitet, bevor Konflikte militärisch eskalieren;
  • nach Stärkung ihrer Handlungsmöglichkeiten alleine legitimiert ist, Zwangsmaßnahmen gegen Teile der Staatengemeinschaft auszuüben.

Jede internationale Politik muß auf der Ächtung des Krieges basieren, wie sie die Charta der Vereinten Nationen postuliert.

Deutschland, das selbst die Welt mit zwei Kriegen überzogen und erst durch die Gunst der Entspannungspolitik und durch die den ehemaligen Eisernen Vorhang überschreitende Völkerverständigung seine Einheit und volle Souveränität zurückerhalten hat, muß aus seiner historischen Verantwortung in dem notwendigen künftigen Friedensprozeß eine besondere Rolle spielen:

Von deutschem Boden darf und wird nie wieder ein Krieg ausgehen.


II. Eine stärkere Rolle der UNO ist durch die Überwindung des Ost-West-Konflikts möglich geworden. Die Reform der UNO muß historische Erfahrungen seit ihrer Gründung aufnehmen und Instrumente schaffen, Kriege auch als letztes Mittel der Politik auszuschließen. Sie muß die Erfahrung einbeziehen, daß alle Völker auf einer immer enger werdenden Erde aufeinander angewiesen sind und Sicherheit nur gemeinsam gewährleistet werden kann.

Einen "gerechten" Krieg, wenn es ihn denn je gegeben hat, gibt es spätestens im Zeitalter der Massenvernichtungswaffen nicht mehr.

  1. Die Europäische Gemeinschaft sollte ihre Interessen gemeinsam im Sicherheitsrat vertreten. Solange eine solche Vertretung nicht möglich ist, sollten die Mitgliedsstaaten der EG wechselnd die Positionen der Gemeinschaft vertreten.
  2. Zur Konfliktvermeidung und zur Vermeidung der Anwendung von Gewalt muß die Rolle des Internationalen Gerichtshofs gestärkt werden. Die UNO muß das Mandat und die Machtmittel erhalten Urteile des IGH durchzusetzen.
  3. Die UNO muß die Zuständigkeit für die Kontrolle von Rüstungsproduktion und Rüstungsexport erhalten. Kurzfristig sind für alle Länder Rüstungsobergrenzen festzulegen, und Ziel ist es, eine Welt ohne Waffen durchzusetzen.
  4. Der wachsenden Bedeutung der sogenannten Dritten Welt muß eine neue Zusammensetzung des Sicherheitsrates entsprechen, die auch die Vertretung der afrikanischen, südamerikanischen und (neben China) asiatischen Staaten vorsieht.
  5. Die UNO verwaltet einen Sonderfonds aus Beiträgen der entwickelten Länder zur Bekämpfung sozialer und ökonomischer Ursachen von Konflikten.
  6. Die UNO organisiert eine Gruppe von erfahrenen Politikern und Politikerinnen, die nicht mehr selbst aktiv sind, zum vorbeugenden Konflikt-Management (diplomatische Einsatzgruppe).
  7. Die UNO stellt ein Friedenscorps auf, das zur humanitären Hilfe, zum Katastrophenschutz und zur Kriegsfolgenbeseitigung eingesetzt werden kann.
  8. Alle Mitgliedsstaaten erhalten die gleichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte; das heißt: Abschaffung des Vetorechts einzelner.


III. Solange die UNO nicht reformiert ist, gelten für die Haltung der SPD zur Rolle Deutschlands in den Vereinten Nationen folgende Grundsätze:

  1. Politische Lösungen haben Vorrang vor Gewalt. Die Politik der UNO muß deshalb stets darauf gerichtet sein, Konflikte zu vermeiden. Kontrollierte Abrüstung, Entwicklung der benachteiligten Weltregionen, internationaler Umweltschutz, interkultureller Dialog sind konfliktvermeidende Aufgaben der UNO.
  2. Die westlichen Industriestaaten können durch wirtschaftliche Hilfe und durch die Entwicklung einer fairen Weltwirtschaftsordnung, aber auch durch tatkräftiges Eintreten für Demokratie und soziale Gerechtigkeit dazu beitragen, daß Konflikte in anderen Regionen vermieden werden.
  3. Die Nichtweitergabe von militärischem Know-how, Kriegswaffen und Rüstungsgütern muß in unserer Sicherheitspolitik erste Priorität erhalten. Ein Verbot des Rüstungsexports in Staaten außerhalb des eigenen Sicherheitssysteme gehört ins Grundgesetz. In der EG müssen wir uns dafür einsetzen, daß endlich gemeinsame Restriktionen des Rüstungsexports vereinbart werden. Verstöße gegen Rüstungs-Exportverbote sind als Verbrechen zu ahnden. Schrittweise im Fortgang der weltweiten Entspannung wird die Rüstungsforschung abgebaut und die Rüstungsproduktion umgestellt auf zivile Güter.
  4. Wir treten für ein grundgesetzliches Verbot von Herstellung, Verbreitung, Lagerung, Transport und Verfügbarkeit von ABO-Waffen auf deutschem Boden ein.


IV. Wir halten fest an der Grundsatzentscheidung unserer Verfassung: Der Einsatz der Bundeswehr ist nur zur Verteidigung zulässig.

  1. Die NATO ist ein strikt defensives Bündnis, dessen militärische Mittel auf ihr regional begrenztes Territorium beschränkt sind.
  2. Der Einsatz von Bundeswehreinheiten „out of area“ ist unzulässig.
  3. Das Bundesgebiet und die Bundeswehr dürfen nicht in militärische Konflikte außerhalb des NATO-Vertragsgebietes hineingezogen werden. Solche Verwicklungen können sich aus der Doppelfunktion von Stationierungstruppen - als NATO-Verbände und als dem nationalen Befehl unterstehende Verbände - ergeben. Es muß daher strikt darauf geachtet werden, daß zivile oder militärische Einrichtungen in der Bundesrepublik nur mit der ausdrücklichen Zustimmung der Bundesregierung für "Out-of—area"— Operationen genutzt werden.
  4. Auf dem Weg zur europäischen Union sind wir für eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Europäische Streitkräfte dürfen aber nicht zu einem Vehikel werden, am Grundgesetz vorbei den Einsatz von Bundeswehreinheiten außerhalb des NATO-Vertragsgebietes oder des Gebietes eines künftigen europäischen Sicherheitssystems zu ermöglichen.


V. Wir lehnen aber unter den gegenwärtigen Bedingungen auch die Beteiligung an einer "UN—Weltpolizei" durch Einheiten deutscher Berufssoldaten ab, wie sie zur Zeit in der SPD diskutiert wird. Wir wenden uns gegen jede Ausweitung des Einsatzes der Bundeswehr, auch im Rahmen der sogenannten UN-Friedenstruppen. Wir fordern: keine Gesetzesänderung über den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland!