B1: Wahlprogramm - Entwurf (1994): Unterschied zwischen den Versionen

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===Mit der Gleichstellung ernstmachen===
===Mit der Gleichstellung ernstmachen===
In der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ist die Gleichstellung der Geschlechter in Beruf, Gesellschaft und öffentlichem Dienst noch immer nicht erreicht.
Die SPD wird deshalb ein Gleichstellungsgesetz vorlegen, das Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft umfaßt. Neben dem Verbot geschlechtsspezifischer Benachteiligungen bei Einstellungen, Beförderungen, Zeiten der Kindererziehung und Betreuung pflegebedürftiger Personen ist das Verbot sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und die Vergabe einer qualifikationsbezogenen Quote bei Einstellung und Beförderung unabdingbar.
Bezahlte Erwerbsarbeit ist Grundlage für eigenes Einkommen und die Voraussetzung für lückenlose soziale Sicherung von Frauen. Partnerschaftliche Arbeitsteilung in Familie und Beruf ermöglicht, daß neben ausreichenden Kinderbetreuungseinrichtungen, der Ganztagsschule als Regelschule, familiengerechten und flexiblen Arbeitszeiten kontinuierliche Erwerbsarbeit zu eigenen Rentenansprüchen führt. Über eine Grundrente muß gewährleistet sein, daß Altersarmut und materielle Notzeiten wegen Familien- bzw. Kindererziehungsarbeit für Frauen nicht mehr eintritt. Wir streben eine eigenständige Alterssicherung für alle Frauen an. Die SoziaIversicherungsfreiheit von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen muß abgeschafft werden. Wir wollen ein Staatsziel Frauenförderung im Grundgesetz verankern.
===Mehr soziale Gerechtigkeit durchsetzen===
===Mehr soziale Gerechtigkeit durchsetzen===
===Verantwortung für die eine Welt übernehmen===
===Verantwortung für die eine Welt übernehmen===

Version vom 20. August 2013, 13:27 Uhr

Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Eckernförde 1994
Bezeichnung: B1
Antragsteller: Nicht aufgeführt


Beschluss: Angenommen und Überwiesen an Bundesparteitag


(Beschluss: Annahme und Weiterleitung an den Bundesparteitag in Halle am 22. Juni 1994.)

Wahlprogramm - Entwurf

Unser Land steckt in der tiefsten finanzpolitischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. 12 Jahre Regierung Helmut Kohl haben den sozialen Konsens zwischen den Gruppen beschädigt, große Teile der Bevölkerung ausgegrenzt, die notwendige Modernisierung unserer Volkswirtschaft verhindert, zweifelhafte außenpolitische Abenteuer gefördert und die Erkenntnisse über die Grenzen des "Wohlstandsmodells" der Industrieländer unbeachtet gelassen. Es ist an der Zeit, in der Politik in Bonn einen neuen Anfang zu machen.

Die SPD Schleswig—Holstein will sich mit den folgenden Schwerpunkten in die Diskussion zum Bundestagwahlprogramm einschalten. Die Neuorientierung der Programmatik der Partei, die sich in den Beschlüssen des Wiesbadener Parteitags wiederfindet, muß fortgesetzt werden.

Wir brauchen ein überzeugendes Programm, das die ökologische und soziale Modernisierung unserer Volkswirtschaft vorantreibt, das allen Menschen Arbeitsplätze sichert, die am Erwerbsleben teilhaben wollen, das wieder mehr soziale Gerechtigkeit herstellt, das gleichzeitig die finanzielle Fähigkeit des Staates zur Mitgestaltung erhält und das schließlich auch die wachsende Verantwortung Deutschlands für die friedliche Entwicklung in der einen Welt dokumentiert.

Arbeit für alle

Wir brauchen eine umfassende soziale und ökologische Modernisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Wohlstand, Arbeitsplätze und soziale Sicherheit können nur dann dauerhaft gesichert werden, wenn die deutsche Wirtschaft leistungsfähig und international wettbewerbsfähig ist und zugleich im Rahmen der nationalen Möglichkeiten auf eine dauerhafte Entwicklung hin orientiert wird.

Die Qualität des Wirtschaftsstandorts Deutschland ist nicht in erster Linie abhängig von Lohnkosten und den Kosten der sozialen Sicherungssysteme, sondern vor allem von Forschung und Entwicklung für zukunftsorientierte Produkte, von der Qualifikation der Beschäftigten, von Sicherung und Ausbau der Infrastrukturen, der Qualität der öffentlichen Verwaltungen, einer Reform des Managements in den Unternehmen unter stärkerer Beteiligung der Arbeitnehmer.

Unsere Volkswirtschaft wird nur dann dauerhaft Arbeit und Einkommen sichern können, wenn wir sie nach den vorhandenen ökologischen Erkenntnissen umbauen. Dieser Umbau erfordert die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Förderung neuer Produkte, den sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen, die Effizienzsteigerung beim Einsatz von Energie und Rohstoffen, die Umweltverträglichkeit von Verfahren und Produkten, die Verringerung des Mobilitätsaufwands, die Verlängerung der Nutzungsdauer und die Orientierung von Produkten und Verbrauch an einer möglichst weitgehenden Kreislaufwirtschaft.

Mit einer "gesamtdeutschen Strategie für Modernisierung, Beschäftigung und umweltverträgliches Wachstum" wollen wir kurzfristig Rezession und Massenarbeitslosigkeit bekämpfen. Die vorgesehenen Maßnahmen sind zugleich auch strukturelle Reformen für die Modernisierung der Volkswirtschaft und die Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit.

Eine europäische oder gar weltweite Spirale des Lohn- und Sozialdumpings gefährdet die Absatzchancen für die Zukunft und muß durch eine moderne nationale und europäisch koordinierte Wirtschafts—, Finanz-, Geld- und Zinspolitik aufgefangen und in eine aktive europäische Beschäftigungspolitik umgewandelt werden. die notwendige nationale Stabilisierungspolitik muß europaweit abgesichert bzw. durch gleichgerichtete Maßnahmen anderer europäischer Regierungen verstärkt werden.

Diese Strategie muß zur wirksamen Bekämpfung der seit 20 Jahren bestehenden Massenarbeitslosigkeit mit weiteren und vielfältigen Formen der Arbeitszeitverkürzung verbunden werden.

  1. Die SPD wird unverzüglich ein "Zukunftsinvestitionsprogramm" starten, das folgende Schwerpunkte enthalten soll:
    • Die Förderung von umweltverträglichen Technologien mit der Konzentration auf Stoffeffizienz, Abfall- und Immissionsvermeidung,
    • die Förderung von Zukunftstechnologien wie Optoelektronik, Biotechnik (mit Ausnahme der Gentechnik) und Mikrosystemtechnik,
    • die Förderung von neuen umwelt- und gesundheitsverträglichen Werkstoffen,
    • die Förderung eines ökologischen Verkehrssystems, insbesondere des schienengebundenen Nah- und Fernverkehrs,
    • die Förderung einer ökologischen Energiewirtschaft, insbesondere der Solarenergie und anderer regenerativer Energien,
    • die Förderung einer sozial verträglichen Kommunikationswirtschaft,
    • die Ausweitung der Städte- und Wohnungsbauförderung,
    • die Unterstützung von gesundheits- und arbeitsschutzfördernden, beteiligungsorientierten Produktions- und Arbeitsabläufen.
    • der Ausbau der sozialen Infrastruktur, insbesondere im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen
  2. Die SPD wird eine intelligentere und gerechtere Verteilung der Arbeit fördern. Sie wird durch die Weiterentwicklung des Arbeitsförderungsgesetzes zu einem Arbeits- und Strukturförderungsgesetz (ASFG) die Möglichkeiten der Bildung von Beschäftigungsgesellschaften verbessern, deren Aufgabe es sein wird, gesellschaftlich notwendige Arbeiten zu übernehmen und gleichzeitig Qualifikationen für den ersten Arbeitsmarkt zu sichern. Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit bezahlen. Aktive Arbeitsmarktpolitik muß verknüpft werden mit beschäftigungspolitischer Strukturpolitik und regionalen Entwicklungs- und Handlungs-konzepten unter besonderer Berücksichtigung der hohen Arbeitslosenquote von Frauen.
    Die SPD wird einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt nicht als Instrument benutzen, Löhne und Tarife zu drücken oder zu umgehen. Die Koppelung von Lohnkostenzuschüssen an untertarifliche Bezahlung werden wir abschaffen.
  3. Die SPD will eine Investitionsoffensive für mehr Arbeitsplätze auch durch gezielte steuerliche Fördermaßnahmen für private Investitionen in Zukunftsbereichen.
  4. Wir werden ein zukunftsgerichtetes Konzept zur Sicherung maritimer Industriestandorte und Industriezweige sowie zur aktiven Schiffahrtspolitik in Abstimmung mit den norddeutschen Bundesländern vorlegen.
    Die Wettbewerbshilfe für den Schiffbau wird in Abstimmung mit der EG (bisher auf der Basis der 7. EG-Schiffbaurichtlinie) fortgeführt.
  5. Die SPD will eine ökologische Steuerreform durchsetzen, die Innovationen in der Wirtschaft fördert, indem sie umweltschädliches Verhalten schrittweise verteuert und so an die "ökologische Wahrheit" heranführt. Durch die Einführung einer allgemeinen Energiesteuer sollen ökologisch wichtige Investitionen finanzierbar gemacht und der Faktor Arbeit entlastet werden.
  6. Für behinderte und schwerstbehinderte Mitbürgerinnen und Mitbürger muß die Teilahme am Erwerbsleben möglich sein. Die Schaffung von Arbeitsplätzen für Behinderte entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ist für die SPD ein besonderes Ziel. Dies soll unter anderem durch eine deutliche Anhebung der Ausgleichsabgabe erreicht werden.
    Wir werden uns für die Gleichstellung behinderter Menschen einsetzen und unsere Bemühungen verstärken, Integration in allen Lebensbereichen zu verwirklichen.
    Dafür muß die Gestaltung des Lebensumfeldes an den Bedürfnissen ausgerichtet werden. Wir werden eine behindertenpolitische Konzeption vorlegen, die die Behinderung nicht als Privatangelegenheit der Betroffenen ansieht, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
  7. Die SPD will den Faktor Arbeit außerdem durch eine verstärkte Steuerfinanzierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik, durch eine gezielte Senkung der Steuerbelastung kleinerer Einkommen und durch eine Reform des sozial ungerechten Familienausgleichs entlasten. Beamte, Freiberufler, Abgeordnete, Minister und Ministerinnen sollen zu einer Arbeitsmarktabgabe herangezogen werden, soweit und solange die Arbeitsmarktpolitik aus Beitragsmitteln der Bundesanstalt für Arbeit finanziert wird. Die SPD wird das Schlechtwettergeld wieder einführen und die letzten Kürzungen von Arbeitslosengeld und -hilfe zurücknehmen.
  8. Die SPD strebt eine leistungsfähigere Organisation der öffentlichen Verwaltung an. Sie wird das öffentliche Dienstrecht vereinheitlichen, leistungsgerechtere und leistungsfördernde Personal- und Entlohungsstrukturen schaffen, die Planungs- und Genehmigungsverfahren ohne Beeinträchtigung von Bürgerbeteiligung bzw. Umwelt- und Sicherheitsstandards straffen und den Anteil der Beamten im öffentlichen Dienst schrittweise auf die hoheitlichen Funktionen zurückführen. Sie wird im Beamtenrecht Möglichkeiten bieten, um im öffentlichen Dienst Modelle einer flexibleren Wochen—, Jahres- und Lebensarbeitszeit zu erproben. Dies würde auch neue Chancen für die Einstellung von Junglehrern durch die Länder öffnen.
  9. Wir wollen ein Bundesverbrauchergesetz, das den Verbraucherschutz als Pflichtaufgabe des Staates festlegt, eine vorbeugende Verbraucherpolitik definiert, die zuständigen Organisationen beschreibt, die Finanzierung der Beratung sicherstellt und den Zugang der Verbraucher zum Recht erleichtert.

Wohnen als Grundbedürfnis sichern

Die Bundesregierung hinterläßt im Bereich der Wohnungspolitik ein Trümmerfeld. Jahrelange Untätigkeit, falsche Förderpolitik zugunsten von Luxussanierung und zu Lasten von Neubauten und zunehmender finanzieller Rückzug aus der Wohungsbauförderung haben dazu geführt,

  • daß in der Bundesrepublik 2,5 Mio. Wohnungen fehlen,
  • daß es in der Bundesrepublik über 1 Mio. Obdachlose gibt.

Gleichzeitig versperrt die Bundesregierung durch Nichtanhebung der Einkommensgrenzen seit 1983 für viele Arbeitnehmerfamilien den Zugang zum sozialen Wohnungsbau. Wenn hier nicht schnellstens Abhilfe geschaffen wird, droht insbesondere in vielen Städten eine Verslumung ganzer Wohngebiete. Durch Wohnungsnot und Obdachlosigkeit hat die Bundesregierung einen sozialen Sprengstoff gelegt, der die Betroffenen oft in eine Verweigerungshaltung oder schlimmer noch in die Arme rechtsradikaler Kräfte treibt.

Wir wollen 550 000 Wohnungen pro Jahr bauen, davon

  • 200 000 Sozialwohnungen,
  • 170 000 Eigenheime,
  • 180 000 freifinanzierte Wohnungen.

Wir wollen die öffentlichen Finanzmittel umschichten, weg von der Luxussanierung und der überproportionalen Förderung der wohlhabenden Bevölkerungsschichten insbesondere beim Bestandkauf zugunsten der Förderung von Neubauten. Wir wollen das selbstgenutzte Wohnungseigentum gezielt für mittlere Einkommen fördern, die ohne öffentliche Förderung die Schwelle zum eigenen Haus nicht überschreiten könnten. Die Förderung soll durch einkommensunabhängigen Steuerabzug erfolgen, d. h., daß u. U. Förderbeträge auch ausgezahlt werden können, wenn die Erstattung die Steuerschuld übersteigt.

Wir wollen durch Entrümpelung der Bauvorschriften, Verwaltungsvereinfachung und Stärkung der Eigenverantwortlichkeit von Bauherren und Planern den Wohnungsbau effizienter, schneller und preiswerter machen.

Die Umwelt erhalten

Die Situation der Umwelt, vom Trinkwasser über Boden, Naturschutz und Artenvielfalt bis hin zum Klima, hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verschlechtert. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist deshalb künftig eine Querschnittsaufgabe für alle Bereiche der Politik, Umweltschutz darf nicht mehr - wie bisher - am Ende von Produktion und Konsum ansetzen. Ökologische Ziele müssen vielmehr unmittelbar in der Entwicklung und Gestaltung der Produkte berücksichtigt werden. Wir brauchen eine "Umweltpolitik der neuen Generation", um den Industrie— und Lebensstandort Deutschland zu sichern und zu verbessern.

  1. Die SPD will das Ordnungs- und Genehmigungsrecht reformieren, um schneller Chancen für neue Produkte und Produktionsverfahren zu öffnen. Die Umweltgesetze sollen in einem Umweltgesetzbuch zusammengefaßt werden. Zu den möglichen Ordnungsmaßnahmen gehören ein Ausbau der Produzentenhaftung mit Umkehr der Beweislast sowie die Befristung von Genehmigungen.
  2. Die SPD will eine Energiepolitik mit den Schwerpunkten Energieeinsparung, Effizienzsteigerung und Einsatz von regenerativen Energien. Die Energiepreise müssen zur Erreichung dieser Ziele schrittweise an die wirklichen Kosten herangeführt werden. Wir werden ein neues Energiegesetz vorlegen, das Energiesparen, Ressourcenschonung und Umweltschutz als zentrale Ziele festlegt und die Kommunen zum Hauptträger einer dezentralen und ökologischen Energieversorgung macht.
  3. Wir halten an dem Ziel des Ausstiegs aus der Kernenergie fest. Wir werden dazu die Weichen stellen, indem wir das Atomgesetz durch ein fortentwickeltes Kernenergieabwicklungsgesetz ersetzen. Wir wollen die Entsorgung des radioaktiven Abfalls lösen. Dafür lehnen wir die Wiederaufarbeitung als zu gefährlich und zu teuer ab und treten für die direkte Endlagerung ein.
  4. Die SPD will dem Zusammenhang von Umwelt und Gesundheit größere Aufmerksamkeit widmen, insbesondere mit Blick auf Kinder.
    Die Grenzwerte für Schadstoffbelastungen in Luft, Boden, Wasser und Nahrungsmitteln müssen auf ein Niveau gesenkt werden, das sich an der höheren Empfindlichkeit des kindlichen Organismus orientiert.
    Die SPD wird ein langfristig angesetztes Moratorium für jegliche Freisetzung gentechnisch manipulierter Organismen durchsetzen. Jedes Forschungsvorhaben im Rahmen der Gentechnologie muß gleichrangig von Risikoforschung begleitet werden. Es ist einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen und offenzulegen.
    Gentechnisch manipulierte Lebensmittel sind zu kennzeichnen.
  5. Die SPD will die Konvention des UNO-Umweltgipfels zur ökologischen Artenvielfalt voll umsetzen. Wir werden ein modernes Bundesnaturschutzgesetz und Artenschutzrecht durchsetzen und entsprechende Vorschläge auf europäischer Ebene einbringen. Auch in dem Zusammenhang wollen wir eine flächendeckende Landwirtschaft, die ökologisch verträglich wirtschaftet. Wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen, daß eine Ökologisierung der europäischen Landwirtschaft mit allen zur Verfügung stehenden Instrumenten schnell vorangetrieben wird, und werden für die deutsche Umsetzung dieser Ziele das Gesetz zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes in diesem Sinne ändern. Es muß sichergestellt werden, daß Biobetriebe nicht gegenüber konventionellen Betrieben benachteiligt werden.
  6. Die SPD will Umweltbildung und Umweltwissenschaften in allen Bereichen des Bildungssystems fördern, um die Menschen besser in die Lage zu versetzen, umweltgerecht zu handeln und umweltgerechte wirtschaftliche und politische Entscheidungen voranzutreiben.

Den Straßenverkehr reduzieren

Der in der Europäischen Union prognostizierte Zuwachs an Güter- und Personenfernverkehr wird in kurzer Zeit zu einem "Verkehrsinfarkt" führen. In den nächsten Jahren müssen deshalb erste Schritte zu einer umfassenden Verkehrsvermeidung und zur Verlagerung des Straßenverkehrs auf andere Verkehrsträger unternommen werden. Die

SPD strebt eine integrierte umwelt-, soziaI- und finanzverträgliche Arbeitsteilung von Schiene, Straße und Wasserverkehr und einen verbesserten Ausbau der Schnittstellen zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern an. Dabei muß der Ausbau des Schienennetzes Vorrang haben.

Die SPD lehnt den Bau einer Referenzstrecke für den "Transrapid" zwischen Hamburg und Berlin aus verkehrspolitischen, wirtschaftlichen und ökologischen Gründen ab. Der "Transrapid" ist nur für einen Transport von Personen zwischen Ballungsräumen und nicht zur Erschließung der Fläche geeignet. Die Beteiligung der Deutschen Bahn AG an der geplanten Gesellschaft würde finanzielle Umschichtungen zu Lasten dringend erforderlicher Investitionen beim herkömmlichen Schienenverkehr bedeuten.

Um die Unfallgefahr und den Schadstoffausstoß zu verringern, wollen wir auf Bundesstraßen und Autobahnen ein Tempolimit von 90 km/h bzw. 120 km/h einführen.

Um die Lebensqualität in den Städten und Gemeinden zu erhalten, ist eine weitgehende Verkehrsberuhigung in Wohngebieten auf Tempo 30 erforderlich. Die Betroffenen sind bei der Planung zu beteiligen.

Bildung und Wissenschaft wieder ausbauen

Bildung, Forschung und Kultur müssen in der Politik wieder den Stellenwert erhalten, der ihnen in einer zukunftsfähigen Gesellschaft gebührt. Die SPD will deshalb den Anteil der Bildungs- und Wissenschaftsausgaben am Bruttosozialprodukt wieder angemessen anheben. Wir wollen gleichzeitig notwendige Strukturreformen in Bildung und Wissenschaft einleiten.

  1. Die Bildungspolitik von Bund und Ländern muß wieder besser miteinander verzahnt werden. Wir wollen die Bund-Länder- Kommission (BLK) für Bildungsplanung und Forschungsförderung aktivieren und als "Ideenbörse" einen neuen Bildungsrat schaffen.
  2. Die Berufsausbildung im dualen System als erste Ausbildung für die Mehrheit der Jugendlichen muß durch eine Modernisierung des Berufsbildungsgesetzes zukunftsfest gemacht werden. Für benachteiligte Jugendliche und Erwachsene brauchen wir einen Ausbau der Förderung. Mit modernen überbetrieblichen Ausbildungsstätten muß die Möglichkeit der Ausbildung und Weiterbildung in Klein- und Mittelbetrieben gestärkt werden. Dabei ist verstärkt auf die Förderung des Zugangs iunger Frauen in gewerblich-technischen Berufen zu achten. Die SPD wird Betriebe, die sich nicht angemessen an der Berufsausbildung beteiligen, zu einer Umlagefinanzierung heranziehen.
  3. Die Weiterbildung muß endlich zur "vierten Säule" des Bildungssystems werden. Wir brauchen ein Arbeitsförderungsgesetz, das als wirksames Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik den aktuellen Bedürfnissen der präventiven beruflichen Weiterbildung und der Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen entspricht. Zur Freistellung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen für Maßnahmen der beruflichen, allgemeinen und politischen Weiterbildung wollen wir eine bundesgesetzliche Regelung schaffen.
  4. Unser Hochschulsystem muß auch durch die Bereitstellung ausreichender Haushaltsmittel für den Hochschulbau durch den Bund weiter ausgebaut werden. Wir wollen auch künftig auf Studiengebühren verzichten und zu einer Ausbildungsförderung zurückkehren, die chancengleiches Studieren von Kindern aus einkommensschwachen Familien ermöglicht. Die SPD will die Ausbildungsförderung für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II wieder einführen. Wir wollen auch über das Hochschulrahmengesetz eine Reform des Hochschulsystems vorantreiben, die die Bereiche Studium, Selbstverwaltung und Hochschulverwaltung umfaßt und die Mitbestimmung der Gruppen ausbaut. Wir wollen die gesetzliche Verankerung der verfaßten Studentenschaft. Wir wollen schließlich Schwerpunkte beim Ausbau der Fachhochschulen setzen und die Aufwertung ihrer Abschlüsse vorantreiben.
  5. Wir wollen in der Forschung neue Schwerpunkte in Richtung Umweltforschung und Umwelttechnik zu Lasten von bemannter Raumfahrt, Kernenergieforschung und Gentechnik setzen. In der Energieforschung müssen die Bereiche umweltfreundliche Energieumwandlung, rationelle Energieverwendung, regenerative Energien und Energiespeichertechnik ausgebaut werden. Wir streben ein Förderprogramm für ein ökologisch verträgliches Auto an, das der Entwicklung neuer Treibstoffe, neuer Motoren und dem Einsatz neuer Materialien dient.
  6. Wir wollen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben fördern, mit denen angepaßte Technologien für die Dritte Welt geschaffen werden. Um angesichts zunehmender Auseinandersetzungen in der Welt friedliche Lösungskonzepte zu entwickeln, brauchen wir eine verstärkte Friedens- und Konfliktforschung.

Die Gesundheitsvorsorge ausbauen

Die unter Mitwirkung der SPD 1993 verabschiedete Gesundheitsreform muß fortgesetzt und ausgebaut werden. Dabei darf es nicht um Leistungskürzungen gehen, sondern um die Nutzung von Wirtschaftlichkeitsreserven. Wir wollen in ieder Region eine regionale Gesundheitskonferenz einrichten, die durch eine Vernetzung ambulanter und stationärer Versorgungsangebote unter Einbindung aller Träger die Gesundheitspolitik gestaltet.

In der nächsten Phase der Gesundheitsreform wollen wir gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, um die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme zu erhalten. Präventions— und Beratungsangebote werden als Regelleistung im Sinne einer vorbeugenden Gesundheitspolitik integriert. Wir wollen die Versicherungspflichtgrenze anheben, das Personal besser aus- und fortbilden und die Zusammenarbeit zwischen die verschiedenen Gesundheitsberufen stärken .

Mehr innere Sicherheit schaffen

In den 12 Jahren nach der "geistig-moralischen Wende" sind in der Bundesrepublik Kriminalität, Gewalt und Rechtsextremismus ständig gestiegen. Das Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung wächst. Maßgebliche Schuld daran trägt die Politik der sozialen Kälte und Entsolidarisierung, die von der Bonner Koalition betrieben worden ist.

Die SPD will eine wirksame Politik für den inneren Frieden.

  1. Eine intensivere Gesundheits—, Familien- und Sozialarbeit ist für den inneren Frieden genauso nötig wie eine bessere Wohnungspolitik und mehr lntegrationsangebote an ausländische Bürgerinnen und Bürger. Wir müssen weg von der Ellenbogengesellschaft hin zu einer Politik der Solidarität, die soziales Lernen und friedliche Konfliktbewältigung vermittelt.
  2. Wir wollen mehr technische Mittel zur Kriminalitätsverhütung nutzen wie Diebstahlsicherungen an Autos und Fahrrädern und Maßnahmen, die den Zugang zu Wohnungen erschweren.
  3. Wir sehen in der Beratung und im Schutz der Opfer von Straftaten eine staatliche Aufgabe.
  4. Wir brauchen eine moderne, gut ausgebildete und bürgernahe Polizei. Der Schutz vor Verbrechen darf nicht zum Privileg der Reichen werden. Private Sicherheitsdienste müssen das staatliche Gewaltmonopol respektieren und sollen sich auf den Eigentumsschutz im Rahmen des Hausrechts beschränken. Wir lehnen Bürgerwehren entschieden ab.
  5. Mehr Therapie und ausreichende kontrollierte Substitutionsangebote können das Abgleiten in Beschaffungskriminalität und Prostitution verändern. Suchtkranke brauchen Hilfe statt Strafe. Den Dealern und der organisierten Drogenmafia muß das Handwerk gelegt werden.
  6. Rauschgift- und Menschenhandel, illegaler Rüstungsexport, Waffenschmuggel, Müll- und Nuklearkriminalität dürfen sich nicht mehr finanziell lohnen. Deshalb wollen wir ein Verfahren einführen, bei dem Vermögen, das mutmaßlich unrechtmäßig erworben wurde, eingezogen werden kann.
    Bei besonders schweren Straftaten soll unter bestimmten, eng eingegrenzten Bedingungen auch elektronische Überwachung - also das Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen - möglich sein. Wir werden dafür sorgen, daß dieses Mittel wirklich nur als allerletzte Möglichkeit eingesetzt werden darf, wenn andere Methoden der Verbrechensbekämpfung nicht ausreichen, daß es nur nach Genehmigung durch ein Kollegialgericht und unter parlamentarischer Kontrolle angewendet wird. Wir wollen gleichzeitig den schon heute rechtlich zulässigen Einsatz technischer Maßnahmen zum Zweck der Vorbeugung erheblich einschränken und die Zahl der Telefonübervvachungen deutlich vermindern.

Mit der Gleichstellung ernstmachen

In der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ist die Gleichstellung der Geschlechter in Beruf, Gesellschaft und öffentlichem Dienst noch immer nicht erreicht.

Die SPD wird deshalb ein Gleichstellungsgesetz vorlegen, das Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft umfaßt. Neben dem Verbot geschlechtsspezifischer Benachteiligungen bei Einstellungen, Beförderungen, Zeiten der Kindererziehung und Betreuung pflegebedürftiger Personen ist das Verbot sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und die Vergabe einer qualifikationsbezogenen Quote bei Einstellung und Beförderung unabdingbar.

Bezahlte Erwerbsarbeit ist Grundlage für eigenes Einkommen und die Voraussetzung für lückenlose soziale Sicherung von Frauen. Partnerschaftliche Arbeitsteilung in Familie und Beruf ermöglicht, daß neben ausreichenden Kinderbetreuungseinrichtungen, der Ganztagsschule als Regelschule, familiengerechten und flexiblen Arbeitszeiten kontinuierliche Erwerbsarbeit zu eigenen Rentenansprüchen führt. Über eine Grundrente muß gewährleistet sein, daß Altersarmut und materielle Notzeiten wegen Familien- bzw. Kindererziehungsarbeit für Frauen nicht mehr eintritt. Wir streben eine eigenständige Alterssicherung für alle Frauen an. Die SoziaIversicherungsfreiheit von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen muß abgeschafft werden. Wir wollen ein Staatsziel Frauenförderung im Grundgesetz verankern.

Mehr soziale Gerechtigkeit durchsetzen

Verantwortung für die eine Welt übernehmen