B2: Juso-Leitantrag Bildung (2004)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Norderstedt 2004
Bezeichnung: Leitantrag B2
Antragsteller: Jusos Schleswig-Holstein


Beschluss: Angenommen


Präambel

Bildung ist das zentrale Thema der Gegenwart und besonders der Zukunft.

Das Zusammenwachsen Europas bedeutet eine noch größere Herausforderung an unser Bildungssystem, als bereits jetzt schon die Anpassung unseres tradierten Systems an die Probleme, die Pisa offenbarte. Wir müssen aus den Vergleichsstudien der letzten Jahre lernen, um nicht nur unsere Konkurrenzfähigkeit zurück zu gewinnen, sondern auch die Zukunft aktiv zu gestalten und Wettbewerbsvorteile zu sichern. Die Bildung ist kein reiner Selbstzweck, sondern stellt auch gerade unser Kapital dar. Nur ein hohes Bildungsniveau erlaubt es uns, am Fortschritt zu partizipieren, oder gar entscheidende Impulse zu geben.

Gute Bildung bedeutet aber insbesondere auch Chancengerechtigkeit. Wichtig für uns ist, dass die neuen Bildungssysteme eine qualitativ gute Bildung produzieren und jeder, unabhängig vom Geldbeutel und Bildungsstandard der Eltern, die Chance erhält einen Zugang zu allen Bildungsabschlüssen zu bekommen. Jeder Mensch soll auch später noch die Chance haben einen höheren Bildungsabschluss zu erlangen.

Bildung ist für uns ein Grundrecht. Daher wollen wir, dass eine gute Ausbildung kostenfrei ist, also ohne Kindergartenbeiträge, Bücherabgaben, Studiengebühren und Ähnliches. Die Institutionen der Bildung fungieren als Chancengewährende. Abschlüsse und Bewertungen entscheiden im großen Maße über einen Lebensweg. Deshalb müssen wir unser Bildungssystem unserer Forderung nach einer gerechten Gesellschaft anpassen. Auch die soziale Gerechtigkeit gehört zu diesem Themenkreis. Das heutige System der strikten Selektion hat den sogenannten Bildungstrichter herbeigeführt. Dies sorgt dafür, dass auch in unserer heutigen eigentlich klassenlosen Zeit, in der Regel das Milieu der Eltern über unser Bildungssystem auf die Kinder übertragen wird.

Wir Sozialdemokraten haben dagegen eine andere Tradition. Wir wollen uns deshalb stark machen für einen zukunftsweisenden Umbau unseres Bildungssystems. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass nicht nur die Leistungsfähigkeit und Effizienz erhöht werden, sondern auch soziale Ungerechtigkeiten abgebaut werden und eine Loslösung der Lebenschancen vom sozialen Hintergrund gewährleistet wird. Das Bildungssystem muss für Menschen mit Handicap und Immigranten genauso leistungsfähig sein und ebenso Förderungsmöglichkeiten bereithalten, wie für Hochbegabte. Wir wollen unzweckmäßige Selektion abschaffen und statt dessen eine verstärkte Binnendifferenzierung in stabilen Personalverbänden einführen.

Statt Selektion durch nicht aussagekräftige Kriterien, wollen wir gemeinsame Beschulung in Sozialverbänden stärken, um individuelle Förderung zu ermöglichen und mit der Stärkung der sozialen Kompetenzen zu verknüpfen.

Es ist die zentrale Aufgabe wie auch der entscheidende Nutzen des Staates, jeden seiner Bürger optimal zu bilden. Nur so profitieren Gesellschaft und Wirtschaft. Bildung ist also Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft wie auch ein Katalysator der Forschung und Wirtschaft. Gute Bildung bedeutet nicht die Verbesserung kognitiver Förderung oder sozialer Kompetenzen - Gute Bildung bedeutet Beides.

Institutionen der Bildung allgemein

Eine gute Bildungspolitik braucht klare Strukturen. Wer Evaluation fordert, muss auch Verantwortlichkeiten benennen können. Die „Schule aus einer Hand“, also die erhöhte Autonomie der Bildungseinrichtungen, ist der richtige Ansatz. Das Land muss zu diesem Zweck Rahmenbedingungen festlegen und die Kontrolle ausüben. Nur so kann eine angestrebte Autonomie der Bildungsinstitutionen gewährleiste werden.

Dazu gehört auch das Budgetrecht mit Übertragsrecht für alle Einrichtungen, die der Bildung dienen. Allgemein ist zur finanziellen Seite der Autonomie zu sagen, dass das Konnexivitätsprinzip selbstverständlich sein muss. Die Übertragung hoheitlicher Aufgaben von einer Ebene soll der Effizienz dienen und nicht der Einsparung der abgebenden Ebene.

Weiterhin müssen alle an einem Strang ziehen. Eltern müssen stärker in die Pflicht genommen werden. Der Staat kann über seine Institutionen niemals die Pflichten der Eltern übernehmen. Die Institutionen der Bildung müssen daher Hand in Hand mit Eltern, Jugend- und Sozialämtern arbeiten. Nur eine stärkere Vernetzung kann ein optimale Förderung leisten.

An diesen neuralgischen Punkten muss über eine Reformierung des Datenschutzes nachgedacht werden. Eine optimale Vernetzung zum Wohl der Schüler kann nur erreicht werden, wenn der Datenschutz den Bedürfnissen der handelnden Ämter angepasst wird. Weder unsere Gesellschaft, noch unsere Wirtschaft können es sich leisten, dass Menschen durch willkürliche Raster fallen. Schlechte Bildung bedeutet immer auch ein gesellschaftliches Defizit und zudem einen wirtschaftlichen Schaden.

Kindertagesstätten

Für den Umbau unseres Bildungssystems muss besonders der Bereich der Kindertagesstätten eine Schlüsselrolle zugewiesen bekommen. Die Betreuung der Jüngsten entscheidet über die spätere Bildungslaufbahn, wie auch über die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten der Eltern. Die Kindertagesstätte dient nicht der Verwahrung, sondern legt durch die Interaktion innerhalb der Gruppe den Grundstein für soziale Schlüsselkompetenzen. Zudem ermöglicht die Kindertagesstätte auch Alleinerziehenden einem Teilzeiterwerb nachzugehen.

Es müssen deshalb Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren geschaffen werden.

Die mögliche Betreuungszeit muss dabei mindestens acht Stunden betragen. Um die Vermittlung der sozialen Schlüsselkompetenzen, und damit eine erfolgreiche spätere Beschulung zu gewährleisten, muss mindestens ein Jahr Kindergartenbesuch vor der Beschulung verbindlich sein. Spätestens bei der Einführung der Kindergartenpflicht muss die Gebührenfreiheit von Kindergärten festgeschrieben sein. Die Ausbildung des Personals soll aufgewertet werden, um den gewachsen Anforderungen an die Erzieher gerecht werden zu können. So müssen die Erzieher noch stärker als bisher qualifiziert sein, die Kinder fördern zu können. Besonders in den Fokus zu rücken sind hier Problemfelder, die durch unzureichende Betreuung durch die Eltern entstehen. So müssen zum Beispiel Logopädie, allgemeine Sprachkompetenz und Sport, wie auch die Integration von Immigrantenkindern einen größeren Raum in der Ausbildung der Erzieher erhalten. Um den Kindern einen besseren Übergang in die Primarstufe zu ermöglichen, sollen die Erzieher zudem schriftliche Abgangsberichte über die Stärken und Schwächen für die übernehmende Schule erstellen.

Mit der inhaltlichen Aufwertung der Kindertagesstätten muss auch eine strukturelle einhergehen. Die Eingliederung zum Bildungsministerium ist hier ein richtiger Schritt.

Weiterhin ist die langfristige Gebührenfreiheit anzustreben. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet die wichtigste Schnittstelle einer Bildungslaufbahn durch Gebühren für Einige unpassierbar wird.

Schule allgemein

Um das Schulsystem allgemein effizienter zu gestalten, benötigt es eine erweiterte Zusatzausbildung für Schulleiter, damit diese ihren neuen administrativen Aufgaben insbesondere der Evaluation gerecht werden können. Eine strikte Trennung zwischen Lehrpersonal und Verwaltung ist abzulehnen und bedeutet für kleinere Schulen unnötige Bürokratisierung. Für viele Verwaltungsaufgaben wie z.B. die Erstellung des Stundenplanes, ist die Fachkompetenz des Lehrkörpers vonnöten In Flächenkreisen können Kooperationen und Zusammenschlüsse von Schulverwaltungen oder Schulen auch für die Zukunft und ihre rückgehenden Schülerzahlen eine gute Verbreitung von Schulen gewährleisten. Dies ermöglicht auch die Bereitstellung von Fachkräften, welche das lehrende Personal von administrativen Aufgaben entlasten können.

Die Schulen brauchen weiterhin eine zeitgemäße Ausstattung und vor allem muss der bauliche Zustand den Anforderungen entsprechen. Dazu gehört auch eine echte Lehrmittelfreiheit.

Die bisherigen Initiativen zur Erstellung eines Schulprofils sollen vorangetrieben werden. Indem die Schulen Verflechtungen mit dem Stadtteil/ der Stadt im Bezug auf außerschulische Angebote eingehen, kann die Attraktivität der Schulen gerade auch in Problemzonen erhöht werden. Das Schulprogramm kann dann auf regionale Besonderheiten angepasst werden beziehungsweise diese entscheidend prägen.

Die Integration von Förderschulen in das Dreigliedrige System ist wichtig, um die Förderung über Systemgrenzen zu ermöglichen. Die bestehende Trennung ist in unserer pluralistischen Gesellschaft eine weder pädagogisch/didaktisch noch bürokratisch begründbare Einrichtung.

Für die Zukunft muss geprüft werden, ob eine Anstellung der Lehrer nicht einer Verbeamtung vorzuziehen ist. Die bisherige Praxis der Verbeamtung schiebt die finanziellen Probleme des Landes nur an spätere Generationen ab. Zudem muss eine ernsthaft durchgeführte Evaluation auch die Möglichkeit einschließen können, die Kündigung durchführen. Diese ist als letzte Konsequenz auf schwere Verfehlungen, oder absolut unzureichender Leistungen zu sehen und nicht aufgrund betriebsbedingter Umstände.

Andererseits müssen als gut evaluierte und zusätzlich erbrachte Leistungen auch über flexible Zusatzvergütungen belohnt werden. In diesem Zusammenhang sind vorgeschriebene Präsenszeiten der Lehrer außerhalb ihrer Unterrichtszeit abzulehnen. Der Aufwand für die Errichtung der nötigen Büroräume ist zum Beispiel unnötig. Das Arbeitspensum ist zweckmäßiger über die Evaluation und verbindliche Standards zu kontrollieren und festzusetzen.

Evaluiert werden sollen inputorientierte Bildungsstandards. Dies sorgt für Gerechtigkeit und bannt die Gefahr eines „Geheimen Lehrplanes“, wie ihn ein Zentralabitur evoziert. Zudem ist allein derart eine horizontale Vergleichbarkeit gegeben. Abschlüsse werden somit aussagekräftiger. Zu dem bisherigen Notensystem soll eine Ergänzung durch Lernhefte geschaffen werden. Diese sollen dem Schüler die Möglichkeit geben, Selbstkompetenz aufzubauen, langfristige Entwicklungen aufzeigen und eine detailliertere Bewertung ermöglichen. Die Lernhefte entstehen in Zusammenarbeit von Schüler und Lehrer. Sie bezeichnen den Lernstand und das angestrebte Lernziel, sowie die Umsetzung desselben. Um Binnendifferenzierung erfolgreich durchführen zu können, muss der Klassenteiler zwangsläufig deutlich unterhalb 25 liegen.

Die Verhinderung des Doppelabweichler-Problems, durch die Abschaffung der gänzlich freien Wahl der weiterführenden Schulart durch die Eltern, ist richtig. Der Begriff Doppelabweichler meint Schüler, die eine Schulart besuchen, welche um mehr als eine Schulart von der Empfehlung ihrer Grundschule abweicht. Darauf aufbauend sollen Eltern stärker integriert werden. Elternabende sind kein lästiger Pflichttermin, sondern dienen dem Austausch zwischen Eltern/ Lehrern und Eltern/Eltern. Sie müssen einen verbindlichen Charakter erhalten. Im Ganzen, ist die Einbeziehung der Eltern in die Institution Schule voranzutreiben. Bereits heute leisten viele Eltern in ehrenamtlichen Tätigkeiten gute Arbeit. Über das Schulprofil können diese freiwilligen Arbeiten gefördert werden, indem sie zu größeren Komplexen zielgerichtet zusammengefasst werden.

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