E1: Energiepolitik (1986): Unterschied zwischen den Versionen

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|Kategorien    =Atomenergie, Kernkraftwerk, Energiewende, Atomkraft, Atomausstieg, Nuklearkatastrophe, Tschernobyl, Energieeinsparung
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|Antragsteller =Landesvorstand, Landesausschuss
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|Status        =Angenommen, Überwiesen
|Status        =Angenommen, Überwiesen

Aktuelle Version vom 23. Juni 2014, 13:34 Uhr

Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Meldorf 1986
Bezeichnung: Leitantrag E1
Antragsteller: Landesvorstand und Landesausschuss


Beschluss: Angenommen und Überwiesen an Bundesparteitag

Die SPD will den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie. Eine Technik wie die Atomenergie, die niemals versagen darf und der gegenüber die Menschen niemals versagen dürfen, weil die Folgen solchen Versagens von Menschen nicht beherrschbar sind, kann von niemandem verantwortet werden. Kein Land, keine Wissenschaft, kein politisches System kann garantieren, daß der Super-GAU nicht eintritt.

Folgende Sofortmaßnahmen halten wir für unverzichtbar:

  1. Alle Atomkraftwerke werden kontinuierlich auf ihre Sicherheit überprüft. Atomkraftwerke, die nach dem Stand der Technik als Neuanlage keine Betriebsgenehmigung erhalten würden, werden abgeschaltet.
  2. Der Schnelle Brüter geht nicht in Betrieb. Die Forschungsförderung auf diesem Gebiet wird nicht fortgesetzt.
  3. Der Bau der Wiederaufarbeitungsanlage wird nicht fortgesetzt. Stattdessen wird die direkte nationale Endlagerung weiterverfolgt.
  4. Baustopp für in Bau befindliche Atomkraftwerke.
  5. Neue Betriebsgenehmigungen werden nicht erteilt.
  6. Es gibt keine neuen Baugenehmigungen für Atomkraftwerke.
  7. Exporte von Atomreaktoren aus der Bundesrepublik werden verboten. Ein allgemeines Exportverbot von Atomreaktoren soll im Rahmen der EG durchgesetzt werden. Dies gilt auch für systemnotwendiges Zubehör für Atomreaktoren und Wiederaufarbeitungsanlagen.
  8. Der Transport von Atommüll über nationale Grenzen hinweg ist zu untersagen.
  9. Wir fordern das Verbot des Imports von Atomstrom.
  10. Es müssen sofort ökologisch verträgliche Energieversorgungskonzepte, die ohne Kernenergie, aber auch ohne zusätzlichen Ölimport und ohne Kohlekraftwerke mit ungenügender Abgasreinigungstechnik auskommen‚ auf Bundes- wie Länderebene erarbeitet werden.

Unsere zukunftsorientierte Energiepolitik steht auf vier Säulen: der dezentralen Energieversorgung durch Kraft-Wärme-Koppelung‚ dem Ausbau umweltfreundlicher Kohlekraftwerke, der verstärkten Nutzung regenerativer Energiequellen und dem Faktor Energieeinsparung.

Die vielfältigen Notwendigkeiten und Möglichkeiten des Energiesparens haben darüber hinaus - und dies haben wir Sozialdemokraten in unserem Konzept "Arbeit und Umwelt" nachgewiesen - erhebliche positive Beschäftigungseffekte. Sie bieten auch Chancen für humane Anwendung fortgeschrittener Technologien.

Auf der gesetzgeberischen Ebene ist eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes von 1935 erforderlich mit dem Ziel der Beseitigung der Strommonopole und Rückführung der Energiewirtschaft in die Kommune sowie eine Erweiterung des Handlungsspielraums für die Ablehnung beziehungsweise Rücknahme von atomrechtlichen Genehmigungen durch entsprechende Ergänzung des Atomgesetzes.

Ziel energiewirtschaftlicher Planungspolitik muß eine drastische Verringerung des Anteils der Elektrizität am Energieverbrauch sein.

Neben dem Ausstieg aus der Kernenergie fordert die SPD, solange Atomkraftwerke noch in Betrieb sind, zum Schutze der Bevölkerung:

  • Es ist ein Konzept für die langfristige Überwachung der Strahlenbelastung in Luft, Boden, Wasser und Lebensmitteln vorzulegen. Ebenso sind Katastrophenpläne für die Versorgung der Bevölkerung - auch für den örtlichen Raum - für Unfälle in Atomkraftwerken (in und außerhalb der Bundesrepublik) zu erstellen und zu veröffentlichen.
  • Die Bevölkerung ist umfassend und kontinuierlich über Meßwerte und gesundheitliche Gefahren aufzuklären unter Mitwirkung von kritischen Wissenschaftlern. Dabei ist deutlich zu machen, das eine Überwachung der Strahlenbelastung und Katastrophenpläne zwar dringend erforderlich ist, daß diese Maßnahmen die Gefährlichkeit und Unbeherrschbarkeit der Kernenergie aber nicht beseitigen.

Der gewollte und geordnete Ausstieg aus der Atomenergie ist eine tiefgehende gesellschaftliche Veränderung mit großen Herausforderungen und Chancen. Dazu gehört u. a. die Umschichtung der dafür notwendigen finanziellen Mittel und eine vorausschauende Umstellungs- und Strukturpolitik zur Beschäftigungssicherung der im Energiesektor tätigen Arbeitnehmer. Der Ausstieg kann nur dann Wirklichkeit werden, wenn es dafür eine politische Mehrheit gibt und wenn Einsparungen von allen getragen werden. Jeder muß seine Entscheidung und sein Verhalten vor seinem Gewissen verantworten und jede politische Partei vor ihren Wählerinnen und Wählern.

Wir wollen deshalb in der nächsten Legislaturperiode in enger Kooperation zwischen Bundes- und Landesregierungen mit dem Ausstieg beginnen und sofort alle Voraussetzungen schaffen, um ihn spätestens bis zum Ende der übernächsten Legislaturperiode mit der Abschaltung aller Atomkraftwerke durchzuführen. Die für den Ausstieg erforderliche gesellschaftliche Mehrheit kann nur durch die SPD zustande kommen. Sie wird aber auch nur dann zustande kommen und tragfähig bleiben, wenn wir uns selbst ins Wort nehmen und uns vor den Wählerinnen und Wählern dafür verantworten.

Aber mit der Abschaltung der Atomkraftwerke ist der Weg aus der Kerntechnologie noch nicht endgültig vollzogen. Es wird einen erheblichen Zeit- und Finanzaufwand bedeuten, ein Entsorgungskonzept zu entwickeln, das den Abbau der stillgelegten Atomkraftwerke ermöglicht und riesige Mengen von Atommüll aus Zwischenlagern in eine sichere Endlagerstätte überführt. Dieser Weg kann noch bis in das nächste Jahrtausend andauern.