EU1: Mit Leidenschaft und Mut für ein geeintes und solidarisches Europa (2018)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Kiel 2018
Bezeichnung: EU1
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


I. Unsere Vision von Europa

Frieden, Freiheit, Gleichstellung und Wohlstand in Europa - das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis eines langen europäischen Prozesses. Die Europäische Union ist ohne Zweifel ein Erfolgsmodell. Gegründet im Bewusstsein des Schreckens zweier Weltkriege, vorangetrieben von Menschen mit Visionen für ein wirtschaftlich starkes und friedliches Europa.

Die Leidenschaft der gemeinsamen Vision ist in den letzten Jahren vielerorts abgekühlt. Frieden, Freiheit, Gleichstellung und oft auch Wohlstand sind in weiten Teilen Europas selbstverständlich geworden – aber eben auch ungleich verteilt geblieben. Und obwohl die Globalisierung die Welt jeden Tag kleiner werden lässt und ihre Folgen allgegenwärtig sind, ist es bislang nicht gelungen, Europa eine neue Zukunftsstrategie zu geben. Dabei braucht es europäische Lösungen dringender denn je: Europa muss auch in Zukunft Garant für Frieden, Freiheit, Gleichstellung und Wohlstand sein. Europa muss Lösungen finden, damit sich die internationale Finanzkrise, deren Auswirkungen die europäischen Staaten bis heute betreffen, nicht wiederholen kann. Europa muss in einer gefährlich auseinanderdriftenden Gesellschaft fühlbar mehr Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Solidarität verwirklichen. Europa muss Antworten geben auf die große Anzahl an Menschen, die sich auf der Suche nach Schutz und einer Zukunft auf den Weg machen. Vor allem aber muss Europa den Menschen in allen Teilen des Kontinents eine kraftvolle Antwort geben, wofür es in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gebraucht wird.

Konservative und neoliberale Konzepte haben den europäischen Kurs der vergangenen Jahre geprägt. Die strikte Sparpolitik hat die Schwächsten belastet, die Skepsis gegenüber der EU verstärkt und die Wohlstandskluft zwischen und innerhalb der Mitgliedsstaaten vergrößert. Die Wohlfahrtsstaaten wurden unter dem Druck der Märkte beschnitten, Investitionen gestrichen, Standards der guten Arbeit auf Kosten von Arbeitnehmer*innen abgesenkt, in vielen Ländern auch der Rechtsstaat ausgehöhlt und die Rechte von Frauen und Minderheiten gefährdet. Wenn heute die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien drastische Werte erreicht hat, in Italien Brücken einstürzen oder das öffentliche Eigentum in Griechenland verscherbelt wird, ist dies Folge einer hemmungslosen und fehlgeleiteten Kürzungspolitik. Deshalb brauchen wir europäische Standards.

Und es ist kein Zufall, dass in der Folge des „jeder für sich“ rechte Kräfte an Einfluss gewonnen haben. Populistische und europafeindliche Parteien spielen Menschen gegeneinander aus, stellen Einzelinteressen über die gemeinsamen, missachten Grundrechte und den Schutz von Minderheiten und bekämpfen teils unverhohlen die demokratischen Institutionen. Die Erfolge der Rechten auf nationaler Ebene sind ein Warnschuss vor den Europawahlen. Es besteht die reale Gefahr, unser Europa an die Nationalisten und Demokratiefeinde zu verlieren. Das dürfen wir nicht zulassen.

Wir nehmen diese Herausforderung an! Die SPD kämpft gemeinsam mit ihren europäischen Schwesterparteien in der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) für eine demokratische, konsequent rechtsstaatliche, nachhaltige und sozial gerechte Europäische Union. Gemeinsam stehen wir für Demokratie und Bürgerrechte, ökologisch-soziale Marktwirtschaft und solidarischen Wohlstand, Gleichstellung und Minderheitenschutz. Das ist unser Gegenentwurf zu einem Europa der nationalen Egoismen. Wir wollen ein neues Gewicht für die Wertegemeinschaft Europa und Lösungen, die in gleichberechtigter Zusammenarbeit aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union erreicht werden.

Unser Europa ist ein Europa mit solidarischen Bildungs- und Zukunftschancen für die junge Generation mit europäischer Identität und europäischer Verantwortung bei der Neuordnung der globalen Kräfte. Keine Abschottung, sondern Weltoffenheit und Verantwortung für die eine gemeinsame Welt müssen Europas Leitmotive sein, wenn Klimawandel und Ressourcenknappheit, globales Bevölkerungswachstum, regionale Konflikte und Migration sowie Kapitalkonzentration demokratisch bewältigt werden sollen. Die höchste Priorität deutscher und europäischer Außen- und Sicherheitspolitik ist es, eine gemeinsame gesamteuropäische Friedensordnung zu entwickeln. Mit den Staaten der Europäischen Union, aber auch darüber hinaus. Alle europäischen Staaten finden Sicherheit, Wohlstand und die Aufrechterhaltung der ökologischen Lebensgrundlagen nicht gegeneinander, sondern nur miteinander. Für alles das braucht es Europa.

Deshalb gilt jetzt erst recht: Wir haben auch weiterhin die Vision der Vereinigten Staaten von Europa im Blick. Mit Leidenschaft und Mut wollen wir dieses Leitziel nicht aus den Augen verlieren. Es ist unser Gegenentwurf zu einem Europa der nationalen Egoismen.

Am 26. Mai gilt’s: 11 zentrale Ziele der SPD Schleswig-Holstein

Die Rechtspopulisten haben in Brüssel eine starke Stimme. Viele Chancen werden wir nicht mehr haben, ihren Vormarsch zu stoppen und für sozialdemokratische Anliegen Mehrheiten zu bekommen. Uns ist klar: Am 26. Mai gilt’s. Wer die SPD wählt, entscheidet sich für Europa:

  1. Wir werden soziale Grundrechte und hohe soziale und ökologische (Mindest-) Standards bei Löhnen und in den Sozialversicherungssystemen durchsetzen, um drohende Verarmungs- und Spaltungsprozesse zu bremsen, Lohn-, Sozial- und Steuerdumping abzuschaffen sowie die Gesundheitsvorsorge und Lebensgrundlagen zu erhalten. Dabei sind uns Familienplanung als Menschenrecht, Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und die Verhinderung weiblicher Altersarmut ein besonderes Anliegen. Entschlossen werden wir auch den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen angehen. Wir unterstützen den Plan der Europäischen Kommission für ein Paket zu sozialer Gerechtigkeit. Zu dem Paket gehören auch die Vorschläge zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die insbesondere für die Menschen in Schleswig-Holsteins Grenzregionen von großer Wichtigkeit sind.
  2. Wir wollen einen Arbeitsmarkt gestützt auf sozialen Dialog gestalten, der Arbeitslosigkeit europaweit bekämpft, prekäre Arbeitsverhältnisse und Scheinselbstständigkeit verhindert, den Grundsatz ‚Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit‘ verwirklicht, dabei den ‚Gender Pay Gap‘ endlich schließt, insgesamt auskömmliche Löhne anstrebt und den Mindestlohn noch einmal spürbar hebt. Dabei bildet für uns die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einen besonderen Schwerpunkt. Kein Abschluss ohne Anschluss muss eine europaweite Garantie sein. Die Einrichtung eines permanenten europäischen Jugendbeschäftigungsfonds und der Ausbau der europäischen Austauschprogramme sowie die Unterstützung junger Menschen mit einem europäischen Mobilitätsprogramm können weitere sein. Wir fordern einen verbindlichen EU-Beschluss zur Umsetzung der Jugendgarantie in allen Staaten Europas. Dieser muss qualitative Mindeststandards enthalten. Diese Mindeststandards dürfen nicht hinter einer allgemeinen europäischen Ausbildungsgarantie zurückbleiben. Gleichsam muss dieser auch eine Ausweitung der Jugendgarantie bis zum 30. Lebensjahr enthalten und bereits nach zwei statt wie bisher vier Monaten greifen. Wir lassen nicht zu, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegeneinander ausgespielt werden. Dafür sorgen Lohngleichheit von Frauen und Männern, grenzüberschreitende Tarife und europäische Tarifverhandlungen. Wir fordern ein stärkeres Vorgehen gegen die Mitbestimmungsflucht ein. Durch Unternehmensformen wie SE (Europäische Aktiengesellschaft) werden mitbestimmte Aufsichtsräte verhindert. Es braucht eine EU-Richtlinie, die Mindeststandards für die Arbeitnehmer*innenbeteiligung im europäischen Gesellschaftsrecht verankert. Diese Richtlinie soll auch vorsehen, dass die Gründung von Betriebsräten in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften auf betrieblicher Ebene in den EU-Staaten ermöglicht und vereinfacht wird. Die „Beratungsstelle Arbeitnehmerfreizügigkeit“ ist ein schleswig-holsteinischer Beitrag, um Sozialdumping sowie Missbrauch bei Werkverträgen, Leih- und Zeitarbeit auszuschließen - nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Osteuropa.
  3. Wir stehen für ein Europa, das die Menschenwürde nicht verhandelt, sondern Hilfe leistet, wo Unterstützung geleistet werden muss und alle Mitgliedstaaten in eine solidarische Pflicht nimmt. Hilfebedürftige Menschen dürfen nicht allein gelassen werden. Die europäische Ebene kann den Kommunen direkt bei den Integrationsleistungen helfen. Konkret wollen wir ein auf Freiwilligkeit basierendes System schaffen, so dass Geflüchtete nicht mehr als Belastung verstanden werden, sondern als Chance. Hierfür soll unter anderem ein europäischer Entwicklungs- und Investitionsfonds eingerichtet werden, der all jenen Kommunen investive Mittel zuteilt, die sich für die Aufnahme Geflüchteter bereiterklären! Der Fonds soll – entsprechend der Wirtschaftskraft – von allen europäischen Ländern gedeckt werden. Ein einheitliches europäisches Asylrecht ist nötig, das sich an humanitären Grundsätzen orientiert und gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden muss. Gleichzeitig braucht es Wege der legalen Einwanderung. Die Operation „Themis“, die Such- und Rettungsaktivitäten im Mittelmeer zur Aufgabe hat, soll durch ein umfassendes Konzept zur Seenotrettung im gesamten Mittelmeer ersetzt werden. Wir haben großen Respekt vor der Arbeit privater Seenotrettungsorganisationen und fordern, dass sie ihrer Arbeit unbehindert nachgehen können. Dennoch halten wir Seenotrettung grundsätzlich für eine staatliche Pflicht. Die Länder an den EU-Außengrenzen dürfen nicht im Stich gelassen und Angriffe auf Flüchtlingshelfer und NGOs im Mittelmeer müssen geächtet werden. Durch die Unterstützung regionaler entwicklungspolitischer Initiativen und Projekte kann und muss Schleswig-Holstein mit dazu beizutragen, die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen.
  4. Wir sichern eine leistungsstarke öffentliche Daseinsvorsorge. Wir wollen allen Bürgerinnen und Bürgern in Europa einen gleichberechtigen Zugang zu Gesundheit, sozialen Diensten, Bildung, Information und Beratung, Kultur, Energie- und Trinkwasserversorgung (und -entsorgung), öffentlichem Personennah- und –fernverkehr, flächendeckender Breitbandversorgung, Zugang zu sicheren Kommunikationswegen und anderen Dienstleistungen und Gütern sichern. Wir wollen, dass die öffentliche Daseinsvorsorge eigene Aufgabe Europas wird.
  5. Wir gestalten die industrielle Erneuerung mit einer europaweiten Energiewende und der Schließung der Stoff- und Ressourcenkreisläufe. Die Europäische Union muss weltweiter Vorreiter bei der „green economy“ werden; das Gleiche muss für Deutschland innerhalb der EU gelten. Hierauf soll sich auch die Forschungs- und Förderpolitik konzentrieren. Wir werden die Förderung der Atomenergie durch die Europäische Union beenden. Der EURATOM –Vertrag soll in einen Vertrag zur Förderung erneuerbarer Energien, innovativer Speichertechnologien und Energieeinsparungen (EURONEW) umgewandelt werden. So wird es ein Umsteuern weg von fossilen Energien wie Kohle und Öl geben. Wir können uns keine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners mehr leisten, sondern brauchen ein Modell des „voneinander Lernens“.
  6. Wir erkennen, dass der technologische Wandel nicht allein eine Frage des Marktes sein darf, sondern einer richtungsweisenden Gestaltung durch die EU bedarf. Während Wirtschaftsunternehmen ein ureigenes Interesse an Konsum- und Produktionssteigerung haben, muss Europa die Digitalisierung im Zusammenhang mit der Ökologie und Ressourcensuffizienz begreifen.
  7. Europaweite Netzneutralität (offenes Internet/alle Daten sind gleich) öffnet den Zugang zu einem digitalen Binnenmarkt für alle. Wir brauchen einen starken europäischen Datenschutz auf höchstem Niveau, der insbesondere die Rechte der Bürgerinnen und Bürgern wahrt und durchsetzt. Europaweit müssen wir uns mit ethischen und wirtschaftlichen Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz auseinandersetzen.
  8. Wir werden die Finanztransaktionssteuer endlich einführen, um die Finanzmarktakteure an den Kosten der Krise und an der Finanzierung des Gemeinwohls zu beteiligen. So wollen wir dazu beitragen, kurzfristige Spekulation zu verteuern und wichtige Einnahmen zu erzielen, die für Zukunftsprojekte, europäische Wachstumsimpulse und eine faire Weltwirtschaft eingesetzt werden können. Das setzt solide Einnahmen voraus. Die Lücken zwischen nationalen Steuersystemen, die von multinationalen Konzernen zur Steuervermeidung genutzt werden, müssen geschlossen werden. Wir wollen uns für die Einführung einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer und von Mindeststeuersätzen und für ein umfassendes europäisches Investitionsprogramm einsetzen. Die Wirtschaftsentwicklung der einzelnen Mitgliedstaaten muss künftig koordiniert und abgestimmt werden. Perspektivisch ist eine Wirtschaftsregierung für den Euro-Raum einzurichten und ein gemeinsames Finanzbudget zu schaffen. Nur mit einem breit angelegten europäischen Investitionsprogramm kann Europa aus der Wachstumsschwäche herausgeführt werden. Dies ist eine ebenso wichtige Maßnahme wie die Schaffung einer Banken-Union, die einen europaweiten Abwicklungs- bzw. Einlagensicherungsfonds umfasst, unter angemessener Beteiligung von Anteilseignern und Kreditgebern. Der Teufelskreis zwischen angeblich „alternativloser“ Bankenrettung und nationalstaatlicher Verschuldung muss durchbrochen werden. Der Abbau der (finanzkrisenbedingten) Staatsverschuldung in den EU-Mitgliedstaaten über die notwendige partielle gemeinschaftliche Haftung für Staatsschulden kann über einen europäischen Schuldentilgungsfonds bewerkstelligt werden.
  9. Wir fordern ein einheitliches und gerechtes Steuersystem für Unternehmen in Europa. Sie sollen dort Steuern zahlen, wo Gewinne tatsächlich erwirtschaftet werden.
  10. Wir brauchen Ordnungsstrukturen im globalen Wettbewerb. Der faire Wettbewerb ist längst in Gefahr. Sozialdemokratische Standards bei den demokratischen Grundrechten, bei Gleichstellung, Arbeitnehmer*innenrechten und Umweltschutz sollen integraler Bestandteil der Handelsbeziehungen mit Drittländern sein. Auch die Gesundheitsversorgung, der Erhalt endlicher Ressourcen und der Artenvielfalt sind für uns hohe Güter. Das geht nur über Handelsabkommen, die dem Markt klare Regeln geben. Dabei gilt für uns: Fairhandel statt Freihandel. Eine Aushebelung der Demokratie werden wir nicht zulassen.
  11. Wir wollen den Ausbau und die Verwirklichung des Schutzes der Minderheiten in der gesamten Europäischen Union. Dazu müssen mit einem/r EU-Minderheitenkommissar*in an der Spitze verbindliche Verantwortlichkeiten für Minderheitenangelegenheiten geschaffen werden, die für die Durchsetzung der Minderheitenrechte und der verabredeten Standards für den Umgang mit Minderheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten sowie die Wahrung der kulturellen Vielfalt in der Union sorgen. Wir unterstützen die „Minority Safepack Initiative“, die ein umfassendes politisches Maßnahmenpaket für die Rechte nationaler und sprachlicher Minderheiten in Europa fordert.
  12. Das Konzept biregionaler Beziehungen und Partnerschaften bleibt für uns zentraler Bestandteil europäischer Friedenspolitik. Das Zusammenwachsen der Regionen über eine gemeinsame politische Partnerschaft zu fördern, den Austausch zwischen Staaten zu intensivieren und die Zusammenarbeit zu festigen – so wird die EU als Friedensprojekt Vorbild für andere. Über eine Vertragsänderung wollen wir das Europäische Parlament hieran künftig beteiligen. Eine engere Verzahnung der bestehenden Rüstungsressourcen und eine strenge Anwendung des ‚Gemeinsamen Standpunktes‘ der EU zu Rüstungsexporten muss zu einer fühlbaren Absenkung solcher Exporte und zur Abrüstung auf dem europäischen Kontinent führen. Wir stehen für ein soziales Europa, das nicht in Aufrüstung, sondern in Bildung und Zukunft investiert.
  13. Die Europäische Union muss noch weiter auf eine demokratische Basis gestellt werden. Wir fordern, dass künftig über den Bestand und die Zusammensetzung der Kommission das Europäische Parlament entscheidet. Zur Aufwertung des Europäischen Parlaments gehört auch das Gesetzesinitiativ- und Haushaltsrecht. Darüber hinaus setzen wir uns für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre für die Wahl des Europäischen Parlaments ein. Des Weiteren ist die Schaffung einer europäischen Parteimitgliedschaft unabdingbar, um zukünftig noch mehr Menschen in die demokratischen Prozesse auf europäischer Ebene mitzunehmen.
  14. Identität als Ziel und Mittel stärkt Europas Souveränität. Diese wird für eine solidarische Politik nach innen genauso gebraucht wird wie für eine Politik der gemeinsamen Verantwortung nach außen. Eine europäische Identität kommt nicht von alleine, sondern muss persönlich erfahren werden. Sie muss in den Gefühlen und Köpfen der Menschen wachsen. Ihr muss durch eine Förderung der gemeinsamen Kultur und eine umfassende Unterstützung für die Begegnung und den Austausch der Jugendlichen in Europa und darüber hinaus der Weg bereitet werden. Alle europäischen Jugendlichen müssen in ihrer Schulzeit oder während der Berufsausbildung oder dem Studium eine längere Zeit in einer Familie und einer Bildungseinrichtung in einem anderen europäischen Land verbringen können. Europa soll Zukunft gestalten mit einem Ausbau seiner Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen in allen europäischen Ländern. Wir brauchen europäische Universitäten und ein europäisches Netzwerk von Einrichtungen der Berufsausbildung, der akademischen Forschung und der Weiterbildung. Die Mittel für gemeinsame Forschungsprogramme müssen verlässlich gesteigert werden und die großen Herausforderungen der Zukunft in den Mittelpunkt der gemeinsamen Forschungsförderung gestellt werden. Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist für uns unverzichtbar. Sie ist ein Kern von Europas Identität und Souveränität in der Welt von morgen.
  15. Wir stellen uns konsequent gegen den Rechtsruck in Europa. In Anbetracht des Austritts des Vereinigten Königreichs und aller globalen Herausforderungen, von grundloser Überfremdungsangst über kopf- und konzeptlose Abstiegsängste bis zum Klimawandel zeigt sich, dass es heißen muss: jetzt erst recht! Jetzt erst recht in eine gemeinsame europäische Zukunft, zeigt doch die Überstaatlichkeit dieser Punkte gerade die fehlende Zukunftsfähigkeit jedweder Kleinstaaterei. Deshalb gilt es, ganz im europäischen Sinne über nationale Grenzen hinweg, offensiv für die in der Vergangenheit so erfolgreichen europäischen Ideen von Frieden, Freiheit und Wohlstand für alle in Europa zu werben; jede Mentalität des reinen Dagegen ist zu allererst gegen die Demokratie, jede Mentalität des Nationalen ist zu allererst gegen den Frieden und muss deshalb ohne Zukunft bleiben. In uns haben die Rechtspopulisten und Rechtsextremisten ihren entschiedensten Gegner. Wir wollen, dass die Städtepartnerschaften verstärkt genutzt werden, um Fremdenhass abzubauen. Insbesondere Bürgerinnen und Bürgern wird die Teilnahme an Städtepartnerschaften ermöglicht.

II. Schleswig-Holstein – wir wollen Vorreiter sein!

Für die SPD Schleswig-Holstein hat die Zusammenarbeit mit unseren nördlichen und östlichen Nachbarn im Ostseeraum eine besondere Bedeutung. Von dort empfingen wir viele Impulse für eine freiere Kultur und eine fortschritt­lichere Gesellschaftspolitik. Schleswig-Holstein profitiert von Europa, insbesondere aber von seiner Lage an der Ostsee. Die Förderprogramme sind ein greifbarer und erlebbarer Beleg. Wir lehnen das Vorhaben der Landesregierung ab, die zur Kofinanzierung erforderlichen Landesmittel nur noch im Ausnahmefall bereitzustellen. Die schleswig-holsteinische Sozialdemokratie wird erfolgreiche EU-geförderte Projekte nicht aufs Spiel setzen. Die europäischen Fördermittel für das Land Schleswig-Holstein müssen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung eingesetzt und soziale Ungerechtigkeiten abgefedert und ausgeglichen werden. Dafür müssen auch unsere Kommunen und Verwaltungen fit für Europa gemacht werden.

Die Tradition grenzüberschreitender Zusammenarbeit haben wir mit Ministerpräsident Björn Engholm bereits 1988 begonnen, als Europa noch geteilt war. Dies sollte wieder ein gelebter Teil der Entspannungs- und Friedenspolitik sein. Damals wie heute haben wir die Kontakte gesucht und eine Minderheitenpolitik gelebt, die Vorbild in Europa ist. Diese Rolle wollen wir mit den Nachbarn an der Ostsee im Rahmen der EU-Strategie für den Ostseeraum in Form einer sozialen, ökologischen und ökonomischen Modellregion ausbauen, die eine neue Dynamik in die gesamte europäische Entwicklung bringen wird. In den vergangenen Jahren mussten wir auch Rückschritte hinnehmen. Diese belegen aber vor allem den Bedarf an guten Kontakten zu Russland, das in fast allen Gremien der Kooperation vertreten ist. Kommunikation ist eine Basis und darf nie aufgegeben werden. Unser Zukunftsbild der Ostseeregion bleibt uns Verpflichtung.

Die Region der Zukunft steht für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für

  • eine neue Vision, in der demokratische Teilhabe gefördert und verbessert wird. Schleswig-Holstein ist für die Umsetzung der Priorität Kultur in der EU-Ostseestrategie zuständig, die Förderung der Ostseeidentität ist dabei zentral;
  • die Fortsetzung, ja Intensivierung einer zeitgemäßen Gleichstellungspolitik nach dem Vorbild der skandinavischen Länder, die uns auf diesem Gebiet immer noch weit voraus sind;
  • die effektive Reduzierung von Arbeitslosigkeit und Ungleichheiten im Arbeitsmarkt und die Förderung der Inklusion;
  • den Beleg, dass hochwertige Produkte, effiziente Organisation, Innovationen und hohe soziale Standards im weltweiten Wettbewerb verknüpft werden können und „Blaues Wachstum“ spürbar wird;
  • eine Neuauflage der Initiative Zukunft Meer, die den Nachhaltigkeitsaspekt der europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie besonders in den Fokus stellt;
  • das Meer als zentraler Bestandteil der Ostseeraumpolitik, deshalb werden wir Plastikverpackungen konsequent reduzieren, indem wir uns für eine Steuer auf Plastiktüten und ein europäisches Pfandsystem für Ein- und Mehrwegflaschen stark machen und ein Verbot von nicht stofflich verwertbarem Plastik stark machen;
  • den sorgsamen Umgang mit der Ressource Fisch. Deshalb wollen wir uns auf europäischer Ebene weiter für die nachhaltige Fischerei in Nord- und Ostsee sowie den Erhalt der kleinen und handwerklichen Fischerei einsetzen;
  • die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien, um gerade in schwerer zugänglich und dünner besiedelten Gegenden die Versorgung der Menschen sicherzustellen, beispielsweise in der Infrastruktur des Gesundheits- und Pflegewesens und so Digitalisierung, beispielsweise bei eHealth, erleben lässt;
  • Offenheit für Neues. Auch deshalb wollen wir einen intensiven Austausch über E-Sports und seinen Ausbau insbesondere als Breitensport vorantreiben;
  • den Ausbau und Förderung von Bildungskooperationen mit Schulen, im Ausbildungsbereich, dem Handwerk und den Hochschulen insbesondere im deutsch-dänischen Grenzbereich. Der grenzüberschreitende Austausch stärkt den europäischen Zusammenhalt und erweitert die Perspektiven junger Menschen. Wir werden noch mehr Schulen ermuntern, den Austausch im Ostseeraum zu suchen und europäische Demokratie auf diese Weise erlebbar zu machen;
  • weltweit konkurrenzfähige Cluster, die auf regionaler Stärke und gemeinsamen Anstrengungen beruhen, wissenschaftliche Kooperationen müssen noch enger gefördert werden;
  • eine lange Tradition maritimer Verkehrsinfrastruktur, die das Prinzip „From Road to Sea“ konsequent umsetzt und in der auch eine hierauf „integrierte maritime Politik“ ausgerichtet ist;
  • eine Modellregion der Nachhaltigkeit, in der mit der Nutzung erneuerbarer Energien und einer Steigerung der Energieeffizienz sowie einer engeren Energie-Kooperation Energiesicherheit hergestellt, Stoffkreisläufe geschlossen werden und in diesen Bereichen viel mehr Beschäftigung geschaffen wird;
  • eine lebhafte Nutzung der vorhandenen Kooperationsstrukturen und des Dialogs. Innerhalb der EU-Ostseestrategie müssen gerade die Regionen besser an der Umsetzung beteiligt werden. Jugendaustausch und die Verankerung des Dialogs mit der Jugend in den Gremien bleiben zentrale Anliegen.

Für eine gute Zukunft braucht Schleswig-Holstein ein solidarisches und geeintes Europa ohne Grenzen. Dafür setzen wir uns auf allen Ebenen der Gesellschaft ein. Auf diesem Weg lassen wir uns nicht von den derzeitigen Grenzkontrollen einzelner Nachbarstaaten irritieren. Insbesondere die engen Kooperationen mit Dänemark bleiben für auch uns im Rahmen der Ostseekooperationen wichtige Anliegen. Wir setzen uns für eine makroregionale Strategie für den Nordseeraum ein, deren Hauptziel der Aufbau einer gemeinsamen Identität der Anrainerregionen ist, um grenzüberschreitende Lösungen für aktuelle gemeinsame Herausforderungen – gerade durch den bevorstehenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU - zu finden. Die SPD Schleswig-Holstein möchte mit den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin ein Vorreiter eines offenen, toleranten, gleichberechtigten und sozialen Europas sein. Die Europäische Union beschränkt sich nicht nur auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit, sondern organisiert den sozialen Zusammenhalt - viele Herausforderungen lassen sich nicht allein auf der Ebene der Nationalstaaten lösen. Mit der Neubelebung der Ostseepolitik wollen wir uns im Norden Europas diesen gemeinsamen Aufgaben stellen.