F3: Internationale Umverteilung anstatt militärischer Intervention - für eine friedliche Außenpolitik! (1997)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Husum 1997
Bezeichnung: F3
Antragsteller: Jusos Schleswig-Holstein und Ortsverein Lübeck-Moisling


Beschluss: Überwiesen an Landesvorstand

(Beschluss: Überwiesen an Landesvorstand mit Ziel der Diskussion auf gesonderter Konferenz)


Die neue Weltordnung

Nach dem Wegfall des Ost-West-Gegensatzes bildet sich eine neue Weltordnung heraus. Statt der bipolaren, militärischen Situation des Kalten Krieges haben wir heute eine von der Triade (EU, Nordamerika, Ostasien) bestimmte Welt. Die Triaden­zentren dominieren den gesamten Welthandel. Ihr Kampf um Märkte, ihr Bedarf an Ressourcen und ihr Desinteresse an den Märkten des Südens entscheiden über die Stellung der Ökonomien in der Peripherie. Einige sogenannte "Schwellenländer" ha­ben es geschafft, eine eigene Industrie aufzubauen, die es ihnen ermöglicht, eigene Märkte zu erschließen.

Da mit dem Ende der fordistischen Produktionsweise das Rohstoffrecycling und die Nutzung eigener Rohstoffquellen zunehmend interessanter wird, verliert der Süden als Rohstofflieferant an Bedeutung. Dies hat zur Folge, daß die Länder des Südens, die u.a. auf den Rohstoffexport setzen, mittlerweile völlig vom Welthandel abgekop­pelt sind. Sie versinken in Armut, Hunger und Kriegen. Der gesamte afrikanische Kontinent trägt weniger als drei Prozent zum Welthandel bei. Entsprechend werden Verteilungskämpfe immer häufiger kriegerisch ausgetragen. Dies führt zur Destabili­sierung der herrschenden Schichten, die reagieren mit härteren Repressionen gegen das eigene Volk.

Anders ergeht es Ländern, denen es gelang, eine eigene industrielle Basis aufzu­bauen. Den ostasiatischen Staaten gelang dies durch eine aggressive Zollpolitik und offensive Exportorientierung.

In Lateinamerika erreichte man in den 80ern eine industrielle Entwicklung durch völ­lige Überschuldung. Eine neoliberale Wirtschaftspolitik mit einer ungekannten Priva­tisierungswelle und Sozialabbau herrscht vor. Mit dieser Politik folgen sie den Vorga­ben von IWF und Weltbank. Ziel ist die Teilnahme am NAFTA-Markt.

Neben dem Zugriff auf fossile Energieträger ist das Interesse des Nordens am Süden hauptsächlich auf die Herstellung von Ruhe und Odnung begrenzt. Unter Militärs herrscht die Sorge, daß Widerstand in den Ländern des Südens gegen die ungerechte Verteilung des Reichtums entstehen könnte. Daher werden in den Ländern des Sü­dens potentielle militärische Gegner gesehen. Dazu paßt, daß versucht wird, Migrati­onsbewegungen aufgrund der sozialen Deklassierung militärisch von der Triade fern­zuhalten. Die Grenzen der Triade werden militärisch gezogen.

Innerhalb der Triadenzentren gibt es keine Versuche mehr, eine gerechte Weltwirt­schaftspolitik zu installieren. Höhepunkt ist die Verabschiedung des GATT-Abkom­mens. Damit ist es den Industrieländern gelungen, jegliche Möglichkeit einer geziel­ten Marktabschottung zu unterbinden. In den Ländern des Südens werden ganze In­dustriezweige zusammenbrechen. Zudem bleibt die Frage bestehen, ob die Länder des Nordens ihre Märkte öffnen werden, um die Absatzmärkte des Südens zu si­chern.

Die sozialen, ökologischen und ökonomischen Verteilungsfragen innerhalb der de­klassierten Regionen und die Ordnungsvorstellung der Triade bestimmen die mo­mentanen kriegerischen Konflikte. Während historische Konflikte in Friedenskonfe­renzen gelöst werden, brechen noch zahlreichere andere Kriege aus. Die deklassier­ten Regionen kämpfen um die Teilhabe am Welthandel, um die Wiederherstellung der alten Ausbeutungsstrukturen und gegen die Abschottung vom Weltmarkt. Diese Kriege werden durch innerstaatliche Verteilungskämpfe in diesen Regionen ergänzt. Wie gezeigt, sind die weltweiten Disparitäten die entscheidende Ursache für beste­hende Konflikte. Die ethnischen, religiösen und rassistischen Ausprägungen der Konflikte stellen im wesentlichen den Versuch dar, Leitbilder für die Konfliktparteien zu entwerfen. In allen internationalen Organisationen spiegeln sich die realen Machtverhältnisse der neuen Weltordnung (NWO) wider.

Drohpotential des Nordens zurückdrängen!

"Aufrechterhaltung des freien Welthandels und der ungehinderte Zugang zu Märkten und Rohstoffen im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung" ist nach den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" der neue und zentrale Auftrag der Bundeswehr nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts geworden. Diese "Verteidungspolitischen Richtlinien" benennen die eigentlichen Antriebsfedern für Ein­sätze der Bundeswehr und anderer Armeen des Nordens: militärische Absicherung ökonomischer Interessen der führenden Industrienationen und Konfliktregionen ge­waltsam zu stabilisieren und die Migrationsbewegungen so gering wie möglich zu halten.

Die bestehenden Konflikte haben jenseits ihrer militärischen Eruption tieferliegende ökonomische, ökologische, soziale und politische Ursachen, die durch militärische Interventionen nie gelöst, sondern allenfalls gewaltsam unterdrückt werden können. Sämtliche militärische Interventionen haben allenfalls gewaltverursachende Herr­schaftsstrukturen auszutauschen vermocht, aber nie Frieden bringen können.

Wir Sozialdemokraten lehnen deshalb "out-of-area"-Einsätze als "Feuerwehraktionen" entschieden ab. Internationale Konflikte müssen politisch gelöst werden, nicht militä­risch. Dazu bedarf es einer internationalen Konfliktprävention mit dem Ziel, Konflikte rechtzeitig zu erkennen, ihre Ursachen zu benennen und zu lösen. Hierzu müssen wir das militärische Drohpotential des Nordens zurückdrängen und den sozialökologi­schen Umbau in den Triadenmächten in einer internationalen Reformperspektive verankern. Um unseren Vorstellungen einer gerechten Weltordnung Durchsetzungs­kraft zu geben, müssen wir den Bruch mit der zunehmenden Militarisierung der Poli­tik vollziehen und statt dessen alternative Entwicklngsmodelle aufzeigen.

Konfliktfrühwarnsystem

Die UNO ist heute zum Spielball für die Politik der USA und der US-Verbündeten geworden. Zum einen liefert die UNO die Legitimation für Interventionen im Süden, wenn dort die politische Situation oder die ökonomischen Rahmenbedingungen dem Norden nicht mehr genehm sind, ist andererseits die UNO bei der Einmischung in die Angelegenheiten der USA unerwünscht. Die UNO ist somit zur interventionisti­schen Konfliktmanagementbehörde für Interessen des Nordens geworden und nicht mehr in der Lage, als neutrale Instanz mit Mittlerfunktion Position in Konflikten ein­zunehmen. Darüber hinaus hat die UNO es nicht geschafft, entstehende Konflikte frühzeitig zu erkennen, und griff im Vorfeld zu zögerlich ein. Erst viel zu spät nach der kriegerischen Eskalation war ihr ein Engagement möglich. Die unzureichende regio­nale Verteilung und die Anpassung an die internationale Machtstruktur zeigen die Grenzen für die Demokratisierung der UNO und ihre mangelnde Eignung für ein regional ausgerichtetes Netz vorbeugender Diplomatie.

Ein Ausweg aus den festgefahrenen UNO-Strukturen ist der Aufbau regional arbei­tender Organisationen für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZ). Diese OSZ müssen mit der dem Norden vorschwebenden Organisationsarbeitsteilung brechen, bei der derzeit die UN für "friedenspolitische" Interventionen und soziale Belange zuständig ist, der IWF hingegen für Finanzen und makroökonomisches Management, die Welt­bank für die Entwicklungsprojekte und die GATT für Handelsstrategien und in einem Gesamtkonzept für ökonomischen Ausgleich zur Konfliktvermeidung eingebunden sein. Die OSZ sind anhand folgender Strukturelemente zu organisieren:

  • Zentrum für Konfliktprävention und friedliche Streitbeilegung und Friedensfor­schung
  • Abrüstungs- und Konversionsinstitut (mit Überwachung geschlossener Abrü­stungsverträge)
  • Büro für freie Wahlen und Demokratie
  • Büro für nationale Minderheiten
  • Büro für Frauenrechte und Gleichstellung
  • Büro für Umwelt
  • Büro für Entwicklung und Handelsstrategien.

Die OSZ sind weltweit regional aufzubauen und schon jetzt im Mittelmeerraum, Mit­telasien, Zentralafrika, Nahen Osten und Mittelamerika zu entwickeln.

NGOs und Neue Soziale Bewegungen beteiligen!

Wir werden bei der Umsetzung einer solchen Perspektive immer weniger von den staatlichen Akteuren allein erwarten können. Vielmehr wird die Einbeziehung des "zivilgesellschaftlichen Sektors" und aus Neuen Sozialen Bewegungen (NSBs) und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) an Bedeutung gewinnen. Auch wenn der Aufbau von NGOs und NSBs als handlungsfähiges Subjekt noch ganz am Anfang stehen, bieten sie mittelfristig die Chance, die Gegenmachtbildung zur herrschenden Weltordnung mit alternativen Visionen zu organisieren.

Europäisches Sicherheitskonzept statt NATO!

Die NATO ist in den Auseinandersetzungen der Systeme als westliches Militärbündnis geschaffen worden und heute ein Relikt des Kalten Krieges ohne weitere Existenzbe­rechtigung. Die überstürzte NATO-Osterweiterung lehnen wir ab und wollen die Auflösung der NATO. Der Angst der kleineren NATO-Länder, die zum Teil wiederholt Opfer deutscher Aggression geworden waren, ist Rechnung zu tragen. Wir wollen deshalb für ein europäisches Sicherheitskonzept die Stärkung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vorwärts bringen und die Koope­ration mit den osteuropäischen Staaten verstärken.

Ziviles Peace-Keeping statt militärischer Intervention!

Nord-Süd-Allianzen für Umverteilung zwischen Arm und Reich!

Bundesrepublik ohne Armee statt Militarisierung der Gesellschaft!

Pflegebereich aufwerten - gegen die allgemeine Dienstpflicht und soziales Pflichtjahr

Bundeswehr abschaffen!

Freiwilligenarmee als Übergangsmodell!

Keine Berufsarmee!

Waffenlieferungen stoppen!

Konversionsprogramme