Gentechnologie (1989): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
Zur Navigation springen Zur Suche springen
(Die Seite wurde neu angelegt: „{{Beschluss |Gremium = Landesparteitag |Gliederung = Landesverband Schleswig-Holstein |Sitzung = Landesparteitag Bad Segeberg 1989 |Leitantrag …“)
 
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 10: Zeile 10:
|Adressat      =
|Adressat      =
}}
}}
== I . Gentechnikalsgesellschaftliche Herausforderung ==
== I . Gentechnik als gesellschaftliche Herausforderung ==


I. Gentechni k al s gesell schaftl i che Herausforderung
# Gentechnik ist eine Schlüsseltechnik. Mehr  als Atomtechnik es je vermochte , wird sie unser Leben,  die Gesellschaft, Natur und Umwelt verändern können. Mit der Entzifferung des "genetischen Codes", der Zu­sammensetzung der Erbanlagen, ist es möglich geworden, weit mehr als bisher in natürliche biologische Prozesse ein zugreifen und diese grundsätzlich zu ändern. Struk­turen und Eigenschaften von Mensch, Tier und Pflanze können in völlig neuen Dimensionen damit verändert, manipuliert oder völlig neu hergestellt werden.


1 . Gent echn i k i st ei ne Sch l üsse ltech n i k . Mehr  a l s Atom­ t ec h n i k es je vermocht e , wi rd si e u n ser Leben ,  d i e Gesel l sch af t , Na t u r u n d Umwe l t veränder n kön nen .
Mi t  der  Entzi f f erun g  des  11genet i sehen  Codes" ,  der  Zu­ sammen setz ung  der  Erban l agen ,  i st  es  mög l i eh  geworden , wei t  me h r  al s  bi sher  i n  nat ü r l i che  bi ol og i sch e  Prozesse ei n zugrei f en  u nd  di ese  grundsät z l i eh  zu  än dern .  Stru k­ t uren    un d  Ei gen schaf ten  vo n  Men sch ,  'Ti er  u n d  Pf l an ze kön nen    i n  völ l i g  neu en  Di men si onen  dami t  v er än dert , ma n i pu l i ert  oder  völ l i g  ne u  hergeste l l t  werden .
Währen d  si ch  d i e  V i el f al t  des  Lebens  mi t  der  Mi ll i ar­ denja h re  l angen  Entwi ck l un g  nac h  dem  Pr i n z i p  un endl i ­ cher  Mög l i ch kei ten  aber  auch  u n endl i ch  vi el er  Besch rän­ k u n gen  u n d  d a u er h a f t en    Kon t i n u itäten ,  mei st  nu r  i n k l ei nen  Sprüngen    entwi c k e lt e ,  wo ll en  Fo r sc h u n g  u n d I n du stri e  den  8.  Schöpf u n gstag  nac h  i hren  Normen    i n s L abor  ver l egen .
Währen d  si ch  d i e  V i el f al t  des  Lebens  mi t  der  Mi ll i ar­ denja h re  l angen  Entwi ck l un g  nac h  dem  Pr i n z i p  un endl i ­ cher  Mög l i ch kei ten  aber  auch  u n endl i ch  vi el er  Besch rän­ k u n gen  u n d  d a u er h a f t en    Kon t i n u itäten ,  mei st  nu r  i n k l ei nen  Sprüngen    entwi c k e lt e ,  wo ll en  Fo r sc h u n g  u n d I n du stri e  den  8.  Schöpf u n gstag  nac h  i hren  Normen    i n s L abor  ver l egen .
Obwo h l    vi el e  Wi ssen sch af t l eri n nen  und  Wi ssen sch af t l er war nen ,  wei l    d i e  R i si ken    i n  manc hen  Berei ch en  sch on jet zt  erken nbar  zu  groß  un d  an dere  R i si koberei ch e  noch n i cht  genügend  erf orscht  si nd ,  um  si e  ei nsch rän k en  zu kön nen ,  werden  manc he  Gentech n i ken  mit  wei tgestec kten Zi el en  we l twe i t  bere i ts  angewa n dt :  von  der  Fr ei setz u ng gen techn i sch  man i pu l i erter  Organ i smen  über  Med i kamen­ ten-  und  Nah r u ng smi ttel prod u kt i on ,  der  Ersc haf f ung  un d Paten ti erun g  neuer  Pfl an zen -  u n d  Ti erart en  bi s  zu  den Vers uch en  an  Emb ryonen .
Obwo h l    vi el e  Wi ssen sch af t l eri n nen  und  Wi ssen sch af t l er war nen ,  wei l    d i e  R i si ken    i n  manc hen  Berei ch en  sch on jet zt  erken nbar  zu  groß  un d  an dere  R i si koberei ch e  noch n i cht  genügend  erf orscht  si nd ,  um  si e  ei nsch rän k en  zu kön nen ,  werden  manc he  Gentech n i ken  mit  wei tgestec kten Zi el en  we l twe i t  bere i ts  angewa n dt :  von  der  Fr ei setz u ng gen techn i sch  man i pu l i erter  Organ i smen  über  Med i kamen­ ten-  und  Nah r u ng smi ttel prod u kt i on ,  der  Ersc haf f ung  un d Paten ti erun g  neuer  Pfl an zen -  u n d  Ti erart en  bi s  zu  den Vers uch en  an  Emb ryonen .
Bef ürwor ter der Gentechn i k verwei sen auf neue Mög l i ch­ kei t en zur Lösung ei ner Rei he von Prob 1emen der In du­ str i egese l l schaf t , d i e d i e d i ese sel bst hervor gebrac ht hat .
Bef ürwor ter der Gentechn i k verwei sen auf neue Mög l i ch­ kei t en zur Lösung ei ner Rei he von Prob 1emen der In du­ str i egese l l schaf t , d i e d i e d i ese sel bst hervor gebrac ht hat .
So  kön nten  z .B.  mi t  H il f e  der  Gentechn i k  zu  Prob l emen wi e  Umwe 1t schut z ,  Abf a 11verwert ung ,  A l t 1 astenbes e i t i - gun g ,  Si cher un g  der  We l tern äh r u n g ,  Energ i eerzeugun g  und Arznei mittel herste l l ung  neue  Lösun gen  angebot en  werden . Hof f nungen  un d  Il l u si onen  kon zentr i eren  si ch  auf  vi el -
So  kön nten  z .B.  mi t  H il f e  der  Gentechn i k  zu  Prob l emen wi e  Umwe 1t schut z ,  Abf a 11verwert ung ,  A l t 1 astenbes e i t i - gun g ,  Si cher un g  der  We l tern äh r u n g ,  Energ i eerzeugun g  und Arznei mittel herste l l ung  neue  Lösun gen  angebot en  werden . Hof f nungen  un d  Il l u si onen  kon zentr i eren  si ch  auf  vi elfältige Chancen zukünfti ger Märkte, gl eichzeiti g eröff­ net si ch ei ne Zukunft, di e die Größe und Vi elfalt des Lebens auf mol ekul arbi ol ogi sche zusammenhänge und i hre Dienstbarkei t für den Menschen reduzi eren.
#Seit der industri el len Revol uti on gal t auch für Sozi al­ demokraten die Entwi ckl ung und der Ausbau der Techni k al s gesel lschaftl icher Fortschri tt. Die Entwi ckl ung der Produkti vkräfte sol lte die Voraussetzungen für gesel l­ schaftl iche Veränderungen herbeiführen.
I. Gentechni k ·als gesel l schaftl i che Herausforderung
 
fältige Chancen zukünfti ger Märkte, gl eichzeiti g eröff­ net si ch ei ne Zukunft, di e die Größe und Vi elfalt des Lebens auf mol ekul arbi ol ogi sche zusammenhänge und i hre Dienstbarkei t für den Menschen reduzi eren.
 
 
2. Seit der industri el len Revol uti on gal t auch für Sozi al­ demokraten die Entwi ckl ung und der Ausbau der Techni k al s gesel lschaftl icher Fortschri tt. Die Entwi ckl ung der Produkti vkräfte sol lte die Voraussetzungen für gesel l­ schaftl iche Veränderungen herbeiführen.
Heute wi ssen wi r, daß Großtechni ken, die ni cht versagen dürfen , zu menschenfei ndl ichen Destrukti vkräften werden können.
Heute wi ssen wi r, daß Großtechni ken, die ni cht versagen dürfen , zu menschenfei ndl ichen Destrukti vkräften werden können.
Deshal b müssen gerade zur Bewertung der Gentechnol ogi e sozi a1 demokrati sehe Maßstäbe ·der Techni kgesta1tung her­ angezogen werden.
Deshal b müssen gerade zur Bewertung der Gentechnol ogi e sozi a1 demokrati sehe Maßstäbe ·der Techni kgesta1tung her­ angezogen werden.

Version vom 19. April 2016, 13:09 Uhr

Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Bad Segeberg 1989
Bezeichnung: Leitantrag
Antragsteller:


Beschluss: Angenommen


I . Gentechnik als gesellschaftliche Herausforderung

  1. Gentechnik ist eine Schlüsseltechnik. Mehr als Atomtechnik es je vermochte , wird sie unser Leben, die Gesellschaft, Natur und Umwelt verändern können. Mit der Entzifferung des "genetischen Codes", der Zu­sammensetzung der Erbanlagen, ist es möglich geworden, weit mehr als bisher in natürliche biologische Prozesse ein zugreifen und diese grundsätzlich zu ändern. Struk­turen und Eigenschaften von Mensch, Tier und Pflanze können in völlig neuen Dimensionen damit verändert, manipuliert oder völlig neu hergestellt werden.

Währen d si ch d i e V i el f al t des Lebens mi t der Mi ll i ar­ denja h re l angen Entwi ck l un g nac h dem Pr i n z i p un endl i ­ cher Mög l i ch kei ten aber auch u n endl i ch vi el er Besch rän­ k u n gen u n d d a u er h a f t en Kon t i n u itäten , mei st nu r i n k l ei nen Sprüngen entwi c k e lt e , wo ll en Fo r sc h u n g u n d I n du stri e den 8. Schöpf u n gstag nac h i hren Normen i n s L abor ver l egen . Obwo h l vi el e Wi ssen sch af t l eri n nen und Wi ssen sch af t l er war nen , wei l d i e R i si ken i n manc hen Berei ch en sch on jet zt erken nbar zu groß un d an dere R i si koberei ch e noch n i cht genügend erf orscht si nd , um si e ei nsch rän k en zu kön nen , werden manc he Gentech n i ken mit wei tgestec kten Zi el en we l twe i t bere i ts angewa n dt : von der Fr ei setz u ng gen techn i sch man i pu l i erter Organ i smen über Med i kamen­ ten- und Nah r u ng smi ttel prod u kt i on , der Ersc haf f ung un d Paten ti erun g neuer Pfl an zen - u n d Ti erart en bi s zu den Vers uch en an Emb ryonen . Bef ürwor ter der Gentechn i k verwei sen auf neue Mög l i ch­ kei t en zur Lösung ei ner Rei he von Prob 1emen der In du­ str i egese l l schaf t , d i e d i e d i ese sel bst hervor gebrac ht hat . So kön nten z .B. mi t H il f e der Gentechn i k zu Prob l emen wi e Umwe 1t schut z , Abf a 11verwert ung , A l t 1 astenbes e i t i - gun g , Si cher un g der We l tern äh r u n g , Energ i eerzeugun g und Arznei mittel herste l l ung neue Lösun gen angebot en werden . Hof f nungen un d Il l u si onen kon zentr i eren si ch auf vi elfältige Chancen zukünfti ger Märkte, gl eichzeiti g eröff­ net si ch ei ne Zukunft, di e die Größe und Vi elfalt des Lebens auf mol ekul arbi ol ogi sche zusammenhänge und i hre Dienstbarkei t für den Menschen reduzi eren.

  1. Seit der industri el len Revol uti on gal t auch für Sozi al­ demokraten die Entwi ckl ung und der Ausbau der Techni k al s gesel lschaftl icher Fortschri tt. Die Entwi ckl ung der Produkti vkräfte sol lte die Voraussetzungen für gesel l­ schaftl iche Veränderungen herbeiführen.

Heute wi ssen wi r, daß Großtechni ken, die ni cht versagen dürfen , zu menschenfei ndl ichen Destrukti vkräften werden können. Deshal b müssen gerade zur Bewertung der Gentechnol ogi e sozi a1 demokrati sehe Maßstäbe ·der Techni kgesta1tung her­ angezogen werden.

"Technik muß fehlerfreundl ich und rückhol bar, von fehl­ baren Menschen zu beherrschen und von künfti gen Genera­ ti onen zu revi di eren sei n. Techni sche Neuerungen, deren Ri si ken ni cht abzuschätzen oder die demokrati sch ni cht beh errsc h bar si nd, woll en wi r verhi ndern." (Entwurf Grundsatzprogramm)

Notwendi g ist al so eine Techni k, di e dem Menschen und der Natur gerecht wi rd und ni cht ei ne Techni k, der sich Mensch und Natur anpassen müssen.


3. Regi erungen und Industrie investi eren fast ausschl i eß- 1 i eh i n den Ausbau der Gen- und Fortpfl anzungstechni­ ken, Wi ssenschaftl er bestehen auf i hrer Forschungsfrei­ heit, obwohl di e Natur immer weiter verändert und zer­ stört und, verbunden damit, demokrati sehe Grundrechte ständig weiter ausgehöhl t werden. Forschungsfrei heit darf ni cht im Gegensatz zu den im Grundgesetz all en Menschen garanti erten unveräußerl i-



J


chen Rechten un d . i h rer An spr üche an d i e Na t u r , Umwelt und d i e ei gene Ges u nd h e i t steh en . Wi r bra uchen ei ne Wi ssensch af t , d i e si eh berei t s bei P l an u n g , Organ i sat i on u nd Du rch f ü h r u ng der Fo rs c h u n g i h rer g ese l l s ch af t l i ch en V er a n t wort un g stell t , un d Ausk unf t über i h re Zi el e , Met h oden un d mög l i ch e Anwen­ dungsgef ah ren gi bt . G l ei chzei t i g bra uc hen wi r ei n e W i ssen sch af t , d i e d i e Fo l gen d i eser Techn ol ogi e erf orscht u nd al l e d en kbaren Auswi r k un gen of f en l egt .

I n d er Rege 1 u n t er l i egt wi ssensch af t l i ehe Forsc h u n g • erst dann der gese11sch af t 1i ch en Kont ra 11e , wenn es um d ie Anwen dun g i h rer Ergebn i sse geht . ( Entwu rf Grun d­ satzprogr amm ) Wi e jedes Gr u n drecht steht aber auch das Grun drec ht der Wi ssen sch af tsf re i hellt i n Kon k u rren z zu den anderen Grundrecht en un d wi rd von i h nen begren zt . Wen n Forsc h un gsvorh aben zu unt r agbaren R i si ken führen und dami t d i e Würde des Mensc h en , das Rec ht auf Leben un d körper l i che Unverseh rt h ei t u n d di e Frei hei t anderer gef äh rden , mu ß durch Geset ze das verf assung srecht 1 i ehe Verbot sol cher Met h oden un d Verf ahren kon kreti si ert und verdeut l i cht werd en •


• 4. Wäh ren d sozi a l demok rat i sche Grun dsätze di e sol i dar i sche Gese 1 1schaf t f ordern , kön nen Gen- u n d Fort pfl an z u ngs­ techn i ken zu r vol l stän di gen Ent sol i dar i si erun g f ü h ren . Da das i n di vi duel l e genet i sche R i si ko i mmer stärker i n den Vorderg run d geste l l t wi rd , werden andere ( z .B. so­ z i al e und öko l ogi sch e ) R i si ken i n u n serer Gesel l schaf t v ern ach l ä ssi gt . I n äh n l i cher We i se werden Ti er- un d Pfl anzen arten n ach Nüt z l i ch kei tsgesi cht spun kt en ei n er gewi nnor i enti erten Agrar-, Ph arma- u nd Ch emi ei ndu str i e sel ekt i ert . W der Men sch bere i t s aussc h l i eßl i ch nac h dem Pr i n z i p der Gewi n nmaxi mi erung ei n gegr i f f en h at , z e i g en si ch schwerwi egende Fo 1gen : Mono k u l t u ren , Arten schwun d un d

r . Gent echn i k a l s gesel l sch af t l i ch e Herausf order ung

Wal dsterben . Äh n l i ch wi e d i e Atomtec h n i k bed arf auch d i e Gentech n i k massi ver Si cherh eit smaßn ahmen . U nf äll e i n Ch emi e- und Kern k raf twer ken haben gezei gt , d aß trot z gegen tei l i ger Ve rsi cher ungen durch d i e U n ternehmen d i e Sicherh e i t der Bevöl kerun g ni cht gewäh r l ei stet i st . Auc h f ü r Bi orea k­ t oren u n d gent ech n i sehe Labors gi bt es Si ch er h e i t s­ r i cht l i n i en . Ob d i ese au srei chen , d i e dort Ar bei ten den oder d i e Bevöl ker u ng u nd d i e Na tur vor U n f ä l l en z u sch üt zen , ersche i n t vor dem H i n t ergrun d der jü ngsten Atom- u nd Chemi eskand al e meh r a l s f ragl i ch . Di e Entwi ck l un g un d Anwen du n g der Gen- un d Fort pfl an­ zungs techn i ken f i ndet de r z e i t i m r ec h t sf r e i en R aum statt . Künst 1i eh gezeugte Ki n der kön nen bi s zu sechs E l t ern h aben , von denen i h nen jedoch kei ne rec h t l i ch a 1 s M u tter oder V ater gesi c:hert z u zuordnen si nd . An Emb ryonen außerh al b des Mu tter l ei bes k ann gef orscht und ma n i pu l i ert werden , ohne daß d i es geset z l i ch san kti o­ n i ert wi rd . E s bedarf von daher dr i ngen d recht 1i eher Normen , di e ei ne vor ausgeg angene pol i t i seh e Entschei dung über den Anwen du n gsberei ch d i eser Tech n i ken umset zen .


5. Di e Gen - un d Fort pf l an zun gstech n i ken werf en zah l rei che sozi al e, eth i sche und ökol ogi sche Prob l eme auf . Pol i t i k u n d Gese ll schaf t müssen rasc h, ent sche i den , wo f ü r Wi s­ sensch af t , Forsch ung u n d I n d u st r i e Gr en z en geset z t we rden müssen . D a s E r gebn i s u n sere r D i sk ussi on un d Bewert un g über Forsch ungsst and , Anwen dun gsprax i s und mög l i ehe Fol gen der Gentec hnol og i e zei gt , daß d i e R i si ken wei t aus grö­ ßer si nd a l s mög l i che Ch ancen . I n f a st a l l en Berei chen si n d gent echn i sche Met h oden überfl üss i g sowi e ökol ogi sch und soz i a l gef äh r l i c h . I h re erzi el baren Ef f ekte haben kei nen so großen gesel l ­ schaf t l i ch en Wert , a l s daß si e d i e grun d l egend en Nac h­ tei l e un d Gef ahren recht f ert i gten . Ni cht jede tec h n i -


sehe Neuerung ist auch ei n Fortschri tt. Es g·i bt i n dieser Gesel l schaft zahlreiche Ansätze men­ schenfreundl ieher Medi zin, artgemäßer Tierha 1 tung und ökol ogischer Pfl anzenzucht. Di ese Ansätze, die im Ei n­ klang stehen mi t der Natur und den Grundsätzen ei ner demokrati schen , sol i dari schen Gesel l sch aft , müssen ausgebaut und gefördert werden. Dort wo i n ei nzel nen ei ngegrenzten Berei chen Gentechni k akzepti ert wi rd, , darf ihr Ei nsatz nur unter strengen Genehmi gungs- und Sicherheitsbesti mmung en und unter öffentl icher Kontrol l e stattfi nden • •6. Die Informati onen und di e Di skussi on über die Gen- und Fortpfl anzungstechni ken sind dri ngend notwendi g und in unserer Partei voranzutrei ben. Wi r , al s Sozi al demokrat­ Innen dürfen ni cht nur zusehen, wi e die neuen Techni ken unsere Gesel l schaft und die Natur verändern. Wi r müssen durch pol itische Initiati ven Ei nfl uß nehmen und di e Zukunft gestal ten. Darüber hi naus fordern wi r a1 1 e gesell schaftl ichen Gruppen auf , i hre Ha1 tung zu den Gen- und Fortpflan­ zungstechni ken zu formul i eren und in die öffentl i che Di skussi on ei nzubri ngen • •



- 6 - I I . Di e Neuen Fort pf l an zu n gstech n i ken

I. Di e Neuen Fortpfl anzungstechni ken

D i e f ür d i e Anwen du n g der Neu en Fort pf l anz ungst echn i k en v or au s gesetzte Steri 1 i t ät hat ger ade i n den l etzten Jahren übe rpropor t i on al i n den I n du stri enationen zu ge­ n ommen un d wi rd immer me h r auc h mit der Zun ahme von Sch adstof f en i n der Umwe 1t i n Zusammen h ang gebrac ht . Eben so 1assen si eh Zusamme h än ge er ken nen zwi sehen den Leben sbedi n gungen der Men sch en , den Umwel tbed i n gungen , d er g ese l l sch af t l i chen Rea l i t ät und den zunehmen den Steri l it ät sprobl emen der Men sch en . U nters uc h un gen haben gezei gt , daß psyc hosomati sche Be­ han d l ung smet h oden bei Steri 1 i t ät sehr erf ol gr ei eh sei n kön nen . Dara us 1äßt si eh ab 1ei ten , daß mi t Hi 1f e von psychosoz i al en Berat u n gsstell en v i el en Paaren geh olf en we r d en k ön n t e . D i ese Mög l k h kei t der H il f e wi rd i n Sch l eswi g-Ho l stei n bi sher n i cht an geboten .

Di e Neuen Fort pfl anzun gstech n i ken müssen im Zusammen­ hang mi t der zu nehmend en I n an spruch n ahme med i z i n i scher Tech n i ken bei der Gebu rt i n daf ü r vorgeseh enen Kl i n i ken und bei der Schwange rsc h af t s k o n t r o l l e d u r ch U l t r a­ scha l l - un d Fruc htwasser unters uc h u n gen gesehen werden . Di e Neuen Fortpf l an zu n gstechn i ken mi t den Techn i ken der k ünst l i chen Bes amun g ei ne r Frau ( I nsemi n ati on ) , der Im­ G l as-B.ef rucht ung ( In-v i t ro-Fer t i l i sat i o n ) , de s Ti ef ­ g ef r i e ren s v on Em bry o n en , E i zell en und Samen zell en st el l en ei n e n eu e Q u a l i t ät d er Tec h n i s i er u n g der . m en sch l i ch en Fo r t pf l a nzun g d ar . Si e gi pf elt i n der angest rebt en künst l i ch en Gebä rmu tter , deren Entwi ck l ung i n Zu k un f t bev orsteht . Mi t der Entwi ck l u ng der Neuen Fort pfl anzun gstechn i ken i st d i e Zeug ung ei nes K i n des u nd d as Aust ragen des Em­ bryos ohne Sexu al i t ät un d ohne persön l i che Bez i ehun g mög l i ch . Für vi el e auf di ese Wei se gezeu gter Ki n der besteht di e Gef ah r , daß sie i h re bi ol ogi sch e u nd _ sozi al e Her k u nf t n i cht erf ah ren un d ei ne generat i on s- u n d fami l i enge-



- 7 II. Die Neuen Fortpfl anzungstechni ken

schichtl iche Identi tät ni cht entwi ckel n könen. Der Einsatz von Techni ken und Maschi nen bei der Fort­ pfl anzung kann l angfri sti g zur quanti tati ven und qual i­ tati ven Regul ierung des gesel l schaftl i chen Nachwuc hses benutzt werden. Durch die Neuen Fortpfl anzungstechni ken werden die na­ türli ehe Zeugung und Schwangerschaft durch die Anwen­ dung von Techni ken und Maschi nen ersetzt. Damit kann die Si cherung des gesell schaftl i chen Nac hwuc hses je nach staatl ichen Interessen unmi ttel bar gesteuert wer­ den. Famil i enpol itische Maßnahmen, um mittel bar über die Frauen die Zahl der Geburten zu besti mmen (z.B. Er- tt ziehungsgel d), werden ni cht mehr benöti gt. Darüber hi naus findet berei ts heute mi t der Auswahl der Menschen, di e di e Neuen Fortpfl anzungstec hn i ken für sich i n Anspruch nehmen dürfen , ei n.e sozial e und gene- ti sche Ausl ese statt. Das ärztl i ch e Standesrec ht schrei bt vor, daß eine künst 1 iehe Besamung oder ei ne künstl i ehe Befruchtung grundsätzl ieh nur an Ehel euten ausgeführt werden darf. Bei der Suche nach ei ner Er­ satz- oder Tragemutter ebenso wi e bei Samenspendern und Ei spenderi nnen setzt sieh die Auswah 1 fort, wei 1 di ese den körperl ichen und charakterl i chen Ei genschaften der Wunschmutter und des Wunschvaters entsprechen sol l en •

Für die Techni k der Im-Gl as-Befruchtung ist es unab­ dingbar, di e Ei zell en aus dem Körper der Frau zu ent­ nehmen. Damit stehen Ei ze1 1 en und Embryonen der For­ schung zur Verfügung, und es ist ei ne Voraussetzung ge­ schaffen für al l e techni sch mach baren Mani pul ationen am menschl ichen Erbgut. Das Herausneh_men der Ei zell en aus dem Körper der Frau bi rgt die Gefahr, daß die Fortpfl anzungstechni k fl ie­ ßend in die Gentechni k übergeht und marki ert damit ei ne Grenzüberschrei tung.

I I . Di e Ne uen Fort pf l an zun gstech n i k en

D i e SPD fordert :

1. Das Rec ht der Men schen auf di e U n ant astbar kei t i hres Erbgutes i st geset z l i eh zu veran kern . Dami t ver bi eten si ch E i ngr i f f e i n d i e Ke i mbah n , das hei ßt gen eti sche Ve r änderungen sowoh l - von E i - und Samenzell e a l s auch von bef ruc hteten E i ze l l en . 2. I n der Dekl arati on von Hel si n k i ( 1975 ) si nd med i z i n i ­ sche Expe r i mente am Men sch en verboten . Di eses Ver bot i st auf werden des men sch l i ches Leben zu übert ragen , das h ei ßt : Jede Art von Exper i men ten an bef ruc htet en E i ze l ­ l en un d an l eben den Embryonen i st zu verbi eten . 3. Jedes Ki nd hat das Rec ht auf Ken ntn i s sei ner genet i ­ schen E ltern . 4. F o l g en de V ar i ati onen der künst l i chen Fort pfl anzun gs­ techn i ken werd en verbot en : - d i e Lei hmuttersc haf t - d i e Entwi ck l un g des Emb ryos außer h a l b des wei bl i chen Körpe rs von der Bef rucht u ng b i s zur Gebu rt - d i e Vermi sch ung der Samen meh rerer Samen spender zu ei nem "Samencoc kt ai l " - d i e Herste ll ung von Ch imären , zu wel chem Zi el auch immer - d i e Herstel l un g g l ei ch er I n d i v i duen ( Kl onen ) - di e Entn ahme der E i zel l en aus dem Körper der Frau und dami t d i e "Im-G l as-Bef ruch t ung" sowi e di e E i spende - das Ti ef gefri eren von Samen zell en , E i zell en un d Em­ bryonen - di e In semi n ati on mi t Samen ei nes Man nes , der ni cht der sozi al e Vater werd en wi l l . 5. D i e Ei nr i chtung psyc hosoz i a l er Steri l i t ät s-Konf l i kt-Be­ rat ungsst el len , i n denen Berat u ng u nd Th erapi e gel ei ­ stet wi rd . 6. D i e verstär kte Förder un g der Forsc h u n g über umwel tbe­ di ngte psych i sehe und andere Ursach en der Steri 1it ät un d di e Umset zun g der gewon nen Er ken nt n i sse.


I. Anwendung der Gentechni k bei m Menschen

l. Genomanal yse

Das Genom i st d i e Summe al l er E rban l agen ei nes Lebewe­ sen s. Träger der Erban l agen si nd d i e Ch romosomen . Di e Zah l der Erban l agen , deren Lage auf den Chromosomen , i hr Zus ammen spi el sowi e i h re Bedeut u ng si nd bei m Men­ schen erst zu ei nem kl ei nen Teil be k annt . Mi t großem Auf wand sol l i n den n ächst en Jah ren das mensc h l i che Ge­ n om ent sch lüsse l t werden . Wen n d i es ge l i ngen soll te , • wäre der genet i sch "gl äserne Mensc h " kei ne V i si on , son­

dern Real i t ät . Berei ts--- h-e--u--t--e--- _- kön n--en

ei n ze l ne Gen e des

- - - - --- Men sch en mi t H i l f e der Gen oman a l ys e er k an n t u n d i n i h rer mög l i chen oder an geb]i chen Wi r k un g besti mmt wer­ den . DTe Gen oman al yse wi rd durchgef ü hrt auf _der Ch rornosomen­ Ebene ( z .B. Tr i somi e 21 - Mon gol i smus ) , auf der Gen­ Ebene ( z .B. Mus kel dystroph i e Duc hen ne - Mus kel schwun d ) und auf der Prot ei n-Ebene ( z .B. Spi n a b i f i da - of f ener Rücken ) . Di ese Met h ode k an n be i m Embryo un d am Erwac h­ senen angewa ndt werden . Es _ l assen si eh egeneti sehe D i sposi t i onen f rüh zei t i g erken nen . Di e Met hoden der Genoman al yse si nd darüber h i n aus ei ne

• - d er V er k n ü pf u n g sstell en der Fort pfl anzun gs- mi t

' der

Gentechn i k . Den n mi t i h nen l äßt si ch d i e "Qu al i t ät der au ßerha l b des Mutter l ei bs gezeugten Ki n der " überpr üf en und ei n wei tes Fel d f ür Forsch ungen an . E i zel l en und Em­ bryonen ersch l i eßen . Di e Ken nt n i s sol cher geneti scher Daten k ann f ü r den Bet rof f enen oder d i e Bet rof f ene von großer Bedeut un g sei n . Neben der psyc h i schen Bel ast un g durch das Wi ssen um ei ne mög l i ehe genet i sehe Di sposi ­ ti on k ann für den ei nzel n en Men schen d i e Roll e i n der Gesel l sch aft sowi e d i e Aussi ch ten auf dem Arbe it smarkt g l ei cherma ßen ei ngesc hrän kt werden . Den n d i e Ken nt n i s der genet i sch en Daten i st z .B. f ür Arbei tgebe r , staat­ l i che Ei n r i cht un gen , Vers i cher un gen von großem I nter­ esse.


Es i st daher zu bef ürchten , daß d i e Gen oman al yse oder d i e vol l ständi ge Entsch l üsse l u n g der mensc h l i ch en E rb­ an l agen - trot z all er den k baren mög l i chen Chancen für den ei nzel nen Menschen - i n sgesamt zu ei ner E ntsol i da­ r i si erun g i n der Gese ll sch af t f ü hren wi rd . Sie steht daher i m Wi derspruch zu u n seren V orstel l ungen von ei ner sol i dari schen Gesell schaf t , i n der d i e Wü rde dem Men­ schen gegeben i st - un abh ängi g von all er Le i stung und N üt z l i chkei t .


2. Pränatal e (vorgeburtliche) Genomanal yse

Vorgebur t 1i ehe Gen oman a1ysen werden i m Rahmen der h u­ ma ngeneti schen Berat ung du rchgef ü h rt . I n den l etzten 10 Jahren i st i n der BRD ei n Netz von Human genet i sch en Be­ rat un gsste l l en auf gebaut worden . I n Zus ammen arbeit mi t Frau en ärzt ln n en werden Fruc htwas­ ser u n tersuc hun gen ( Amn iozentesen ) oder Chor i onzotten­ bi opsi en ( va gi n al e Ent n ahme von Emb ryon a l zel l en i n der 9 .-11 . Schwangersc h af tswoc he ) vorgen ommen . Das Zi el der Unters uc h ung i st es , mi t H il fe . ei ner Ge­ n oman al yse !l- ti sche Di sposit i onen be i m Emb ryo zu di a­ gnosti z i eren . Bet rof fen si n d Embryonen mit genet i schen Di sposi t i onen ---< --,... "· · c-, ' wi e Tr i somi e 21 , Mus ke l dystroph i e Duc henne , Spi n a bi - . f i da oder Mu kovi szi dose . D i e Konseq u en z aus der Di agnose genet i scher Di sposi t i on i st heute f ast i mmer ei n Schwan gerschaf tsabbr uc h . Mi t H i l f e der Gen oman al yse wi rd der Kat a l og der zu erken­ nenden genet i schen Di spos i t i onen ständ i g erwei tert . Er­ kran kun gen , d i e erst im späteren Leben auf treten kön­ nen , Di sposi t i onen z .B. f ür Herz i nf arkt , Asth ma , Al l er­ gi en , Di abetes oder Krebs , Kurzsi cht i g kei t oder Hör­ sch äd i gungen werden prän at al d i agnost i z i erbar . e e p rän atal erkan nt e geneti sc:he Di sposi t i on zwi ngt zur Unte rseh ei dung zwi seh en 1ebenswert und 1eben s u n ­ wert . Auf di e Mutter un d den V ater kommt ei ne Situat i on


zu, di e kaum zu bewälti gen ist. Die Gesell schaft wi rd mehr noch als heute 11 gesunde und schöne11 Ki nder verl an­ gen. Ni cht mehr die Ei nzi garti gkei t jedes ei nzel nen Menschen wi rd erwünscht sein, sondern die An passungsfä­ hi gkeit an gesel l schaftl iche Bedi ngungen.

Die pränatal e Genomanal yse i st ei n weiterer Schritt auf dem Wege zur Selekti on, zur Menschenzüchtung. Die Gefahren müssen aufgezei gt und di skutiert werden.

Berei ts in der jetzi gen Gesel l schaft zeigen sich starke Entsol idari sierungsmechani smen, so daß es heute schwer • i st, mit ei nem behi nderten Ki nd i n dieser Gesellschaft zu 1eben. Ni cht das Erforschen der Gene, sondern das Bemühen um Integrati on und Lebensq ual ität für, all e Menschen kann gesel lschaftl ichen Frieden und Gerechti gkeit bri ngen. Es ist aus ethi schen Gründen ni cht vertretbar, pränata­ l e Genomanal ysen für besti mmte Erkrankungen zuzul assen und für andere ni cht. Auch ei ne Kommi ssion, bestehend aus Ärzten, Pol iti kern und gesel l schaftl ich relevanten Gruppen, hat ni cht das Recht, ei nen Katal og schwerer Krankhei ten zu erstel l en, die unter die eugeni sche In­ di kation fal l en • • Di e SPD fordert: Vor dem Hi ntergrund unserer Vorstel l ungen von einer sol i dari schen Gemei nschaft die Entwickl ung einer Ge­ sel l schaftspol iti k, durch di e Behi nderte i n ihren Fami­ l ien und integri ert i n di e Gesel l schaft in Würde leben können. Das Verbot der pränatal en Genomanal yse .


3. Genomanal yse bei Erwachsenen

Die Genomanal yse ermögl icht es, geneti sche Di spositio­ nen , · das hei ßt · zum Bei spiel di e erhöhte Anfäll i gkeit für Schadstoffe, festzustel l en. Die Forschung im Berei eh der Ökogeneti k hat gezei gt, daß jede Person ein i ndi vi duell es geneti sches Ri siko hat, auf bestimmte Arbei tsstoffe mi t Erkrankungen zu reagieren. Im Berei ch der Arbeitswelt und der Umwel t können wi r ei ne ständige Zunahme von Schadstoffen und gefährl ichen Arbei tsstoffen beobachten.

"In dieser Situati on ist eine Umstell ung der Arbei ts­ schutzstrategie auf i ndi vi duell e Selektion probl ema­ ti sch. Genanal yti sche Tests, di e Anfäl l i gkeiten für Ar­ beitsstoffe erfassen, bezi ehen sieh in der Regel auf solche Stoffe, die für jeden schädl ich sind. Daher kann die Auswahl besonders anfäl l iger Personen nur speziel l e Gefahren mi ndern. Die Bel astung der übri gen Arbeitneh­ mer bl iebe aber weiterhi n bestehen. Schl ießl i ch könnte ei ne präsymptomati sehe Di agnose dazu führen, daß dem Arbeitneh mer entgegen bestehender Regel ungen sein all­ gemei nes Erkrankungsri si ko all ei n aufgebürdet wi rd." (Enquete-Bericht, S. 1 68).

Mit Hi lfe der Genomanal yse ist es mögl ich, Erwachsene über Erkrankungsri siken aufzukl ären, z.B. die Di sposi­ ti on für Herzi nfarkt, Diabetes, Krebs oder Al kohol i smus zu diagnostizi eren. Geneti sche Anal ysen di agnosti zieren ei ne Disposition, d.h. ei ne Erkrankung ist mögl ich, aber nicht mit Si­ cherhei t vorherzusagen. Durch die Genomanal yse werden di e geneti schen Veranl a­ gungen für Krankhei ten immer stärker i n den Vordergrund gestel lt. Ni cht die exogenen (äußeren) Ei nfl üsse werden verändert, gesel l schaftl i che zusammenhänge aufgek l ärt und einfache Therapi en (z.B. Di äten) in den Vordergrund


gestel lt, sondern Krankhei t auf ei n indi vi duel l es gene­ tisches Ri siko zurückgeführt.

Entschei dende Bewertungsmaßstäbe der Genomanal yse si nd: Die Genomanalyse bei m Erwachsenen führt im Rahmen der ,Gesundhei tspol iti k zu.einer Indivi dual isierung der Er­ krankungsri si ken, sie erkl ärt Krankheit ei nseitig al s geneti sch bedi ngt und vernac hl ässi gt dami t die exogenen zusammenhänge . Im Rahmen der Arbei tsedi zin ist eine Umste 11ung der Arbeitsschutz strategi e auf i ndi vi duel l e Selektion nicht hi nzunehmen. Statt dessen ist es erforderl ich, den Ar­ beitsschutz zu verbessern, Schadstoffe zu vermei den odr zumindest sorgsam mit ihnen umzugehen. Sowohl die vom Betri ebs arzt a 1 s Rei henuntersuc h ung durch geführte Genomanal yse, al s auch die freiwi ll i ge Genomanal yse der Arbei tnehmerin bei einem Arzt/ei ner Ärzti n werfen vi elfäl ti ge Probl eme auf, u.a. des Daten­ schutzes und der Ausgrenzung von Arbei tnehmerinnen aus dem Arbei tsmarkt . Ebenfal l s wi rd die Anwendung der Genomanal yse im Be­ rei eh der Krankenkassen und der Versi cherungsgese 1 1 - schaften zu datenschutzrechtl ichen unl ösbaren Probl emen und zur Selekti on führen. Bei der Genomanal yse al s Ermittl ungsi nstrument der Po­ l izei und Justi z werden ei ne Vi el zahl von Daten erho­ ben, die weit über die reine Identifi kation hi nausge­ hen. Außerdem wi rd das informati onell e Sel bstbesti m­ mun gsrec ht der Betroffenen unverhäl tni smäßig beei n­ trächti gt. Die Genomanal yse bri ngt den "gläsernen Menschen" und führt zur Entsol idari sierung i n der Gesel l schaft.


Di e SPD fordert: Das Verbot der Genomanal yse am Menschen .



- 14 - I V . Die gentechn i sch e Prod u k t i on von Med i k ament en

IV.Die gentechnische Produktion von Medikamenten

Di e Nut zung der Gentec h n i k zu r Herste l l ung von Med i ka­ men ten kann Chancen bei n h a 1ten , jed och gehen beson ders von der großi nd ust r i el l en Produ k t i on , aber auch von den Produ kten sel bst zah l rei che R i si ken aus . Di e Gef ah ren der gentechn i sehen Produ k ti onswe i se f ür Arbe i t nehmer­ I n nen un d Verbra uc her , d i e mög l i chen Auswi r kun gen von Störf äl 1en auf Mensch und Umwe 1t u nd di e Wi r k ung gen­ techn i sch hergeste ll ter Med i k amen te müssen sorgf äl ti g unters uch t werden . Auch d i e größere Verf ügbar ke it von Med i kamen ten , di e du rch d i e Gen tech n i k berei t gestell t werd en , br i ngt wei tere R i si ken mi t si ch . Sie ver l ei tet dazu , nu r d i e Symptome ei ner Kran k hei t zu th erapi eren , aber d i e wi r k l i chen Urs ach en zu vern ach l ässi gen . E i ne v or be u gen de Gesund h ei t spol i ti k , U rs achenf orsch un g und Vermei dung von Kran khe i t sursa c h en sowi e n a t u r gemäße Hei 1verf ah ren würden dagegen n i cht nu r d i e Kosten im Gesund h eit ssektor erhebl i ch senken , sondern l angf r i sti g auch d i e Notwen d i gkei t großi n du str i el l er Med i kamen ten­ produ k ti on ei nsch rän ken .

Die SPD fordert: Die gentechnische Produktion von Medikamenten, Diagno­ stika und Impfstoffen ist grundsätzl ich verboten. Ausnahmen können für eine begrenzte Produktion von Me­ dikamenten, Diagnostika und Impfstoffen gemacht werden. Für diese Mittel hat zu gelten: Sie dürfen nur dann zugel assen werden, wenn sie als Therapie für bisher nicht behandelbare Krankheiten ge­ eignet sind oder wenn sie gegenüber vorhandenen Präpa­ raten einen therapeuti sehen Fortschritt darstel len, al so ohne größere Nebenwi rkungen bessere Wirkungen erziel en oder mit geringeren Nebenwirkungen mindestens vergleichbare Wirkung erzielen .

Jede gentechnisehe Anl age muß einem förmlichen Ge­ nehmigungsverfahren unterworfen werden, in dem auch


IV. Die gentechni sche Produkti on von Medi kamenten

die ökologischen Risiken bewertet werden. Außerdem sind al le gentechnischen Forschungs- und Produktionsverfahren und die Produktion einem öf­ fentlichen Genehmi gungsverfahren und laufender Kon­ trolle zu unterziehen . - Der Widerruf der Genehmi gung muß ohne Entschädigung mögl ich sein, wenn nachträgl ich neue Erkenntnisse über die Risiken vorl iegen. - Für diese An 1 agen, Verfahren und die Produktion sollen die 11Beweislastumkehr11 und die 11Verschul­ densunabhängige Haftung11 gelten. - Eine Technol ogiefolgeabschätzungs-Konmission soll Ausnahmeanträge prüfen und bewerten, die Genehmigung kann nur durch ein Organ der Exekuteve erteilt wer­ den•










V . L andwi rt sch af t , Nat u r un d Umwel t


- 16 -


V. Landwi rtschaft, Natur und Umwel t

1. Gentechnol ogi e und Landwi rtschaft

Gen- und Reprod u kti on stechn i ken i n der Landwi rtsc haf t h aben zum Zi el , pf l anzl i che u n d t i eri sche Erträge qu a­ l i t ati v und qu ant i t ati v zu ver änder n . I n der Herste 11u n g ne uer Sort en si n d sehr stark ver­ k ürzte Entwi ck l ungszei t en mög l i eh ; es können meh r al s b i sh er a n b au l ei ch t e , i ndu str i egerechte Pfl anzen un d Ti ere ge1 i ef ert werden , z .B. der pil zresi stente Wei ­ zen , di e würf el f örmi ge Tomate mi t Leder h aut , d i e f eder­ l osen Hüh ner . Nachwac hsen de Rohstof f e wi e Ö l sa at en , Stärkewei zen un d Hol z sol l en bi sher gen u tzte f ossi l e E ner gi eträger erset zen . Gentech n i sch man i pu l i erte Vi ren un d Bakter i en sol l en Pf l an zensc h äd l i nge bekämpf en , Um­ we l tverschmut z ung en besei t i gen , Rohstof f e abbau en ; gen­ t echn i sch mani pu l i erte Pf l an zen werden resi stent gegen­ über Sprit zmi ttel n oder gegen d i rekte Umwel tbel ast un­ gen . V i el e di eser Zi el e si n d auc h mi t her kömml i chen Meth oden errei chbar . Mi t gentechn i sch en und a n d er en Me t h od en aber k önnen di e E ntwi ck l un gs- oder Vermeh run gszei ten stark besch l eun i gt werden . Di es wi rd mög l i ch mi t Hi l f e v on R ep ro d u k t i on stechn i ken , z .B. Ze l 1k u l t u rtechn i ken oder im Berei ch der Gent echn i k durch d i rekte E i ngr i f f e i n d i e Erbsubstan z von Lebewesen . Bekan nte Ergebn i sse si nd z .B. im Fall der Reprod u k t i on stech n i k di e Retor­ ten käl ber un d Ammen k ühe u n d i m Fa l l der Gen techn i k d i e Sch i ege , Tomof f el , d i e Krebs-Ma us oder d i e Mai s-Petu­ n i e. I n Erwart un g ei nes 100 b i s 200 Mi l l i arden Do l l ar Mar k­ tes f ür bi otechn i sche Prod u kte i m Jahre 2000 i n vest i e­ r en For sch u n g u n d I n du str i e wel twei t i n di ese neue Techn i k . Derzei t f i nden i m Saatgut-, Düngemi ttel - und C h em i e ber ei ch große Konzent rat i ons- un d Monopol i si e­ r ungsprozesse statt . Über 900 k l ei ne und mi ttel ständi ­ sche Saatgutbet r i ebe wurden sei t 1974 von den Chemi e-

V . L andwi rtsch af t , Na t u r und Umwe l t

k o n z ern en auf gekauf t . Gen ban ken i n den großen Indu­ str i en ati onen si ehern Interessi erten den Bes i tz an ge­ neti schen Ressou rcen . Paten te auf gentechn i sch ver än derte Organ i smen werden angestrebt , um d i e al l g emei n e V er f ü g b ar k e i t ei n z u ­ schrän ken . Wen n Gen e oder an dere Tei l e von Pf l anzen un d Ti eren pat enti erbar we rden , müssen Züc hter vom Pat ent­ i n haber d i e Gen ehmi gun g zur Verwen du ng d i eses 11Mate­ r i a l s11 ei n ho l en un d L i zen zgebüh ren entri chten . Es besteht d i e Gef ahr , daß si ch der Arten schut z · auf Genban ken besch rän kt und n atü r,-i ch e Evol u t i on i n R i ch­ t un g Arten vi el f al t al s monopol i si erte Gentechn i k mi ß­ braucht wi rd .

Gentec hn i sehe Met h oden i n der Landwi rtschaf t si n d n u r unter noch i n t en si ver gest al teten · agrar i nd u st r i ell en Bed i ng u n g en wi r t sc h af t l i ch . Auc h wen n ni cht auszu­ sch l i eßen i st , daß. gent echn i sch veränderte Organ i smen i m ökol ogi schen L andbau un d i m Umwe l tschutz al l gemei n nut zen kön nen , wi rd der Stru kt urwan de1 von der bäu er- . 1i chen zu r i nd u stri el l en Lan dwi rt sch af t durch den hohen Kapit al ei nsat z i n d i eser Ri cht u ng noch besc h l eun i gt . Der Tren d zu noc h größeren Mono k u l t uren wi rd si ch wei ­ ter verst ärken . Der d af ür noch höhere Dün ger ei n sat z wi rd zu ei ner noc h größeren Näh rstof f anrei cherun g ( Eu­ t roph ierun g ) i n al l en Ökosystemen f ü h ren .

Im Gegen satz zu den her kömml i chen Zuc htmet h oden , deren n atür l i che Generati onsf ol ge ei ne l angs ame An pass ung an , Umwel t un d Leben sbedi ng un gen i m Si n ne ei ner gegen sei t i ­ gen Ba 1ance ermög l i cht hat , werd en mi t gentechn i sehen Met h oden i n völ l i g un n atür l i cher Wei se seh r große gene­ t i sche Abst ände übe rspr ungen . E i gensch af ten von Bakte­ r i en kön nen mi t E i gen schaf ten von Säuget i eren komb i ­ n i ert werd en , wi e di es n i ema 1s i n der Nat ur . ·gesc hehen k an n . Di e immer schne l l er ab l auf enden Ver änderun gen von Stru kt uren un d Prozessen i n der Nat ur entzi ehen si eh der Beherrsc h bar kei t des Men schen . Ob am Ende di eser




V. Landwi rtschaft, Natur und Umwel t

18 -


Techni k wi rkl ich Tiere und Pfl anzen stehen, die in we­ niger streß- und krankhei tsanfäl l i gen Ökosystemen l eben können, ist zu bezweifel n; sowohl Steuerungsmechani smen als auch die Wechsel wi rkungen zwischen verschi edenen Genen und die dadurch bewi rkte Stabi l ität oder geri ch­ tete Veränderung von Ökosystemen sind weitgehend unbe­ kannt. Ei ne angemssen e Ri si kofol genabschätzung kann wegen der hohen Kompl izierthei t der Strukturen und Pro­ zesse zunächst gar ni cht stattfi nden.

Die Frei setzung gentechni sch mani pul ierter Organi smen i n un kontroll ierbare Berei che bi rgt zahlreiche ni cht erforschte Ri siken und i st zum größten Tei l ni cht rück­ hol bar. Um die Chancen . und Ri si ken in diesem Berei ch aber verantwortl ich abschätzen zu können, i st ein l ang­ fristi g angesetztes Moratori um für die Frei setzung gen­ techni sch veränderter Organi smen und auch im Hi nbl ick auf besti mmte Änderungen von Organi smen in geschl osse­ nen Systemen erforderl i ch. Dieses Moratori um muß sol an­ ge gelten, wie die bekannten oder vermuteten Gefahren ni cht mit vol l er Sicherheit abgeschätzt und evtl. ein­ getretene ungewoll te Veränderungen zuverl ässi g wi eder rückgängig gemacht werden können. In Anbetracht der EG-Überprodukti on hal ten wi r gentech­ nische Methoden zur weiteren Produkti onsstei gerung für überfl üssi g und schädl ich. Hunger i n der Wel t ist kein Produkti ons- sondern ein Verteil ungsprobl em, dessen Besei tigung ni cht mit Gen­ techni k sondern nur über di e Änderung wi rtschaftl icher und pol i ti scher Verhäl tni sse mögl ich i st. In der Nahrungsmi ttel produkti on werden gentechni sehe Methoden bestehende wi rtschaftl iehe Unters eh i ede nur verti efen. Mehr noch al s bi sher wi rd sich eine klei ne wohl habende Mi nderhei t qual itativ hochwerti ge Lebensmi ttel l eisten können. Demgegenüber si nd brei te Bevöl kerungsschi chten auf die bi ll igen Nahrungsmi ttel aus agroi ndustri ell er Produkti on angewi esen.





V . Landwi rtsch af t , Nat u r und Umwel t

- 19 -


• Di e mei sten nac hwac hsen den Rohstof f e können ni cht um­ we l tf reund l i ch angeba ut werd en . Das Bei spi el Bi osprit zei gt , daß der notwen di ge E i n satz von Energi e höher i st a l s der Ener gi eertrag . E i n e a n et h i sch en u n d gesu n d h ei t l i chen Grun dsätzen ori enti erte Pol i ti k mu ß di e Mi ttel i n der Landwi rt ­ schaf t neu vertei l en . Di es gi l t sowoh l f ür di e Landes- a l s auch f ür di e Bun des- und EG-E bene . E i ne ökol ogi sch un d wi rtschaf t l i ch si n nvo ll e Al tern a­ ti ve zur Gentech n ol ogi e i st di e Förder un g umwe l tf reund- 1i eher Anbaumet hoden un d artgerechter Ti erha 1tun g . Es steht i n krassem W i derspruch , auf der ei nen Seite ei ne L andwi rtschaf t zu fordern , di e extensi ver und umwel t­ f reun dl i cher wi rtschaf tet un d auf der an der en Sei t e Gentechn i k , di e i n erster L i n i e zu r: gegentei l i gen Ent­ wi ck l ung f ührt , mi t öf f ent l i chen Mi ttel n zu f ördern .

Deshalb fordert die SPD: 1. Die Politik muß auf allen Ebenen (EG, Bund, Land) ein Angebot an gesunden Lebensmitteln sicherstellen. 2. Der Förderung umweltverträgl icher Anbaumethoden und artgerechter Tierhaltung ist Vorran·g einzuräumen . Dies gilt auch für die staatl iche Wissenschafts- und Landwi rtschaftspolitik•

3. Der Einsatz von Hormonen in der Tierproduktion wird abgelehnt. 4. Staatliche Forschungs- und Wissenschaftspol itik hat sicherzustellen, daß gentechnische und biotechnische Forschungsvorhaben nur mit einer - in die jeweil igen Forschungsvrhaben eingebundenen - Technikfolgenab-





V . Landwi rtsch af t , Nat u r un d Umwe l t

- 20 -


schätzung durchgeführt werden. Jeder gese11schaft- 1iche Einsatz neuer gentechnischer und biotechni­ scher Verfahren und Produkte ist so ·lange unterbun­ den, wie keine verfahrens- oder produktspezifischen Technikfol genabschätzungen vorliegen. 5. Ein langfristig angesetztes Moratorium für die Frei­ setzung gentechnisch mani pulierter Organismen . Es soll auch im Hinblick auf bestinmte Änderungen von Organi smen in geschlossenen Systemen gelten. Dieses Moratorium hat sol ange Gültigkeit, wie die bekannten oder vermuteten Gefahren von gentechnisch veränderten Organismen nicht mit vo11er Sicherheit abgeschätzt ihnen und ggf.begegnet werden kann. 6. Die Freisetzung von Organismen in unkontrollierbare Bereiche ohne Rückholmögl ichkeit ist zu verbieten. 7. Das Verursacherprinzip ist festzul egen.Produzenten müssen den Beweis für die öologische und gesell­ schaftliche Verträglichkeit ihrer Produkte erbringen und für eventuelle Schäden aufko11111en . 8. Die Patentierung von ganzen Organismen, körpereige­ nen Stoffen und Genen ist nicht zuzul assen.


2.Gentechnologie in Natur und Umwelt

Gent echn i sch verän derte Organ i smen i n Nat u r- und Umwel t sol l en - von In du stri egese 11sch af ten ver ursac hte Schadstof f e abbauen ( z .B. öl - und d i oxi nf ressende Bakter i en ) , - Organ i smen resi stent gegen Emi ssi onen machen ( z .B. 11saure-Regen-f este II Tannen ) , - Lebewesen an extreme Standorte anpassen ( z .B. d i e wi nterf este Kartof f el ) , - neue E i gensc haf ten übert ragen ( z .B. Schmet terl i ngs­ r aupen , zerstörende Baccu l o-Vi eren , Ma i s mi t Petu­ n i en-Ei genschaf ten ver bun den ) .



- 21 - V. Landwi rtschaft, Natur und Umwel t

In Anbetracht ständi g wachsender Umwel tprobl eme und ab­ nehmender Fl ächen naturbel assener Bi otope ergi bt sich hi er ei n riesi ger Markt mögl icher Anwendungen: Von der Besei tigung schadstoffbel asteter Deponi en über den Abbau von Giften in Wasser und boden bi s zur Be­ grünung der Wüsten und "Ananas aus Al aska". V oraussetzung für di e Anwendung ist die Frei setzung dieser gentechni sch mani pul ierten Organi smen i n die Um­ wel t. Natürl iche Evol uti on erhält verschi edene Bal ance-Typen (z.B . das Schädl ing-Nützl ing-Verhäl tnis), seltene Arten und ökol ogisehe Typen al s ökol ogisehe Reserven. Jede Pflanze, jedes Tier steht in vi elfachen Beziehungen zu anderen Organi smen. Menschl iche Eingriffe in die Natur verändern die bi ol o­ gisehen Gl eichgewi chte, sei es durch Entnahme (Fisch­ fang , Rodungen), durch züchteri sehe Anpassung (Haus­ schwei n, Weizen) oder durch Verfrachten aus weit ent- 1 egenen Gegenden (Bisamratte, Kartoffel ). Mit der Ausbeutung natürl icher Bi otope als Rohstoffre­ servate und der Zunahme von Imissionen in Wasser, Luft und Boden ist die kriti sehe Grenze zum öko1 ogi sch en Kol l aps an manchen Stell en schon erreicht oder über­ schritten, die Regenerati onsfähi gkeit natürl icher Sy­ steme vi elfach auf Jahre hi n zerstört • Gentechni sche Methoden ziel en auf ei ne Reparatur di eser Schäden. Sie reduzi eren kaum erforschte, kompl i zierte, mitei nander verfl ochtene Systeme auf weni ge mol ekul are, aber hoch wi rksame Veränderungen mit ökol ogi sch wei t­ gehend unbekannten Wi rkungen. Sie besei tigen ni cht di e Schadensursachen, die i n der ständig steigenden ökono­ mi sch-techni sehen Nutzbarmach ung der bel ebten und un­ bel ebten Umwel t l iegen. Gentechnisch mani pul ierte Organi smen haben unbekannte Stabil itätseigenschaften. Ihre Wi rkung in der Umwelt i st nicht bekannt und in geschl ossenen Systemen nur be­ grenzt erforsch bar. Ob mani pul i erte Gene von Kulturor­ gani smen auf Wi l dformen od r andere Wi rtsorgani smen





-



V. Landwi rtschaf t , Nat u r tind Umwe l t

- 22 -


übert ragen werden kön nen , wi e d i ese si ch ausbrei t en un d i n den Fo l gegenerat i onen entwi cke l n werd en , i st nur i m Frei l and zu erf orschen . Frei l andvers uc he aber si nd zum größt en Tei l n i cht rüc kho l bar . N u r b ei Ü b erwac h bar beg ren zter Gentechn i k i m Rahmen kl ei ner Schr itte l i eßen si ch vo l k swi rtschaf t l i che und ökol ogi sche Vorte i l e erzi el en . Gentec h n i sch man i pu l i er­ te Organ i smen müßt en vorsi cht i g und beh uts am auf i hre Umwe l t verträg l i ch kei t h i n über pr üf t werden . Di e i n den Anf ängen steckende R i si kof orsch ung aber kann mi t der i mmer schne ll er werden den Gen- u n d Bi oechn ol ogi e wi s­ senschaf t l i ch , f i n anz i el 1 u n d m it pe r son el l ern For­ schun gsauf wand n i cht me h r Schr i t t h alten . We l tweit si nd es vor al l em d i e Fi rmen der Großch emi e un d des Agro-b usi ness , di e d i e Mar ktch ancen der Gen­ t echn i k mi ttel - und l angf r i sti g nut zen woll en und d i e Par l amente zu Entsc hei du ngen drängen . Dadurch werden mög l i che Ch ancen und R i si ken ni cht meh r g egen ei n an der a b gewo g en , ei gent l i eh pol i t i sehe Ent­ schei dungen Wi ssensch aft und I n du stri e übert ragen , d i e i n kei ner demok rat i sch l egi t i mi erten un d kont roll i er­ b aren Veran twort ung stehen . Zwar versprec hen d i e ne uen gentechn i schen Ei ngri f f e den Anwendern ökonomi sche Vortei l e , d i e R i si ken jedoch wer­ den von al 1en getragen werden müssen . Es gi bt kei nen Grund zur An n ahme , daß d i ese neu en E i ngr i f f e wen i ger schäd l i ch al s d i e al ten si n d . · Es i st ei n I rrt um zu gl auben , m i t Gentec hn i k kön nten d i e Feh l er der Vergangen he i t korr i gi ert werden . Es i st arrogan t , di e Auf gabe der Si cher u ng ökol ogi scher "Re­ servate" den "II I. We l t "-Ländern zu über l assen un d i n den rei chen In dust r i enat i onen auch d i e l etzten nat urbe­ l assenen Leben sräume um der ökon omi schen Vortei l e wi l ­ l en zu zerstören oder d i eses doch zu r i sk i eren . Es i st u n r ed l i ch , den Schut z der trop i schen Regenwäl der zu f ordern und g l ei chzei t i g d i e ei genen Baumr i esen abzu­ h ol zen un d gegen Hol zanba u i m 2jäh r i gen Umt r i eb ei nzu­ t ausch en .



- 23 - V. Landwi rtschaft, Natur und Umwel t

Das geneti sehe Potenti al der Natur von heute ist die Grundl age der Natur von morgen. Wi r brauchen ei ne neue ethi sehe Sensi bil ität für die Vi el falt und Vernetztheit von Natur und Umwel t.

Deshalb fordert die SPD: Wir lehnen die Anwendung gentechnischer Methoden zur Beeinflussung oder zur Neuorganisation der Zusanmenhän­ ge in Natur und Umwelt ab, so lange diese nicht jeder­ zeit auf ökologisch verträgliche Weise zuverlässig be­ grenzbar sind.

Wir fordern ein langfristig angesetztes Moratorium für jegliche Freisetzung gentechnisch mani pulierter Orga­ nismen.Jedes Forschungsvorhaben im Rahmen der Gentech­ nologie muß gleichrangig von Risikoforschung begleitet werden. Es ist einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen und offen zu legen.Das Verursacherprinzip wird festgeschrieben .

Wir fordern die Landes-, Bundes- und EG-Parlamente auf, ausreichende Finanzmittel für Renaturierungsprogranme zur Verfügung zu stel len, um 10-15'1. der Flächen als Vorranggebiete für die Natur ausweisen zu können.



- 24 - VI. Gentechni k und bi ol ogi sche Kri egsführung

VI.Gentechni k und bi ologi sche Kri egsführung

Die Gentechni k bi etet die Mögl ichkeit, neue bi ol ogi sche Kampfstoffe zu entwi ckel n. Gene für Giftstoffe aus be­ kannten Krankhei tserregern können z.B. i n harml ose Bak­ terien wie das Darmbakteri um E. col i verpfl anzt werden; Krankheitserreger können so verändert werden, daß her­ kömml iche Impfstoffe und Gegenmi ttel gegen sie unwi rk­ sam werden; neue Vi rusvari anten, di e, wi e das AI DS­ Vi rus, das Abwehrsystem des Körpers außer Kraft setzen, können zusammengebastel t werden. Seit 1972 gi l t das internati onal e .ß-Waffenabkommen, das den Mi l itärs i n Ost und West den Verzi cht auf Seuchen­ erreger und Bi ogiften auferl egt. Dies gi l t jedoch ni cht für defensi ve Bi o-Waffen-Forschung und -Entwickl ung. Um gegen mögl iche neue und atte bi ol ogi sche Kampfstoffe 11des Fei ndes" gerüstet zu sein, mel den mil itäri sche Forschungsstell en gentechni sehe Sicherhei tsl abors an. In diesen Labors sol l en neue Impfstoffe und Nachwei s­ mittel gentechni sch hergestel l t werden. Um einen Impf­ stoff zu gewi nnen, muß man aber zuerst den Erreger selbst in ausrei chender Menge züchten. Denn ei n Impf­ stoff besteht u.a. aus abgeschwächten Formen von Erre­ gern, aus besti mmten Teil en des Erregers oder aus Bl ut von Tieren, die mi t den Erregern gespri tzt wurden. Und um ei n Nachwei smittel zu prüfen , braucht man natürl ich auch den Giftstoff oder Krankhei tserreger, der nachge­ wi esen werden sol l . Unter dem Deckmantel der Defensi vforschung und mit Hi l­ fe der G ntechni k können bi ol ogi sche Kampfstoffe beson­ ders effekti v hergeste 1 1 t werden, von denen behauptet wi rd, 11der Feind" hätte sie schon. Auch die Methoden der Herstel 1 ung und Verbrei tung sol eher Kampfstoffe können unter dem glei ch Vorwand optimi ert werden. An der Universi tät Hannover, i n der Lüneburger Hei de und auch an zahlreichen anderen Stel l en l aufen solche wehr- medizi ni schen Projekte.







- 25 - VI. Gentechni k und bi ologische Kri egsführung

Di e SPD lehnt kategori sch jede Forschung und Produkti on ab, die die Entwi ckl ung bi ol ogi scher Kampfstoffe begün­ sti gt.

Im einzelnen fordern wir: - Entwicklung, Produktion, Lagerung und Einsatz biolo­ gischer und gentechnisch hergeste11ter Waffen und Kampfmittel im weiteren Sinne sind strikt zu verbie­ ten und die Einhaltung internationaler Kontrolle zu unterwerfen. - Darüber hinaus fordern wir das Verbot jeglicher B­ Waffen-Forschung - auch ihre {angeblich) rein defen­ siven Fonnen.Außerdem fordern wir effektive gegen­ seitige Überprüfungsve rfahren . Die Bundesrepublik sol lte für ihr Hoheitsgebiet einen notfalls einsei­ tigen und nicht bündniskonformen, Verzicht auf B-Waf­ fenforschung durchsetzen, damit sie die internatio­ nalen Bemühungen um die Ächtung .aller B-Waffen über­ zeugend unterstützen kann; - Es muß durch geei gnete Maßnahmen sichergestel lt werden, daß gentechnol ogisehe Forschungsprojekte ohne räuml iche, organisatorische oder finanziel le Verfl echtung mit der Bundeswehr, dem Verteidigungs­ mi nisterium oder anderen Institutionen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit durchgeführt wer­ den.Dies gilt auch für den Bereich Wehrmedizin. - Die skandalöse Rolle deutscher Firmen und Behörden bei der Weitergabe direkten und indirekten Know-Hows über biologisehe und gentechni sch hergestellte Kampfstoffe an andere Nationen, wie z.B. an Paki­ stan, muß lückenlos aufgeklärt und unterbunden wer­ den. - Die Öffentlichkeit ist über den aktuellen Wissens­ stand und den Stand der Forschung bezüglich biol o­ gischer Kriegsführung zu informieren.




- 26 -


VII. Zu Gentechnikg.esetz, Technologiefolgen­ abschätzung, Sicherheit im Produktions­ und Forschungsbereich

(Die sich in mehreren Abschnitten des Gen­ Antrags wiederholenden Sicherheitsgrund­ sätze sind hier zusammengefaßt! )

Grundsätzlich sind an die Sicherheit gen­ technischer Arbeiten höchste Anforderungen zu stellen, deren wirksame Kontrolle juristisch und organisatorisch abgesichert werden muß.

1. Wir fordern· die Bundesregierung auf, aus den von uns aufgestellten Grundsätzen ein eigenständiges "Gesetz zum Schutz vor den Gefahren der Gentechnologie" - Gen-Gesetz - zu formulieren.



2 . Das Gen-Gesetz muß die Beteiligung der Öffentlichkeit an den durchzuführenden Genehmigungsverfah ren zwingend vorsehen.

3 . Den Schutzzielen muß Vorrang vor den Nutzungs- und Verwertungsinteressen einge­ räumt werden. Daraus folgt die Pflicht des Staates, in dieses Verhältnis regelnd ein­ zugreifen.




- 2 7 -


4 . Wir fordern ein eigenständiges, nicht verwertungsgebundenes Forschungsprogramm zur Technologiefolgenabschätzung, Risiko­ forschung und Technikfolgenbewertung zur . Gentechnologie. Hierfür sollen staatliche Fördermittel in gleicher Höhe zur Verfügung gestellt werden, wie sie bereits jetzt in ·biotechnologische und gentechnische Grund­ lagen- und anwendungsorientierte Forschung fließen. Staatliche Forschungsprojekte sind in den jeweiligen Parlamenten und ihren Ausschüs­ sen zu beraten und zu bewilligen. Es ist zu gewährleisten, daß die bio- und gentechnologische Forschung an Universitä­ ten und staatlich geförderten Forschungs­ einrichtungen dem Zugriff und den Verwer­ tungsinteressen von Industrie und Anwendern entzogen wird.

5 . Genehmigung - und Kontrollgremien sind zu trennen. Die ZKBS ist durch unabhängige Genehmigungs- und Kontrollgremien unter Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen (u.a. DGB, Verbraucher,- und Umweltschutz- verbände) zu ersetzen, deren Richtlinien rechtsverbindlich für alle Forschungs- und Entwicklungsarbeiten gelten müssen.

6. Sicherheitslücken im Labor und in der gen­ technischen Produktion darf es nicht geben. Für die Laborsicherheit im Forschungs­ bereich und die Sicherheit im Produktions­ bereich gelten folgende Voraussetzungen:


-- - - - ------



- 28 -


- Ein Organismus kann durch genetische Mani­ pulation in einen potentiellen Krankheits­ verursacher verwandelt werden mit schweren Schäden für Mensch, Tier und Umwelt. Die Anwendung gentechnischer Verfahren im Produktions- und Forschungsbereich machen daher eine hundertprozentige Festhaltung gentechnisch veränderter Organismen not­ wendig (physikalisches Containment).

- Da von einer prinzipiellen Unbeweisbarkeit "biologischer Si6herheitsstufen" ausgegan­ gen werden muß , sind die unteren Sicher­ heitsstufen der zur Zeit geltenden ZKBS­ Richtlinien (Ll und L2)" zugunsten der . Sicherheitsstufe L3 zu streichen.


- Die drei Freisetzungspfade Abwasser ., Ab­ fall und Abluft sind strengsten Sicher­ heitsvorschriften zu unterwerfen, deren Einhaltung laufend kontrolliert wird. Dazu gehört auch eine wirksame Umgebungsüber­ wachung.

Sämtliche gentechnischen Arbeiten müssen künftig registriert und einem Genehmi­ gungsverfahren unterworfen werden.