I1: Unternehmenssteuerreform und öffentliche Finanzen (2006)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Kiel 2006
Bezeichnung: I1
Antragsteller: Ernst Dieter Rossmann


Beschluss: Überwiesen an Bundesparteirat

(Eintrag Beschlussübersicht: Ersetzt Ziffer II von L1 Neu (ab Zeile 121))


Tragfähige und nachhaltig gesicherte öffentliche Finanzen sind Voraussetzung für eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft und für einen handlungsfähigen Staat. Tatsächlich erleben wir eine dramatische strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte. Dies gilt nicht nur für den Bund. Elf von 16 Bundesländern haben 2005 keinen verfassungsmäßigen Haushalt beschlossen. Ebenso sind die kommunalen Haushalte unterfinanziert. Die nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist dabei nicht allein durch Kürzungen auf der Ausgabenseite zu erreichen. Insbesondere die Einnahmeseite muss dauerhaft stabilisiert werden.

Vornehmliches Ziel sozialdemokratischer Steuerpolitik muss es sein, dass der Staat auf allen seinen Ebenen genug finanzielle Mittel hat, um seine Aufgaben zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund fordert der Landesparteitag der SPD Schleswig-Holstein die Verantwortlichen in Bund und Ländern auf, sich angesichts der jüngst bekannt gewordenen ersten Eckpunkte speziell zur Unternehmenssteuerreform für folgende Maßnahmen einzusetzen:

  1. Die Reichensteuer als Solidarbeitrag der absoluten Spitzeneinkommen für eine gerechte Finanzierung der öffentlichen Aufgaben muss das zugesagte Mehraufkommen von mindestens 1,3 Mrd. Euro auch tatsächlich erbringen. Andernfalls ist dieses Volumen durch andere Maßnahmen von derselben Personengruppe einzufordern.
  2. Das im Jahr 2009 durch den Zuschlag von 3 Prozentpunkten auf den Einkommensteuer-Spitzensatz für hohe Einkünfte erzielte Steuermehraufkommen von mindestens 1,3 Mrd. Euro darf nicht zur Finanzierung niedrigerer Unternehmensteuersätze, sondern muss voll als Solidarbeitrag verwendet werden. Neben der Reichensteuer ist auch die Steuerpflicht privater Veräußerungsgewinne bei vermieteten Immobilien und Wertpapieren als Solidarbeitrag umgehend zu realisieren.
  3. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass ausdrückliches Ziel der für das Jahr 2008 vorgesehenen Reform der Unternehmenssteuern auch eine nachhaltige Sicherung der deutschen Steuerbasis ist. Deshalb müssen die im Rahmen dieser Reform angestrebten international wettbewerbsfähigen Steuersätze aufkommensneutral finanziert werden. Gegenfinanzierungsmaßnahmen müssen aus dem unternehmerischen Bereich stammen und dürfen nicht Privateinkommen belasten. Immer wieder spekulativ genannte Beträge von 5 bis 8 Milliarden und mehr sind weder in der Anfangsphase, noch in der dauerhaften Entlastung der Unternehmen hinnehmbar. Wer hier absichtlich oder unabsichtlich solche Erwartungen weckt, handelt verantwortungslos. Wir machen darauf aufmerksam, dass rund 8 Mrd. Euro einem Punkt Mehrwertsteuer entsprechen, was die Brisanz verdeutlicht.
  4. Eine Unternehmensteuerreform mit Qualität darf sich dabei nicht an erster Stelle auf nominelle Steuersätze und deren Höhe konzentrieren, sondern muss die Förderung der Eigenfinanzierung und der Reinvestition von Gewinnen in dem eigenen Unternehmen genauso mit einschließen wie einen Anreiz für Innovation, Forschung, Entwicklung, Bildung und Weiterbildung in den Unternehmen. Wir erwarten in diesem Zusammenhang, dass im Rahmen der Unternehmenssteuerreform der Beitrag der Wirtschaft zur Erreichung des Lissabon-Ziels von 3% BIP thematisiert und sicher gestellt wird. Dies ist wichtiger als das internationale Marketing mit niedrigen Nominalsteuersätzen.
  5. Die Gewerbesteuer muss in ihrer Struktur erhalten bleiben. Ihr Ertrag muss durch eine Einbeziehung der Freiberufler und der Land- und Forstwirte erhöht und stabilisiert werden, so wie es die SPD schon bei der letzten Reform der Gewerbesteuer gefordert hat. Ihre Bemessungsgrundlage muss ausgeweitet werden auf gewinnunabhängige Elemente wie Lizenzgebühren, Leasingkosten, Pachten und Zinsen.
  6. Die vollkommene Steuerfreiheit bei der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen in Deutschland ist keine sinnvolle Maßnahme gewesen. Eine Vielzahl von Fällen hat gezeigt, dass die veränderten steuerlichen Bedingungen vor allem den Aufkauf von Unternehmen aus rein spekulativen Beweggründen erleichtert haben, mit negativen Folgen bezogen auf den Erhalt dieser Unternehmen und der Arbeitsplätze, während die Sicherung und das Wachstum an Arbeitsplätzen nicht im versprochenen Maße eingetreten sind. Es ist deshalb wieder ein angemessener Steuersatz auf den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen einzuführen.
  7. Die SPD steht für eine sachgerechte Einbeziehung von Erbschaftsvermögen in die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben. Die nach dem Koalitionsvertrag zum 1. Januar 2007 unter Berücksichtigung des zu erwartenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts beabsichtigte Reform der Erbschaftsteuer (Sicherung der Betriebsfortführung) muss deshalb auch die verfassungskonforme Änderung des Bewertungsgesetzes zum Zweck realitätsgerechter steuerlicher Ansätze für bebaute und unbebaute Immobilien aufgreifen und zur Realisierung höherer Ausgaben für Bildung und Kinderbetreuung eine stärkere Besteuerung großer Erbschaften vorsehen. Diese Steuer kann und sollte eine größere Rolle insbesondere bei der Finanzierung der Länderhaushalte spielen, als dies bisher der Fall war. Denn gerade die Länder haben besondere Verantwortung im Bereich von Betreuung und Bildung und benötigen weitere Finanzmittel angesichts ihrer Haushaltsdefizite.
  8. Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist vereinbart worden, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen bei Betriebsübergaben im Mittelstand nicht durch die Erbschaftsteuerbelastung verhindert wird. Bei der Lösung dieses – in der Diskussion allerdings stark überzeichneten – Problems ist sicherzustellen,
    dass
    - zusätzliche Vergünstigungen für die Weitergabe von Betriebsvermögen strikt an das Kriterium des Arbeitsplatzerhalts geknüpft werden,
    - die Regelung die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von vererbtem Privatvermögen nicht in Frage stellt und angemessene Obergrenzen für die Steuerbefreiung von Betriebsvermögen gesetzt werden (5 Mio Euro für kleine und mittlere Unternehmen).