Strategien für die Neuaufstellung und die neue Rolle der SPD Schleswig-Holstein (Lavo 10/2017)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesvorstand
Sitzung: Landesvorstandssitzung, Oktober 2017
Bezeichnung:
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen

1. Die SPD gemeinsam weiterentwickeln

In den vergangenen Monaten hat unsere Partei schwere Wahlniederlagen erlitten. In Schleswig-Holstein haben wir bei der Landtagswahl im Mai rund 3.000 Stimmen gegenüber der Wahl 2012 verloren. CDU, Bündnis90/Die Grünen und die FDP bildeten eine gemeinsame Regierungskoalition. Bei der Bundestagswahl erhielt die SPD bundesweit ein historisch schlechtes Ergebnis. Auch hier werden wir künftig die demokratische Opposition im Parlament führen. Eine Große Koalition schließen wir aus.

In Schleswig-Holstein haben uns die Ergebnisse der Bundestagswahl erneut erschüttert. Auch in früheren Hochburgen musste unsere Partei große Stimmverluste verzeichnen.

Es hat sich zudem gezeigt, dass Wahlkämpfe anspruchsvoller und intensiver geworden sind bei gleichzeitig weniger aktiven Wahlkämpfer_innen. Plakate aufstellen, Flyer verteilen, Veranstaltungen organisieren, online kommunizieren, Tür-zu-Tür-Gespräche führen usw. ist für unsere im Wesentlichen ehrenamtlichen Strukturen nicht mehr in vollem Umgang leistbar.

In den vergangenen Monaten haben wir gemeinsam in vielen Gremien und Veranstaltungen (Landesvorstand, Landesparteirat, Mitgliederkonferenz) über die Wahlergebnisse diskutiert, erste Analysen vorgenommen und Konsequenzen diskutiert. Unsere Partei hat Reformbedarf. Wir brauchen strukturelle, organisatorische, inhaltliche und strategische Ideen für die Zukunft. Dieser Prozess kann aber kurzfristig nicht zu umfassenden Ergebnissen kommen. Wir müssen uns Zeit nehmen, bei der Analyse tiefer zu gehen, die möglichen Konsequenzen ausreichend zu diskutieren und vor allem unsere Mitglieder zu Wort kommen zu lassen und ihnen zuzuhören.

Die SPD Schleswig-Holstein will diesen Prozess deshalb fortsetzen. Dieser Beschluss richtet sich an die gesamte Partei und fordert zum Mitmachen auf. Der SPD Landesverband Schleswig-Holstein unterstützt dezidiert die Initiative „SPD++ | Die SPD neu denken“, deren Vorschläge in die richtige Richtung gehen – die aber natürlich bestehende Arbeitsstrukturen in den Ortsvereinen und Kreisverbänden ergänzen und nicht ersetzen können. Damit ist auch keineswegs Kritik am teilweise jahrzehntelangen, ehrenamtlichen Engagement beabsichtig. Im Gegenteil geht es darum, dieses nachhaltig zu unterstützen.

Erneuerung bedeutet, dass sich Mitglieder mit langjähriger Erfahrung einbringen und neue Ideen einer jungen Generation gleichberechtigt einbezogen werden. Dabei wird die SPD ihre Instrumente interner Willensbildung modernisieren und öffnen sowie das Be¬schreiten neuer Wege in der Partei als kontinuierlichen Fortschritt betrachten.

Hierfür schlagen wir einen Prozess kleiner Schritte, aber kontinuierlicher Entwicklung vor. Einige Maßnahmen sind unmittelbar möglich und in diesem Beschluss enthalten. Andere brauchen eine ausführlichere Debatte und langfristige Umsetzung, um erfolgreich sein zu können. Hierfür wollen wir Arbeitsgruppen einsetzen und ihre Ergebnisse bei Regionalkonferenzen diskutieren. Bis zum ordentlichen Landesparteitag 2019 sollen ihre Ergebnisse vorliegen, um dort weitere Beschlüsse fassen zu können.

Bei all diesen Planungen ist eins klar: Der erste Schritt des Reformprozesses ist die Kommunalwahl im kommenden Jahr. Und dafür haben die Ortsvereine und Kreisverbände unsere volle Unterstützung.

2. Oppositionsarbeit

Die SPD nimmt ihre Aufgabe als die Oppositionspartei in Schleswig-Holstein an. Wir tun dies in großem Respekt von unserem demokratischen Regierungssystem, in dem auch die Opposition eine wichtige Funktion hat. Wir werden die Landesregierung konstruktiv und – wo nötig – hart in der Sache begleiten.

Die Zukunft Schleswig-Holsteins entscheidet sich entlang folgender Aufgaben:

  • Für gute Löhne, Arbeit und Ausbildung zu sorgen und den wirtschaftlichen Wandel in diesem Sinne zu gestalten.
  • Allen Menschen beste und kostenfreie Bildung zu bieten, die unabhängig von der eigenen Herkunft und Lebenssituation neue Chancen eröffnet.
  • Die Straßen, Schienen, Brücken und Datenleitungen in unserem Land so zu verbessern, dass wir für mehr Wachstum und Beschäftigung sorgen.
  • Minderheitenrechte zu wahren und unsere vielfältige schleswig-holsteinische Gesellschaft vor der Bedrohung von Rechts zu schützen.
  • Das soziale Miteinander in unserem Land zu erhalten und zu fördern. Wir wollen niemanden zurücklassen.

Uns kommt auch darum in der Opposition eine besondere Rolle zu, weil die Rechtspopulisten der AfD im Parlament vertreten sind. Wir werden darum auch weiter deutlich machen: Egal wie hart die SPD politisch mit der Regierungskoalition streiten mag – in jedem einzelnen Punkt werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer näher bei der Regierungskoalition stehen als bei der AfD-Fraktion. Denn SPD und AfD trennen nicht die normalen Meinungsverschiedenheiten unter Demokraten. Toleranz, eine freie und solidarische Gesellschaft – bei all diesen Punkten verlässt die AfD den demokratischen Konsens. Wir werden darum auch im Laufe der Legislaturperiode gegenüber den offiziellen Vertretern einer Partei, in der rechtsextreme Äußerungen unwidersprochen vorgebracht werden, nicht zur Normalität übergehen.

Die schwarze Ampel startet mit denkbar günstigen Ausgangsbedingungen. Schleswig-Holstein geht es wesentlich besser als 2012. Die Bildungschancen sind größer geworden, die Wirtschaft wächst, der sanierte Haushalt gibt Handlungsspielräume und die Energie¬wende kommt voran. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind stolz auf diese Bilanz der Küstenkoalition. Und wir werden sie verteidigen.

In einigen Bereichen baut die neue Regierungskoalition auf den Erfolgen der Küstenkoalition auf. Da wo die schwarze Ampel Bewährtes erhalten will, werden wir das konstruktiv unterstützen. Oppositionsverhalten der Schlagzeile wegen wird es mit uns nicht geben. Aber da, wo Rollen rückwärts drohen, werden wir diese intensiv bekämpfen. Dies gilt umso mehr dort, wo die neue Koalition, wie am Beispiel des Schulgesetzes, einschneidende Änderungen im Hauruck-Verfahren und ohne jede Beteiligung der Betroffenen durchdrückt. Die schwarze Ampel ist im Kern ein Machtbündnis, dem gemeinsam geteilte Werte und ein einheitliches Politikverständnis fehlen. Auch deshalb finden sich im Koalitionsvertrag der schwarzen Ampel weder die große Zukunftsidee noch Lösungen für die zentralen Zukunftsfragen. Die eklatanten Lücken, Leerstellen und Prüfaufträge des Koalitionsvertrages verschleiern dies nur unzureichend.

Auch von den vollmundigen Versprechungen des CDU-Spitzenkandidaten ist schon nach wenigen Monaten vieles gebrochen. Unterrichtsgarantie, höhere Einstufung der Grundschullehrerinnen und -lehrer, mehr Polizei - nichts davon findet sich im Koalitionsvertrag. Diesen Politikstil werden wir dem Ministerpräsidenten nicht durchgehen lassen. Denn er schadet der Demokratie. Wenn Vertrauen in Politik verloren zu gehen droht, müssen wir handeln. „Versprochen – gehalten“ war und ist unsere Leitschnur. Und sie behält auch in der Opposition ihre Gültigkeit.

[Die SPD-Landtagsfraktion kommt am 6. und 7. November zu einer Klausur zusammen und wird gemeinsam mit dem Landesvorstand über die Oppositionsstrategie beraten. Im Anschluss wird dieses Kapitel ergänzt und den Delegierten übersandt.]

3. Die konkreten Reformschritte

A. Profil + Programm (AG I)

Situationsbeschreibung

Die SPD Schleswig-Holstein hat über die letzten Jahre intensiv an ihrer programmatischen Weiterentwicklung gearbeitet. Die umfangreichen und breit diskutierten Beschlüsse zu Friedenspolitik und Gerechtigkeit haben die Debatte in der Bundespartei mitbestimmt und sind wesentliche Grundlagen für das Bundestagswahlprogramm 2017 geworden.

Die grundsätzliche Orientierung, Gerechtigkeitsfragen in den Mittelpunkt der SPD-Politik zu stellen, ist richtig. Gerechtigkeit bleibt das Kernthema der SPD. In diesem Bereich konnte durch die intensive Arbeit der letzten Jahre Vertrauen zurückgewonnen werden. Das zeigt sich beispielsweise dadurch, dass überdurchschnittlich viele Menschen die SPD bei der Landtagswahl für unser Programm gewählt haben. Zudem konnten wir - entsprechend unserer Strategie - frühere SPD-Wähler zurückgewinnen und dadurch die Linkspartei im Land politisch marginalisieren.

Auch wenn die programmatische Grundidee der SPD im Jahr 2017 richtig ist, sehen wir doch einen gewissen Mangel an schlüssigen sozialdemokratischen Antworten auf die großen Zukunftsfragen. Unsere Werte und Ziele sind richtig, aber die Instrumente stammen teilweise noch aus dem 20. Jahrhundert, das ganz andere Rahmenbedingungen geboten hat. Die neue Leitfrage ist vor allem: Wie verhandeln wir das Verhältnis von Kapital und Arbeit im Zeitalter von Globalisierung, Automatisierung und Digitalisierung? Der laufende Transformationsprozess wird viele alte Gewissheiten umwerfen. Die richtigen Antworten darauf zu geben, ist die Existenzfrage der Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert.

Eng damit verbunden sind die Umweltpolitik und der Schutz der Bürgerrechte. Auch dort gibt es drängende Zukunftsfragen, für die teilweise ganz neue Ansätze und Antworten entwickelt werden müssen.

Als drittes braucht es Antworten auf die Zunahme des Rechtspopulismus in Europa und Deutschland. Die SPD muss neue Bindungskraft entwickeln, um einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung dieser zerstörerischen Ideen zu leisten. Das heißt, wir müssen in den Milieus wieder Fuß fassen, in denen wir unsere traditionelle Anbindung eingebüßt haben.

In den nächsten Jahren müssen wir also frische programmatische Idee entwickeln. Immer auf der Basis unserer zentralen Werte: Respekt, Würde und Gerechtigkeit. Dann wird die SPD auch in Zukunft die Gerechtigkeits- und Fortschrittspartei sein.

Sofortmaßnahmen

  • Das aktuelle Grundsatzprogramm der SPD ist von 2007 und damit in einer Zeit entstanden, in der die Folgen von Digitalisierung und Automatisierung in ihrer grundsätzlich umwälzenden Form noch nicht klar erkennbar waren. Es ist Zeit für eine neue Debatte. Die SPD Schleswig-Holstein wird deshalb auf dem Bundes¬parteitag im Dezember die Forderung unterstützen, ein neues Grundsatzprogramm für die deutsche Sozialdemokratie zu entwickeln. In diese Debatte werden wir uns intensiv einbringen und unsere Rolle als programmatischer Motor der gesamten SPD unter-streichen.
  • Außerdem beginnt die SPD Schleswig-Holstein gemeinsam mit der SPD-Landtagsfraktion einen intensiven “Zukunftsdialog” mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Die Ergebnisse sollen eine der Grundlagen des Regierungsprogramms bei der nächsten Landtagswahl sein und fließen gleichzeitig in die Grundsatzdebatte der Bundespartei ein.
  • Für die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2022 erfolgt eine Entscheidung spätestens im Frühjahr 2021. Bei mehreren Kandidatinnen und Kandidaten wird es einen Mitgliederentscheid geben, der – wie die Erfahrung zeigt – eine enorme mobilisierende Wirkung für die SPD entfalten kann.
  • Parallel wird eine Arbeitsgruppe (Laufzeit zunächst 1 Jahr, Mai 2018 - April 2019) gebildet, die ein landespolitisches Grundwertepapier entwickeln soll. Dabei werden Antworten auf zentrale Zukunftsfragen gesucht. Das Papier soll auf einem Landesparteitag beschlossen werden, das die Grundlage für das Regierungs-programm 2022 darstellt.

Leitthemen für die Debatte in der Arbeitsgruppe

  • Unsere Vision für Schleswig-Holstein im Jahr 2050.
  • Die Übertragung und der Schutz unserer Standards guter Arbeit in das Zeitalter der digitalen Transformation. Tarifbindung und die kollektive Vertretung von Arbeitnehmerinteressen wird bei Arbeit 4.0 eine zentrale Bedeutung haben.
  • Chancengleichheit und eine gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen in einer globalisierten und digitalisierten Welt.
  • Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und Chancenungleichheit in den verschiedenen Regionen des Landes.
  • Potenziale für Wachstum und Beschäftigung für Schleswig-Holstein im Zusammenhang mit der Energiewende, unserer Lage in Europa und der digitalen Transformation.
  • Stärkung der Ostseekooperation und grenzübergreifende Zusammenarbeit in Europa. Seit jeher hat die schleswig-holsteinische Sozialdemokratie die enge Anbindung nach Skandinavien und in den Ostsee-Raum gesucht. An diese Tradition müssen wir insbesondere in Zeiten der Opposition anknüpfen, um wichtige Kontakte zu wahren. Außerdem sammeln wir so neue Ideen und Ansätze für die Weiterentwicklung unserer Programmatik. Wie kann dieser internationale Austausch mit anderen sozialdemokratischen Organisa¬tionen vertieft werden? Eine Idee könnte ein Ostsee-Kongress aller sozialdemo¬kratischen Parteien im Ostseeraum sein, um über den aktuellen Zustand der sozial¬demokratischen Bewegung zu sprechen und neue Konzepte und Ideen auszu¬tauschen.
  • Die Bildung der Zukunft in einer digitalisierten Gesellschaft. Lebensbegleitendes Lernen und die beständige Qualifikation, damit niemand auf der Strecke bleibt.
  • Stärkung der Demokratie und Beteiligung an politischem Gestaltungsprozess.
  • Chancen für eine moderne Familienpolitik und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen.
  • Die Zukunft der Mobilität im Land vor dem Hintergrund der Mega-Trends in den Bereichen autonomes Fahren, Telemedizin und E-Commerce.

B. Parteiorganisation + Prozesse (AG 2)

Situationsbeschreibung

In den letzten Jahren haben wir umfangreiche Projekte zur Parteientwicklung erfolgreich umgesetzt. Dazu gehören die Ausbildung von TrainerInnen zur Unterstützung von Ortsvereinen, die flächendeckende Einführung von Mitgliederbeauftragten, die Verbesserung des Neumitglieder-Managements und die Politisierung der Debatte in den Ortsvereinen. Wichtig ist: Die Stärkung der Organisationskraft der Partei ist kein Projekt, das abgeschlossen werden kann, sondern eine permanente Aufgabe. Deshalb kommt es vor allem darauf an, die wirksamen Instrumente fortzuführen und weniger effektive Maßnahmen durch andere zu ersetzen.

Der Blick auf die Organisation passt zu dieser Feststellung. Es ergibt sich kein einheitliches Bild. Insbesondere der Blick auf die letzten Kampagnen für Landtags- und Bundestagswahl zeigt die enorme Schlagkraft vieler Gliederungen der Partei. Vor allem zu nennen sind dabei die Jusos. Das gilt aber genauso für viele Kreisverbände und Ortsvereine. Auf der anderen Seite sind vielerorts deutliche strukturelle Schwächen zu erkennen. Sichtbar ist das besonders an der Plakatierung, wo die SPD in manchen Orten deutlich hinter Kleinstparteien zurückgefallen ist. Gleichzeitig wachsen die weißen Flecken, wo keinerlei Parteistruktur mehr vorhanden ist. Das führt auch dazu, dass die Verteilung von Materialien nur noch in wenigen Ortsvereinen geleistet werden kann. Jedes Jahr werden mehr eigene kleine Zeitungen eingestellt. Auch die digitalen Möglichkeiten der Präsentation und Kommunikation werden noch nicht von allen Gliederungen genutzt.

Wesentlicher Grund für den Rückgang der Organisationskraft ist die Alterung der Partei. Das Durchschnittsalter liegt inzwischen bei 61 Jahren. Seit 2013 wurden zudem 40 Ortsvereine aufgelöst bzw. zusammengelegt. Gleichzeitig verteilen sich auf wenige Schultern immer mehr Aufgaben. Ziel muss sein, dass sich Ortsvereine auf ihre Kernaufgabe konzentrieren können: Der SPD vor Ort ein positives Gesicht zu geben.

Es gibt aber auch positive Entwicklungen: Seit Januar haben wir so viele neue Mitglieder gewonnen wie seit Jahren nicht mehr. Die zentrale Aufgabe ist, diese in die Parteiarbeit einzubinden, da wir wissen, dass ansonsten ein großer Teil innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder austreten wird. Hinzu kommt, dass die Neueintritte die sowieso schon vor¬handenen Unwuchten verstärken. Der Schwerpunkt der Eintritte passiert in größeren Orten und urbanen Regionen, wo die Aktivität ohnehin schon größer ist.

Gleichzeitig gibt es Stärken, an die wir anknüpfen wollen. Die Beteiligung von Mitgliedern und Bürgerinnen und Bürgern hat in der SPD Schleswig-Holstein eine lange Tradition. Regionalkonferenzen, BürgerparteiTag oder der Mitgliederentscheid zur Spitzenkandidatur im Jahr 2011 dokumentieren das.

Mit der Verdopplung der Delegiertenanzahl unseres Landesparteitages im Jahr 2010 haben wir einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass in unserem obersten Beschlussgremium die gesamte Breite unserer Parteimitglieder abgebildet werden kann. Jährlich stattfindende Landesparteitage geben allen Gliederungen die Gelegenheit, die inhaltliche und programma-tische Entwicklung voranzubringen. Über den zwischen den Parteitagen tagenden Landesparteirat haben Kreisverbände, kommunalpolitische Familie und Arbeitsgemeinschaften die Möglichkeit, sich jederzeit zu äußern und direkt einzubringen. Die monatlich stattfindenden Landesvorstandssitzungen sind mitgliederöffentlich. Wir werden diesen Weg der breiten und regelmäßigen Beteiligung konsequent fortsetzen.

Wir wollen eine moderne SPD mit geringen Mitmach- und Gestaltungshürden. Ziel muss sein, dass Delegierten- oder Listenplätze genügend Raum bieten, damit auch neue Mitglieder Zugang finden. Als Selbstverpflichtung sollten wir anstreben, dass 25 % der Ämter und Plätze an Mitglieder vergeben werden, die entsprechende Funktionen noch nicht in der Vorperiode ausgeübt haben.

Mit der Beitragskampagne, der Teamentwicklung mit Kreisgeschäftsstellen und Kreisvorständen sowie dem Nachwuchsqualifizierungsprogramm haben wir in den letzten Jahren wichtige Projekte zur Stärkung unserer Organisationskraft umgesetzt. Es gilt nun, an das Erfolgreiche anzuknüpfen und gleichzeitig ein hohes Innovationstempo bei der Weiterent-wicklung der Partei zu halten. Dabei gilt aber dennoch: Sorgfalt vor Eile.

Sofortmaßnahmen

  • Beginn einer organisatorischen, technischen und finanziellen Verbesserung der Serviceleistungen für die EhrenamtlerInnen. Das geschieht in enger Kooperation mit dem Parteivorstand, den Kreisverbänden, Ortsvereinen und dem Betriebsrat.
  • Eine stärkere Beratung und Unterstützung der Ortsvereins- und Kreisvorsitzenden. Näheres dazu im Kapitel über Personal- und Organisationsentwicklung.
  • Der stärkere Einsatz von Organizing-Ansätzen in der Kampagnenarbeit, z.B. zur Kommunalwahl. Der Parteivorstand hat im Bundestagswahlkampf gute Erfahrungen mit Aktionspaketen gemacht, die insbesondere in Regionen mit wenigen Mitgliedern verschickt wurden. Diese versetzen auch einzelne Mitglieder und Unterstützer unmittelbar in die Lage, tätig zu werden (zum Beispiel Flyer zu verteilen, Kreidespray einzusetzen oder Haustürwahlkampf zu machen).
  • Es wird eine Analyse der Organisationsformen in anderen Landesverbänden und politischen Parteien, aber auch in vergleichbaren Organisationen gestartet. Dabei geht der Blick auch in andere Länder. Die Ergebnisse werden auf einer Konferenz vorgestellt, diskutiert und fließen in die weitere Arbeit ein.
  • Fortsetzung der Teamentwicklung in Landesgeschäftsstelle, Kreisgeschäftsstellen und Team-vor-Ort-Schulungen. Schwerpunkt ist dabei die Stärkung von Werten und Sinnkultur (unsere Motivation), der Partizipations- und Anerkennungskultur (Mitarbeit und Engagement) sowie der Informations- und Organisationskultur (unser Management) gelegt.
  • Einrichtung eines systematischen Ideenmanagements unter hauptamtlicher Begleitung.
  • Außerdem wird eine organisationspolitischen Kommission gegründet (Laufzeit zunächst 1 Jahr, Mai 2018 - April 2019), die an den hier aufgeführten Leitfragen arbeitet:

Leitthemen für Debatte in der Kommission

  • Stärkung der organisatorischen Schlagkraft der Partei.
  • Entwicklung neuer Formen von Parteiarbeit. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie bei einer deutlich sinkenden Mitgliederzahl weiterhin ein attraktives und politisches Parteileben ermöglicht werden kann. Gründung einer Projektgruppe „Parteiarbeit 2035“
  • Entlastung der Ortsvereine bei ihren Aufgaben (z.B. Kassenführung) für einen stärkeren Fokus auf die Kernaufgaben: Politische Debatte und Kampagnenfähigkeit in der Fläche.
  • Neue Verteilung bzw. externe Vergabe von Aufgaben im Wahlkampf (Flyer-verteilungen, Plakatierung), damit sich Ortsvereine stärker auf das konzentrieren können, was sie am besten können (Haustürwahlkampf, Infostände, Canvassing, der SPD ein positives Gesicht geben).
  • Modernisierung der Landessatzung und Anpassung an das Organisationsstatut und die Wahlordnung der Bundes-SPD.
  • Veränderung der Organisationskultur, so dass demokratischer Wettbewerb und mehrere Kandidaten in der Gesamtwahrnehmung einen Gewinn darstellen. Wir wollen sicherstellen, dass es bei diesem parteiinternem Wettbewerb keine Verlierer gibt.
  • Verbesserung des Auftritts der SPD im Internet mit dem Ziel einer gemeinsamen Online-Strategie über alle Gliederungen hinweg.
  • Einrichtung online-organisierter Themenforen, auch unter Einbeziehung der Überlegungen und Entwicklungen anderer Gliederungen. Stärkung der digitalen Beteiligungsmöglichkeiten ohne andere auszuschließen.
  • Neue Formen der Kommunikation und der Förderung eigener Medien (digital und print), wie Ortsvereinszeitungen etc.

C. Personalentwicklung und -planung

Situationsbeschreibung und Ziele

In den vergangenen Jahren haben wir im Bereich der Qualifizierung und Personalentwicklung viel erreicht. Teilweise sind wir ganz neue Wege gegangen, die auch anderen Landesverbänden als Orientierung dienen. Die gute Arbeit dieser Jahre müssen wir vor dem Hintergrund der gesammelten Erkenntnisse weiterentwickeln.

Wir wollen unseren talentierten Nachwuchs auch weiterhin systematisch fördern und bei seiner politischen Arbeit unterstützen. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Zukunftssicherung unserer Partei. Die SPD versteht sich bewusst als lernende Organisation und unternimmt eine Vielzahl an Anstrengungen, die eigenen Kompetenzen ständig zu ergänzen und zu erneuern.

Die SPD benötigt infolge vielfältiger Generationenwechsel eine Vielzahl an Nachwuchstalenten, die bereit und in der Lage sind, politische Verantwortung für verschiedene Führungsaufgaben und -positionen zu übernehmen. Talent ist unabhängig vom Alter. Deshalb orientieren wir uns nicht an festgelegten Grenzen, sondern werden alle Potenziale fördern. Bei unserer systematischen Qualifizierung berücksichtigen wir die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Lebensphasen. Wir gestalten die Angebote insbesondere so, dass sie auch für Menschen mit jungen Kindern attraktiv sind, da diese vor einer besonderen Herausforderung stehen, politisches Engagement und Familienglück zu verbinden. Wir wollen auch bei der Personalentwicklung unserem Anspruch als Volkspartei gerecht werden und den breiten Querschnitt der Gesellschaft abbilden.

Wir beobachten steigende Anforderungen an die politisch Aktiven. Ein besonderes Angebot erhalten daher diejenigen in Verantwortung, die als Ortsvereinsvorsitzende, in Kreisvorständen, Kreistagen, als BürgermeisterInnen, in unseren Landesvorständen, Landtag und Bundestag aktiv sind. Das bedeutet, dass unsere Bildungsangebote individuell auf Erfahrungsstand und Position eingehen.

In den bevorstehenden Jahren wollen wir die Parteiorganisation weiter entwickeln. Das heißt: Teamwork, politisches Innovationsdenken, Professionalität und zuverlässige Dienst¬leistungen auszubauen. Leitziele für die nächsten drei Jahre sollten sein:

  • Das Profil der SPD als Gerechtigkeitspartei weiter entwickeln.
  • Partizipation und Mitgliederbeteiligung groß schreiben.
  • Neue und jüngere Mitglieder gezielt aktivieren und binden.
  • Die Nachwuchsqualifizierung und Talentförderung konsequent weiter betreiben.
  • Die Ortsvereine als den wichtigsten Ort für die Aktivitäten unserer Mitglieder mit neuen Ideen und handfester Unterstützung revitalisieren.
  • Auf Basis unserer Erfahrungen die Online-Beteiligung weiterentwickeln.

Wir sind mit 21 Landtagsabgeordneten, 6 Bundestagsabgeordneten und einer Europa-abgeordneten in allen Parlamenten vertreten. Sie sind unsere politischen Leuchttürme im Land. Zusammen mit ihren MitarbeiterInnen stellen unsere Abgeordneten für die Verbreitung und Durchsetzung unserer sozialdemokratischen Ziele eine starke Säule in der Gesellschaft dar. Sie sind neben den Kreisvorsitzenden und den Kreistagsfraktionsvorsitzenden das Gesicht der SPD Schleswig-Holstein in der Fläche des Landes.

Sie gestalten sozialdemokratische Politik hauptberuflich auf Zeit. Das bedeutet ein besonderes Maß an Verantwortung für die Menschen, aber auch für die Mitglieder und die Partei. Die Brücke, welche sie zu allen gesellschaftlichen Gruppen, Vereinen und Verbänden in den Wahlkreisen bauen, ist für uns unverzichtbar im politischen Handeln vor Ort. Sie ist dort noch wirkungsvoller, wo die Verbindung der Fraktionsebenen des Europaparlaments, des Bundestags und Landtags und der Kreistagsfraktionen bzw. Ratsfraktionen der kreisfreien Städte aktiv gelebt wird.

Die SPD muss überall im Land präsent sein. Dies deckt sich mit dem eigenen Anspruch unserer Abgeordneten. Das umfasst auch die Geschäftsstellen der Partei sowie die Büros der Abgeordneten in Bund und Land. In diesem Bereich brauchen wir eine bessere Koordination und Vernetzung. Die vertretenen Fachthemen finden so schneller Eingang in die politische Arbeit der Partei vor Ort und gleichzeitig können auch die Themen der Partei stärker in die Parlamente getragen werden.

Politische Veranstaltungen können mitgestaltet und über die Parteistruktur bekannt gemacht werden. Umgekehrt sind unsere Abgeordneten bei den politischen Gesprächen bzw. Gesprächsabenden der SPD überall eingebunden. Keine politische Veranstaltung ohne Kooperation ist das Ziel. Wo kaum noch politische Diskussionsveranstaltungen stattfinden, müssen neue Angebote auf den Weg gebracht werden. Die aktive örtliche und organisatorische Verbindung wird den Ortsvereinen helfen, wieder aktiv zu sein und ihren Beitrag zur politischen Meinungsbildung auch bei europa-, landes- und bundespolitischen Themen zu leisten. Eine Politisierung kann nur stattfinden, wenn wir alle Kräfte bündeln.

Neue politisch interessierte Mitglieder brauchen eine zentrale Anlaufstelle, bei der sie schnell Gehör und Unterstützung finden werden. Sie können darüber eine Stütze des Generationswechsels werden. Die Bündelung der Kräfte führt dazu, dass die Kreisverbände gezielt neue Mitglieder mit ihren Abgeordneten zusammenführen werden. Diese erhalten dann neue sozialdemokratische Impulse.

Der zukünftige politische Einfluss der SPD Schleswig-Holstein entscheidet sich im demographischen Wandel an erfolgreichen sozialdemokratischen Netzwerken der Fraktionen und des Landesverbandes, der Kreisverbände sowie der Ortsvereine. Keimzelle ist dabei der Ortsverein. Alle anderen sind ohne starke Ortsvereine wie ein Rumpf ohne Beine. Die Altersstruktur allerdings verlangt eine konsequent vernetzte Arbeit aller MitarbeiterInnen unserer politischen Abgeordneten zur Hilfestellung. Nur wenn dies gelingt, haben wir in Zukunft die Chance, Kümmererpartei in allen Regionen zu sein. Politisch interessierte und talentierte Schleswig-HolsteinerInnen erleben dann die Sozialdemokratie als ganze Kraft für ihre Region. Bislang war dies nicht flächendeckend der Fall.

Es ist die Aufgabe aller Ebenen, ob Hauptamt, Ehrenamt, bei Mandaten oder Ämtern, sich um eine Personalentwicklung zu kümmern, die den o. g. Zielen entspricht.

Sofortmaßnahmen

  • Die Nachwuchsförderung wird zielgerichtet ausgebaut. Die Führungsakademie wird neben der Kommunalakademie konsequent fortgeführt und dabei fortlaufend evaluiert und weiterentwickelt. Mit einer Fortbildungsreihe “Frauen an die Macht” werden wir ein spezifisches Angebot ausschließlich für Frauen etablieren.
  • Wir wollen einen Beitrag leisten, um die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und parteipolitischem Ehrenamt zu vereinfachen und gezielte Maßnahmen auf Ortsvereinsebene ergreifen, um zu Verbesserungen zu kommen.
  • Zur Unterstützung der Arbeit auf allen Ebenen führen wir regionale kollegiale Beratung durch. Hierbei ist das Ziel Prozesse zu verbessern, handelnde Akteure in ihrer Arbeit zu stärken, das Programm und Profil vor Ort zu verdeutlichen und die Parteiorganisation hierdurch langfristig zu stärken.
  • Bessere Vernetzung der Beschäftigten von Abgeordneten, Fraktionen und Parteiorganisation bei strikter Beachtung der gesetzlichen Trennungsvorschriften.
  • Start einer Diskussionsreihe zwischen dem SPD-Landesvorsitzenden und jungen Parteimitgliedern (“Partei, Pizza, Politik”).
  • Neue Landesvorsitzende von Arbeitsgemeinschaften erhalten neben informativen Willkommenspaketen eine individuelle Betreuung durch die Landesgeschäftsstelle. Schulungsangebote, kollegiale Beratung und Sicherheit im Umgang mit Satzungen und Organisationsstatut können helfen, politische Wirkmächtigkeit zu erhöhen und sich einbringen zu können.
  • Um das vielfältige Bildungsangebot auf allen Ebenen durchzuführen, wird der Landesverband die Fort- und Ausbildung der für die SPD tätigen Trainerinnen und Trainer fortsetzen. Hierdurch können wir zeitnahe, systematische Angebote verbessern, Aktivitäten auf Kreisebene verstetigen und bei Bedarf auf die Ortsvereinsebene ausdehnen.
  • Regelmäßige Veröffentlichung der Angebote und intensiver Austausch mit wichtigen Kooperationspartnern.
  • Außerdem wird eine organisationspolitische Kommission gegründet (Laufzeit zunächst 1 Jahr, Mai 2018 - April 2019), die an den hier aufgeführten Leitfragen arbeitet:

Leitthemen für Debatte in der Kommission

  • Die entscheidende Ebene der Personalentwicklung ist und bleibt der Ortsverein und die Aufstellung in den Wahlkreisen vor Ort! Wir müssen die Anreize verstärken, dass schon bei der Kandidatenaufstellung eine Personalentwicklung mit den oben beschriebenen Zielen stattfindet und die Gliederungen vor Ort dabei beratend unterstützen. Dazu kann auch gehören, bei Listenvorschlägen des Landesvorstands solche Veränderungen gezielt zu belohnen.
  • Wir wollen neue Mitglieder langfristig einbinden, aber dabei nicht überfordern. Dafür müssen wir klären, wie wir ihre Wünsche und Ideen besser berücksichtigen.
  • In den Ortsvereinen muss gezielt dafür geworben werden, parteilose Kandidatinnen und Kandidaten für die Listen bei den Kommunalwahlen zu gewinnen mit dem Ziel, sie mittelfristig für eine Parteimitgliedschaft zu begeistern.
  • Die Frauenquote und das Reißverschlussprinzip haben sich bewährt. Zusätzliche formale Quotierungen gehen zu Lasten des Demokratieprinzips. Allerdings streben wir an, bei Vorschlägen zu Listenaufstellungen - insbesondere den Landeslisten - auf jedem 5. Platz Bewerberinnen oder Bewerber unter 35 Jahre vorzuschlagen. Zumindest aber müssen wir erreichen, dass mindestens auf jedem 10. Platz eine Kandidatin oder ein Kandidat unter 35 Jahren aufgestellt wird.
  • Strukturelle Veränderungen im Sinne von Amtszeitbegrenzungen, Unvereinbarkeitsbeschlüsse von Amt und Mandat widersprechen dem Demokratieprinzip und werden deshalb von der SPD Schleswig-Holstein nicht verfolgt. Wie können aber dennoch sinnvolle Impulse und kooperative Erneuerung stattfinden?
  • Gründung von Parteischulen auf Kreisebene oder Rufseminare des Landesverbandes mit einem Stamm von Trainerinnen und Trainern.
  • Integration von Blended Learning/E-Learning-Angeboten in die bestehende Bildungsarbeit. Wie kann/soll das gehen?

Die drei genannten Kommissionen werden durch Beschluss des Landesparteirates noch in der ersten Jahreshälfte 2018 eingesetzt, damit sie unmittelbar nach der Kommunalwahl einen intensiven Arbeitsprozess beginnen können. Einen Vorschlag hierfür wird der Landesvorstand dem Landesparteirat unterbreiten. Dabei sind alle Gliederungsebenen der Partei (Ortsvereine, Kreisverbände, Arbeitsgemeinschaften, Landesvorstand, Landtagsfraktion, MdB-Landesgruppe, MdEP) sowie erfahrene und neue, ältere und jüngere GenossInnen zu berücksichtigen. Wir achten zudem auf eine paritätische Besetzung durch Männer und Frauen.