Wir machen die Zukunft wahr - Regierungsprogramm für Schleswig-Holstein (1971)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Flensburg 1971
Bezeichnung:
Antragsteller: Nicht aufgeführt


Beschluss: Angenommen


Präambel

Schleswig-Holstein braucht eine neue, eine fähigere Landesregierung. Eine Regierung der Reformen. Mit der Dynamik einer unverbrauchten Partei und mutigen Politikern, die sich für neue Methoden und Wege entscheiden.

Wir Sozialdemokraten sind zur Übernahme der Regierungsverantwortung bereit. Wir haben uns sorgfältig darauf vorbereitet. Wir haben die Mannschaft. Mit Kenntnissen und Erfahrungen. Und dem Willen, für unser Land alle Chancen zu nutzen.

Ein auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitetes Programm ist das Fundament sozialdemokratischer Politik in diesem Lande. Nüchterne Perspektiven mit nüchternen Zahlen. Sie mögen manchen erschrecken. Aber sie sind die Wahrheit. Sie offenbaren schwere Versäumnisse in Wirtschaft und Gesellschaft. Der gesellschaftliche Nachholbedarf in Schleswig-Holstein ist gewaltig. Die CDU hat an Symptomen kuriert. Wer die Probleme nicht zur Kenntnis nehmen, sich an ihnen vorbeidrücken will, kann sie auch nicht lösen.

Unser Programm zeigt, wie die sozialdemokratische Landesregierung mit diesem schweren CDU-Erbe aufräumen wird. Es gilt, aus einem unterentwickelten Land ein fortschrittliches Schleswig-Holstein zu machen. Das geht durch eine geplante Wachstumspolitik. Eine Politik, die die Entwicklung des Landes in Bildung, Wirtschaft und Verkehr sowie auf dem Gebiet des Sozialwesens als eine Einheit versteht.

Nur eine genaue und umfassende Planung nach Prioritäten kann den Schaden beheben, den eine ziellose CDU-Politik unserem Lande zugefügt hat.

Unser Programm mit seinen harten Fakten und Zahlen geht die Ursachen der Wirtschafts- und Finanzschwächen an. Wir sagen, wie wir den Nachholbedarf unseres Landes erfolgreich bewältigen werden. Durch:

  • ein gerechtes, integriertes Bildungssystem
  • neue, zusätzliche Arbeitsplätze
  • eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft
  • eine gesellschaftsbezogene Umweltgestaltung
  • ein leistungsfähiges Verkehrssystem
  • eine an die Erfordernisse unserer Zeit angepasste Sozialpolitik.

Wir sorgen für die Verwirklichung gleicher Bildungschancen für alle Menschen Schleswig-Holsteins. Die berufliche Bildung wird Bestandteil des Schulsystems. Lehrlingsausbildung ist für uns eine öffentliche Aufgabe.

Unser quantifiziertes Programm gibt Auskunft Über Umfang und Zeitmaß der Verwirklichung unserer bildungspolitischen Vorstellungen von der Vorschule Über die integrierte Gesamtschule als Ganztagsschule bis zur Gesamthochschule.

Geld für Bildung und Ausbildung ist sicherste Kapitalanlage, ist Rüstung für eine friedliche Zukunft.

Wir wollen den Menschen in unserem Land krisenfeste Arbeitsplätze in Wachstumsbranchen bieten. Die industrielle Entwicklung geht zu langsam. Bis 1980 werden uns Zehntausende von. Arbeitsplätzen fehlen. Eine geplante Wachstumspolitik muss die Industrieentwicklung beschleunigen.

Wir werden benachteiligte Gebiete mit modernen Methoden wirtschaftlich aufbauen. Dafür hat die schleswig-holsteinische SPD als erste Partei eine Entwicklungsstrategie vorgelegt.

Jeder Bürger Schleswig Holsteins wird in seiner Region den sicheren Arbeitsplatz finden. Dies ist ein Recht auf Heimat, das wir mit friedlichen Mitteln verwirklichen können. Durch eine geplante Wachstumspolitik mit verstärkter Bundeshilfe für konkrete Entwicklungspläne.

Wir schaffen eine gesunde und wettbewerbsfähige Landwirtschaft. Die Einkommen werden verbessert. Eine sozialdemokratische Landesregierung wird die Marktposition der Landwirtschaft verbessern, die innerbetriebliche Rationalisierung und produktive Investitionen fördern. Dem notwendigen Anpassungsprozess der Landwirtschaft gilt die besondere Fürsorge durch sozial- und bildungspolitische Maßnahmen.

Wir werden unsere Umwelt menschenwürdig gestalten. Wir werden die Menschen konsequent vor den Gefahren der industrialisierten Umwelt schützen. Der Verhinderung von Lärm, Luft- und Wasserverschmutzung gilt unsere besondere Aufmerksamkeit. Die Kosten tragen die Verursacher.

Wir werden ein modernes und leistungsfähiges Verkehrssystem schaffen. Rückgrat für die Entwicklung dieses Landes sind die überregionalen Verkehrsverbindungen.

Wir werden das Bodenrecht den Bedürfnissen der Gesellschaft anpassen. Moderner Städtebau, Einrichtung von Erholungsgebieten und die Entwicklung eines planvollen Verkehrssystems dürfen nicht den Spekulationsinteressen weniger zum Opfer fallen.

Wir werden die Menschen gegen die Risiken der zweiten industriellen Revolution absichern. Kranke, Alte und Behinderte haben ‚Anspruch auf besondere Unterstützung der Gesellschaft. Eine ausreichende ärztliche Versorgung in allen Teilen des Landes, Hochleistungskrankenhäuser mit flankierenden Einrichtungen sind Kernpunkte unseres Programms zur Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit.

Wir weisen darauf hin: Bei immer schneller werdenden Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft ist verlorene Zeit der gefährlichste Verlust. Sie ist unersetzbar. Die CDU-Regierungen haben viel Zeit ungenutzt vertan. Unser aller Zeit. Deshalb muss unser Programm schnell verwirklicht werden.

Dazu bedarf es der gemeinsamen Anstrengung aller Bürger. Wir benötigen dazu aber auch die finanzielle Unterstützung durch die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung in Bonn. Diese Regierung hat Vertrauen zu uns. Wir haben Vertrauen zu ihr. Das ist die Grundlage für unsere Politik innerer Reformen. Ebenso wichtig ist die gemeinsame Entwicklungsplanung und ihre Durchführung im norddeutschen Raum. Wir können gemeinsame Probleme nur gemeinsam lösen. Unser Ziel ist die Schaffung eines leistungsfähigen Nordweststaates.

Wirtschaft und Gesellschaft müssen nach den Interessen der überwiegenden Mehrheit der Bürger, der Lohn- und Gehaltsabhängigen, reformiert werden. Wissenschaft und kritische Intelligenz stehen auf unserer Seite. Unser Programm einer menschenwürdigen Zukunft legt dafür Zeugnis ab.

Eine Partei handelt.

SPD

Grundsätze der Landesentwicklung

1 Ökonomische Erfordernisse und gesellschaftspolitische Notwendigkeiten bedingen einander. Ohne Ausschöpfung des wirtschaftlichen Potentials des Landes ist die vermehrte Bereitstellung von öffentlichen Diensten und Einrichtungen nicht möglich. Umgekehrt bestimmt langfristig das Ausmaß der Infrastrukturleistungen zu einem erheblichen Teil die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten des Landes.


2 Die SPD geht davon aus, dass zur Koordinierung und Durchsetzung des privaten Bedarfs das Selbststeuerungssystem der Marktwirtschaft ein ergänzungsbedürftiges Instrument ist. Sie wird daher weiterhin auch gegen die Widerstände der CDU darauf hinwirken, dass

  • ein gesamtwirtschaftlich und räumlich gleichgewichtiges Wachstum durch eine regional differenzierte Stabilitätspolitik gesichert wird
  • die Bemühungen um eine gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung intensiviert werden
  • durch die Mitbestimmung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter die Sozialgebundenheit der Produktionsmittel mit durchgesetzt wird
  • der Schutz vor der Ausübung wirtschaftlicher Macht über eine verschärfte Wettbewerbspolitik wirksam unterstützt wird.


3 Bei der Abstimmung und Durchsetzung der gesellschaftlichen Bedürfnisse versagt das marktwirtschaftliche Prinzip. Dort muss es ersetzt werden durch den Grundsatz der infrastrukturellen Rahmenplanung.

Nur so können die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung und das dazu erforderliche Wachstum vorangetrieben werden.


4 Der Erfolg der Landes- und Entwicklungsplanung hängt entscheidend davon ab, welches räumliche Konzept ihr zugrunde liegt. Es muss folgende Tendenzen berücksichtigen:

Die Ansprüche der Bevölkerung an berufliche Aufstiegschancen sowie an ausreichende Einkommensverwendungs-, Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten werden überproportional anwachsen. Gleichzeitig erhöht sich die Wanderungs- und Pendlerbereitschaft, so dass die potentielle Anziehungskraft der Verdichtungsgebiete aktuell wird.

Dem gegenüber stehen die wachsende Unabhängigkeit der Betriebe von traditionellen Standortfaktoren und die zunehmende Ausrichtung ihrer Standortwahl nach den räumlichen Präferenzen insbesondere der (vorhandenen oder anzuwerbenden) qualifizierten Arbeitskräfte.


5 Auch in Schleswig-Holstein ist daher langfristig die Herausbildung von Regionen notwendig,

  • die jeweils wenigstens über einen „Entwicklungsschwerpunkt" verfügen, dessen Mindestgröße je nach Entfernung zum nächsten Ballungsraum bei 20000 bis 100000 Einwohnern liegen muss
  • in denen sich die Bevölkerung außerhalb des Verdichtungskernes auf .Siedlungsschwerpunkte” mit i. d. R.- wenigstens 4000 bis 6000 Einwohnern konzentriert, für die der „Zentrale Ort” in einer halben bis dreiviertel Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist.

Nur so kann gewährleistet werden, dass auch für die Bevölkerung, die auf dem Lande wohnen bleiben will, am Wohnsitz bei ökonomisch vertretbarem Aufwand mindestens eine „Deckung des täglichen Bedarfs” (Grundversorgung) möglich ist und in zumutbarer Entfernung eine breite Auswahl von gewerblichen Arbeitsplätzen, differenzierten Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten sowie mindestens die Infrastruktureinrichtungen des „gehobenen Bedarfs" (Weiterbildungseinrichtungen, Krankenhäuser usw.) angeboten werden können.

In entwicklungsfähigen Fremdenverkehrsgemeinden mit hohen Übernachtungszahlen wird die notwendige Infrastruktur auch dann geschaffen werden ‚können, wenn die Einwohnerzahl unter der langfristig erforderlichen Mindestnorm bleibt.


6 Die SPD-Landesregierung wird diesen Grundsätzen entsprechend den Raumordnungsplan des Landes konzipieren.

Arbeit, Wirtschaft, Landwirtschaft

Allgemeine Förderung des Strukturwandels

Schwerpunkte der Wirtschaftsförderung

Ausweitung und Stärkung der industriellen Basis

Fremdenverkehr

Sicherung der Energieversorgung

Anpassung der Landwirtschaft

Raumordnung, Städtebau, Wohnungswesen, Verkehr

Das System der Entwicklungsschwerpunkte

Städtebau und Wohnungswesen

Fernstraßen, Landes- und Kreisstraßen, Personennahverkehr, Häfen, Luftverkehr

Schul- und Bildungspolitik

Dreigliedrigkeit verhindert Chancengleichheit

Gesamtschule sichert die Zukunft unserer Kinder

Weiterbildung

Erste Maßnahmen der SPD-Regierung

Hochschulentwicklungsplan der SPD

Jugend und Sport

Maßnahmen für die Jugend

Förderung des Sports

Soziales und Gesundheit

Bestandteile einer modernen Sozialplanung

Ärztliche Versorgung

Krankenhäuser in Schleswig-Holstein

Umweltschutz