A1: Friedenspolitik heute (2014)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Lübeck 2014
Bezeichnung: Leitantrag A1
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


Positionen der SPD Schleswig-Holstein zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik

„So viel Kraft und Zeit die Innenpolitik auch immer fordern mag, es kann gut sein, dass Deutschland sich eines Tages den Vorwurf machen muss, es hätte die Chance verschlafen und die Möglichkeiten ungenutzt gelassen, die ihm die neue Lage nach dem Ende des Ost-West-Konflikts geboten hat. Das vereinte Deutschland steht, so souverän wie es die eingegangenen Bündnisverpflichtungen zulassen, d.h. so souverän wie jeder Staat, mit größerem Gewicht vor einem neuen Abschnitt seiner Geschichte… Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geteilt, beschützt und beherrscht ist es nun frei, seine Rolle zu bestimmen.“

(Egon Bahr, Deutsche Interessen, 1998)

Die neue Debatte über die internationale Verantwortung Deutschlands

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat bei der Amtsübergabe im Auswärtigen Amt am 17. Dezember 2013 eine „kritische Selbstprüfung“ der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt: „Wir brauchen heute einen erwachsenen, aufgeklärten Diskurs über den institutionellen Rahmen, in dem sich unser außenpolitisches Handeln bewegen soll, über das Maß an Verantwortung, das wir in den nächsten 10, 20 Jahren schultern können, aber auch darüber, wo die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit sind. Deshalb will ich an den Beginn meiner zweiten Amtszeit eine solche Selbstverständigung über die Perspektiven deutscher Außenpolitik setzen… Und ich will das ganz bewusst nicht als klassischen innerministeriellen Prozess anlegen, sondern als Dialog des Auswärtigen Amtes mit den wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Stakeholdern unter Einschluss der Zivilgesellschaft.“

Die SPD Schleswig-Holstein begrüßt diese Debatte über die Ziele, Wege und Mittel deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Mit dieser Positionsbeschreibung wollen wir einen Beitrag dazu leisten. Wir tun dies, weil die Schleswig-Holsteinische SPD auf eine lange und gute Tradition erfolgreicher friedenspolitischer Initiativen zurückblicken kann. Bereits 1966 hat sich die schleswig-holsteinische SPD auf einem Landesparteitag („Eutiner Erklärung“) für eine neue Ost- und Entspannungspolitik ausgesprochen. Noch zu Zeiten der Teilung Europas hat sich Ministerpräsident Björn Engholm 1988 für eine engere wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit der Länder rund um die Ostsee ausgesprochen und dieser Region eine Brückenfunktion zwischen Ost und West zugesprochen. Und zu Recht kann Schleswig-Holstein als Vorbild für eine gelungene Minderheitenpolitik gegenüber den drei hier lebenden nationalen Minderheiten –die dänische Minderheit, die Volksgruppe der Friesen und die Sinti und Roma- gelten. Dazu kommt eine Verantwortlichkeit gegenüber der deutschen Minderheit in Dänemark. Alle in Schleswig-Holstein beheimateten nationalen Minderheiten stehen unter dem Schutz der Landesverfassung. Aus dieser Perspektive heraus sind wir überzeugt, dass gerade angesichts der Vielzahl an Krisen, Konflikte und Kriegen auf der Welt die Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands und Europas der Verständigung zwischen den Völkern und kulturellen Gruppierungen, der friedlichen Austragung von Konflikten, den Menschenrechten, der Abrüstung und der Schaffung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung verpflichtet sein muss. Viele Konflikte entstehen in dem Spannungsverhältnis des Rechts auf nationale Selbstbestimmung einerseits und dem Prinzip der territorialen Integrität und der Unverletzlichkeit der Grenzen bestehender Staaten andererseits. Die aktuelle Ukraine-Krise zeigt, dass diese Debatte auch in Europa vordringlich ist, denn schlüssige befriedigende Antworten hierzu gibt es dazu bisher nicht.

Politik ist seit Gründung der SPD vor 150 Jahren der leidenschaftliche Kampf für die Interessen der Ausgebeuteten, Unterdrückten und Benachteiligten. Es ging immer darum diese Interessen umzusetzen in geltendes Recht. Von der Abschaffung der Kinderarbeit und des Achtstundentages über die Durchsetzung des Frauenwahlrechts und die Einführung der Arbeitnehmermitbestimmung in der Betriebsverfassung bis hin zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in unseren Tagen: Immer war und ist es die durchgängige Strategie sozialdemokratischer Politik, das Recht des Stärkeren durch die Stärke des Rechts zu ersetzen. Willy Brandt hat dieses Prinzip auch für unsere internationale Politik postuliert. Angesichts von Kriegen und Bürgerkriegen, von Hunger und Elend, von Ausbeutung und Unterdrückung, der Missachtung von Menschenwürde und Menschenrechten in weiten Teilen der Welt, muss dieser strategische Ansatz in der internationalen Politik der SPD weiter energisch verfolgt werden: Wir wollen das Recht des Stärkeren durch die Stärke des Rechts ersetzen!

Die „kritische Selbstprüfung“ war gedacht als nüchterne Bestandsaufnahme und Erarbeitung neuer Perspektiven in ruhigem Fahrwasser. Die Ukraine-Krise hat jedoch schlagartig offenbart, dass Europa auch 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges noch keine neue stabile Friedensordnung gefunden hat. Im Gegenteil: Wir stellen überrascht fest, dass auch Europa weiterhin ein konfliktreicher und leicht entzündbarer Kontinent ist und dass das Ost-West-Blockdenken nicht überwunden ist. Wir erleben das gegeneinander völlig unterschiedlicher Narrative, die Brisanz ungelöster Integration nationaler, sprachlicher oder religiöser Minderheiten, die undurchsichtige Destabilisierung von Regierungen von außen sowie das alte Machtdenken in geopolitischen Einflussräumen und Blöcken.

In der Debatte geht es auch darum, in welchem Verhältnis Interessen und Werte in der Außen- und Sicherheitspolitik zueinander stehen. Deutschland ist eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt und hat 2013 mit rund 260 Milliarden Dollar den weltweit höchsten Exportüberschuss erzielt, noch vor China und Saudi Arabien. 25 Prozent der deutschen Arbeitsplätze hängen vom Export und damit von der Entwicklung der Weltwirtschaft ab. Was bedeutet das für die zukünftige Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands im Zeitalter zunehmender Globalisierung, in dem Wirtschaftswachstum plus militärische Stärke als Ausdruck nationaler Größe und politischem Einfluss gesehen werden? Ist die so genannte „Kultur der militärischen Zurückhaltung“ Deutschlands auch künftig die richtige Antwort in einer Welt zunehmend heftigerer ökonomischer Verteilungskämpfe?

Neben dem Eintreten für soziale Gerechtigkeit steht die Friedenspolitik im Zentrum sozialdemokratischer Identität und Werteorientierung. „Wenn wir gefragt würden: Was habt ihr in den letzten Jahrzehnten zustande gebracht, so würde in unserer Antwort die Friedenspolitik nicht an letzter Stelle stehen. In der Tat: Das Ringen um Entspannung, Rüstungsabbau und Zusammenarbeit, um europäische Selbstbehauptung und jeden realistischen Ost-West-Ausgleich, das Einstehen für Menschenrechte und für mehr Gerechtigkeit und Vernunft in den Nord-Süd-Beziehungen: aus der Zusammenfügung dieser Inhalte ist ein gutes Markenzeichen der deutschen Sozialdemokratie geworden.“ (Willy Brandt, Abschiedsrede, Bonner Parteitag 1987)

Die aktuelle Debatte über die künftige Rolle Deutschlands in der internationalen Politik ist für uns Anlass, Notwendigkeit und Chance unsere Friedenspolitik weiter zu entwickeln. Auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln soll sich Deutschland künftig international engagieren? Welche Interessen und Werte leiten uns dabei?

Dabei sind wir nicht auf der Seite derer, die fordern, Deutschland sollte sich in seiner Außenpolitik weitaus stärker und ausschließlicher als bisher von seinen wirtschaftlichen Interessen als rohstoffarmes und exportorientiertes Land leiten lassen, seine ethisch-moralischen Vorbehalte gegen militärische Interventionen abbauen und sich häufiger und stärker als bisher an internationalen Militäreinsätzen beteiligen.

Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muss Friedenspolitik sein. Die sozialdemokratische Friedenspolitik hat im Kalten Krieg der 1970er Jahre den minimalen außenpolitischen Spielraum Deutschlands genutzt und maximale Veränderungen bewirkt: von der Politik der kleinen Schritte zum Fall der Mauer, von den Berliner Passierscheinen zur deutschen Einheit.

Friedenspolitik heute heißt, in den internationalen Organisationen, in denen Deutschland ein Mitglied unter vielen ist -in der EU, dem Europarat, der NATO, der OSZE und der UNO- aktiv dazu beizutragen,

  • das Völkerrecht als verbindliche Grundlage des Zusammenlebens der Völker und Nationen zu stärken und durchzusetzen,
  • eine neue Weltwirtschaftsordnung als Grundlage für die Überwindung von Ausbeutung und Unterentwicklung in der Dritten Welt zu entwickeln und durchzusetzen,
  • die Entwicklungszusammenarbeit und die zivile Konfliktbearbeitung als Prävention gegen Krieg und Bürgerkrieg auszubauen und international effektiver zu organisieren,
  • den Umwelt- und Klimaschutz als Grundlage für dauerhaftes Leben auf der Erde aktiv zu fördern.
  • die Einhaltung von Minderheitenrechten in allen Staatsverfassungen zu gewährleisten und das Minderheitenrechte in allen Staatsverfassungen eingeführt werden.

Die Welt, die ihre Ordnung für das Zeitalter der Globalisierung noch nicht gefunden hat, braucht auf diesen Feldern einen starken Motor. Deutschland aufgrund seiner Geschichte, seiner internationalen Glaubwürdigkeit, seiner ökonomischen Kraft und sozialen Stabilität, der Fähigkeiten seiner Diplomatie und Zivilgesellschaft kann ein solcher starker Motor in der Weltinnenpolitik sein.

Deutsche Außenpolitik ist immer auch europäische Außenpolitik. Deshalb müssen unsere Positionen zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik in eine Fortentwicklung und Stärkung einer gemeinsamen Außenpolitik der Europäischen Union einfließen. In einer multipolar organisierten Welt ist ein deutscher und europäischer Einfluss nur durch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU-Mitgliedstaaten zu realisieren. Eine weitere Vertiefung der EU muss deshalb auch die Außen- und Sicherheitspolitik umfassen.

Neue Herausforderungen in Europa und der Welt

Das Ende des Ost-West-Konflikts vor 25 Jahren war eine welthistorische Zäsur. Die friedliche Revolution in der DDR führte 1989/1990 zur deutschen Einheit und zum Ende der Ost-West-Teilung Europas. Aus deutscher und europäischer Sicht, schien man an dem Ziel angekommen zu sein, die Lehren und die Folgen von zwei Weltkriegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bewältigt zu haben. Von der Montanunion und Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Europäischen Union mit heute 28 Mitgliedsländern und von der KSZE zur OSZE mit heute 57 Mitgliedsländern (alle europäischen Staaten einschließlich Russland, plus USA, Kanada und Mongolei). Die USA erlangten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine einzigartige und konkurrenzlose Überlegenheit und waren die einzig verbliebene wirtschaftliche und militärische Supermacht. Kriege schienen künftig nicht mehr vorstellbar. Euphorisch war vom „Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama, 1992) die Rede. In Deutschland ging das „Glück der Einheit“ einher mit einer beispiellosen Abrüstung. In der alten Bundesrepublik und in der DDR waren bis 1989 insgesamt 1,5 Millionen Soldaten der Bundeswehr und der NVA sowie der NATO und des Warschauer Pakts stationiert. Heute ist die Truppenstärke der Bundeswehr auf rund 185.000 Soldatinnen und Soldaten geschrumpft. Hinzu kommen lediglich 30.000 Soldaten der USA.

Doch es gab Brüche: Der erste Golfkrieg, die jugoslawischen Zerfallskriege, die Bürgerkriege in Somalia und Ruanda, der Terrorangriff auf New York am 11. September 2001, die von den USA angeführten Kriege in Afghanistan und Irak sowie eine große Zahl an Kriegen und Bürgerkriegen vor allem in Afrika. Der mit soviel Hoffnungen verbundene „Arabische Frühling“ ist –außer vielleicht in Tunesien- gescheitert. In Syrien tobt ein Vernichtungskrieg, der in den vergangenen drei Jahren rund 120.000 Menschen das Leben kostete. Die Konfliktlinien in Syrien verlaufen nicht nur zwischen Sunniten und Schiiten, sondern auch zwischen Türken, Kurden, Arabern und Persern. Wenn Syrien zerfällt, könnte dies zu einer weitgehenden Veränderung der bisherigen Staatenordnung im Nahen Osten führen.

Mit der Annexion der Krim durch Russland und der Ukraine-Krise sind 2014 militärische Auseinandersetzungen und Kriegsgefahr zurück auf dem europäischen Kontinent. Russland hat den Zusammenbruch der früheren Sowjetunion, die Gebietsverluste und die damalige Osterweiterung der NATO bis an seine Grenzen als nationale Niederlage und Demütigung empfunden. Russland sieht sich heute „von den Knien auferstanden“, so eine dort populäre Redewendung, und sieht sich auf dem Weg zu neuer Macht und nationaler Stärke. Dieses neue Selbstbewusstsein prägt das Vorgehen der russischen Außenpolitik. Russlands Politik zielt darauf ab, Macht und Einfluss zu sichern und auszubauen. So soll mit der Eurasischen Union 2015 mit den Staaten Russland, Weißrussland, Kasachstan und Armenien nach dem Vorbild der EU eine politisch-wirtschaftliche Staatengemeinschaft entstehen. Ein Abkommen über die Bildung einer Freihandelszone wurde bereits 2011 von Russland, Armenien, Kasachstan, Kirgisien, Moldawien, Tadschikistan, Ukraine und Weißrussland unterzeichnet. Russland ist gegenwärtig das Land mit den weltweit höchsten Steigerungsraten bei den Militärausgaben. Ohne Russland lässt sich heute weder der Atomkonflikt mit dem Iran, noch der Syrienkrieg beenden oder die Ukraine-Krise lösen. Eine stabile europäische Sicherheitsarchitektur lässt sich nicht gegen Russland, sondern nur mit Russland realisieren.

Gerade an dieser aktuellen Situation zeigt sich, dass regionale Kooperationen und Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg eine große Bedeutung haben: Gesprächsfäden, die auf nationaler Ebene abgerissen sind, können auf regionaler Ebene aufrechterhalten bleiben. Vertrauen kann durch regionale Kooperationen erhalten und wieder gewonnen werden. Dies gilt insbesondere für die Ostseekooperation, die weiter gestärkt und in die Russland eingebunden bleiben muss.

Zuvor bereits haben die Banken-. Schulden- und Eurokrise sowie die Zunahme rechtspopulistischer Kräfte den vielen europäischen Ländern der EU vor Augen geführt, dass die politische Stabilität und der innere Zusammenhalt des Kontinents äußerst verletzlich sind und für die Zukunft beträchtliche ökonomische Risiken fortbestehen. Die Europäische Union steht nicht nur vor der Herausforderung seine wirtschaftliche Stabilität zu sichern, sondern auch und gerade eine drohende soziale Teilung des Kontinents in Nord und Süd, in Arm und Reich zu verhindern. Die Festigung von Demokratie, Sozialstaatsverständnis und Menschenrechten muss auch in Europa ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

Der Kapitalismus hat sich nach dem Ende des Kalten Krieges global durchgesetzt. Neben den USA sind heute auch China, Russland, Indien und Brasilien aufstrebende und mächtige Akteure auf den globalen kapitalistischen Waren- und Finanzmärkten.

China ist ein autoritärer Megastaat mit 1,360 Milliarden Menschen und befindet sich im ökonomischen Aufstieg. Zu Recht wird zu Recht wird die mangelnde Achtung der Menschrechte kritisiert, zu der sich die Staatengemeinschaft mit der UN-Erklärung der Menschenrechte verpflichtet hat. Was weniger diskutiert und kaum gesehen wird, ist die bislang erfolgreichste Armutsbekämpfung der Weltgeschichte. China hat in den vergangenen Jahrzehnten 400 bis 600 Millionen Menschen aus der absoluten Armut herausgeholt. China ist im Zuge seines hohen wirtschaftlichen Wachstums zu einer immer stärkeren internationalen Macht geworden, mit aktiver Interessenpolitik in Asien und darüber hinaus vor allem in Afrika geworden. Der Bedarf Chinas an Erdöl, Gas und anderen Rohstoffvorkommen des Nahen und Mittleren Ostens sowie Afrikas wird mit weiteren Wachstumsanstrengungen zunehmen. Auch China rüstet kräftig auf und hat 2014 den weltweit zweitgrößten Militärhaushalt nach den USA. Der schwelende Streit zwischen China und Japan um eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer, auf die beide Länder historische Ansprüche erheben, könnte durch die Aufrüstung Chinas weiter eskalieren. Ebenso wie Russland hat China ein ausgeprägtes Interesse an den Öl- und Gasvorkommen in der Arktis sowie den dortigen Metall-Vorkommen an so genannten Seltenen Erden, die zur Produktion modernster Kommunikationstechnologie eingesetzt werden.

Der Wirtschaftsaufstieg dieser Länder, zu denen auch Indien und Brasilien gehören, folgt den Mechanismen deregulierter kapitalistischer Märkte: also Wachstum auf der Grundlage niedriger Löhne, Steuern, Sozialabgaben und Umweltkosten sowie der politischen Schwächung von Opposition, Gewerkschaften und kritischen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Dieses autoritäre Wachstumsmodell wird absehbar dazu führen, dass die Gefahr neuer Krisen und Konflikte steigen wird.

Für die Zukunft sind einige Trends und Folgen absehbar:

  • Die Weltbevölkerung wird in den kommenden zwanzig Jahren von heute rund 7,2 Milliarden Menschen auf voraussichtlich etwa 9 Milliarden ansteigen, mit Schwerpunkten in Asien, Afrika und Lateinamerika.
  • Das kapitalistische Wachstumsmodell, mit seinem Zentrum in den USA und Europa mit etwa 1,1 Milliarden Menschen wird künftig auf 2,6 Milliarden Menschen in China und Indien übertragen werden.
  • Der Bedarf an Rohstoffen und Energie wird immens zunehmen ebenso wie der Versuch der großen Wirtschaftsmächte sich diese Ressourcen durch die Erweiterung ihrer politisch-militärischen Einflusszonen zu sichern.
  • Da diese Entwicklung unter kapitalistischen Vorzeichen stattfindet, ist eine gravierende Zunahme an sozialer Ungleichheit innerhalb der Gesellschaften dieser großen Wirtschaftsmächte wahrscheinlich - plus der damit verbundenen Folgen, wie zunehmende Machtzusammenballung bei internationalen Unternehmensimperien, Oligarchisierung der staatlichen Politik und Zunahme von Korruption.
  • Die Anfälligkeit der Weltwirtschaft für Finanzkrisen wird größer.
  • Die soziale Spaltung der internationalen Staatengemeinschaft in arm und reich wird sich weiter vertiefen.
  • Die weltweite Expansion des Modells der extremen Konsum- und Wegwerfgesellschaft bedingt eine massive Zunahme von Umweltbelastungen und -zerstörungen sowie eine Beschleunigung des Klimawandels.
  • Die weltweiten Migrationströme werden aufgrund von wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit, Umweltzerstörung, ethnisch-religiösen motivierten Kriegen und Bürgerkriegen, Terrorismus und extremen Nationalismus weiter anwachsen.

Das autoritäre militärisch flankierte Wachstumsmodell auf der Grundlage des neoliberalen „Raubtierkapitalismus“ (Helmut Schmidt) kann nicht Teil der Lösung sein, weil es eine der größten Krisen- und Konfliktursachen ist.

Was droht: Wahrscheinlich ein Zeitalter der ökonomischen und militärischen Blockkonfrontation der großen Wirtschaftsblöcke Asien, Amerika und Europa. Die Welt wird vermutlich für die Mehrheit der Menschen auf dieser Welt sozial und ökologisch unsicherer und weniger friedlich.

Dabei nährt diese Einflusszonen-Erweiterungspolitik die Illusion, alle könnten so weiter machen, wie bisher, wenn es nur gelänge, diese Politik des eigenen Machtzuwachses durch starken militärischen Rückhalt abzusichern.
Dabei hat sich die alte Militärlogik neue technologische Sphären bemächtigt. Der Rüstungswettlauf im Cyberspace läuft auf vollen Touren. Drohnen sollen Kriege am Computer gewinnbar machen, ohne dass das Leben der eigenen Soldaten gefährdet wird. Und was bisher massive militärische Angriffe erforderte, könnte künftig im Internet bewerkstelligt werden: Gelänge es etwa die Stromversorgung, die Wasserversorgung und andere strategische Infrastrukturen in hochentwickelten Industrieländern zu hacken und auszuschalten, würde dieser so angegriffene Staat in kürzester Zeit im Chaos versinken.
Die globalen Rüstungsausgaben betrugen im Jahr 2013 nach Angaben des Stockholmer SIPRI-Instituts 1.747 Milliarden US-$ und sind damit das zweite Jahr hintereinander leicht gefallen. Nahezu die Hälfte aller weltweiten Militärausgaben entfallen allein auf die USA (640 Mrd. US-$) und China (188 Mrd. US-$). Während in den USA die Ausgaben aufgrund des Rückzugs aus Afghanistan und der dortigen Haushaltsprobleme um 7,8 Prozent gesunken sind, stiegen sie in China um 7,4 Prozent. Es folgen Russland (89 Mrd. US-$), Saudi-Arabien (67 Mrd. US-$), Frankreich (61 Mrd. US-$), Großbritannien (58 Mrd. US-Dollar), Deutschland und Japan (je 49 Mrd. US-$), Indien (47 Mrd. US-$) und auf Platz zehn Südkorea (34 Mrd. US-$).

Bei den Waffenexporten sind die USA (Anteil an weltweiten Waffenexporten 29%), Russland (27%), Deutschland (7%), China (6%) und Frankreich (5%) führend. Die größten Waffenimporteure sind Indien (14%), China (14%) und Pakistan (5%).

Ernüchternd ist, dass seit dem Ende des Kalten Krieges vor 25 Jahren wesentliche Ziele einer Weltinnenpolitik nicht erreicht wurden, weil die bestehenden Instrumente offenkundig nicht funktionieren. Das Völkerrecht ist kaum stärker als zuvor, die Vereinten Nationen sind noch weit entfernt von der Errichtung eines internationalen Gewaltmonopols, die Weltwirtschaftsordnung hat sich in diesen zwei Jahrzehnten weder gerechter noch nachhaltiger entwickelt, der Rio-Prozess zur Bekämpfung des Klimawandels ist enttäuschend, die Millenniumsziele wurden nicht erreicht, das Jahrzehnte alte Versprechen der Industrieländer 0,7% ihres Bruttosozialproduktes in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren ist weit davon entfernt eingelöst zu werden.


Friedenspolitische Herausforderungen der Zukunft

Dennoch: Die großen Gefährdungen und vordringlichen Herausforderungen für die internationale Sicherheit lassen sich nur auf dem Wege internationaler Verhandlungen und Vereinbarungen bewältigen:

  • Der Kampf gegen den Klimawandel und die Bewältigung des Bevölkerungswachstums bleiben die vordringlichen globalen Herausforderungen. Sie sind besonders im Norden der Erdkugel schwer vermittelbar, weil die Folgen der heute stattfindenden Klimaschädigungen erst in 50 Jahren spürbar sind, mit aktivem Klimaschutz industrielle Einschränkungen verbunden sind und die Umweltschäden sich zuerst im Süden zeigen. Dabei muss aktiver Klimaschutz viel stärker als Chance gerade für den Norden betrachtet werden: Energieeinsparung, effiziente Energienutzung und die Entwicklung und Nutzung erneuerbarer Energien ist ein großes Beschäftigungsprogramm auch für die industrialisierten Länder.
  • Die Machtkonzentration auf immer weniger globale Wirtschaftskonzerne und internationale Banken ist ein Sicherheitsrisiko. Denn sie verfügen über eine Macht, die es ihnen ermöglicht, die Politik von Staaten und Staatengemeinschaften entsprechend ihren Interessen der Profitmaximierung zu steuern. Die Ausrichtung politischer Macht an den ökonomischen Interessen wird künftig zu immer schärferen Verteilungskämpfen zwischen den ökonomischen und militärischen Kraftzentren der Welt führen. Das neoliberale Wirtschaftsmodell macht die Welt nicht reicher, sondern ungerechter und drastisch unsicherer. Viele Reiche und Superreiche versuchen ihr Eigeninteresse und ihren Egoismus durch Steuerflucht und Steuerhinterziehung zu befriedigen. Sie versuchen der Lebenswirklichkeit der Gesellschaft in der sie Leben, zu entfliehen und errichten für sich quasi eine Parallelgesellschaft mit eigenen Normen und Regeln. Ebenso werden auch die großen Wirtschafts- und Militärmächte versuchen, sich aus der Realität der ökonomischen und ökologischen Begrenzungen der Erde zu verabschieden. Aus der Perspektive ihrer wirtschaftlichen Interessen ist die Erde ein großes Rohstoff- und Energielager, nicht mehr. Um den Besitz und die Verteilung dieser Lagervorräte tobt ein Konkurrenzkampf, in dem jedes Mittel recht zu sein scheint: Korruption, Bestechung, illegaler Waffenhandel, organisierte Kriminalität in allen Facetten, bis hin zum Kauf ganzer Staaten und Parlamente. Dies zeigt: Frieden und Sicherheit sind unmittelbar verknüpft mit fairen Wettbewerbsbedingungen zwischen Nord und Süd und mit der Existenz einer neuen gerechten Weltwirtschaftsordnung.
  • Die weltweiten Bestände an atomarer, biologischer und chemischer Kriegswaffen sind eine monströse Gefahr für die Sicherheit und das Leben der Menschheit. Die weltweiten Bestände an atomaren Waffen gehen um ein Vielfaches über das hinaus, was die Atomstaaten benötigen, um für sich eine glaubwürdige Abschreckungsfunktion zu gewährleisten. Darüber hinaus ist die Gefahr einer Weiterverbreitung von Atomwaffen ein großes Risiko für den Weltfrieden. Die Gefahr eines atomaren Rüstungswettlaufs im Nahen Osten ist ein vordringliches Thema der internationalen Sicherheitspolitik. Der Besitz von biologischen und chemischen Waffen ist kaum sicher kontrollierbar. Der Einsatz chemischer Waffen im Nahen Osten zeigt, wie niedrig die Einsatzschwelle sein kann und wie real die Gefahr ist, dass diese Waffen in die Hände terroristischer Organisationen fallen können.
  • Kriege oder bewaffnete Konflikte wären in weiten Teilen der Welt überhaupt nicht möglich, wenn sie nicht durch Waffenexporte aus den Industrieländern befeuert würden. Das Verbot von Waffenlieferungen in Krisengebiete und die Kontrolle des internationalen Waffenhandels sind vordringliche Maßnahmen der Kriegsverhütung.
  • Es gibt Formen sich immer weiter ausbreitender Gewalt, die nicht nur eklatante Verstöße gegen die Menschenrechte sind, sondern zudem die internationale Sicherheit drastisch gefährden: dazu zählen beispielsweise der Einsatz von Kindersoldaten, die Herstellung und Nutzung von Landminen und Streubomben, sexualisierte Gewalt in kriegerischen Konflikten, Menschenhandel, Zwangsarbeit und Korruption.

Konflikte zwischen Staaten erscheinen kaum noch in der Form militärischer Auseinandersetzungen zwischen den sich bekämpfenden Staaten, sondern immer mehr als militärische Kämpfe zwischen Clans, Truppen von Warlords, Söldnertruppen, bewaffneten religiösen oder ethnischen Gruppen, oder wie kürzlich auf der Krim als nicht mit Nationalität gekennzeichneten Soldaten. Staaten führen nicht mehr offen direkt Krieg gegeneinander, sondern setzen auf das Mittel der Destabilisierung ihrer Gegner mit Gewalt.

Eine Welt, die sich entschiedener als bisher diesen Herausforderungen annimmt, wäre um ein Vielfaches lebenswerter – und sie wäre vor allem weitaus sicherer!

Beiträge und Schwerpunkte deutscher Friedenspolitik

Das Prinzip Verantwortung

Frieden bedeutet mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist zumal im Atomzeitalter die elementare Grundlage für eine zivilisierte Entwicklung der globalen Gesellschaft. Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Deshalb wollen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Friedenspolitik weiterentwickeln und die Kraft und die Stärke Deutschlands einsetzen für internationale Verständigung, Solidarität, diplomatische Konfliktlösung sowie zivile Konfliktbearbeitung.
Doch Friedenspolitik geht darüber hinaus. Sie geht über eine Reparatur defekter oder zerstörter zwischenstaatlicher und internationaler Beziehungen hinaus und will einen langfristigen und vorbeugenden Beitrag zur Verbesserung der internationalen Politik leisten. Friedenspolitik bedeutet, die Wurzeln und Ursachen absehbarer Konflikte so frühzeitig zu bearbeiten, dass der Ausbruch von Gewalt verhindert und Menschenleben geschützt werden können. Eine solche Politik hat es schwer. Denn sie erfordert Aufmerksamkeit und Investitionen bevor sie eskaliert und steht in Konkurrenz zu einer Tagespolitik, die auf kurzfristige Effekte und Schlagzeilen abzielt.

In der Außen- und Sicherheitspolitik geht es um Interessen und Werte, die gegeneinander abgewogen werden. Interessen stehen für handfeste Realpolitik, während Werte dagegen eher als das Steckenpferd für Idealisten gelten. Doch keine der hier beschriebenen europäischen und weltweiten Herausforderungen lassen sich in der globalisierten Welt von heute einseitig in nationalen Alleingängen bewältigen und nichts davon lässt sich gegen andere durchsetzen. Es geht also im Kern nicht um nationale Interessen und Werte, sondern weiterhelfen kann nur eine gemeinsame und globale Verantwortung.

Einen ethischen Kompass für eine solche Politik hat 1979 der amerikanische Philosoph Hans Jonas in seinem Buch „Das Prinzip Verantwortung“ beschrieben. Jonas formulierte einen neuen kategorischen Imperativ: Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ Oder negativ formuliert: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen nicht zerstörerisch sind für die künftigen Möglichkeiten solchen Lebens“. Und: “Schließe in deine gegenwärtige Wahl die zukünftige Integrität des Menschen als Mitgegenstand deines Wollens ein.“

Jonas’ „Fernethik“ fordert, dass vor allem die räumlichen und zeitlichen Auswirkungen unseres heutigen Denkens und Handelns, also die Folgen für ferne Länder und künftige Generationen in unsere heutigen Entscheidungen Eingang finden müssen.

In die gleiche Richtung zielt die UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung die 1987, unter Vorsitz der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, in ihrem Bericht unter dem Titel „Our common future“ den Begriff der „Nachhaltigen Entwicklung“ (sustainable development) geprägt hat: „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“

In der Debatte um die künftige Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands und Europas steht also der ganze sozialdemokratische Politikentwurf zur Debatte. Denn für die Sozialdemokratie ist Zukunft ein Versprechen. Es ist das Versprechen und die Überzeugung, dass die Verhältnisse, die uns umgeben nicht Schicksal, sondern veränderbar sind und dass die Dinge durch Einsatz, Engagement und Übernahme von Verantwortung besser gemacht werden können: friedlicher, freiheitlicher, gerechter, sozialer und ökologisch nachhaltiger.

Ja, die Zeit ist reif, ernsthaft über die Interessen, Werte und Ziele der künftigen Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands und Europas neu zu diskutieren.

Deutschland hat Bündnisverpflichtungen dort wo es Mitglied ist – insbesondere in den Vereinten Nationen, der EU, der NATO, der OSZE und im Europarat. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten engagieren uns dafür, dass sich die Prinzipien sozialdemokratischer Friedenspolitik in den Bündnissen und Staatengemeinschaften in denen Deutschland Mitglied ist, durchsetzen. Sozialdemokratische Außen- und Sicherheitspolitik muss nicht dem dortigen Mainstream folgen. Deutschland darf widersprechen und sich konsequent an den Prinzipien des Völkerrechts, des Gewaltverzichts, der Gemeinsamen Sicherheit und der Weltinnenpolitik orientieren. Eine Stärkung der OSZE und ihrer Institutionen könnte geeignet sein, auch Russland stärker in die Verantwortung für den Weltfrieden einzubeziehen.


1. Die SPD tritt dafür ein, dass Deutschland Motor ist bei der Durchsetzung der Prinzipien des Gewaltverzichts, der Gemeinsamen Sicherheit und des Völkerrechts in den internationalen Beziehungen.

Die Vereinten Nationen sind die einzige globale Institution. Sie ist die einzige Institution, die auf der Grundlage des in der UN-Charta niedergelegten internationalen Völkerrechts in der Lage ist, für alle ihre Mitgliedsstaaten, große wie kleine, ein kollektives Sicherheitssystem zu schaffen. Die Vereinten Nationen sind auch die einzige Organisation, die in der Lage ist globale Vereinbarungen und Verträge zu organisieren, um die vordringlichsten Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz, Umgang mit den Wasserressourcen oder Armutsbekämpfung anzupacken.

Außen- und Sicherheitspolitik sind heute nur noch als Weltinnenpolitik sinnvoll denkbar. Die Menschheit kann ihre Probleme nur noch gemeinsam lösen, nicht gegeneinander.

  • Wir setzen uns deshalb ein, für eine neue Weltinnenpolitik mit den Vereinten Nationen und dem internationalen Völkerrecht als gemeinsames verbindliches Zentrum zur Regelung der internationalen Beziehungen.
  • Wir setzen uns für die Weiterentwicklung des Umweltprogramms der UN (UNEP) zu einer völkerrechtlich selbstständigen Weltumweltorganisation ein, um die über 500 multilateralen Umweltabkommen mit eigenständigen Sekretariaten ohne Verknüpfung miteinander besser zu bündeln und die Bedeutung von Umweltthemen in anderen zwischenstaatlichen Abkommen zu stärken. Zu diesen Umweltabkommen gehören zum Beispiel die globale Umweltfazilität bei der Weltbank, das Waldforum der UN oder Konventionen wie die Klimarahmenkonvention, das Abkommen zur Vermeidung der Wüstenbildung und die Biodiversitäts-Konvention. Eine Bündelung in einer Organisation könnte helfen, den Kampf gegen die globale Erwärmung oder die fortschreitende Desertifikation effizienter zu machen und damit viele Ursachen für regionale Konflikte zu beseitigen.
  • Wir setzen uns für eine Reform der Vereinten Nationen ein, mit dem Ziel global das Recht der Stärkeren durch die Stärke des Rechts zu ersetzen. Macht muss dem Recht untergeordnet werden. Wir wollen die UN stärken und demokratisieren und deshalb vordringlich das Gewicht der Vollversammlung, des Völkerrechts und die internationale Gerichtsbarkeit stärken. Das größte Problem der UN ist die mangelnde Durchsetzbarkeit ihrer Beschlüsse. Wir setzen uns deshalb ein für ein internationales Regelwerk, das den UN-Beschlüssen starke Autorität und Verbindlichkeit schafft. Das bisherige Vetorecht einiger weniger UN-Mitglieder ist unbefriedigend, andere Modelle, wie das Prinzip der Mehrheitsentscheidungen im Sicherheitsrat, sind jedoch aktuell kaum durchsetzbar, bleibt aber langfristig unser Ziel.
  • Stärkung der UN bedeutet auch, dass die Mitgliedsländer die notwendigen Mittel für die Umsetzung ihrer militärischen Einsatzbeschlüsse zur Verfügung stellen.


2. Die SPD tritt ein für weitere Abrüstung und gegen weitere Aufrüstung

Friedenspolitik bedeutet verstärkten Einsatz für weitere weltweite Abrüstung von Atomwaffen, chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen und konventioneller Rüstung. Die Welt befindet sich mit Vorräten der Großmächte an diesen Waffen weiterhin im Zustand eines vielfachen Overkills. Priorität hat die Stabilisierung des Atomwaffensperrvertrages. Für Deutschland fordern wir den Abzug sämtlicher hier noch lagernder Atomsprengköpfe.

Wir wollen zurück zu restriktiveren Richtlinien für Rüstungsexporte. Wir lehnen solche Exporte in Krisengebiete und in Länder, die die Menschenrechte und die Rechte von Arbeitnehmerrinnen und Arbeitnehmern missachten, sowie Länder, die nicht sicher und langfristig den Verbleib der Waffen im eigenen Land sicherstellen können oder wollen, ab. Wir sprechen uns gegen die Anschaffung und den Einsatz von bewaffneten Kampfdrohnen und für die internationale Ächtung unbemannter Kampfsysteme aus.

Rüstungsexporte dürfen auch nicht mit Technologiepolitik, Industriepolitik, Beschäftigungspolitik oder Standortwettbewerb begründet werden. Die Genehmigung von Rüstungsexporten muss parlamentarisch kontrolliert werden.

Militärische Rüstung ist im 21. Jahrhundert zu einem großen Teil anachronistisch geworden. Die Ziele der Nationen – die Sicherung von Wachstum, Wohlstand, Stabilität – sind nicht durch militärische Flankierung und Kriegslogik erreichbar. Die Welt braucht Räume gemeinsamer Sicherheit statt gegenseitiger militärischer Abschreckung und Eindämmung. Für die Bekämpfung gewalttätiger Diktaturen oder ruchloser terroristischen Organisationen sind atomare, biologische und chemische Waffen oder riesige konventionelle Streitkräfte ebenso ungeeignet wie für friedenserhaltende oder friedenssichernde Maßnahmen.


3. Die SPD tritt dafür ein, dass Deutschland Motor ist bei der Gestaltung einer neuen gerechten Weltwirtschaftsordnung und Entwicklungszusammenarbeit.

Ein entscheidend wichtiges Element sozialdemokratischer Friedenspolitik ist die Durchsetzung einer neuen gerechteren Weltwirtschaftsordnung. Diese Forderung und ihr Begründungszusammenhang sind nicht sonderlich neu. Willy Brandt schrieb 1980 im Vorwort des ersten Berichts der von ihm geleiteten internationalen Nord-Süd-Kommission: „Die Geschichte hat uns gelehrt, dass Kriege Hunger nach sich ziehen, aber weniger bewusst ist uns, dass Massenarmut ihrerseits zu Krieg führen kann. Wo Hunger herrscht, kann Friede nicht Bestand haben. Wer den Krieg ächten will, muss auch die Massenarmut bannen. Noch nie hat die Menschheit über so vielfältige und finanzielle Ressourcen verfügt, um mit Hunger und Armut fertig zu werden.“

Es ist offenkundig, dass Deutschland und die Staaten der EU, als „überdurchschnittlich globalisierte“ Volkswirtschaften, die einen großen Teil ihres Wohlstandes über den weltweiten Austausch von Waren, Dienstleistungen und Kapital bilden, ein elementares Interesse an einer künftig friedlicheren, stabileren und ökonomisch prosperierenden Weltordnung haben. Eine solche Ordnung lässt sich nicht mit militärischen Mitteln erzwingen, sondern nur durch internationale Kooperation und Solidarität erreichen. Eine solche Ordnung erfordert eine gleichmäßigere Verteilung des weltweiten Reichtums, also der Investitionen, der Energie- und Rohstoffressourcen sowie der staatlichen Fähigkeit zum Aufbau moderner öffentlicher Infrastrukturen in Bereichen wie Bildung, Gesundheitsversorgung, Verkehr, Energieversorgung und nachhaltiger Umweltbedingungen.

  • Wir setzen uns deshalb ein für eine energischere Umsetzung der Millenniumsziele der UN (Sustainable Development Goals, SDG) und für eine aktive Rolle Deutschlands und der Europäischen Union bei der jetzt anstehenden Fortschreibung und Umsetzung dieser Ziele. Hierbei geht es um die Bekämpfung von extremer Armut, Primärschulbildung für alle Menschen, die Gleichstellung der Geschlechter, die Senkung der Kindersterblichkeit, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung für Mütter, die Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten, um ökologische Nachhaltigkeit und den Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung.
  • Wir fordern die Bundesregierung auf, sicherzustellen, dass Deutschland sich mit 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an der Bekämpfung von Armut und Unterentwicklung in der Welt beteiligt und sich dafür einsetzt, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten ebenfalls dieses Ziel erreichen. Dabei ist die Nachhaltigkeit der einzelnen Projekte zu überprüfen. Für uns haben solche Projekte Vorrang, welche die Menschenrechte voranbringen und insbesondere die Situation von Mädchen und Frauen verbessern. Ohne Gleichstellung keine Entwicklung! Außerdem ist die Rechtssicherheit in den Länder zu fördern.
  • Wir fordern vordringlich wirksamere Vereinbarungen, um einen internationalen Ordnungsrahmen für die internationalen Finanzmärkte durchzusetzen.
  • Wir treten dafür ein, dass Deutschland und Europa die Initiative für mehr Gerechtigkeit im Welthandel ergreifen. Das heißt im Wesentlichen mit gutem Beispiel vorangehen bei der Öffnung der Märkte für Produkte und Dienstleistungen aus der Dritten Welt und weniger Subventionierung von Agrarprodukten.
  • Wir treten dafür ein, dass auf bilaterale oder multilaterale Handelsabkommen wie TTIP (EU und USA), CETA (EU und Kanada) oder TISA (Geheimverhandlungen von USA, EU und 22 weiteren Staaten zur Liberalisierung von Dienstleistungen) verzichtet wird. Alle Handelsabkommen müssen das Primat der demokratisch legitimierten Politik respektieren. Deshalb darf es in solchen Verträgen auch keine Investoren-Schutzabkommen und keine Zulassung von Schiedsgerichten geben.
  • Wir treten dafür ein, dass der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbank und die Welthandelsorganisation (WTO) ihre Maßnahmen enger als bisher auch an sozialen Maßstäben und ökologischen Zielen sowie an Menschenrechten und Arbeitnehmerrechten binden. Die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO sind in den Programmen und Verträgen von IWF, Weltbank und WTO verbindlich zu verankern.

Deutschland kann und muss als starke Wirtschaftsnation Impulsgeber und Motor einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung werden. Dieses wird aber nur mit einer starken und gemeinsam agierenden Europäischen Union zu erreichen sein. Denn schon heute verfügt die Europäische Union in der Außenhandelspolitik über erhebliche Kompetenzen, um die Grundsätze eines fairen und nachhaltigen Handels durchzusetzen, unter Beteiligung des Europäischen Parlaments.


4. Die SPD tritt dafür ein, dass Deutschland Motor ist bei der Entwicklung einer dauerhaft tragfähigen Friedensordnung in Europa.

Die aktuelle Ukraine-Krise führt uns vor Augen, dass Europa 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges noch keine stabile Sicherheitsarchitektur für die nächsten Jahrzehnte gefunden hat. Im Gegenteil: Die Ukraine-Krise könnte die Ouvertüre für längere Auseinandersetzungen um Macht und Einfluss in Europa sein. Es geht um eine brisante Mixtur aus territorialen Revisionsforderungen, Demonstrationen nationaler Macht, Wirtschaftsinteressen und Minderheitenproblemen.

Es versteht sich von selbst, dass diese Auseinandersetzung zwischen der EU und der Nato einerseits und Russland andererseits nicht militärisch geführt werden kann und darf. Sicherheit in Europa gibt es nur mit Russland und nicht gegen Russland. Ostpolitik war Friedenspolitik und muss Friedenspolitik bleiben!

Zwischen den EU und NATO-Mitgliedern ist Krieg undenkbar geworden. Beide Organisationen sind nicht nur gegründet worden, um wirtschaftliche und militärische Macht zu bündeln, sondern auch um seine Mitglieder, z.B. Deutschland, einzubinden und von Sonderwegen abzuhalten. Es gibt zwischen den EU- und NATO-Mitgliedern eine strukturelle Nichtangriffsfähigkeit.

Eine solche funktionierende Sicherheitsarchitektur der allseitigen strukturellen Nichtangriffsfähigkeit gibt es nicht im Verhältnis zu Russland, nicht auf dem Balkan oder der Kaukasus-Region.

  • Die höchste Priorität deutscher und europäischer Außen- und Sicherheitspolitik ist es, eine gemeinsame gesamteuropäische Friedensordnung zu entwickeln.
  • Der Abbau von Spannungen und der Weg zu einer neuen Friedensordnung haben zur Voraussetzung, dass Europa nicht von wirtschaftlichen und sozialen Krisen in Nord und Süd, Ost und West oder oben und unten zerrissen wird. Wir treten dafür ein, dass wirtschaftliche Stabilisierungsprogramme in Europa stärker die Notwendigkeit des sozialen Ausgleichs innerhalb der Gesellschaften berücksichtigen.

Alle europäischen Staaten finden Sicherheit, Wohlstand und die Aufrechterhaltung der ökologischen Lebensgrundlagen nicht gegeneinander, sondern nur miteinander.

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union
Wir wollen neue politische Initiativen zur Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU auf den Weg bringen. Die Schwerpunkte sollen dabei auf diplomatischen und zivilen Mitteln zur Krisenprävention und Konfliktregelung liegen. Im Vertrag von Lissabon ist die Möglichkeit zur verteidigungspolitischen Zusammenarbeit angelegt. Diese Möglichkeit wollen wir ausschöpfen und die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU-Staaten stärker europäisch ausrichten und zusammenführen. Dazu ist ein europäischer strategischer Dialog über Interessen, Ziele und Mittel einer gemeinsamen Außenpolitik in der EU notwendig. Das Konzept biregionaler Beziehungen und Partnerschaften bleibt für uns zentraler Bestandteil europäischer Außenpolitik. Es ist Teil unserer Friedenspolitik auch das Zusammenwachsen anderer Regionen über eine gemeinsame politische Partnerschaft zu fördern, den Austausch zwischen Staaten zu intensivieren und die Zusammenarbeit zu festigen. Die EU als Friedensprojekt des europäischen Kontinents kann hier als Vorbild dienen./ Dabei muss das Europäische Parlament eine zentrale Rolle spielen. Ziel ist eine vergemeinschaftete Außen- und Sicherheitspolitik der EU unter Beteiligung und Kontrolle des Europäischen Parlaments. Dazu ist eine Vertragsänderung notwendig./Als mittelfristige Forderung ergibt sich daraus die Überführung nationaler Armeen in eine gemeinsame europäische Armee. Diese muss insgesamt einen kleineren Umfang als die bisherigen nationalen europäischen Armeen haben. Damit eröffnen sich große Chancen für konventionelle Abrüstung und einen effizienteren Ressourceneinsatz. Eine Ausrichtung der Bundeswehr auf eine stärkere Verschränkung mit Armeen anderer EU-Mitgliedstaaten wäre dabei ein erster bedeutender Schritt. Auch die Durchsetzung einer restriktiven an den Menschenrechten orientierten Rüstungsexportpolitik muss zur Aufgabe der Europäischen Union werden. Die von uns formulierten Werte und Ziele einer deutschen Friedenspolitik werden auch auf europäischer Ebene unser Leitfaden sein.

Nahost-Konflikt
Ein unverändert vordringliches Thema der internationalen Politik in der Nachbarschaft zu Europa ist der Konflikt zwischen Israel und Palästina. Seit den Oslo-Verträgen von 1993 verhandeln Israel und Palästina unter amerikanischer Schirmherrschaft – immer wieder unterbrochen durch Kriege, Terroranschläge, Regierungswechsel oder andere Krisen - über eine Zwei-Staaten-Lösung. Bislang ohne jeden Erfolg. Im Gegenteil: Durch die ungebremste israelische Siedlungspolitik – im Westjordanland, wo der palästinensische Staat entstehen soll, leben inzwischen 600.000 israelische Siedler – wird eine Lösung immer unwahrscheinlicher. Die USA werden sich nach dem jüngsten Scheitern möglicherweise für längere Zeit aus der Vermittlerrolle zurückziehen.

Wir unterstreichen die besondere Verantwortung Deutschlands für das Existenzrecht des Staates Israels. Nach vielen Jahrhunderten antisemitischer Exzesse in Deutschland und Europa und dem Holocaust hat Israel das Recht auf die Unterstützung seiner Sicherheit im eigenen Staat durch die internationale Staatengemeinschaft. Zugleich hat das palästinensische Volk das Recht auf nationale Selbstbestimmung in einem eigenen lebensfähigen Staat.

Die auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung notwendigen Kompromisse – über die Grenzziehung, die Sicherheit Israels, die Zukunft der Siedlungen, den Status Jerusalems, die Flüchtlingsfrage und die Wasserversorgung- sind für beide Seiten mit äußerst schmerzhaften Zugeständnissen verbunden. Eine Friedenslösung verlangt von den politischen Führungen auf beiden Seiten großen Mut, Weisheit und Weitsicht. Dazu waren beide Seiten unter amerikanischer Vermittlung bislang nicht bereit oder in der Lage. Eine Friedenslösung bedarf internationaler Flankierung und Sicherheitsgarantien.

Die Gefahr neuer Gewalt mit unkalkulierbaren Auswirkungen auf die ganze Nahost-Region und darüber hinaus sowie die sich weiter rasant verschlechternden Lebensbedingungen der unter israelischem Besatzungs- und Militärrecht lebenden palästinensischen Gesellschaft erfordern neue Anstrengungen für eine Lösung des Konflikts.

Eine entschlossene Friedensinitiative der EU unter Einschluss der Vereinten Nationen, Russlands der USA und der Arabischen Liga, die nach dem Vorbild der KSZE auf die ganze Nahost-Region ausgeweitet werden sollte, erscheint als der einzig verbleibende Verhandlungsansatz. Deutschland als glaubwürdiger Motor für Friedenspolitik kann hier gute und wichtige Dienste leisten.


5. Die SPD tritt dafür ein, bei internationalen Konflikten und Kriegsgefahr das Primat von Politik und Diplomatie durchzusetzen. Das bedeutet vor allem Krisenprävention, Abbau von Spannungen, Gewaltverzicht, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, um den Streitparteien eine vorteilhafte Perspektive aus dem Konflikt heraus aufzuzeigen.

In den Auslandseinsätzen der Bundeswehr sind gegenwärtig 4.700 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt. Die Einsätze erfolgen gemeinsam mit Bündnispartnern oder befreundeten Nationen. Die größten Einsätze finden in Afghanistan (ISAF, Mandatsobergrenze 2.518 Soldaten), im Kosovo (KFOR, 689), Türkei (Active Defense, 283), am Horn von Afrika (Atalanta, 366) statt. Daneben befinden sich kleinere Einheiten in Mali, Senegal, Sudan, Libanon, Zentralafrika sowie im Mittelmeer.

Insgesamt ist Deutschland gegenwärtig in 14 Auslandseinsätze der Bundeswehr engagiert. Darunter sind drei Kampfeinsätze: die Piratenbekämpfung am Horn von Afrika, im Kosovo und Afghanistan. Alle anderen Einsätze, an denen die Bundeswehr unter dem Dach der Vereinten Nationen oder der EU teilnimmt sind eher Ausbildungs-, Trainings- oder Beobachtungsmissionen und medizinische Hilfe, bei denen nur der Selbstschutz zugelassen ist.

Rund 17 Milliarden Euro haben die Auslandseinsätze seit 1992 gekostet. Davon entfallen etwa 7,6 Milliarden Euro auf den Einsatz in Afghanistan, der Kosovo-Einsatz hat seit 1999 rund 3,3 Milliarden Euro gekostet und die Anti-Piraterie-Operation am Horn von Afrika schlägt mit rund 300 Millionen Euro zu Buche.

Jeder militärische Einsatz zur Friedenssicherung oder Stabilisierung eines Landes muss in ein tragfähiges politisches, wirtschaftliches und soziales Entwicklungskonzept eingebettet sein. Hierzu gehört u.a., dass die Art der bisherigen Regierungsführung grundlegend verändert, der Reichtum des Landes gerechter verteilt und die verbreitete Korruption eingedämmt wird.
Es ist klar, dass mit Militärinterventionen nichts gewonnen werden kann, solange die Konfliktursachen nicht intensiv beleuchtet und bewertet worden sind und dieses Engagement nicht in eine umfassende vor allem zivile Strategie für die Zukunft eingebunden ist. Eine militärische Intervention bedarf eines alle wichtigen Politikbereiche umfassenden Strategieansatzes mit klaren Zielbeschreibungen und großer Wahrscheinlichkeit und Plausibilität, dass diese Ziele auch erreicht werden können. Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen immer in ein Gesamtkonzept politischer, diplomatischer, wirtschaftlicher, entwicklungspolitischer Maßnahmen eingebettet sein.

Hier gilt das Primat der Politik: bevor militärische Einsatzkonzepte entworfen werden, müssen die politisch Verantwortlichen klare politische Ziele und die Grenzen des Engagements vorgeben. Ein wesentlicher Faktor für Frieden ist die Beteiligung von Frauen in allen Phasen der Prävention, Bearbeitung und Beilegung von Konflikten. Hierauf verpflichtet seit 2000 die Resolution des UN-Sicherheitsrates 1325, der sich inzwischen auch Deutschland mit einem Nationalen Aktionsplan angeschlossen hat.

Militäreinsätze im Ausland sind keine Strategie, die Welt sicherer zu machen. Die bisherigen Auslandseinsätze werden hinsichtlich ihres Nutzens und Erfolges sehr unterschiedlich und kontrovers bewertet. Internationale Einsätze können punktuell das Schlimmste, etwa Völkermorde stoppen. Der Krieg in Syrien oder der Konflikt im Südsudan, wo das Land am Rande eines Völkermordes steht, sind hinsichtlich der Konfliktursachen, der internationalen Verwicklungen und denkbarer Ziele und Erfolgsaussichten eines Militäreinsatzes von außen grundverschieden. Kriterienkataloge, die quasi automatisierte Einsatzentscheidungen hervorbringen, helfen folglich nicht weiter. Die Beteiligung an internationalen Eingreiftruppen werden deshalb immer Einzelfallentscheidungen bleiben und die Entscheidung darüber muss im Plenum des Deutschen Bundestages verbleiben.

  • Wir setzen uns dafür ein, dass die im Hamburger Grundsatzprogramm der SPD für Auslandseinsätze der Bundeswehr genannten Voraussetzungen nicht verändert werden: „Der Einsatz militärischer Mittel bleibt für uns Ultima Ratio. Auch zur Stabilisierung des Friedens wollen wir Soldatinnen und Soldaten nur einsetzen, wenn andere Mittel nicht ausreichen. Deutschland kann sich an diesen Missionen beteiligen, wenn sie durch ein völkerrechtlich bindendes Mandat der Vereinten Nationen legitimiert sind, der Einsatz dem deutschen Interesse am Frieden in der Welt und an der Wohlfahrt der Nation nicht widerspricht und der Deutsche Bundestag zustimmt.“
  • Darüber hinaus treten wir dafür ein, dass die geltende Parlamentsbeteiligung bei der Entscheidung über Auslandseinsätze nicht verändert, aufgeweicht oder ausgehöhlt wird. Der Souverän kann und muss erwarten, dass die von ihm gewählten Bundestagsabgeordneten durch eine Abstimmung im Plenum des Bundestages persönlich für die von ihnen getroffenen Entscheidungen über militärische Auslandseinsätze einstehen und sie verantworten.

Die meisten Kriege finden heute in gescheiterten, zerrütteten und schwachen Staaten statt. Ein Staat benötigt viele Jahre, um z.B. nach einem ethnisch-religiösen Bürgerkrieg eine neue friedliche zivile Gesellschaft aufzubauen. Dazu bedarf es häufig von außen Soldaten, Diplomaten, Polizisten, Juristen, politische Berater, humanitäre Helfer sowie Experten für den Verwaltungsaufbau und Entwicklungszusammenarbeit. Zum Beispiel: 300 deutsche Polizistinnen und Polizisten sind gegenwärtig in Ausbildungsmissionen im Ausland unterwegs. Mehrere Tausend werden benötigt, was voraussetzt, dass wir bereit sind mehr Polizeikräfte einzustellen, damit die heimische Polizeipräsenz darunter nicht leidet.

Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von 2013 wird unterstrichen, dass Entwicklungspolitik einen präventiven Charakter hat und damit vorausschauende Friedenspolitik ist.

  • Wir treten dafür ein, dass militärische Einsätze der Bundeswehr im Ausland immer auch verbunden werden mit einem vernetzten Konzept für den Aufbau des betreffenden Landes im Bereich der inneren Sicherheit, der Verwaltung und Justiz und der Entwicklungszusammenarbeit.

Ein Trauma sind bis heute die Massenmorde im Kongo mit drei Millionen Toten, in Ruanda mit einer Million Toten und in Srebrenica in den 1990er Jahren, bei denen die USA und die internationale Staatengemeinschaft nicht eingegriffen haben. Eine neue wichtige Entwicklung im Völkerrecht ist deshalb das Prinzip der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect, RtoP). Es besagt, dass (1) jeder Staat in Übereinstimmung mit universell anerkannten Normen des Völkerrechts und der Menschenrechte eine grundsätzliche Verantwortung gegenüber seinen eigenen Bürgern trägt; (2) dass die internationale Gemeinschaft ihrerseits Verantwortung trägt, durch zivile (präventive und nachsorgende) Aktivitäten eine internationale Ordnung zu fördern, die diesen Normen entspricht; und (3) dass unter bestimmten Bedingungen und nur dann- verhältnismäßige militärische Interventionen als äußerstes Mittel zum Schutz von Bevölkerungen nicht nur zulässig, sondern geboten sein können.

Dieses Prinzip muss weiterentwickelt werden. Dazu ist eine Aufarbeitung der jüngeren Geschichte zu leisten. Welche Ergebnisse, Erfolge und Misserfolge haben die militärischen Interventionen und Einsätze der vergangenen Jahre gemessen an den ursprünglichen Zielen erzielt, z.B. in Serbien, Kosovo, Afghanistan, Irak, Somalia etc. Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen?


6. Forschung zur politischen Kultur in Krisenregionen und zivile Krisenprävention.

Als langfristige Krisenprävention brauchen wir mehr gesellschaftswissenschaftliche Forschung über die inneren Strukturen der Staaten in Krisenregionen. Im Rahmen des Ansatzes der "Politische-Kultur-Forschung" sind neben den institutionellen Strukturen Erkenntnisse über die kulturellen, religiösen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe und Lebensumstände in den Regionen zu ermitteln. Dabei sind die Rollen von Macht- und Meinungseliten und die vorherrschenden Wertvorstellungen der Bevölkerung zu hinterfragen. Die Ergebnisse sind Diplomatie, Außenpolitik und Öffentlichkeit verfügbar zu machen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der zivilen Krisenprävention und -Forschung zu. Wirt treten dafür ein, dass in Konfliktregionen die Zivilgesellschaften gestärkt werden. Wir setzen in Deutschland auf den Zivilen Friedensdienst (ZFD), der seit 1999 erfolgreich Moderatoren für lokale und regionale Konfliktbearbeitung für mehrjährige Einsätze im In- und Ausland entsendet und für den diese Fachkräfte entsprechend ausgebildet werden. Wir werden die Förderung der Friedens- und Konfliktforschung ausweiten. Die bestehenden deutschen Institutionen der Friedensförderung und Friedensforschung wie das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze und der Zivile Friedensdienst haben sich bewährt. In der Entwicklungszusammenarbeit wollen wir die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) noch stärker unterstützen.

Der Charakter deutscher Außenpolitik: Motor für Friedenspolitik

Friedenspolitik erfordert langfristiges Denken und Handeln. Ebenso Sensibilität, also die Fähigkeit die Welt auch durch die Brille der anderen zu sehen und zu verstehen, erfordert die Fähigkeit Bereitschaft, Interessengegensätze frühzeitig zu erkennen und zu verhandeln, erfordert die Verpflichtung Konflikte ohne Gewalt friedlich auszutragen. Diese Fähigkeiten und Haltungen sind keine Schwäche, sondern zeugen von politischer Stärke.

Friedenspolitik braucht klare Grundsätze, Orientierungen, Ziele. Sie ergeben sich aus den Prinzipien der Bündnisse und Organisationen, in denen Deutschland Mitglied ist, also insbesondere der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, der EU und der NATO. Das außen- und sicherheitspolitische Profil Deutschlands ist folglich geprägt durch das Eintreten für das Völkerrecht, die Menschenrechte, die Gewaltfreiheit bei der Austragung von Konflikten, die Anerkennung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung, das Bekenntnis zu den demokratischen Freiheiten und rechtsstaatlichen Verhältnissen, den Schutz der Unverletzlichkeit und die Integrität von Staatsgrenzen und das Bemühen um Abrüstung.

Die Mitgliedschaft in diesen Organisationen setzt auch die Bereitschaft voraus, die hier beschlossenen Maßnahmen zur Friedenssicherung und Friedenserhaltung –notfalls auch militärisch- zu unterstützen, sofern dies mit unserer Verfassung übereinstimmt und der Deutsche Bundestag zustimmt. Denn: „Wo immer schweres Leid über die Menschen gebracht wird, geht es uns alle an. Wer Unrecht lange geschehen lässt, bahnt dem nächsten den Weg. Helfen wir den Vereinten Nationen die Mittel zu geben, derer sie bedürfen, um Einfluss auch ausüben zu können“ (Willy Brandt, 1992).

Aufgrund seiner geografischen Lage in der Mitte Europas mit neun Nachbarsstaaten, seiner Geschichte, seiner wirtschaftlichen Stärke und internationalen Glaubwürdigkeit kann Deutschland in den UN, der OSZE, der EU und der NATO Motor für Friedenspolitik sein. Motor sein, bedeutet Initiative ergreifen, selbst minimale Spielräume für aktive Politik zu nutzen, vermitteln, überzeugen und Mehrheiten finden. Deutschland kann diese Rolle aktiv gestalten und glaubwürdig spielen.
Motor für Friedenspolitik sollte der Charakter der deutschen Außenpolitik sein. „Das Grundgesetz, die Europäische Grundrechtscharta, die Charta der Vereinten Nationen, das humanitäre Völkerrecht und die Millenniumsentwicklungsziele bestimmen unsere internationale Politik“ (Hamburger Grundsatzprogramm der SPD, 2007).

Friedenspolitik braucht mehr engagierte Akteure und Motoren, die eine solche Politik initiieren und bewegen.


Die SPD als friedenspolitischer Akteur
Außen- und Sicherheitspolitik ist nicht nur eine Aufgabe der Regierungen, ParlamentarierInnen, DiplomatInnen, FriedensforscherInnen oder militärischen PlanerInnen. Auch die Zivilgesellschaft mit ihren Nicht-Regierungsorganisationen engagiert sich in zahllosen Projekten für Frieden und Verständigung. Die politischen Stiftungen in Deutschland zum Beispiel leisten in vielen Ländern der Erde wichtige und erfolgreiche Arbeit und unterstützen dort den Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Ordnungen.

Die SPD ist eine der weltweit größten und traditionsreichsten sozialdemokratischen Parteien. Von uns wird erwarten die sozialdemokratischen Bruder- und Schwesterparteien in aller Welt friedenspolitisch viel. Viele MenschenrechtlerInnen, DemokratInnen und SozialistInnen in der Welt setzen viel Hoffnung in die deutsche Sozialdemokratie. Die SPD verfügt über ein einzigartiges Netz internationaler Kontakte, politischer Zugänge und Arbeitszusammenhänge. Als eine der Säulen der Sozialistischen Internationale und der 2013 gegründeten Progressive Alliance sowie der Sozialdemokratischen Partei Europas SPE kann die SPD neue Anstöße geben und Beiträge leisten, diese internationalen sozialdemokratischen Organisationen weiter zu entwickeln. Die Sozialistische Internationale und die Progressive Alliance und die SPE sollten stärker als bisher Konzepte und Initiativen auf den Feldern präventiver Friedenspolitik entwickeln: die Ausarbeitung von Abrüstungsinitiativen, sozialdemokratische Vorschläge für eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung, Konzepte der gemeinsamen Sicherheit z.B. für Gesamteuropa, den Nahen Osten, Afrika, Asien und Lateinamerika, Vorschläge für eine Stärkung der Vereinten Nationen und des Völkerrechts.

Dieses kann und muss sich die internationale Sozialdemokratie zutrauen.

Nichts kommt von selbst.