A21 Crowd Work braucht arbeits- und sozialpolitische Standards (2020)
Gremium: Landesparteirat |
Sitzung: Landesparteiratssitzung, August 2020 |
Bezeichnung: A21 |
Antragsteller: Landesvorstand
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Beschluss: Angenommen |
Fast unmerklich entwickelt sich im Internet ein neuer Arbeitsmarkt, der bald zu einer relevanten Größe werden könnte. Diese neue Form der Arbeit wird als Crowdwork oder bezahltes Crowdsourcing bezeichnet. Crowdwork bietet das hohe Maß an Flexibilität in der Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort, die auch für die Anpassungen an die Veränderungen in Zeiten der Corona-Pandemie gefordert sind. Für Crowdworkerinnen und Crowdworker und Unternehmen bedeutet sie aber auch Risiken.
Auch wenn Crowd Work als neue Form digitaler Erwerbsarbeit in Deutschland noch eine Randerscheinung ist, verzeichnet diese auch bei uns ein erstaunliches Wachstum und wird in Zukunft größeres Gewicht erhalten.
Bei der (externen) Crowd Work treffen viele, vorab nicht klar definierte Erwerbsarbeiter*innen auf eine Unternehmung oder Organisation, die eine Aufgabe offen ausschreibt. Organisiert wird dieses über so genannte Crowdsourcing-Plattformen. Bezahlt werden in der Regel (nur) diejenigen, deren Ergebnis am Ende der Arbeit angenommen wird. „Freiberufler“ können mit potenziellen Auftraggebern über die Plattform Kontakt aufnehmen und kleinere oder größere Aufgaben zeitlich flexibel und räumlich unabhängig erledigen.
Crowd Work und plattformbasierte Geschäftsmodelle werden derzeit von US-amerikanischen und zunehmend chinesischen Unternehmen dominiert. Wenn Deutschland und Europa nicht den Anschluss und damit Wohlstand und Arbeitsplätze verlieren will, dann muss der Aufbau von plattformbasierten Geschäftsmodellen auch in Schleswig-Holstein durch staatliche Fördermaßnahmen unterstützt werden. Dies würde auch erlauben, arbeits- und sozialpolitische Standards zu etablieren.
Die Rahmenbedingungen dieser Art zukünftiger Arbeit sind noch weitgehend unklar und ungeregelt.
Wir brauchen und wollen für Crowd Work klare arbeits- und sozialpolitische Standards. Auch für Crowd Worker*innen müssen Mindesthonorare, Mindestauftragsvolumen/ Mindestarbeitszeit und geregelte Arbeitsbedingungen festgelegt werden.
Voraussetzungen hierfür sind u.a.:
- Ausweitung des Betriebsbegriffs: Der Betrieb darf nicht mehr örtlich gedacht werden, sondern als funktionale Einheit, d. h. alle Produktions-, Transaktions- und Kontrollprozesse, über die ein/e wirtschaftliche/r Akteur*in („Unternehmer*in“) verfügt, sind als Teil eines Betriebes zu verstehen (und unterliegen damit z.B. Informations- und Mitbestimmungsrechten).
- Neuer Arbeitnehmerbegriff: Crowdworker*innen sind in der Regel Freiberufler*innen oder Einzelakteure und häufig Scheinselbständige, weitgehend ohne Rechte. Diese müssen als arbeitnehmerähnlich gelten (mit den entsprechenden Rechten), wenn sie bei digital vermittelter Arbeit sachlich und wirtschaftlich abhängig sind (z.B. 25 Prozent ihres Erwerbseinkommens bei einem/r Auftraggeber*in erzielen).
- Verpflichtendes Bestellerprinzip: Wenn ein deutsches Unternehmen über eine digitale Plattform Dienstleistungen bestellt, dann muss deutsches bzw. EU-Recht gelten (z.B. Mindestlohn, Steuer- und Arbeitsrecht).
- Örtlich agierende Plattformen (z.B. Uber) sind rechtlich als Arbeitgeber*in einzustufen.
- Grundsätzlich ist zu überlegen, ob Plattformanbieter nicht generell – nach dem jeweiligen nationalen Recht – als Arbeitgeber*innen einzustufen sind.
- Die Informations-, Beratungs- und Mitbestimmungsrechte der Crowd Worker*innen müssen grundlegend überarbeitet werden (z.B. Transparenz der Bewertungen, gewerkschaftliche Plattformen für Crowd Worker*innen, Plattformkooperativen).
- Plattformen, die Crowdsourcing betreiben sollen verpflichtet werden, einen Anteil des vereinbarten Entgelts eines Arbeitsauftrags für die im jeweiligen Land existierenden sozialen Sicherungssysteme einzubehalten.
- Die Auslagerung von Aufträgen an Plattformen bedarf der widerruflichen Zustimmung des Betriebsrates.
Co-Working-Spaces
Wir fordern die SPD-Landtagsfraktion auf, sich für die Förderung von „Co-Working-Spaces“ für Home-Office-Arbeitende und Selbständige einzusetzen. Dabei soll berücksichtigt werden, inwieweit vorhandene öffentliche Gebäude als Co-Working-Spaces genutzt werden können. Es müssen dabei soziale, arbeitsrechtliche und versicherungstechnische Aspekte analog zur Arbeitswelt Anwendung finden.