A24 Soziale Berufe aufwerten - Fachkräfte gewinnen und sichern (2020)
Gremium: Landesparteirat |
Sitzung: Landesparteiratssitzung, August 2020 |
Bezeichnung: A24 |
Antragsteller: Kreisverband Schleswig-Flensburg
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Beschluss: Angenommen |
Die Covid 19-Pandemie hat die sozialen Berufe in den Fokus gerückt. Es kam zum Applaus, Bonuszahlungen in der Pflege und allgemeine Wertschätzung.
Aber damit darf es nicht genug sein. Die sozialen Berufe brauchen eine nachhaltige Erhöhung des Lohnniveaus und bessere Rahmenbedingungen.
Im Bereich der sozialen Berufe herrscht jetzt schon ein eklatanter Fachkräftemangel. Die Fachkräfteprojektion 2035 im Rahmen der Fachkräfteinitiative zeigt auf, dass besonders die sozialen Berufsgruppen der Kranken- und Altenpflege, Erziehung, Sozialarbeit, Heilerziehungspflege, Geburtshilfe und im Rettungsdienst die größte Demografie bedingte Fachkräftelücke im Jahr 2035 aufweisen.
Die Tätigkeiten dieser Berufsgruppen können nicht auf ein Morgen verschoben werden. Kinder, physisch und psychisch Kranke, Pflegebedürftige, gebärende Frauen, Menschen mit Behinderungen und akuten Erkrankungen benötigen sofort die entsprechende professionelle Unterstützung oder Behandlung.
Deshalb muss es unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, die sozialen Berufe von Anfang an so zu gestalten, dass viele Menschen diese Berufe ergreifen und diese physisch wie psychisch dauerhaft ausüben wollen und können. Wirtschaftliche Egoismen dürfen dem nicht entgegenstehen. Wir wollen eine starke Gemeinschaft, die das notwendige, professionelle Angebot für die Menschen organisiert. Wir wollen eine Daseinsfürsorge, auf die die Menschen sich verlassen können.
Dazu gehört, dass Menschen, die in den sozialen Berufen tätig sind, mehr Anerkennung verdienen. Soziale Dienstleistungen müssen gestärkt werden.
Dafür sind Träger, Dienste und Einrichtungen ebenso in der Verantwortung wie Bund, Länder und Kommunen. Denn die öffentliche Hand legt wesentlich die Rahmenbedingungen sowie in weiten Teilen die finanzielle Ausstattung fest.
Die durchschnittlich schlechtere Entlohnung in Berufen, die meist von Frauen ausgeführt werden, ist ungerecht. Wir wollen eine höhere Entlohnung und eine gesetzgeberische und gesellschaftliche Aufwertung.
Dafür setzen wir uns ein:
Gebührenfreie, fachgerechte und vergütete Ausbildung
Es war die Initiative der SPD, die erfolgreich dafür gesorgt hat, dass in den pflegerischen und therapeutischen Gesundheitsfachberufen keine Ausbildungsgebühr mehr in Schleswig-Holstein gezahlt werden muss. Das war ein großer Erfolg mit spürbar höheren Bewerbungszahlen.
Der nächste Schritt muss jetzt folgen, um die sozialen Berufe attraktiver zu machen.
Die Einführung einer guten Ausbildungsvergütung für alle nicht akademischen Ausbildungsberufe im sozialen Bereich ist unser Ziel.
Wir setzen uns daher für eine vergütete, zweijährige generalistische Gesundheits- und Pflegeassistenzausbildung ein. Diese muss konform zur dreijährigen generalistischen Fachausbildung sein. Die Ausbildung in den verschiedenen Therapeutenberufen muss ebenfalls vergütet werden. Außerdem ist eine Reform der Ausbildung für die sozialpädagogischen AssistentInnen und ErzieherInnen notwendig. Wir wollen eine praxisorientierte Ausbildung mit einer Ausbildungsvergütung. Eine Reform muss bundesweit diskutiert werden, damit die Ausbildungen gegenseitig anerkannt werden.
Bessere Löhne bei den Gesundheits- und Sozialberufen
Wir brauchen für die sozialen Berufe eine gute, anerkennende und leistungsgerechte Bezahlung. Dieses Ziel wollen wir insbesondere über die Stärkung der Tarifbindung und der Sozialpartnerschaft erreichen. Deshalb werden wir alle ausgegliederten Bereiche, wie z.B. die Servicegesellschaft des UKSH zurück in den entsprechend gültigen Tarifvertrag führen. Wir streben allgemeinverbindliche Tarifverträge im Gesundheits- und Sozialwesen (Sozialtarifvertrag) an und appellieren an die Tarifvertragsparteien sich weiter für Branchen- und Tarifstrukturen einzusetzen.
Es braucht eine spürbare Erhöhung der Schichtzulagen für ungesunde und familienunfreundliche Schichtdienste, Dienste an Wochenenden und an Feiertagen.
Die Therapeuten brauchen ein verlässliches Einkommen. Prekäre Arbeitsverhältnisse, in denen Angestellte für z.B. unverschuldet ausgefallene Behandlungszeiten keine Bezahlung bekommen, müssen der Vergangenheit angehören.
Auch die freiberuflichen Hebammen verdienen ein Einkommen, von dem sie leben können müssen. Wir setzen uns dafür ein, dass die hohen Versicherungssummen so organsiert werden, dass sie nicht zur Aufgabe des Berufes führen. Sie müssen von der öffentlichen Hand übernommen werden.
Für alle Bereiche gilt: Leitungs – und Führungsverantwortung sowie zusätzliche Qualifikationen müssen besser entlohnt werden.
Gute Arbeit kostet. Als Gesellschaft müssen wir uns die Frage stellen, was es uns die sozialen Berufe wert sind. Eine Bürgerversicherung, in der alle von jedem Einkommen einzahlen ist unsere gerechte Antwort auf die Frage der Finanzierung.
Abeitszufriedenheit stärken – Berufsausstiege vermeiden
Wer dauerhaft unzufrieden nach der Arbeit nach Hause geht, für den ist der Ausstieg aus dem Beruf nicht weit. Um die Menschen in den sozialen Berufen dauerhaft zu halten, wollen wir die Rahmenbedingungen weiter verbessern. Wir müssen es allen ermöglichen, so zu arbeiten, wie sie es gelernt haben und wie ihr Berufsethos es vorsieht. Wirtschaftliche Zwänge und Egoismen dürfen die Arbeit nicht bestimmen.
In der Pflege bedeutet das: Die eingeführten Personaluntergrenzen können nur ein erster Schritt sein, denn sie sind nur die Untergrenze zur gefährdenden Pflege. Unser Ziel ist ein gesetzlicher Personalbemessungsschlüssel, der die fachlichen Bedarfe und Ansprüche in allen Bereichen der Pflege berücksichtigt. Dieser soll federführend mit der Expertise der Berufsgruppen erarbeitet werden. Wirtschaftliche Eigeninteressen von Trägern und Arbeitgebern dürfen dabei keine Rolle spielen. Die beruflich Pflegenden sind die Experten für ihren Beruf, deshalb sollen sie ihre fachlichen Angelegenheiten weiterhin selber regeln dürfen. Dabei wird sich das Land nicht aus der Verantwortung ziehen.
In der Geburtshilfe wollen wir ebenfalls eine verbindliche Personalbemessung. Den neuen dualen Studiengang Hebammenwissenschaften wollen wir nutzen, um die eigenständige Versorgung von Schwangeren zu erweitern. Eine unterstützende, professionelle Begleitung der Frauen vor, während und nach der Geburt in allen Teilen unseres Landes ist sicherzustellen. Eine Eins-zu- eins Betreuung während der Geburt streben wir an.
Auch eine Veränderung der Arbeitszeit oder neue Arbeitszeitmodelle können die belastende Arbeitssituation verbessern, zu hoher Zufriedenheit beitragen und Wertschätzung ausdrücken. Der Sechsstundentag ist unser langfristiges Ziel. Auf den Weg dahin fordern wir für alle Pflegefachpersonen eine Arbeitswoche von 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich und Personalausgleich. Was in der Industrie möglich ist, muss jedenfalls auch für Pflegeberufe gelten. Für diejenigen Pflegefachpersonen und Service- und Reinigungskräfte, die permanent im Schichtdienst arbeiten, fordern wir eine Arbeitswoche von 30 Stunden. Dadurch wird auch die Flucht in die Leiharbeit in der Pflege entschärft.
Eine Anpassung der Arbeitszeiten auf die anderen sozialen Berufe, die im Schichtdienst arbeiten wie z.B. Hebammen und Rettungsdienste, muss ebenfalls folgen.
Die Rahmenbedingungen bei den Klinikärzten müssen sich zum Wohle der Patientensicherheit verbessern. Die Klinikärzte müssen durch gedeckelte Bereitschaftsdienste, weniger Bürokratie und konsequente Arbeitszeiterfassung entlastet werden. Dokumentationen müssen abgebaut werden, ohne dass Patientensicherheit und Transparenz leiden.
Die ErzieherInnen brauchen bessere Arbeitsbedingungen. Sie benötigen mehr Zeit für die Vor – und Nachbereitung. Eine Qualitätssteigerung durch einen höheren Fachkraft-Kind-Schlüssel fördert nicht nur die Entwicklung des Kindes, sondern erhöht auch die Arbeitszufriedenheit der ErzieherInnen. Eine weitere Flucht der Berufsgruppe aus dem Kita- Bereich können wir uns nicht leisten.
Des Weiteren gilt es, alle Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements und rücksichtsvolle Dienstpläne in allen Bereichen der sozialen Arbeit konsequent auszuschöpfen, um so gesunde Arbeitsplätze für alle zu erreichen.
Fachkräftebasis nachhaltig sichern
Eine Vergütung für alle Ausbildungen macht einen beruflichen Wechsel und einen Einstieg in Sozial- und Gesundheitsberufe für die Menschen attraktiver. Das PiA-Modell (Praxisintegrierte Ausbildung) im Bereich der ErzieherInnen-Ausbildung ist ein erfolgreiches Beispiel dafür, das wir weiter ausbauen wollen. Eine Ausbildungsvergütung ermöglicht auch vielen QuereinsteigerInnen den Zugang zum Beruf. Daher ist für den immer größer werdenden Bedarf an Fachkräften eine Reform der Erzieherinnenausbildung und der Ausbildung zur/zum SPA dringend notwendig. Bei der Reform müssen das Qualifizierungsniveau und die europaweite Vergleichbarkeit erhalten bleiben, um den hohen fachlichen Anforderungen zu entsprechen. Die Anzahl der Ausbildungs- und Schulplätze muss weiter erhöht werden.
Auch die Pflegeberufereform mit einem generalistischen Abschluss macht die Ausbildung im Pflegebereich attraktiver, da es vielseitige Einsatzmöglichkeiten mit diesem Abschluss gibt.
Die Konzertierte Aktion Pflege hat sich zudem zum Ziel gesetzt, die Zahl der Ausbildungsplätze in der Pflege um 10 Prozent zu steigern. Eine ausreichende Anzahl von Schulplätzen und Ausbildungsbetrieben ist daher eine wichtige Voraussetzung.
Bildungsoptionen bis hin zum Studium sind auch für Sozial- und Gesundheitsberufe wichtig, damit eine Durchlässigkeit der Bildungswege bis hin zum Studium entsteht und wir in diesem Bereich international konkurrenzfähig sind. Einen Pflegestudiengang haben wir eingeführt. Wir würden diesen um ein Pflegepädagogikstudium ergänzen. Und auch im sozialpädagogischen, erzieherischen Bereich müssen die Studienplätze erhöht werden und digitale Ausbildungsgänge möglich sein.
Für den Fachkräftebedarf bei den Hebammen ist eine Erhöhung der Studienplätze zur Ausbildung der Hebammen notwendig.