Koalitionsvertrag zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Landesverband Schleswig-Holstein und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landesverband Schleswig-Holstein (1996)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Neumünster 1996
Bezeichnung:
Antragsteller: Nicht aufgeführt


Beschluss: Angenommen


Präambel

Schleswig-Holstein steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen, die nur mit einer engagierten Reformpolitik erfolgreich gemeistert werden können. Diese Reformpolitik wird in den kommenden vier Jahren gemeinsam von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gestaltet. Beide Parteien setzen aus ihrer unterschiedlichen Erfahrung auf Erneuerung und wahren zugleich ihre jeweilige Identität. Sie knüpfen in vielem an das an, was in den letzten Jahren auf den Weg gebracht worden ist.

Unsere gemeinsamen Ziele sind:

  • die Wirtschaftskraft stärken und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen
  • den ökologischen Umbau vorantreiben und die ländlichen Räume stärken
  • eine nachhaltige Infrastruktur schaffen und die Verwaltung reformieren
  • die Gleichstellung der Frauen vorantreiben
  • eine zukunftsorientierte Bildung und Ausbildung sichern - Kultur und Sport pflegen
  • den Sozialstaat sichern und die solidarische Gesellschaft ausbauen
  • die innere Sicherheit gewährleisten und die soziale Demokratie stärken
  • die finanzielle Handlungsfähigkeit des Landes aufrechterhalten.

Die Hauptaufgabe der Landespolitik bleibt auch in den kommenden Jahren, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Mit ihrer Koalitionsvereinbarung haben die Koalitionsparteien das Fundament für eine stabile und verlässliche Regierungsmehrheit in den nächsten vier Jahren gelegt. SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen mit einer sozial- ökologischen Reformpolitik deutlich machen, dass auch unter schwierigsten finanziellen Rahmenbedingungen eine humane und an den Interessen der Menschen orientierte Politik möglich ist. Die Bewahrung der Würde des einzelnen in einer solidarischen Gemeinschaft und die Sicherung der ökologischen Grundlagen unserer Zivilisation sind die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Die schleswig-holsteinische Landesregierung wird sich dieser Herausforderung stellen.

Die Wirtschaftskraft stärken und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen

Wirtschaftspolitik

Das Leitbild der gemeinsamen Wirtschaftspolitik ist die nachhaltige Entwicklung unserer Wirtschaft und Lebensgrundlagen, um die Zukunftsfähigkeit des Landes zu gewährleisten. Dazu wollen wir:

  • eine aktive Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik zur Sicherung zukunftsfähiger Arbeitsplätze im Lande betreiben;
  • vorrangig private Investitionen stimulieren;
  • die ökologische Umgestaltung hin zu umweltfreundlichen Produktionsweisen und Produkten fördern;
  • eine eigenständige ökologische Regionalentwicklung, regionale Wirtschaftskreisläufe und –vernetzungen unterstützen, um regionale Disparitäten auszugleichen;
  • die Wirtschaftspolitik insbesondere an den Bedürfnissen der Regionen und der kleinen und mittleren Betriebe orientieren;
  • die Technologieförderung und den Technologietransfer insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen verbessern,
  • eine moderne, umweltverträgliche und effiziente Infrastruktur gestalten;
  • auf dem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe der Frauen an der Erwerbsarbeit und bei der Gestaltung der Wirtschaft voranschreiten;
  • die regionale und betriebliche Konversion im Lande fördern;
  • die am Dialog mit der Wirtschaft orientierte Politik fortsetzen;
  • die dienstleistungsorientierte Modernisierung der öffentlichen Verwaltung voranbringen;
  • das Steuer- und Abgabensystem ökologisieren.

Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik

  1. Die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie die Bekämpfung vorhandener Arbeitslosigkeit bleiben der Schwerpunkt der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Das Konzept aktiver Arbeitsmarktpolitik verbindet sozialintegrative Ansätze mit wirtschaftsnaher Beschäftigungsförderung. In diesem Rahmen werden die „Kieler Runde“ und die „Regionale Aktion“ Arbeit für Schleswig-Holstein“ als wichtige Foren für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik in Schleswig-Holstein fortgeführt.
  2. Verzahnung von Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Investitionszuschüsse sind an die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, messbar im Sinne eines „Gütesiegels Beschäftigungswirksamkeit” für öffentliche Förderprogramme, zu koppeln. Hierzu wird ein Raster für Qualitätsstandards entwickelt.
  3. Die aktive Arbeitsmarktpolitik der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung wird sich an besonders benachteiligte Zielgruppen wie Jugendliche, Frauen, Langzeitarbeitslose und erwerbsfähige SozialhiIfeempfängerInnen und Sozialhilfeempfänger wenden. Frauen sind mindestens entsprechend ihrem Anteil an der Arbeitslosenquote an beschäftigungswirksamen Programmen zu beteiligen. Eine breite Beteiligung nicht-kommunaler Träger an der Beschäftigungsförderung wird auch weiterhin sichergestellt. In Maßnahmen der Beschäftigungsförderung sollen Menschen mit Behinderung nach ihren Möglichkeiten und entsprechend ihrer Betroffenheit beteiligt werden. Ein besonderer Schwerpunkt bei der Auswahl von Fördermaßnahmen wird auf die jeweilige umwelt- und strukturpolitische Wirksamkeit und die ressourcenschonende Orientierung gelegt.
  4. Das Programm "Arbeit für Schleswig-Holstein" wird auf hohem Niveau fortgeführt. Die Planungssicherheit im Bereich der Sachkostenförderung wird vergrößert. Bei der Neuauflage von ASH sollen hinsichtlich der Strukturierung Überlegungen angestellt werden, wie die Bereiche Qualifizierung, Förderung von Langzeitarbeitslosen, Integration und Intervention in den ersten Arbeitsmarkt und Förderung von Arbeitsloseninitiativen gebündelt werden können.
  5. Zur weiteren gezielten Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit wird ein Einstieg in die Förderung von sozialen Wirtschaftsbetrieben im Rahmen von ASH realisiert. Die Betriebe sollen Langzeitarbeitslose und Schwervermittelbare auf regulären, überwiegend unbefristeten Arbeitsplätzen in gesellschaftlich und ökonomisch sinnvollen Bereichen beschäftigen und qualifizieren. Im Vordergrund stehen dabei die Kombination mit anderen Förderungsmöglichkeiten (Arbeitsförderung, EU-Mittel, Existenzgründungsförderung, Ausgleichsabgabe etc.). Existenzgründungen im Rahmen bestehender Unternehmen sollen nicht ausgeschlossen werden und unter Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgen. Die Landesregierung fördert die Entwicklung geeigneter Betriebskonzeptionen.
  6. Die aktive Arbeitsmarktpolitik muss um neue Instrumente präventiver Arbeitsmarktpolitik ergänzt werden. Das gegenwärtige Instrumentarium des AFG ist völlig unzureichend. Die Landesregierung wird einen Diskussionsprozess über Möglichkeiten der Entwicklung von geeigneten neuen Dienstleistungs- und Produktionsbereichen und damit verbundene Beschäftigungs- und Qualifizierungspläne initiieren. Im Rahmen von ASH gilt es das Instrument Arbeit statt Sozialhilfe auszubauen sowie die Förderung von gemeinnütziger Arbeitnehmerüberlassung weiterzuentwickeln.
  7. Der von der Landesregierung beschlossene Maßnahmenkatalog für ein „Bündnis für Arbeit“ wird umgesetzt. Im Rahmen dieses 11-Punkte-Programms haben die Schaffung von Beschäftigungsagenturen im privaten Dienstleistungssektor, Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit und Lohnkostenzuschüsse in ausgewählten Feldern (Arbeit und Umwelt, Arbeit und Jugend, Arbeit und Pflege, Arbeit und Ehrenamt) eine hohe Priorität. Das Programm "Arbeit Plus" wird weiterentwickelt. Die zur Verfügung gestellten Mittel werden aufgestockt. Die Beschäftigung erwerbsloser Menschen wird u.a. mit der Schaffung von Kindergartenplätzen, bei Flächensanierungen, im Umweltbereich und beim Wohnungsbau verknüpft werden. Beschäftigung nach § 242 s AFG soll verstärkt im Bereich präventiver Arbeit in den Jugendtreffs/Jugendzentren in den Kommunen und in dem Integrationsbereich von Jugendarbeit und Schule wirksam werden. Deshalb wird das Land die Kommunen im Umfang eines Programms von 100 Stellen / Anteilsfinanzierungen für diesen Bereich unterstützen.
  8. Die Förderung von Arbeitsloseninitiativen wird über das Jahr 1996 hinaus fortgesetzt.
  9. Die Landesregierung strebt eine stärkere Beteiligung der Beschäftigungsinitiativen an der Arbeitsmarktpolitik des Landes, u.a. durch eine Beteiligung im Aufsichtsrat von BSH an.
  10. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung wird eine konzertierte Aktion „Jugend und Arbeit“ ins Leben rufen und gemeinsam mit Unternehmen und Gewerkschaften nach Wegen suchen, um allen Jugendlichen eine berufliche Erstausbildung und einen Berufseinstieg nach der Ausbildung zu ermöglichen. Betriebe, die sich nicht in erforderlichem Umfang an der beruflichen Erstausbildung beteiligen sollen einen finanziellen Beitrag zu Schaffung eines ausreichenden Ausbildungsplatzangebots leisten. Eine entsprechende Bundesratsinitiative wird geprüft.
  11. Die Landesregierung setzt sich für eine Arbeitszeitpolitik ein, die Erwerbsarbeit gerechter verteilt. Arbeitszeitverkürzung und Teilzeitbeschäftigung im öffentlichen Dienst leisten einen wichtigen beschäftigungspolitischen Beitrag. Die im Gleichstellungsgesetz verankerten Regelungen sind umzusetzen.
  12. Die Landesregierung beabsichtigt, die fachdienstliche Tätigkeit zur Integration von Menschen mit Behinderung in den 1. Arbeitsmarkt durch gezielte Beratung und Unterstützung von Betrieben zu verstärken.
  13. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung wird sich im Bundesrat für die grundsätzliche Abschaffung versicherungsfreier Beschäftigungsverhältnisse einsetzen. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse dürfen durch die Schleswig-Holsteinische Landesregierung nicht begründet werden. Bestehende geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sind abzubauen. Künftig werden keine Aufträge mehr an Firmen vergeben, die mit geringfügig beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern tätig werden. Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sind konsequent zu bekämpfen.
  14. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung wird sich im Bundesrat für eine Ablösung des Arbeitsförderungsgesetzes durch ein Arbeits- und Strukturfördergesetz einsetzen. Ziel ist es, im Rahmen regionaler Strukturpolitik, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik besser miteinander zu verzahnen und aktiver Arbeitsmarktpolitik den Vorrang vor passiven Lohnersatzleistungen einzuräumen.
  15. Wir werden die modellhafte Entwicklung innovativer Projekte von Arbeitsloseninitiativen fördern.
  16. Die Landesregierung unterstützt die landesweite Vernetzung von Beschäftigungsinitiativen.

Verbraucherschutz

Der Verbraucherschutz vor unseriösem Wettbewerb und mangelhaften Produkten erhält wachsende Bedeutung. Wirksamer Verbraucherschutz sorgt für Produktqualität und -sicherheit. Geeignete Produktinformationen über ökologisch und ressourcensparend erzeugte Produkte sind ein wichtiger Beitrag zur ökologischen Modernisierung der Wirtschaft.

Die Marktposition ökologischer und gesunder Nahrungsprodukte aus Schleswig-Holstein kann und muss auch zur Stärkung der Ernährungswirtschaft im Land durch Verbraucherinformationen gestärkt werden. Dazu muss Beratungsqualität und -umfang der Verbraucherzentrale Schleswig-Holsteins gesichert bleiben.

Die vorhandenen Gütesiegel in der Ernährungsindustrie sind in diesem Sinne weiter zu entwickeln. Eine Kennzeichnungspflicht von gentechnisch manipulierten Produkten ist anzustreben.

Zum Verbraucherschutz gehört eine qualifizierte Beratung der Kunden durch den Handel. Daher wird die Landesregierung den Verbraucherschutz in der beruflichen Ausbildung von Verkäuferinnen und Verkäufern stärker verankern.

Regionalförderung

Ein wesentlicher politischer Schwerpunkt der Landesregierung wird auch zukünftig die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in den strukturschwachen ländlichen Regionen sein. Im sich zunehmend verschärfenden Standortwettbewerb haben diese Regionen wachsende Schwierigkeiten, sich mit eigenen Perspektiven zu behaupten. Zentrales Förderinstrument bleibt in enger Verknüpfung mit der EU-Regionalförderung das Regionalprogramm mit Förderschwerpunkt im Bereich der wirtschaftsnahen Infrastruktur. Ziel des Regionalprogramms ist die Verbesserung der regionalen Standortfaktoren, die Unterstützung des wirtschaftlichen Strukturwandels und die Erschließung neuer Beschäftigungspotentiale in den Programmregionen unter Berücksichtigung der ökologischen Funktion des ländlichen Raumes. Dabei wird regionalen Leitprojekten mit besonderer Strukturwirksamkeit ein Fördervorrang eingeräumt.

Geeignete Infrastrukturprojekte sollen verstärkt auch als Beschäftigungsmaßnahmen gefördert werden können. Die Regionen werden in der gemeindeübergreifenden Kooperation der Wirtschaftsförderung sowie bei der Erstellung regionaler Entwicklungskonzepte und Leitbilder als zukünftige Grundlage für die Landesförderung unterstützt.

Grundprinzipien der Projektförderung im Rahmen des Regionalprogramms bleiben der Qualitätswettbewerb und die regionale Partizipation durch Beiräte und Geschäftsstellen im Auswahlverfahren. Ein Gutachten des DIW soll die Wirksamkeit der bisherigen Förderung prüfen und Vorschläge zur laufenden Evaluierung und zur Steigerung der Fördereffektivität des Regionalprogramms vorlegen. Auf der Grundlage dieser Vorschläge wird die Landesregierung im ersten Halbjahr 1997 über zweckmäßige Modifikation und über die Bündelung mit weiteren EU-Förderprogrammen entscheiden. Trotz erheblicher Haushaltsprobleme hält die Landesregierung an ihrer Absicht fest, unter Einschluss der Kofinanzierung geeigneter Projekte der EU-Förderung (Ziel-5b-Förderung, LEADER II, INTERREG, etc.) von 1997 bis 1999 insgesamt 107,5 Mio DM Landesmittel für das Regionalprogramm bereit zu stellen.

Die Landesregierung setzt sich für den Wechsel des Leitbildes „strikte Trennung von Arbeiten, Wohnen und Freizeit“ hin zu einem Leitbild „integrierte Wohn- und Gewerbegebiete“ ein. Dadurch soll der Verkehr vermindert, die architektonische und städtebauliche Struktur verbessert und die Qualität des Arbeitsumfeldes gehoben werden.

Die künftige Genehmigung und Förderung von Gewerbegebieten wird von der Einhaltung ökologischer, städtebaulicher und verkehrspolitischer Standards abhängig gemacht. Dabei sollen folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Reaktivierung von brachfallenden Flächen vor Neuausweisung.
  • Qualifizierte Durchgrünung, Erhaltung vorhandener Landschafts- und Vegetationsstrukturen.
  • Ökologisches Bauen (Wasser, Energie und Flächen sparen, Materialien, Entsorgung usw.).
  • Gestalterisch anspruchsvolle Gestaltung im Hinblick auf Gebäude, Erschließung und Freifläche.
  • Verkehrliche Erschließung durch den ÖPNV, Entwicklung eines Rad- und Fußwegenetzes im Gebiet, Regelung des Gütertransportes.

Mittelstandsförderung und Existenzgründungsoffensive

Mittelstand und Handwerk prägen die Wirtschaft Schleswig-Holsteins. Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein muss deshalb vor allem darauf ausgerichtet sein, durch verbesserte Rahmenbedingungen und den Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur die Wettbewerbsfähigkeit von Mittelstand und Handwerk zu stärken und sie im Anpassungsprozess an den immer schnelleren Wandel von Technologien und Märkten zu unterstützen. Dazu gehören die Bereitstellung von Risikokapital für innovative Unternehmensgründungen, aber auch Beratungs- und Finanzierungshilfen für junge Unternehmen und Unternehmen in vorübergehenden Notlagen.

Bei der Neuauflage und Weiterentwicklung von Programmen zur Wirtschafts- und Regionalförderung soll die Umwelterheblichkeit geprüft werden.

Außerdem sollen Anreize und Auflagen für frauenfördernde Maßnahmen erarbeitet werden.

Das bestehende Förderinstrumentarium von Beratung, Bereitstellung von Darlehen und Bürgschaften bis hin zu stillen Beteiligungen an jungen Unternehmen hat sich bewährt.

Die Koalition bekennt sich zu dem Ziel einer dienstleistungsorientierten Verwaltung und wird Vorschläge zur weiteren Bündelung und stärkeren Transparenz der Förderprogramme und Beratungseinrichtungen für Mittelstand und Handwerk vorlegen.

In einem "Haus der Wirtschaft" sollen entsprechend dem Vorschlag der Kieler Runde die verschiedenen Institutionen der Wirtschafts- und Technologieförderung unter einem Dach stärker inhaltlich verzahnt und die angebotenen Leistungen optimiert werden, ohne dabei die dezentrale Beratung im Land in Frage zu stellen.

Ein "Innovationsassistenten-Programm” soll die technische und wirtschaftliche Innovationsfähigkeit von Mittelstand und Handwerk verbessern und gleichzeitig der Abwanderung qualifizierter Hochschulabgänger aus Schleswig-Holstein entgegenwirken. Es soll auch den Einsatz von Umweltberatern zur Durchführung des Ökoaudit fördern. Das Programm soll als frauenfördernde Komponente einen erhöhten Zuschuss bei der Einstellung von Frauen vorsehen.

Die Koalition wird Mittelstand und Handwerk in Schleswig-Holstein durch eine Existenzgründungsoffensive nachhaltig stärken. Elemente dieser Offensive sollen u. a. sein:

  • Die Vermittlung wirtschaftlicher Selbständigkeit als Lebensperspektive im Rahmen der allgemeinen und Fachausbildung;
  • die Verbesserung von Informationen über Chancen und Risiken der Selbständigkeit; Durchführung von Informationsveranstaltungen und Qualifikationsseminaren;
  • die Verstärkung allgemeiner Erstberatungen von potentiellen Existenzgründern und die Verbesserung der begleitenden Beratung durch "Senioradvisers" oder "Firmenpaten"; die gesonderte Existenzgründungsberatung für Frauen bei der Investitionsbank wird ausgeweitet und im Haushalt mit 250 TDM jährlich versehen;
  • die Förderung von Gewerbe- und Existenzgründerzentren insbesondere in den strukturschwachen und ländlichen Regionen Schleswig-Holsteins;
  • ein spezifisch auf Frauen - insbesondere auch auf Frauen, die nach einer Erziehungspause wieder erwerbstätig werden wollen - zugeschnittenes Existenzgründerinnenprogramm in Höhe von jährlich 1 Mio DM; die Erfahrungen mit dem entsprechenden Programm aus Niedersachsen werden dabei berücksichtigt;
  • Bereitstellung von Kredit- und Kapitalmitteln für kleine qualifizierte Unternehmensgründungen und insbesondere von Risikokapital für innovative Wagnisbeteiligungen
  • die Einführung einer ”Meisterprämie” zur gezielten Förderung von Existenzgründungen in strukturpolitisch wichtigen Bereichen des Handwerks im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Der extrem geringe Anteil der Frauen bei den Meisterabschlüssen soll gehoben werden. Dazu werden zunächst die Erfahrungen mit dem Meister-Bafög abgewartet. Sollte bis 1998 keine befriedigende Verbesserung eintreten, wird das Land zusätzlich eigene Maßnahmen ergreifen.

Die Landesregierung hält am Ladenschlussgesetz fest, befürwortet aber großzügige Ausnahmeregelungen für Geschäfte zur Versorgung des unmittelbaren Bedarfs in Wohnsiedlungen und Dörfern. Dabei soll die Vergabe von Ausnahmeregelungen an den Verkauf durch die Ladeninhaberinnen und Ladeninhabern geknüpft werden.

Außenwirtschaftspolitik

Die Landesregierung wird in ihrer Außenwirtschaftspolitik folgende Akzente setzen:

  • Optimierung der Beratungsleistungen über die Möglichkeiten von Bundes- und EU-Förderprogrammen.
  • Öffnung vorhandener Finanzierungsinstrumente (Bürgschaften, Darlehen) für außenwirtschaftliche Ziele. -
  • Stärkung der außenwirtschaftspolitischen Kooperation in Norddeutschland.
  • Förderung von Kooperationsprojekten schleswig-holsteinischer Unternehmen auf ausländischen Märkten.
  • Messeförderung (Gemeinschaftsstände) insbesondere in den Bereichen Medizin-, Umwelt-, Energie- und Meerestechnik.
  • Initiative der Landesregierung für ein Modell "Unternehmen hilft Unternehmen”. Schleswig-holsteinische Unternehmensrepräsentanzen im Ausland sollten von Marktneulingen genutzt werden können.
  • Akquisition ausländischer Direktinvestitionen durch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Schleswig-Holstein.

Darüber hinaus setzt sich die Landesregierung auf Bundes— und EU-Ebene dafür ein, dass in internationalen Handelsverträgen Regelungen gegen Wettbewerbsverzerrungen insbesondere durch Sozial- und Umweltdumping getroffen werden, die aber nicht dazu dienen sollen, wirtschaftlich schwächere Konkurrenten vom Inlandsmarkt fernzuhalten.

Die Landesregierung wird die notwendige Sensibilität wahren und sich dafür einsetzen, dass demokratische Strukturen gestärkt und die Einhaltung von Menschenrechten befördert werden.

Auftragsvergabe und Beschaffungswesen

Die Beschaffungspolitik und die Auftragsvergabe des Landes werden auf der Grundlage der geltenden Rechtslage nach sozialen, ökologischen und frauenfördernden Gesichtspunkten weiterentwickelt. Dabei soll bei der konkreten Ausgestaltung darauf geachtet werden, dass es nicht zur Benachteiligung für kleine Betriebe kommt. Die Betriebe erklären jeweils durch einfaches Ankreuzen, welche Kriterien sie erfüllen. Die Kriterien müssen auch von Subunternehmern erfüllt werden.

Bei der Auftragsvergabe an Betriebe ist vertraglich zu regeln, dass Tariflöhne gezahlt werden, keine geringfügigen nicht sozialversicherten Arbeitsverhältnisse unterhalten werden und dass sie frauenfördernde Maßnahmen ergreifen. (Ein entsprechender Maßnahmenkatalog wird erstellt.)

Darüber hinaus werden Betriebe durch prozentuale Abschläge auf das Angebot bevorteilt,

  • wenn sie durch ökologische Produktionsweisen, Verwendung ökologischer Materialien und ökologische Produkte auszeichnen. Für die Bewertung kann die Umwelterklärung des Ökoaudit herangezogen werden.
  • wenn sie soziale Kriterien erfüllen (Betriebsrat, Ausbildungsquote, Schwerbehindertenquote, Regelung zum Abbummeln von Überstunden).

Ein entsprechendes Konzept soll schrittweise entwickelt und eingesetzt und nach gegebener Zeit auf seine Wirksamkeit überprüft werden. Einzelheiten müssen in Übereinstimmung mit Bundesgesetzen und europäischen Regelungen gebracht und ggfs. angepasst werden.

Dienstleistungsorientierte Verwaltung für die Wirtschaft

Die Koalitionspartner sind sich einig über ein Reformprojekt "Effiziente und dienstleistungsorientierte Verwaltung". Damit können beschäftigungswirksame Investitionen gerade in mittelständischen Unternehmen erleichtert und beschleunigt werden. Die Landesregierung wird dazu beitragen, die Bürokratiekosten der Unternehmen deutlich zu senken. Dazu werden alle Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und -abläufe sowie Förderrichtlinien konsequent auf den Prüfstand gestellt. Dabei ist zu gewährleisten, dass bestehende ökologische Standards zumindest erhalten bleiben. Die Eigeninitiative und -verantwortung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung soll gestärkt werden. Die neue Landesregierung wird dieses Reformprojekt gemeinsam mit den kommunalen Gebietskörperschaften und Wirtschaftsförderungsgesellschaften vorantreiben und damit den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein stärken.

Ökologische Gesamtrechnung

Es wird eine ökologische Gesamtrechnung vom Statistischen Landesamt erstellt. Die Ergebnisse werden in den Jahreswirtschaftsbericht einbezogen.

Technologieförderung

Die Koalition will die technologische Kompetenz und die Innovationskräfte des Landes weiterhin stärken. Im rapiden wirtschaftlich-technischen Strukturwandel ist die schnelle Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen in marktfähige Produkte und Verfahren Voraussetzung dafür, neue zukunftsorientierte Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Technologiepolitik hat dabei die wichtige Aufgabe

  • ein innovationsfreundliches Umfeld zu schaffen,
  • günstige Rahmenbedingungen für die weitere technologische und dabei ökologisch verträgliche Entwicklung zu setzen und
  • dort Hilfestellung zu leisten, wo es den Unternehmen nicht oder nur mit erheblicher Zeitverzögerung aus eigener Kraft möglich wäre, technologisches Neuland zu betreten.

Eine fortschrittliche Technologiepolitik kann und soll nur unterstützend wirken. Erforderlich sind erhebliche Anstrengungen der Unternehmen selbst und ein enges, kooperatives Zusammenwirken von Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft, Fördereinrichtungen und Politik.

Außerdem wird die Landesregierung auch weiterhin keine Forschung und Entwicklung im rüstungstechnischen Bereich fördern.

Die Landesregierung wird in ihrer Technologiepolitik folgende Schwerpunkte verfolgen:

  • Die Technologiekonzeption Schleswig-Holstein mit der Konzentration auf Technologiefelder, für deren Entwicklungen in Schleswig-Holstein besondere Voraussetzungen und ein besonderer Bedarf bestehen, wird umgesetzt und fortentwickelt.
  • Über die Förderung des Technologietransfers auf der Grundlage der Technologiekonzeption hinaus wird sich die Landesregierung für die Errichtung eines Anwenderzentrums der Fraunhofer- Gesellschaft an der Medizinischen Universität Lübeck für den Bereich Allgemeine Informatik einsetzen.
  • Die in Planung oder Bau befindlichen Technologiezentren in Itzehoe und Meldorf werden im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel zügig fertiggestellt.
  • Die Technologiepolitik des Landes wird eng mit der Mittelstandsförderung und der Existenzgründungsoffensive der Landesregierung abgestimmt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Mobilisierung von zusätzlichem Risikokapital.
  • Die Arbeitsteilung der Technologiestiftung Schleswig-Holstein (TSH) und der Technologietransferzentrale (ttz) hat sich bewährt. In Kooperation mit Wissenschaft und Forschung soll die TSH weiterhin zukunftsträchtige Technologiefelder ermitteln und fördern, während die ttz betriebliche Produktinnovationen und die Anwendung moderner Produktionstechnologien unterstützen und fördern soll. Dabei gehört zu den Aufgaben der TSH und der ttz auch die Durchführung von Technologiefolgenabschätzungen, um unerwünschte Entwicklungen vorauszusehen und vermeiden zu können.
  • Zur Nutzung von Synergieeffekten und zum effizienten Einsatz der vorhandenen Finanzmittel unterstützt die Landesregierung zum einen die Kooperation der schleswig-holsteinischen Technikzentren untereinander und auf der anderen Seite die Technologiekooperation in Norddeutschland.
  • Die Koalitionspartner sehen insbesondere in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Forschung und Entwicklung, Bildung und Weiterbildung, Dienstleistungen für Gewerbe und Industrie, statistische Erhebungen und Verkehrsmanagement erhebliche Anwendungspotentiale moderner Informations- und Kommunikations-Technologien (IuK). Die Landesregierung wird daher noch im ersten Jahr der Legislaturperiode eine IuK-Konzeption für Schleswig-Holstein mit folgenden Schwerpunkten vorlegen:
    • Unterstützung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft beim Einsatz von IuK-Techniken;
    • Erschließung von Vernetzungspotentialen auf der Basis von TISCH II und Entwicklung einer optimierten Behördenkommunikation auch zur Umsetzung des Leitbildes einer bürgerfreundlichen Verwaltung;
    • Einrichtung einer Wirtschaftsdatenbank, um insbesondere Informationen für Ansiedlungs- und Investitionsentscheidungen bereitzustellen: Dazu gehören Informationen über potentielle Zuliefer-, Dienstleistungs- und Abnehmerbetriebe, Angebot an Arbeitnehmern mit speziellen Qualifikationen usw.;
    • Verbesserung der Präsenz und Präsentation schleswig-holsteinischer Unternehmen im INTERNET;
    • Ausbau des Informations- und Kommunikationsnetzwerkes im Ostseeraum (Ostsee-Forum);
    • Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren durch Einsatz neuer IuK—Techniken;
    • Schaffung von Arbeitsplätzen insbesondere in ländlichen Regionen im Bereich innovativer Dienstleistungen (Durchführung des Pilotprojektes "Telearbeit" mit anschließender Auswertung);
    • IuK-Initiative an Schulen und Hochschulen ("Schulen ans Netz” und "Wissenschaftsnetz Schleswig-Holstein") gemeinsam mit der Wirtschaft und der Deutschen Telekom;
    • Einsatz von IuK—Techniken für eine effiziente Aus- und Weiterbildung (Telelearning);
    • Nutzung von IuK-Technologien zur Vermeidung und Lenkung von Verkehr (vgl. technikgestützte Logistiksysteme, Verbesserung des Güterumschlages in Häfen, Optimierung von Verkehrsströmen).

Berufliche Bildung

Die Landesregierung wird der beruflichen Bildung unverändert einen hohen Stellenwert einräumen. Investitionen in Ausbildung und Qualifizierung sind Zukunftsinvestitionen, die vor dem Hintergrund des wirtschaftlich-technischen Strukturwandels noch an Bedeutung gewinnen.

Die Modellprojekte im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung zur Ausbildungsbetreuung junger Menschen, zum Weiterbildungsmakler für kleinere und mittlere Unternehmen, zum Ausbau von Weiterbildungsverbünden, zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch "Qualifizieren statt Entlassen” und zum ”Selbstlernzentrum Multimedia" werden fortgesetzt.

Die Landesregierung wird neue Akzente in der beruflichen Bildung setzen:

  • Die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung soll weiter vorangebracht werden.
  • Mit einer Initiative zur Lernortkooperation wollen wir ausbildenden Betrieben helfen, die 480-Jahresstunden Berufsschulunterricht mit ihren betrieblichen Bedürfnissen abzustimmen.
  • Die berufliche Weiterbildung ist in erster Linie eine Aufgabe der Wirtschaft selbst. Die Landesregierung wird dessen unbenommen im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Ausbau einer unternehmensnahen Weiterbildungsinfrastruktur unterstützen.
  • Die gleichberechtigte Einbeziehung von Jugendlichen aus Einwandererfamilien in die Berufsausbildung ist ein wesentlicher Beitrag zur Integration in unserer Gesellschaft und soll besonders

beachtet werden.

  • Im Verbund mit entsprechenden Akteurinnen und Akteuren wird die Landesregierung daran arbeiten, das Berufswahlspektrum von Mädchen und jungen Frauen vor allem im Hinblick auf zukunftsorientierte Berufe in den neuen Technologien zu erweitern.
  • Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass Berufsfelder für lernschwache Jugendliche in

ausreichender Zahl erhalten bleiben.

Durch eine konzertierte Aktion von Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik ist es 1995 gelungen, 2,2 % mehr Ausbildungsverhältnisse im dualen System in Schleswig-Holstein als 1994 und damit ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen bereitzustellen. Damit lag Schleswig-Holstein deutlich über dem Durchschnitt aller westdeutschen Länder. Die absehbare Entwicklung erfordert weitere Anstrengungen. Die Landesregierung wird daher noch im Juni 1996 eine 2. Ausbildungskonferenz veranstalten.

Generell hält es die Landesregierung für erforderlich, dass die duale Berufsbildung gestärkt und in die Lage versetzt wird, ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Sollten sich die Probleme auf dem Ausbildungsmarkt weiter verschärfen, werden wir uns im Bundesrat für eine Regelung einsetzen, die die Kammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichten, ein finanzielles Ausgleichssystem zwischen ausbildenden und nichtausbildenden Unternehmen einzuführen. Nach Ablauf von zwei Jahren erfolgt eine Überprüfung und nötigenfalls eine weitergehende gesetzliche Regelung. Ein steuerliches Anreizsystem für die Betriebe, die über Bedarf ausbilden, wird geprüft.

Tourismus

Die Konzeption des "Sanften Tourismus" ist nach wie vor bundesweit vorbildlich. Nur die Strategien eines umwelt- und sozialverträglichen sowie landestypischen Tourismus gewährleistet eine Schonung der natürlichen Ressourcen und sichert damit langfristig auch die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen im Fremdenverkehr. Die Fortschreibung der Tourismuskonzeption vom 12.12.1995 beschreibt den Handlungsrahmen bis zum Jahr 2000.

Der Fremdenverkehr soll entsprechend seinem wirtschaftlichen Gewicht und seiner Entwicklungspotentiale gerade für den ländlichen Raum eine der Haushaltssituation angemessene finanzielle Unterstützung und organisatorische Hilfe durch die Landesregierung erfahren. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung der Infrastruktur, der Werbung, moderne Vertriebssysteme und innovative Projekte des „Sanften Tourismus“.

Das bundesweit vorbildliche „Touristische Verkehrskonzept Schleswig-Holstein“ (vgl. Kapitel "Verkehrspolitik”) soll umgesetzt und den touristischen Verkehrsbedürfnissen angepasst werden. Dabei geht es insbesondere um die Entwicklung attraktiver Alternativen zum Individualverkehr. Die Landesregierung wird ihre ÖPNV-Politik mit dem "Touristischen Verkehrskonzept" abstimmen und die Deutsche Bahn AG als Partner für konkrete Umsetzungsschritte zu gewinnen suchen.

Darüber hinaus sind sich die Koalitionspartner über folgende Vorhaben einig:

  • Für die Förderung von Fremdenverkehrsprojekten werden "Nachhaltigkeitskriterien” entwickelt.
  • Der Beirat für Tourismus wird durch Vereine und Verbände aus dem soziokulturellen Bereich ergänzt.
  • Die Landesregierung wird einmal in der Legislaturperiode einen Tourismusbericht vorlegen.
  • Es wird geprüft, auf welche Weise umweltrelevante Daten des Tourismus zentral bereitgestellt werden können (Mobilitätszentrale).
  • Mit Blick auf größere touristische Planungsvorhaben wird die Landesregierung bei den Kommunen dafür werben, dass in Zukunftswerkstätten oder öffentlichen Foren Leitbilder entwickelt werden, die auch die Auswirkungen des Tourismus auf Natur, Kultur und einheimische Menschen berücksichtigen.
  • Die Landesregierung strebt eine personell und sachlich angemessene Ausstattung des Studienschwerpunktes „Tourismus“ an der Fachhochschule Westküste an.
  • Der Sachverstand des N.I.T. z. B. zur Erhebung von Bedarfs— und Sozialverträglichkeitsstudien im Rahmen der Entwicklung des Fremdenverkehrs in Schleswig-Holstein soll weiterhin genutzt werden.
  • Soweit eine „Deutsche Akademie für Tourismus“ oder eine ähnliche Einrichtung auf Bundesebene realisiert werden sollte, wird die Landesregierung sich um die Ansiedlung dieser Einrichtung in Schleswig-Holstein einsetzen.
  • Das kulturelle Erbe Schleswig-Holsteins soll bei der Fortentwicklung des Fremdenverkehrs und von Marketingstrategien stärker berücksichtigt werden.
  • Die Landesregierung wird auf eine konzertierte Aktion von DEHOGA, MBG, FVV, Arbeitsverwaltung, Bildungsträgern und sonstigen Akteuren im Tourismus zur Verbesserung der beruflichen Aus- und Weiterbildung hinwirken. Dabei sollen auch neue Berufsbilder und Arbeitsfelder berücksichtigt werden. Zur Verbesserung der Qualifizierung der Beschäftigten im Beherbergungswesen und in der Gastronomie wird ein Weiterbildungskonzept entwickelt werden. Die in Schleswig-Holstein aufgebauten Weiterbildungseinrichtungen sind dabei einzubeziehen.
  • Die Landesregierung wird sich für breitere Nutzung moderner Buchungs- und Informationssysteme zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus in Schleswig-Holstein einsetzen. (vgl. örtliche Zimmervermittlungen, Schleswig-Holstein Tourismus GmbH/SHT, Deutschland Informations- und Reservierungsgesellschaft/DIRG).

Die Fortentwicklung des Tourismus in Schleswig-Holstein ist vor allem eine Aufgabe der Fremdenverkehrsgemeinden, der Betriebe dieses Wirtschaftszweiges und ihrer Verbände selbst. Sie haben sich den Herausforderungen eines professionalen Marketings, der Nutzung moderner Buchungs- und Informationssysteme, einer Gemeindegrenzen überschreitenden Kooperation und einer Strategie der Qualitätsverbesserung zu stellen. Die Landesregierung wird solche Bemühungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen. Dabei hält sie insbesondere folgende Ansätze für bedeutsam:

  • Touristische Umweltbilanzen
  • Marktanalysen für Kuren- und Gesundheitsangebote
  • Neue Modelle zur Konfliktlösung zwischen Tourismus und Umwelt
  • Gemeinsame Werbekonzepte
  • Konzepte zur Qualitätsverbesserung
  • Die Entwicklung und Vernetzung gemeinsamer touristischer Angebote von Fremdenverkehrsgemeinden.

Die Koalitionspartner werden über den Bundesrat darauf hinwirken, den EU-Agrarfonds stärker als bisher zur Förderung des Urlaubs auf dem Bauernhof und des Landtourismus zu nutzen und eine EU-weite Harmonisierung der UVP-Anforderungen an touristische Großanlagen zu erreichen. Die auf der Weltkonferenz der WorId-Tourism-Organisation (WTO) auf Lanzarote im April 1995 verabschiedete "Charta für einen verträglichen Tourismus" wird zur Grundlage der weiteren Tourismuspolitik erhoben.

Konversion

Allgemeine Grundsätze

Schleswig-Holstein nimmt seine Verantwortung im Rahmen seiner Kompetenz für eine internationale Zusammenarbeit in der UNO der OSZE der EU und insbesondere mit den Ländern der Ostseeanrainerstaaten wahr. Die friedliche gesellschaftliche Entwicklung unter Achtung der Menschenrechte bei der internationalen Zusammenarbeit ist politisches Ziel der Landesregierung.

Die Koalition begrüßt den Wegfall der Ost-West-Konfrontation und den Entspannungsprozess, der Mitte der 80er Jahre eingesetzt hat. Lokale Kriege und Auseinandersetzungen halten die Welt jedoch nach wie vor in Atem.

Das Schleswig-Holsteinische Institut für Friedenswissenschaften an der Christian-AIbrechts-Universität Kiel wird uneingeschränkt fortgeführt.

Schleswig-Holstein ist traditionell durch eine sehr hohe Bundeswehrdichte gekennzeichnet. Dies hat die sozioökonomische Struktur des Bundeslandes nachhaltig geprägt. Schleswig-Holstein ist sowohl vom Truppenabbau der Bundeswehr als auch von deutlich zurückgegangenen Beschaffungsaufträgen der Bundeswehr sehr stark betroffen. Es ist zu erwarten, dass deshalb bis 1998 rund 45.000 Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein entfallen.

Die Veränderung dieser Strukturen, die betriebliche und regionale Konversion ist auch eine Chance für eine zukunftsfähige Entwicklung des Landes. Die Landesregierung unterstützt und gestaltet diesen Prozess aktiv mit. Sie fühlt sich den Bundeswehrangehörigen und ihren Familien gegenüber verpflichtet und wird sich für sie einsetzen.

Der Bund hat sich seiner Verantwortung für die Beschleunigung und Finanzierung dieses Umwandlungsprozesses bisher weitestgehend entzogen.

Gemeinsam mit der Europäischen Union hat das Land Konversionsmaßnahmen in betroffenen Standortgemeinden gefördert. Zur Umstrukturierung von militärischer auf zivile Produktion setzen wir uns mit Nachdruck für Investitionshilfen im Rahmen eines nationalen Konversionsprogramms ein. Nur diese Umstrukturierung und nicht eine Ausweitung der Rüstungsexporte sichert zukunftsfähige Arbeitsplätze.

Das Land wird weiterhin die Mittel des KONVER-Programms sowohl für die Standortkonversion (wirtschaftsnahe Infrastruktur und Fremdenverkehrsaktivitäten) als auch für die betriebliche Konversion (in der Technologieförderung, Beratung und wissenschaftlichen Begleitung sowie dem Ausbau der technologischen Infrastruktur) einsetzen.

Frei werdende Liegenschaften können den Standorten dabei langfristig gute Entwicklungschancen bieten. Dazu ist es erforderlich, den Bund zu veranlassen, die Verfügbarkeit für die Gemeinden unabhängig von einem späteren Wertausgleich frühzeitig sicherzustellen und den Erwerb zu akzeptablen Bedingungen zu ermöglichen.

Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, Rüstungsexporte außerhalb des NATO-Gebietes und in Krisenregionen zu verbieten und im Bundesrat eine Initiative für eine Endverbleibsklausel einzubringen.

Unter dieser Vorgabe wird es auch eine Kontinuität der Landesregierung im restriktiven Umgang mit Rüstungsaufträgen geben.


KONVER II-Programm der EU

Im Rahmen des laufenden Programms sollen noch nicht festgelegte Fördermittel und eventuelle Reservemittel folgenden Zielen dienen:

  • Die geförderten Konversionsprojekte müssen ökologisch verträglich sein und somit der ökologischen Modernisierung der Wirtschaft dienen.
  • Die Förderrichtlinien müssen für die Unternehmen ein mittelfristiges Konzept für die betriebliche Konversion fordern. Dazu gehört auch eine aktive Mitbeteiligung der Arbeitnehmer am Konversionsprozess, um Ideenpotentiale der Belegschaften zu erschließen.
  • Frauen sind vom Konversionsprozess in gleicher Weise betroffen. Daher sind die Förderprogramme so zu gestalten, dass Frauen mit ihren Beschäftigungs- und Qualifizierungsinteressen Zugang finden.
  • Bei der Planung und Realisierung regionaler Leitprogramme in den Konversionsstandorten und bei der Anschlussnutzung frei werdender militärischer Liegenschaften für Wohnen und Gewerbe soll die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) das Flächenmanagement übernehmen. Dabei ist auch eine evtl. mögliche gemeinsame zivile und militärische Nutzung zu berücksichtigen.
  • KONVER-Projekte werden nach Maßgabe des Haushalts dann durch anteilige Landesmittel vorfinanziert, wenn EU-Mittel prinzipiell bewilligt sind, aber noch nicht abfließen. Auch die Einrichtung einer Haushaltsstelle zur Co-Finanzierung kurzfristiger neuer EU-Programme wird als sinnvoll erachtet.
  • Die Zusammenfassung von Fördermitteln für die Konversion ist anzustreben. Die Kombination von ESF- und EFRE-Mitteln muss unbürokratisch möglich sein.

Europa- und Ostseepolitik

Eine erfolgreiche europäische Integration ist für Schleswig-Holstein besonders wichtig. Die Landesregierung wird ihre Europapolitik an dem Ziel der Subsidiarität und der Stärkung ökologischer, sozialer und demokratischer Standards orientieren.

Im europäischen Integrationsprozess müssen die Regionen eine aktive Rolle spielen; ihre Mitwirkungsmöglichkeiten müssen verbessert werden. Dies gilt aus Sicht Schleswig-Holsteins insbesondere für die Regionen und Länder der Ostseeregion und Nordeuropas als neuer, sich entwickelnder europäischer Großregion.

Es ist unser Ziel, Frieden und Stabilität in der Region durch Kooperation und Entwicklung zu verwirklichen. Ein "Ostsee-Tisch" im Rahmen der OSZE kann dazu ein wichtiger Beitrag sein.

Im Hinblick auf die großen Reformprojekte in der Europäischen Union bekennt sich die Landesregierung

  • zu einer Revision des Maastrichter Vertrages im Hinblick auf mehr Demokratie, Effizienz und sozialer Verantwortung der Union;
  • zum Ziel der europäischen Währungsunion;
  • zu einer Erweiterung der EU, die vor allem die Ostsee-Anrainer Polen, Litauen, Lettland und Estland einschließen muss;
  • zu einer EU-Finanzreform, die größere Beitragsgerechtigkeit mit sozialer und regionaler Verantwortung der Union verbindet.

Ziel der Landesregierung ist es, die Rechte der Frauen auch auf europäischer Ebene zu unterstützen und zu verankern. Sie tritt bei der Revision des Maastrichter Vertrages dafür ein, dass das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern im EU-Vertrag festgeschrieben wird. Der Artikel 119 EGV so zu ergänzen, dass positive Fördermaßnahmen, einschließlich Quotenregelung bei Einstellung und Aufstieg nach EU-Vertrag zulässig ist.


Optimale Nutzung der EU-Programme für Schleswig-Holstein

Die Bedeutung der EU bemisst sich zwar nicht vorrangig an den Fördermitteln, die aus Brüssel in Projekte und Maßnahmen in Schleswig-Holstein fließen. Gleichwohl sind Beiträge der EU für Vorhaben in Schleswig-Holstein eine wesentliche Voraussetzung für die Bewältigung unserer Zukunftsaufgaben. Vor dem Hintergrund immer enger werdender Spielräume der Landesfinanzen werden EU-Förderungen immer bedeutender für Schleswig-Holstein.

Die Landesregierung wird auch im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit - insbesondere in der Ostseekooperation - ihre frauenpolitischen Ziele verfolgen und den frauenspezifischen Anteil bei den geförderten Projekten erhöhen.

Wir wollen das Instrumentarium zur Akquirierung von EU-Fördermitteln weiterentwickeln und effektivieren (EU-Beratungsstellen im Land, Hanse-Office usw.) und die Voraussetzung für Kofinanzierungen durch das Land sicherstellen.

EU-Programme sollen optimal und umfassend ausgeschöpft werden - in allen Bereichen der Landespolitik wie auch für den kommunalen, privaten und verbandlichen Sektor.

Wir wollen alle Möglichkeiten nutzen, auch vorausschauend auf die Gestaltung von EU-Programmen Einfluss zu nehmen (wie z. B. in der Vergangenheit KONVER). Die Programme sollen sich an den Kriterien Sozial- und Umweltverträglichkeit orientieren und frauenpolitische Aspekte besonders berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der härter werdenden Konkurrenz in Europa sollen die genannten Anstrengungen verstärkt werden.


Ostseepolitik

Schleswig-Holstein soll Motor der Ostseekooperation bleiben. Das Zusammenwachsen der Ostseeregion als eine der Zukunftsregionen Europas ist eine große Chance für unser Land.

Ostseepolitik ist mithin Standortpolitik für Schleswig-Holstein: Neue wirtschaftliche Möglichkeiten innerhalb der Region können genutzt werden; je mehr es gelingt, die Ostseeregion im Wettbewerb mit anderen europäischen Großregionen zu entwickeln und zu behaupten, umso größer werden di wirtschaftlichen Effekte für Schleswig-Holstein sein.

Die Landesregierung will diesen Prozess aktiv fördern. Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung der Ostseeregion soll dabei Leitlinie sein.

Das Engagement Schleswig-Holsteins in der Ostseepolitik, die interregionalen Kooperationen des Landes (mit Regionen und Gebietskörperschaften in Dänemark, Schweden, Finnland, Estland, Polen, Russland und Norwegen) einschließlich der Repräsentanzen im Ostseeraum und seine Interessenvertretung für die Ostseeregion auf hohem Niveau müssen deshalb u. a. mit folgenden Zielsetzungen beibehalten und weiterentwickelt werden:

  • Die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit in der Ostseeregion unter Einschluss der interregionalen Kooperationen muss vertieft werden. Entscheidend sind der Ostseerat und die Fachkonferenzen der Minister/innen der Anrainerstaaten, die Konferenz der Ostseeparlamentarier, die Konferenz der Subregionen des Ostseeraumes, der Ausschuss der Regionen (AdR) sowie der Nordische Rat.
  • Bedeutend sind aber auch die Netzwerke von Nicht-Regierungsorganisationen in den Bereichen Wirtschaft, Umweltschutz, Kultur, Frauen, Soziales u.v.m., die das Land verstärkt unterstützen wird.
  • Die Ostseeanrainerstaaten müssen gemeinsam Prioritäten zur Entwicklung der Ostseeregion aufstellen und realisieren, um die strukturellen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Defizite der Region zu überwinden.
  • Die EU muss auf der Grundlage dieser Vorschläge und in enger Abstimmung mit den Ostseeanrainerstaaten eine eigene EU-Ostseepolitik entwickeln. Dabei soll sie die Ergebnisse der Initiative "Visions and Strategies around the Baltic Sea 2010" (VASAB) berücksichtigen. EU-Programme sollten so ausgestaltet werden, dass hieraus ostseeübergreifende interregionale Kooperationen und Projekte - unabhängig von EU-Mitgliedschaften - in höherem Maße als bisher gefördert werden können. Sie müssen die Kriterien der Sozial- und Umweltverträglichkeit ebenso berücksichtigen wie die Gleichstellung der Frauen. Die maßgeblich durch schleswig-holsteinisches Engagement auf die Tagesordnung der EU gesetzte Initiative für ein eigenständiges EU-Ostseeprogramm soll mit diesen Leitlinien konsequent weiterverfolgt werden.
  • Die Präsenz der Ostseeregion in Brüssel wird von entscheidender Bedeutung sein. Die Landesregierung will daher das Hanse-Office als Lobby für die Ostseeregion in Brüssel weiterentwickeln. Die Akquirierung von EU-Fördermitteln für Vorhaben in der gesamten Ostseeregion ist dabei besonders wichtig.
  • Besondere Aufmerksamkeit gilt auch in Zukunft der Zusammenarbeit mit unseren Nachbarregionen in Dänemark- insbesondere mit Sonderjylland - im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG.
  • Die bisherigen Anstrengungen zum Ostsee-Umweltschutz bedürfen der Ergänzung durch Gemeinschaftsanstrengungen der Ostseeanrainerstaaten und der EU. Insbesondere das "hotspot"-Programm der Helsinki-Kommission (HELCOM) darf nicht durch eine verzögerte Bereitstellung der erforderlichen Finanzmittel beeinträchtigt werden.
  • Im Bereich der Verkehrsinfrastrukturen geht es vor allem auch um den Ausbau des Schiffs-, Fährschiffs- und Eisenbahnverkehrs.
  • Im Bereich der Telekommunikation kann Schleswig-Holstein Initiator und Ausgangspunkt für den Aufbau ostseeweiter Netze sein, die das Land zugleich in europäische Netzwerke einbinden (z.B. DV-gestütztes Informationssystem TISCH).
  • Im Bereich der Energieversorgung wird der Aufbau ostseeweiter Energieverbundnetze im Einklang mit Kriterien der Umweltverträglichkeit erfolgen. Der Aufbau dezentraler, regional und lokal angepasster Energiekonzepte Muss gefördert werden. Der Austausch und Transfer von Know-how und energieeinsparenden Technologien, die rationelle Energienutzung und die Anwendung von Wind- und Sonnenenergietechnologien soll intensiviert werden. Die in der Ostseeregion bestehenden Atomkraftwerke sollen schnellstmöglich vom Netz genommen werden; unser Ziel ist, in der Ostseeregion eine Energieversorgung ohne Atomkraft sicherzustellen.
  • Im Bereich der Wirtschaftspolitik geht es um die Verbesserung von Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln, dies gilt z. B. für den Abbau von Handelshemmnissen, die Heranführung der EU-Beitrittsstaaten an Normen und Standards des Binnenmarktes, den Aufbau einer Freihandelszone Ostsee unter Einschluss Polens, der baltischen Staaten sowie Russlands, eine gemeinsame Imagewerbung, eine ostseeorientierte Wirtschaftsförderung z. B. durch ein regelmäßiges "Balt Partenariat" oder für den Ausbau des Standortes Schleswig-Holstein für ostseebezogene Forschung, Bildung, Aus- und Weiterbildung.

Eine Welt

Die Konferenzen der Vereinten Nationen zu Umwelt & Entwicklung (Rio); Soziales (Kopenhagen) und Frauen (Beijing) haben das Bewusstsein dafür geschärft, dass in der Einen Welt soziale Gerechtigkeit, das friedliche Zusammenleben der Völker, die Gleichberechtigung der Frauen und ökologische - und nur damit auch ökonomische - Nachhaltigkeit einzig unter der Bedingung zu erlangen sind, dass alle Facetten dieser Zielsetzung als globale Herausforderung begriffen werden. Dass hierbei der Norden eine besondere Verantwortung trägt, da sich der Wohlstand auf den Inseln der westlichen Industrienationen durch die seit Generationen währende Ausbeutung der natürlichen Ressourcen wie der Menschen im Süden begründet, wird erst allmählich Allgemeingut in der gesellschaftlichen Debatte und dem öffentlichen Bewusstsein der Menschen in Europa.

Aufgrund des Zusammenwachsens der Weltgesellschaft mit allen ihren Problemen, wird auch Schleswig-Holstein der Eine-Welt-Politik einen größeren politischen Stellenwert zumessen.

Den weltweiten Anstrengungen der Frauen um Sicherung der sozialen und ökologischen Lebensgrundlagen wie ihrer vielfältigen Benachteiligung ist dadurch gerecht zu werden, dass auch im Bereich der Eine-Welt-Politik der Förderung von Frauenprojekten Priorität beizumessen ist.


Eine-Welt-Politik ist Querschnittsaufgabe der Landespolitik

Die Landesregierung versteht ihre Eine-Welt-Politik als Querschnittsaufgabe in dem Sinne, dass alle Politikbereiche des Landes die genannte Zielsetzung unterstützen. Dieses gilt z.B. genauso für die internationalen Beziehungen wie für die Erstellung von Lehrplänen. Der Eine-Welt-Bereich im Ministerium für Europa und Bundesangelegenheiten muss dementsprechend strukturell (Kompetenzen und Personal) aufgewertet werden.

Zur Unterstützung und Beratung für diese Aufgaben wird von der Landesregierung ein Eine-Welt-Beirat berufen, dem Vertreterinnen und Vertreter der Nichtregierungsorganisationen, der Wissenschaft und anderer gesellschaftlicher Gruppen angehören.


Bildungs- und Informationsarbeit

Entwicklungspolitische Bildungs- und Informationsarbeit muss einen höheren Stellenwert als bisher erhalten. Vor allem sollten verstärkt die vielfältigen Initiativen vor Ort gefördert werden. Viele dieser Gruppen sind im Bündnis Entwicklungspolitischer Initiativen zusammengeschlossen. Um die Arbeit des B.E.I. und seiner Mitgliedsgruppen gerade in der als notwendig erachteten Verstetigung der Bildungs- und Informationsarbeit sicherzustellen, ist eine institutionelle Förderung des Netzwerkes zu gewähren, bis aktuelle Bestrebungen, im Rahmen des Quadrilogs, eine Trägerstrukturförderung längerfristig absichern (Stiftungsmodell), zu einem erfolgreichen Abschluss geführt worden sind. In der Zwischenzeit sind für Personal- und Sachmittel 100.000 DM/a in den Haushalt einzustellen.

Der Kleinprojektefonds für Bildungs- und Informationsarbeit wird noch 1996 auf 50.000 DM erhöht. Bis zur nächsten Haushaltsberatung wird eine Konzeption für ein Netz von dezentralen Eine-Welt-Informationsstellen und Promotorinnen und Promotoren erarbeitet.


Klimaschutzkonvention

Als deutliches Zeichen für seine Absicht, sich von einer unverantwortlichen Lebensweise des beschleunigten Ressourcenverzehrs abzuwenden, tritt Schleswig—Holstein dem Klima-Bündnis als assoziiertes Mitglied bei.


Auslandsprojekte

Die Landesregierung wird auch weiterhin die Durchführung der Auslandsprojekte in der Obhut der NROs belassen.

Die Förderkriterien werden darauf überprüft, ob der Förderung von Frauenprojekten besondere Priorität eingeräumt wird und ob der Partizipation der Zielgruppen maximaler Platz gewährt wird. Auf Nachhaltigkeitskriterien ist zu achten.

Den ökologischen Umbau vorantreiben und die ländlichen Räume stärken

Ökologische Modernisierung

Umweltpolitik ist eine übergreifende Aufgabe der gesamten Landespolitik. Die Bewahrung der Umwelt und damit unserer Lebensgrundlagen muss Priorität bekommen. Wir wollen Schleswig-Holstein zu einer ökologischen Modellregion entwickeln, in der eine integrierte und nachhaltige Wirtschafts- und Umweltpolitik stattfindet. Wir stehen mit unserem heutigen Handeln in der Verantwortung auch für zukünftige Generationen; wir stehen für eine ökologische Offensive. Ohne sie haben wir auch wirtschaftlich keine Zukunft. Eine vorsorgende Umweltpolitik sichert und erhält unsere natürlichen Lebensgrundlagen: Eine spätere Sanierung von Umweltschäden ist oft nicht mehr möglich, die Kosten sind um ein Vielfaches höher und belasten unsere Nachkommen. Umweltpolitik ist daher kein Luxus für wirtschaftlich gute Zeiten, sondern existentielle Voraussetzung unseres Lebens. Auch aus Verantwortung für "Eine-Welt" muss ein entschieden umweltorientiertes Gegensteuern in Gesellschaft und Wirtschaft stattfinden.

Neben einer Neuausrichtung in der Politik ist entscheidend die Veränderung im Handeln jedes einzelnen Menschen. Nur durch eine Änderung des gesellschaftlichen Wertesystems im Sinne einer nachhaltigen, natur- und umweltverträglichen Nutzung kann die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft gesichert werden. Aus diesem Grunde misst die Landesregierung der Umweltbildung für Menschen aller Altersgruppen und aller Lebens- bzw. Arbeitswelten eine besondere Bedeutung zu, sie trägt zur Befähigung des Menschen bei, durch sein Verhalten den Erhalt und Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern.

Die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger wird auch durch ihre aktive Beteiligung am politischen Entscheidungsprozess, die Verbesserung des Zugangs zu Umweltinformationen und die Nutzung neuer Gesprächs- und Konfliktmanagementinstrumente gefördert. Die Landesregierung wird keine Abstriche am erreichten Umweltschutzniveau, bei den Beteiligungsrechten der Öffentlichkeit und der materiellen Prüfungsdichte sowie beim Rechtsschutz Drittbetroffener, sei es im Immissionsschutz-, im Wasser-, im Abfall, im Gentechnik- oder im Chemikalienrecht, zulassen. Zur Durchführung und Anwendung des Bundesumweltinformationsgesetzes wollen wir schnellstmöglich einen Runderlass verabschieden.

Damit soll in für die Landesbehörden einheitlicher Form unter Wahrung der Bestimmungen der Umweltinformations-Richtlinie 90/313/EWG ein Höchstmaß an freiem Zugang zu Umweltinformationen gewährleistet werden. Die Inhalte des Erlasses sollen dem in dieser Sache gefassten Landtagsbeschluss vom 26.4.1995 entsprechen. Die vorzusehenden Interpretationshilfen und Vollzugsempfehlungen sollen durch das LANU erfolgen.

Das Vorsorgeinstrumentarium der Umwelt- und Naturschutzpolitik des Landes wird insbesondere durch den ökologisch orientierten Einsatz öffentlicher Fördermittel, eine Umwelterheblichkeitsprüfung bei allen Landesförderprogrammen verwirklichen. Darüber hinaus wird geprüft, ob durch ein Landes- UVP-Gesetz die bundesrechtlichen Vorgaben wirksamer umgesetzt werden können.

Eine zentrale Umweltdatenbank des Landes wird beim LANU eingerichtet. Die Landesregierung wird ihre Vorbildfunktion wahrnehmen, so im öffentlichen Beschaffungswesen und bei dem Einsatz für eine Fortschreibung des Standes der Technik.

Aktiver, in alle Politikbereiche übergreifender Klimaschutz ist eine der Schwerpunktaufgaben der Landesregierung. Zur Abwehr der drohenden Klimakatastrophe ist eine drastische Reduzierung der fossilen Brennstoffverbräuche notwendig. Das COZ—Minderungs- und Klimaschutzprogramm als ressortübergreifende Aufgabe ist ein wichtiger Baustein dieser Politik. Zur Mitte der Legislaturperiode wird dem Landtag zum Umsetzungsstand des Klimaschutzprogramms berichtet. Die Landesregierung wird die Kommunen bei ihren Aktivitäten zum kommunalen Klimaschutz unterstützen.

Wir wollen den ökonomischen Aufbruch auf der Grundlage ökologischer Innovation. Die überwiegend mittelständisch strukturierte Wirtschaft unterstützen wir bei der Entwicklung von produktionsintegrierten, ressourcenschonenden Techniken und Verfahren. Dies erfolgt z. B. durch die Verbesserung der beruflichen Bildung gemeinsam mit den Kammern, eine Absatzstärkung umweltfreundlicher Produkte durch verstärkte Verbraucheraufklärung sowie die Förderung des Öko-Audits. Wir wollen zusammen mit der Wirtschaft die Gründung meines Öko-Test-Instituts für ökologische Bauprodukte initiieren.

Die Landesregierung wird Arbeit durch Umwelt schaffen, indem die Einnahmen aus den Umweltabgaben entsprechend zweckgebunden genutzt und darüber hinaus durch die Arbeitsverwaltung verstärkt Mittel für die Arbeitsbeschaffung im Umweltschutz eingesetzt werden.

Die Landesregierung wird sich für die Errichtung einer bundesweiten Umweltlotterie, die von den großen Organisationen für Umwelt und Entwicklung getragen wird, einsetzen. Unabhängig davon ist als Einstieg eine Umweltlotterie auf der Ebene des 3. Fernsehprogramms des NDR anzustreben.

Wir setzen uns mit Nachdruck für eine ökologische Steuerreform und den Abbau umweltpolitisch kontraproduktiver Steuertatbestände ein und werden auf Bundesebene dieses Ziel entschieden verfolgen.

Natur- und Landschaftsschutz

Der Raubbau an der Natur ist auch ein Raubbau an der Zukunft von Mensch und Natur. Wir wollen deshalb eine Politik betreiben, die unsere Natur und ihre Ressourcen für die nachfolgenden Generationen bewahrt. Dabei haben Pflanzen und Tiere ihre eigene Daseinsberechtigung: Sie sind auch um ihrer selbst willen zu schützen. Diese Prinzipien sind zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Umsetzung des Art. 7 der Landesverfassung und zur nachhaltigen wirtschaftlichen, natur- und umweltverträglichen Entwicklung des Landes auf ganzer Fläche zu verfolgen.


Naturschutz

Das Landesnaturschutzgesetz wird konsequent umgesetzt. Dies erfolgt u.a. durch die zügige Erarbeitung und Umsetzung der notwendigen fachlichen Grundlagen, so der Verordnungen und Ausführungsbestimmungen zu Biotopen nach 5 15a LNatSchG und des Knickerlasses.

Die Biotopverbundplanung und deren Umsetzung wird unter Bündelung von finanziellen Mitteln ebenso wie die Ausweisung weiterer Naturschutzgebiete zügig vorangetrieben. Die Naturschutzgebietsfläche wird von derzeit 2,4 % auf mindestens 4 % im Jahr 2000 erhöht (durchschnittlich mindestens 2000 ha pro Jahr). Insbesondere die Gebiete “Elbinsel Pagensand", "Stecknitz-Delvenau-Niederung" sowie "Mittlere und Südliche Wakenitz" sind schnellstmöglich als Naturschutzgebiete auszuweisen

Ferner sollen Großschutzgebiete mit einer Mindestgröße von 500 ha neu ausgewiesen oder vorhandene Gebiete erweitert werden (Geltinger Birk, Nördliche Seeniederung Fehmarn, Eider-Treene-Sorge-Niederung, Oberalsterniederung, Osterau, Eidertal südlich Kiel).

Als weiteres Gebiet gesamtstaatlicher repräsentativer Bedeutung wird nach Sicherstellung einer Finanzierung das Kossautal ausgewiesen. Für den Bereich Schaalsee-Landschaft soll die Ernennung als UNESCO-Biosphärenreservat beantragt werden. Ältere Naturschutzverordnungen, die den heutigen ökologischen Standards nicht mehr entsprechen, sind zu überprüfen und ggf. anzupassen.

Kreise und Gemeinden werden genauso wie örtlich tätige Naturschutzverbände bei ihren wichtigen Maßnahmen für den biologischen Flächen- und Artenschutz unterstützt. Bei der Sicherung und Schaffung von Vorrangflächen für den Naturschutz werden alle Instrumente vom Flächenankauf bis zu Naturschutzprogrammen im Agrarbereich genutzt. Landeseigene Flächen, die naturschutzwürdig, ökologisch wertvoll oder für den Aufbau eines landesweiten Biotopverbundsystems oder für den Artenschutz von Bedeutung sind, werden nicht verkauft. Zur inhaltlichen Bestimmung und Förderung der Naturerlebnisräume werden Grundsätze erarbeitet.

Wir wollen die Belastungen von Natur und Umwelt durch Planung und Ausgleich für Eingriffe so gering wie möglich halten. Die Eingriffsregelung des Bundes soll über eine Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes in diesem Sinne geändert werden. Eine weitere Abschwächung der Eingriffs-/-Ausgleichsregelung wird abgelehnt.

Der Runderlass zum Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zum Baurecht wird unter besonderer Wahrung ökologischer Belange und der Belange des Naturschutzes zügig überarbeitet. Dabei ist insbesondere dem Flächen- und Biotopschutz, dem Bodenschutz und der Instandhaltung des Wasserhaushaltes und dem Ausgleich im naturräumlichen Zusammenhang, auch über zweigeteilte Bebauungspläne stärker Rechnung zu tragen. Aktuelle Eingriffe auf der Grundlage älterer Bebauungspläne sowie in Gebieten nach § 34 BBauG können auch durch Geldleistungen ausgeglichen werden. Ausgleichszahlungen an die Oberste Naturschutzbehörde werden für Naturschutzmaßnahmen verwendet. Für in Anspruch genommene Ausgleichsflächen wird ein Kataster eingerichtet.

Der gemeinsame Erlass des Wirtschafts- und des Landwirtschaftsministers zum "Verfahren zur Bewertung von Eingriffen und Ausgleich im Rahmen landschaftspflegerischer Begleitplanungen für Straßenbau" vom Juli 1987 wird unter Wahrung ökologischer Belange und von Belangen des Naturschutzes überarbeitet.

Wir werden eine Bundesratsinitiative zur lange überfälligen Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes einbringen bzw. unterstützen, die das Ziel hat, Naturschutz in unserem Wirtschaften zu verankern: Auf allen Flächen und nicht nur in einzelnen, isolierten Biotopen. Dazu gehört, dass der Umgang mit der Natur durch Land- und Forstwirtschaft, durch Freizeitgestaltung und durch Siedlungs- und Verkehrswegebau naturverträglich gestaltet werden muss. Die geltenden Landwirtschaftsklauseln sind abzuschaffen, die Biosphärenreservate sollen ebenso wie die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie ein gesetzliches Fundament erhalten. Bezüglich der FFH-Richtlinie soll die Bundesratsinitiative das Ziel verfolgen, die FFH-Richtlinie in ihrem umfassenden Naturschutzansatz vollständig und konsequent umzusetzen. Die Eingriff-/-Ausgleichsregelung ist unter Wahrung ökologischer Belange und von Belangen des Natur- und Artenschutzes zu ändern. Ferner soll die Verbandsklage auf Bundesebene eingeführt, die Landschaftsplanung als verbindliche, flächendeckende Naturschutzplanung gestärkt und ein umfassendes Monitoring eingeführt werden.

Die Flora-, Fauna- und Habitat-Richtlinie (FFH) und die Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union werden wir in ihrem umfassenden Naturschutzansatz schnell, konsequent und vollständig umsetzen. In einem ersten Schritt werden die Schutzgebiete gemäß Anlage zur Drs. 13/2817 vom 2.6.1995 gemeldet. Zur weiteren Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie sind die fachlichen Grundlagen zügig zu erarbeiten, wobei die Vogelarten des Anhang 1 der RL als prioritär zu werten sind. Nach Abschluss der jeweiligen Verfahren einschließlich einer Beteiligung der Öffentlichkeit sind die Gebiete auszuweisen und zu melden. Bezüglich der Umsetzung der FFH-RL soll auf der Grundlage der "Liste der FFH-relevanten Gebiete" des LANU die weitere Meldung von Gebieten erfolgen. Den Naturschutzverbänden wird für die zu benennenden Gebiete ein Vorschlagsrecht eingeräumt.


Landschaftsschutz

Die kommunalen Landschaftspläne sollen zügig aufgestellt werden. Die Kommunen werden dabei weiterhin vom Land finanziell gefördert. Es wird eine an ökologischen Belangen und den Belangen des Naturschutzes orientierte Verordnung über Inhalte und Verfahren der Landschaftsplanung erarbeitet. In dieser Verordnung sollen u.a. die Notwendigkeit zur umfassenden Zustandserfassung von Natur und Landschaft, zur Status- und Eignungsbeurteilung der Flächen nach fachlichen Kriterien und zur Einbeziehung von Naturnutzerinnen und Naturnutzern sowie Naturschützerinnen und Naturschützern dargestellt werden. Die gewonnenen Daten sollen in die Landesfachdatenbanken aufgenommen werden können. Ferner soll die Verordnung Aussagen darüber enthalten, welche Inhalte des Landschaftsplanes in die Bauleitpläne zu übernehmen sind. Ausnahmen von der gesetzlichen Verpflichtung zur Aufstellung von Landschaftsplänen sind grundsätzlich nicht zulässig. Das Land wird durch geeignete Mittel die Umsetzung und Stärkung der Inhalte der Landschaftsplanung fördern, z.B. durch ein Pilotprojekt im Rahmen des Biotopverbundsystems mit sog. Umsetzungsberatern.

Die Verpflichtung zur Erstellung des Landschaftsprogrammes und der Landschaftsrahmenpläne wird schnellstmöglich erfüllt. Die raumbedeutsamen Erfordernisse und Maßnahmen dieser Fachplanungen werden bei der Neufassung des Landesraumordnungsplanes und bei der Fortschreibung bzw. Teilfortschreibung der Regionalpläne übernommen.


Förderung des Naturschutzes

Die Stiftung Naturschutz soll durch die Zusammenarbeit mit der Landesentwicklungsgesellschaft finanziell gestärkt werden. Die im Eigentum des Landes befindlichen und für Zwecke des Naturschutzes geeigneten Flächen einschließlich der forstlich nicht genutzten Flächen der Forstverwaltung werden der Stiftung Naturschutz auf deren Wunsch hin übertragen. Dies darf nicht die Betreuung von Schutz- und Nutzgebieten aus einer Hand behindern. Darüber hinaus sollen Flächen für die Verwirklichung des Biotopverbundes insbesondere mit Mitteln der Grundwasserentnahmeabgaben erworben und der Stiftung Naturschutz übertragen werden. Das Stiftungskapital ist so aufzustocken, dass hieraus auch die erforderlichen Mittel zur Verwaltung der Flächen getragen werden können.

Die Förderungsgebiete der Biotopprogramme im Agrarbereich sind der landesweiten Schutzgebiets- und Biotopverbundplanung anzupassen. Wir wollen weiterhin eine Überprüfung der Vertragstypen unter ökologischen Gesichtspunkten und hinsichtlich ihrer Effizienz für den angestrebten Natur- und Artenschutz.

Die Naturschutzverbände sind wichtige Partner zur Umsetzung der Ziele des Natur- und Umweltschutzes. Wir werden die institutionelle Förderung zugunsten einer Förderung der großen Natur- und Umweltschutzverbände des Landes umstellen und die Durchführung von Projekten im Bereich des Natur- und Umweltschutzes weiterhin fördern.

Die Arbeit der Akademie für Natur und Umwelt soll inhaltlich auf eine noch breitere Basis gestellt und weiterhin institutionell gefördert werden.

Das Ökologiezentrum der Universität Kiel wird zu einem interdisziplinären Wissenschaftszentrum ausgebaut, um Forschung, Lehre und Politikberatung mit dem Ziel eines vorsorgenden Gesundheits- und Umweltschutzes zu beschleunigen.

Zur Betreuung und Entwicklung von Großschutzgebieten soll ein Konzept zu Umsetzungsstrategien in diesen Naturräumen entwickelt und für mindestens ein Gebiet umgesetzt werden. Bei der Ausweisung künftiger Großschutzgebiete sind diese konzeptionellen Ansätze zu berücksichtigen. Für die Eider-Treene-Sorge-Niederung soll eine Station zur Betreuung und Entwicklung des Naturraumes eingerichtet werden mit den Aufgaben:

  • Empfehlungen über die Pflege und Entwicklung der dortigen Schutzgebiete und der Region zu erarbeiten;
  • Pflege- und Entwicklungspläne umzusetzen und fortzuschreiben;
  • die Naturschutzbehörden bei ihren gebietsbezogenen Planungen zu beraten;
  • praxisbezogene Forschungsarbeit durchzuführen, um Grundlagen einer künftigen Schutzpolitik zu gewinnen;
  • Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Landwirtinnen ‚und Landwirte vor Ort zu sein und diese z. B. bei der Umsetzung der Vertragsinhalte der Biotopprogramme im Agrarbereich zu beraten und zu unterstützen sowie
  • Informationen zu vermitteln über Schutzgegenstand und -ziel.

Energiepolitik

Präambel

Für die Koalitionspartner SPD und Bündnis 90/ Die Grünen sind der Ausstieg aus der Atomenergie und verstärkte Schritte in eine zukunftsfähige Energiewirtschaft unter Klimaschutzgesichtspunkten untrennbar miteinander verbundene Ziele.

Jeder Tag, an dem Atomkraftwerke noch laufen und jeder Tag, an dem weitere Energie verschwendet wird, ist schädlich im Sinne unserer gemeinsamen Zielsetzung.

Das von den Koalitionspartnern formulierte Konzept für zukunftsfähige Energiepolitik steht in krassem Widerspruch zu den Zielen der amtierenden Bundesregierung, die weiterhin auf die Atomenergie setzt und die Energiewende eher behindert als fördert. Die Koalitionspartner wollen die daraus zwangsläufig folgende politische Auseinandersetzung aktiv führen. Sie wollen aber auch mit all denen eine ebenso aktive Zusammenarbeit organisieren, die das Ziel einer im globalen Sinne zukunftsfähigen Energiepolitik verfolgen.

"Global denken, lokal handeln" ist dabei eine wesentliche Leitlinie.

Die Bundesregierung und die großen Stromversorgungsunternehmen behaupten, dass die Nutzung der Atomenergie ein Beitrag zur Lösung der drohenden Klimakatastrophe sei. Diese Auffassung ist falsch:

  • Alle internationalen Energieszenarien gehen selbst bei gigantischen Ausbauprogrammen der Atomenergie zugleich von wachsendem Verbrauch fossiler Energieträger aus.
  • Atomkraftwerke sind schon deshalb keine globale Alternative, weil die allermeisten Entwicklungsländer nicht über die dazu erforderlichen Höchstspannungs-Verbundnetze verfügen. Selbst die Weltbank kommt zu dem Ergebnis, dass eine COZ-Reduktion durch Atomkraftwerke zu teuer, fehlangepasst und volkswirtschaftlich unsinnig wäre.
  • Atomkraftwerke sind nicht COZ-frei. Bei einer Gesamtbetrachtung gehören dazu auch die Uranerz-Minen und die Uranverarbeitungsanlagen. Der hierfür benötigte Energieeinsatz wird aus fossilen Energieträgern bereitgestellt. Hinzu kommt ein großer Flächenverbrauch in den Ländern, die Uranerz fördern.
  • Wird die gesamte Prozesskette von der Primärenergiegewinnung über die Herstellung der Anlagen, ihren Betrieb und ihren Abbau betrachtet, so zeigt sich folgendes: Strom aus regenerativen Energien (Wasser, Sonne, Wind) weisen weniger COZ-Emissionen pro abgegebener kWh Strom auf als Atomkraftwerke. Dies gilt auch für moderne Heizkraftwerke (Gas- oder Biomassebetriebe) und Blockheizkraftwerke, weil sie nicht nur Strom produzieren, sondern durch den Prozess der Kraft-Wärme-Kopplung zugleich auch Wärme, wodurch der sonst erforderliche Einsatz von Öl oder Gas zur reinen Wärmeproduktion vermieden wird.
  • Die Effizienzstrategie (Energiesparen, Einsatz regenerativer Energieträger und die rationelle Energieverwendung in Kraft-Wärme-Kopplung) ist außerdem billiger als die sog. Nuklearstrategie. Um eine t CO2 zu vermeiden, müssen in eine Windkraftanlage nur halb soviel investiert werden, wie in ein Atomkraftwerk.
  • Angesichts wachsender Arbeitslosigkeit ist auch von hoher Bedeutung, dass die Effizienzstrategie viel mehr Arbeitsplätze schafft als die sog. Nuklearstrategie.

Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wie im Land, will nach wie vor den Ausstieg aus der Atomenergie.

Deshalb wird die Landesregierung mit allen energiepolitisch engagierten Bürgerinnen und Bürgern und ihren Organisationen zusammenarbeiten. Sie wird auch über den Bundesrat versuchen, den untrennbaren Verbund Ausstieg aus der Atomenergie und Entwicklung einer zukunftsfähigen Energiewirtschaft schnell voranzubringen. Im Sinne einer Leitlinie und Festlegung für die nächsten 4 Jahre eines Regierungshandelns folgen die entsprechenden Teile "Ausstieg aus der Atomenergie" und Einstieg in die Sonnenenergiewirtschaft".

Der Weg zu einer zukunftsfähigen Energieversorgung führt über verstärkte Energiesparmaßnahmen, die Förderung der dezentralen Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung sowie den Einsatz regenerativer Energien.

Bei der Lösung der globalen Probleme aus dem derzeit noch ungebremsten Energieverbrauch kommen der Energieeinsparung, der rationellen Energieverwendung und der Nutzung erneuerbarer Energien eine Schlüsselrolle zu. Die Landesregierung sieht es als aktuelle energiepolitische Aufgabe, deren Einsatz zu forcieren und die Voraussetzungen für eine dauerhaft umweltgerechte Energienutzung und -versorgung zu schaffen.

Mehr als 90 % der COZ-Emissionen sind bedingt durch die Verbrennung fossiler Energieträger. Die Zielsetzung der Bundesregierung, die COZ-Emissionen in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2005 um 25 % zu reduzieren, ist mit den bisher vom Bund eingeleiteten Maßnahmen nicht erreichbar. Deshalb wird Schleswig-Holstein unabhängig von der Bundespolitik mit einem eigenen Klimaschutzprogramm aus eigener Kraft Beiträge zur Minderung der CO2-Emissionen leisten. Dabei kommt der Durchsetzung von Energiesparmaßnahmen sowohl im Neubau als auch im Gebäudebestand eine besondere Bedeutung zu. Erst eine zukunftsweisende und umweltgerechte Energienutzung vor allem im Bereich der Niedertemperaturwärme zur Gebäudeheizung schafft die Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz erneuerbarer Energiequellen, insbesondere der Solarenergie und im Bereich der Raumwärme.

Weiterhin ist es Ziel der Landesregierung, auf Seiten der Energiebedarfsdeckung bis zum Jahr 2010 ein Drittel des Wärmebedarfs, insbesondere durch die in dezentralen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen anfallende Abwärme zu decken. Mindestens 25 % des Strombedarfs sollen mit Windkraftanlagen erzeugt werden. Der Anteil der Biomasse an der Energiebedarfsdeckung soll erheblich gesteigert werden.

Die Energieversorgungsunternehmen sind dabei, in vielen Bereichen der Wirtschaft eine zentrale Machtstellung zu erobern. Dieser Prozess gefährdet einen wirksamen Verbraucherschutz und den demokratischen Einfluss auf die zukünftige Energiepolitik. Der landesrechtliche Handlungsspielraum wird zur Schaffung von marktgerechten Strukturen eingesetzt, unter denen ökonomische Anreize Privatkapital für die ökologische Energiewende mobilisieren.


Energieeinsparung mobilisieren

  1. Die Einsparung von Energie beinhaltet nach wie vor das größte CO2-Minderungspotential. Die vorhandenen Potentiale sollen durch vorbildliches Handeln der Landesregierung, Fort- und Weiterbildung, ordnungsrechtliche Maßnahmen und vor allem durch Mobilisierung der Marktkräfte erschlossen werden.
  2. Energiesparaktivitäten im öffentlichen und privaten Bereich werden intensiviert, insbesondere durch weitere Kostenreduktion bei Investitionen (z.B. durch verbesserte Käuferorganisationen) und die Anwendung neuer Finanzierungsmodelle (Contracting).
  3. Das Land wird seiner Vorbildfunktion durch Selbstverpflichtungen für den eigenen Bereich des Neubaus, der Sanierung und des Betriebs der Landesliegenschaften gerecht, um allen weiteren Akteuren im Lande die Glaubwürdigkeit des weiterentwickelten Landesklimaschutzprogrammes deutlich zu machen. Dafür werden hinreichende Mittel bereitgestellt und die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen, z.B. durch Berücksichtigung pauschalisierter externer Kosten der Energieverwendung, geschaffen. Damit können langfristig rentierliche und kostenneutrale Investitionen im Energiebereich realisiert werden. Bei der Beschaffung wird verstärkt darauf geachtet, dass besonders energiesparende Geräte, Einrichtungen und Dienstfahrzeuge eingesetzt werden.
  4. Vergabe zweckgebundener Mittel an Dritte (insbesondere Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften) für neue Hochbauten bzw. die Sanierung bestehender Gebäude wird an die Einhaltung energietechnischer Auflagen gebunden.
  5. Die bestehenden Niedrig-Energie-Haus-Programme werden schrittweise zugunsten von Maßnahmen der wärmetechnischen Sanierung des Altbestandes zurückgeführt. Zur Sicherung des NEH-Standards bis zur verbindlichen Einführung der zweiten Stufe der Wärmeschutzordnung werden die rechtlichen Möglichkeiten des Landes ausgeschöpft (Landeswärmeschutzverordnung).
  6. Der Einsatz von Strom im Wärmebereich, insbesondere durch elektrische Widerstandsheizungen, wird im Rahmen der landesrechtlichen Möglichkeiten weiter zurückgedrängt. Hierbei ist auch die Möglichkeit der Novellierung von 5 17.3 Gemeindeordnung zu prüfen.
  7. Energiesparaktivitäten der Energieunternehmen werden weiterhin durch geeignete, insbesondere energieaufsichtliche Maßnahmen unterstützt. Stromtarife werden durch das Land im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten nur genehmigt, wenn von den Antragstellern effektive Stromeinsparprogramme durchgeführt werden. Die Kosten für solche Programme werden bei der Tarifgenehmigung anerkannt.
  8. Die Landesregierung strebt eine noch weitergehende Linearisierung der Strompreise an, insbesondere auch mit einer Iastvariablen Ausgestaltung. Sie wird im Bundesrat initiativ, um im Rahmen einer BTO-Novelle einen sich an den Grenzerzeugungskosten orientierenden eingliedrigen Strompreis nach dänischem Vorbild als Pflichttarif durchzusetzen.


Infrastrukturen schaffen für effiziente Wärme-Versorgungssysteme

  1. Die Kraft-Wärme-Kopplung ist von den konkurrenzfähig verfügbaren Technologien diejenige, die über eine umfassende Effizienzsteigerung bei der Stromerzeugung zu erheblichen Klimaschutzeffekten führt.
  2. Für fast alle Techniken und COZ-Wärmeversorgungssysteme gilt, dass sie einen Zusammenschluss mehrerer Wärmeverbraucher über ein Wärmenetz erfordern. Diese können mit fossiler Energie, in Kraft-Wärme-Kopplungen, mit Biomasse oder auch mit Solarenergie betrieben werden. Gegenüber der ÖI- bzw. Gas-Einzelversorgung bilden deshalb Wärmenetze eine Infrastruktur mit hoher Zukunftsflexibilität. Dass diese ausgebaut werden, ist ein zentrales Ziel der Landesregierung.
  3. Die Landesregierung wird alle landesrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die verschiedenen ökonomischen Hemmnisse beim Einsatz von Blockheizkraftwerken von Dritten durch Verbesserung der Einspeisebedingungen abzubauen (City-gate-Konzept). Zusätzlich wird eine entsprechende Bundesratsinitiative ergriffen. Die Landesregierung fördert Pilotvorhaben mit Blockheizkraftwerken, die von der Auslegung her besser als bisher in Abhängigkeit von der Netzlast betrieben werden können.
  4. Die Landesregierung verfolgt das Ziel, im Einvernehmen mit der Wohnungswirtschaft beim Neubau zentrale Wärmeversorgungsanlagen und den möglichst weitgehenden Zusammenschluss mehrerer Gebäude über Nahwärmenetze vorzusehen. Es wird geprüft, ob dies im Rahmen einer Novellierung der Landesbauordnung aufgenommen werden kann.


Die Nutzung regenerativer Energien forcieren

  1. Die erneuerbaren Energien stellen gerade im landwirtschaftlich strukturierten Schleswig-Holstein immer wichtigere Energieträger dar, die auch industriepolitisch und unter Arbeitsmarktgesichtspunkten von Bedeutung sind.
  2. Die Landesregierung setzt sich für einen geordneten und insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Natur- und Landschaftsschutzes geplanten Ausbau der Windenergie ein.
  3. Die vom Bundestag vorgesehene Privilegierung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien ist von einem geordneten und abgestimmten Vorgehen auf allen relevanten Planungsebenen zu begleiten.
  4. Schleswig-Holstein hat eine Bundesratsinitiative zur Präzisierung des Stromeinspeisegesetzes vorbereitet, der für den weiteren Ausbau der Windenergie eine wichtige Bedeutung zukommt.
  5. Die Förderprogramme zur Nutzung der Solarenergie werden im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung fortgesetzt. Kommunen und Energieunternehmen sollen animiert werden, durch ergänzende Förderprogramme die Verbreitung der Solartechnik zu unterstützen.
  6. Der Einsatz der Solarenergie zu Heizzwecken (unter Einschaltung von Langzeit-Wärme-Speicherung) als Zukunftstechnologie wird initiiert und vorangetrieben.
  7. Die Landesregierung verfolgt das Ziel, im Einvernehmen mit der Wohnungswirtschaft und den Kommunen solarthermische Anlagen im Geschoßwohnungsbau einzusetzen. Es wird geprüft, ob dies im Rahmen einer Novellierung der Landesbauordnung aufgenommen werden kann.
  8. Vorhaben von Kommunen, für PV-Strom eine kostendeckende Vergütung vom zuständigen Energieversorger zahlen zu lassen, werden unterstützt; derartige Vergütungen sind jedoch in ihrem Volumen zu begrenzen.
  9. Die Landesregierung wird die Erschließung der vorhandenen Biomasse-Potentiale im Rahmen des Biomassehandlungsplans insbesondere durch die Förderung technologischer Innovationen, (z. B. der Feststoffvergasung, verstärken. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Energienutzung der Biomasse werden die Handlungsmöglichkeiten der Landwirtschafts-, Forstwirtschafts-, Abfall- und Energiepolitik koordiniert und zielgerichtet eingesetzt.


Aus- und Weiterbildung sowie Forschung intensivieren

  1. Eine zukunftsorientierte Klimapolitik bedarf vor allem einer umfassenden Aus- und Weiterbildung von Architekten, Ingenieuren und Handwerkern.
  2. Gemeinsam mit den Verbänden wird in Zusammenarbeit mit anderen Ländern ein Impulsprogramm für die Weiterqualifikation zur effizienten Energienutzung in den Bereichen Wärme- und Stromeinsparung sowie Biomasse und Solar aufgelegt.
  3. Die bisher erfolgreiche Zusammenarbeit mit Dänemark wird u.a. durch den Aufbau eines Studiengangs "Energie- und Umweltmanagement" am Standort Flensburg weiter ausgebaut.


Den landesrechtlichen Handlungsspielraum ausschöpfen

  1. Zwar werden die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Energiewirtschaft auf Bundesebene festgelegt. Die Länder verfügen aber über wichtige Instrumente in Form der Preis-, Kartell, Investitions- sowie der Kommunalaufsicht. Durch eine koordinierte Anwendung sollen die Rahmenbedingungen für eine effizientere Energieverwendung verbessert werden.
  2. Eine besondere Bedeutung kommt der Gestaltung der Preisstrukturen auf den verschiedenen Ebenen zu. Das Instrument der Preisaufsicht wird in Verbindung mit dem der Kartellaufsicht aktiv zur Beeinflussung des Verhaltens der im Lande tätigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen genutzt. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten werden bzw. wird
    • die Vertragswerke der EVU untereinander und mit Dritten u.a. daraufhin geprüft, ob dezentrale Stromerzeugung ökonomisch diskriminiert wird. Klauseln mit solchen Wirkungen werden kartellaufsichtlich beanstandet. Dies gilt auch im Hinblick auf eine Diskriminierung von Eigenerzeugern beim Strombezug,
    • den Stadtwerken der kreisfreien Städte empfohlen, sich gegenüber ihren Vorlieferanten mit der Wirkung eines gemeinsamen ökonomischen Lastmanagements zu einer "Einkaufsgemeinschaft" zusammenzuschließen und
    • untersucht, ob ein Strombezug der Stromverteilungsunternehmen des Landes von dänischen Stromversorgungsunternehmen zu Preisvorteilen führen würde.
  3. Die großen energiewirtschaftlichen Vorhaben in Schleswig-Holstein werden unterschiedlich beurteilt. Gleichwohl ist eine gemeinsame Politik erforderlich. Dabei gelten zukünftig folgende Grundsätze: Bei Investitionsvorhaben der Energiewirtschaft (Neu-‚ Ausbau und Sanierung) sind im Rahmen der Investitionsaufsicht Anforderungen im Sinne der integrierten Ressourcenplanung (u. a. LCP) ein- und durchzusetzen. Die Landesregierung wird den Neubau von Kraftwerken nur noch in optimaler Kraft -Wärme-Auskopplung genehmigen und das rechtliche Ermessen entsprechend ausschöpfen. Bei der Ausfüllung des Begriffs "Gründe des Gemeinwohls" im EnWG wird vorrangig auf die Belange des Umweltschutzes abzustellen sein. Bei der Beurteilung der Netzplanung ist zukünftig dem Interesse des Landes an der Aufnahme und Fortleitung dezentraler erzeugter Energie Vorrang einzuräumen.
  4. Die bislang stark gasversorgte Hansestadt Lübeck hat begonnen, Nah- und Fernwärmenetze auf der Basis von BHKW aufzubauen. Eine wesentliche Erweiterung dieser Netze erfolgt im Rahmen der Errichtung eines größeren Heizkraftwerkes. Als Ersatz für stillzulegende Atomkraftwerkskapazitäten wird am Standort Brunsbüttel die Errichtung eines konventionellen Kraftwerks mit Auskopplung von Prozesswärme angestrebt.
  5. Hinsichtlich der 380 kV-Leitung in Krümmel-Lübeck wird die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen nicht durch die Anordnung des Sofortvollzugs beseitigt. Bei Querung der Trave soll die natur- und landschaftsverträglichste Lösung umgesetzt werden, d. h. ggf. auch eine Kabel-verbindung, wie sie derzeit gutachterlich untersucht wird.
  6. Die Landesregierung wird Vorhaben von Gasversorgungsunternehmen, durch Forcierung der Gaseinzelversorgung den energiepolitisch gewollten Aufbau von Nahwärmenetzen zu unterlaufen, im gegebenen ordnungsrechtlichen Rahmen beanstanden.
  7. In einem Landesenergiegesetz werden die (ordnungsrechtlichen) Kompetenzen des Landes zur Umsetzung des fortgeschriebenen Klimaschutzprogramms zusammengefasst. Ziel ist es, dass das Gesetz spätestens zur Mitte der Legislaturperiode in Kraft tritt.
  8. Bei der Fortentwicklung des energiewirtschaftlichen Ordnungsrahmens auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene wird die Landesregierung konsequent darauf achten, dass die kommunale Entscheidungshoheit und die Möglichkeit, auf örtlicher Ebene verstärkt auf Energieeinsparung, Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien einzuwirken, gewahrt bleibt. Die Landesregierung begrüßt unterstützende Aktivitäten, die eine Trennung von Stromerzeugung und -verteilung zur Folge haben.
  9. Die Zusammenarbeit mit den Energiebehörden der skandinavischen Nachbarländer wird im Hinblick auf entsprechende Aktivitäten der Energiewirtschaft weiter ausgebaut.
  10. Die Landesregierung setzt sich weiter mit Nachdruck auf Bundesebene für eine ökologische Steuerreform bei gleichzeitiger Senkung der Arbeits- und insbesondere der Lohnnebenkosten ein, die den Klimaschutz und die energiepolitischen Ziele nachhaltig unterstützt, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu beeinträchtigen.


Dezentralisierung und Kommunalisierung der Energieversorgung

  1. Die Energiepolitik der Landesregierung wird getragen von dem Grundsatz, dass die Versorgung mit leitungsgebundener Energie nach unserer Rechtsordnung eine kommunale Aufgabe ist. Bemühungen von Kommunen, die Stromversorgung wieder in eigener Regie zu übernehmen, werden begrüßt. Die besondere Siedlungsstruktur Schleswig-Holsteins erfordert andererseits leistungsfähige Regionalversorger, die im Auftrag der Kommunen tätig sind.
  2. Die energiewirtschaftlichen Verträge, insbesondere die Konzessions- und Stromlieferungsverträge, werden im Hinblick auf neuere Erkenntnisse sorgfältig daraufhin überprüft, ob sie dem Ziel der Energieeinsparung und Effizienzsteigerung hinreichend Rechnung tragen und ob die kommunale Entscheidungsfreiheit hinreichend gewahrt wird. Die wettbewerbsrechtlichen sowie die kommunalen und energieaufsichtlichen Möglichkeiten werden zur Erzielung der erforderlichen Verbesserung ausgeschöpft.
  3. Konzessionsrechtliche Neuorientierungen der Kommunen werden insbesondere durch kartellrechtliche Mittel und ihren Anspruch auf Leistung einer Abgabe im konzessionsvertragslosen Zustand unterstützt.
  4. Die Landesregierung unterstützt die Gemeinden in ihrem Bestreben, im Zuge des kommunalen Satzungsrechtes in Neubaugebieten auf einen höheren Wärmeschutz hinzuwirken.


Organisatorische Maßnahmen

  1. Die Kartellaufsicht für den Energiebereich wird mit der Energieaufsicht nach dem Energiewirtschaftsgesetz organisatorisch zusammengefasst.
  2. In der Geschäftsordnung der Landesregierung wird § 10 wie folgt ergänzt:
    "der Energieminister oder die Energieministerin in allen Fragen von energiepolitischer Bedeutung"
  3. Die Landesregierung sieht die Energiestiftung als Finanzierungsinstitution und als Diskussionsforum, die der Landesenergiepolitik zur Verfügung steht. Als Instrumente zur konkreten Umsetzung der Landesenergiepolitik spielen die der Energiestiftung zugeordneten Gesellschaften eine wichtige Rolle. Themen und Arbeitsweisen der Energiestiftung und der dieser zugeordneten Gesellschaften werden von der Landesregierung ohne entscheidenden Einfluss durch die Stromwirtschaft bestimmt. Die Arbeitsstruktur von Landesenergiekonferenz und -beirat werden mit dem Ziel einer effizienten Beteiligung an allen wichtigen energiepolitischen Entscheidungen überprüft.


Gestaltung von Förderprogrammen und Förderschwerpunkten

  1. Angesichts knapper öffentlicher Finanzmittel sollen sich im Energiebereich Fördermittel auf die Mitfinanzierung von Infrastrukturmaßnahmen wie Wärmenetze und auch Maßnahmen im Bereich regenerative Energien, insbesondere Mobilisierung von Biomassenutzung sowie für wärmetechnische Gebäudesanierung konzentrieren.
  2. Bei der Auflegung von Förderprogrammen wird beachtet, dass keine negativen Markteffekte auftreten können, die Kontinuität gewährleistet wird und dass sie degressiv gestaltet werden. Die Zielsetzung der Landesregierung ist dabei immer, eine hohe Effizienz der eingesetzten Mittel (Menge CO2-Reduktion pro eingesetzte DM) und das Einsetzen einer nachhaltig sich selbst tragenden Entwicklung zu unterstützen.
  3. Die Landesregierung wird Förderprogramme des Landes regelmäßig auf ihre Klimarelevanz, ihre Fördereffizienz und auf alternative Möglichkeiten (z.B. Ordnungspolitik überprüfen und ggfs. umstrukturieren).


Atomenergie

Eine Technik, die niemals versagen darf und der gegenüber Menschen niemals versagen dürfen, weil die Folgen nicht beherrschbar sind, kann nicht verantwortet werden.

Die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie ist risikoreich, störanfällig und letztlich katastrophenträchtig. Somit wird Schleswig-Holstein als regionaler Lebensraum durch weitere Nutzung der Atomenergie Tag für Tag erneut gefährdet. Im Falle eines schweren Unfalls wäre ganz Norddeutschland bis weit in benachbarte Staaten hinein auf Jahrzehnte verseucht und in seiner Entwicklung dramatisch zurückgeworfen.

Deshalb lehnt die schleswig-holsteinische Landesregierung die Nutzung der Atomenergie ab.

Deshalb will die Landesregierung den Betrieb der Atomkraftwerke Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel so schnell wie möglich nach Recht und Gesetz beenden.

Der Ausstieg ist technisch möglich, ökonomisch und versorgungswirtschaftlich verkraftbar sowie ethisch geboten.

Der schnellstmögliche Ausstieg ist erforderlich,

  • weil Reaktorkatastrophen auch bei heutigen Sicherheitsstandards nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen sind und unermessliche Folgen hätten;
  • weil die Entsorgung des Atommülls weltweit nicht gesichert ist;
  • weil die Wiederaufbereitung keine Lösung darstellt, sondern nur Probleme schafft,
  • weil diese Art der Stromerzeugung untrennbar verbunden ist mit der wachsenden Gefahr des Handels mit waffenfähigen Kernbrennstoffen;
  • weil ein Risikopotential von Innentätern und terroristischen Drohungen besteht.

Die Stilllegung von Kernkraftwerken kann selbstverständlich nur nach Recht und Gesetz erfolgen.

Bei ihrem Handeln ist die Landesregierung an das Grundgesetz, das Atomrecht und die höchstrichterliche Rechtsprechung (insbesondere die Kalkar-Entscheidung v. 08.08.1978 und das Wyhl-Urteil v. 19.12.1985) gebunden. Maßstab für das Verwaltungshandeln sind der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG niedergelegte Grundrechtsschutz auf Leben und körperliche Unversehrtheit und der im § 1 Nr. 2 Atomgesetz (AtG) niedergelegte Schutzzweck vor den Gefahren ionisierender Strahlung.

Die Landesregierung wird deshalb im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Überwachung der Atomanlagen ihre atomrechtliche Aufsicht zum Schutz der Bevölkerung nach strengsten Maßstäben ausüben. Sicherheit hat unbedingten Vorrang vor jedem wirtschaftlichen und sonstigem Interesse.

Entsprechend den vom Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht entwickelten und von den OVG angewandten Grundsätzen der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge werden die Überprüfungen nach strengsten Maßstäben vorgenommen.

Im Rahmen von Aufsichts- und Genehmigungsverfahren werden die von der Rechtsprechung vorgegebenen Prüfungskriterien und Ermessensspielräume jeweils verfahrensbezogen konsequent, einheitlich, schutzzweck- und sicherheitsorientiert angewandt.

Die Zustimmung zum Wiederanfahren eines AKW wird nur dann erteilt, wenn der Betreiber alle Sicherheitsbedenken der Aufsichtsbehörde ausgeräumt hat. Dabei ist die Landesregierung im Falle von § 17 Abs. 5 AtG verpflichtet, Genehmigungen oder allgemeine Zulassungen zu widerrufen, wenn dies wegen einer erheblichen Gefährdung der Beschäftigten, Dritter oder der Allgemeinheit erforderlich ist und nicht durch nachträgliche Auflagen in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen werden kann.

Der Minister/die Ministerin berichtet über atomrechtlich einschneidende Maßnahmen, das sind einstweilige und permanente Betriebseinstellungen gemäß § 19 AtG, Rücknahme oder Widerruf gemäß § 17 AtG sowie vorliegende Weisungen der Bundesaufsicht. Er/Sie bereitet die erforderlichen Verwaltungs- und/oder politischen Maßnahmen technisch, atom-, verwaltungs- und in der Regel prozessrechtlich in der eigenen Ressortverantwortung vor und informiert die Landesregierung über das geplante Vorgehen oder die bestehenden Optionen.

Nationale wie auch internationale unabhängige Gutachter/innen werden in die Überprüfung eingebunden. Eine qualifizierte prozessrechtliche Vertretung der Landesregierung ist zu gewährleisten.


Periodische Sicherheitsüberprüfungen

Alle drei Atomkraftwerke sollen einer periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) unterzogen werden. Darin soll umfassend geprüft werden, ob unter Berücksichtigung des fortgeschrittenen aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik das erforderliche Sicherheitsniveau gegeben ist.

Die Landesregierung bekräftigt die Notwendigkeit einer ausdrücklichen bundeseinheitlichen Verankerung der PSÜ im Atomgesetz und wird die begonnene politische Initiative intensiv fortsetzen.

Das Katastrophenschutzgesetz wird hinsichtlich der Finanzierung und der Durchführung von Übungen überprüft. Die "Sonderkatastrophenschutz-Kalender" sollen überarbeitet und aktualisiert werden.


Entsorgung

Die Frage der Entsorgung des Atommülls ist weltweit bislang ungelöst. Die mengenmäßige Begrenzung des radioaktiven Mülls durch schnellstmögliche Stilllegung ist daher das vorrangige atompolitische Ziel.

Die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente wird abgelehnt. Der derzeit bereits aus deutschen Atomanlagen angefallene bzw. bis zu deren Stilllegung anfallende Atommüll ist auf dem Wege der direkten Endlagerung zu entsorgen.

Die Landesregierung hat erhebliche Zweifel an der Eignung des Salzstockes Gorleben als Endlager für hochradioaktive wärmeentwickelnde Abfälle.

Der Entsorgungspfad "direkte Endlagerung" erfordert übergangsweise Zwischenlagermöglichkeiten für abgebrannte Brennelemente.

Die Landesregierung lehnt den Einsatz von MOX-Brennelementen wegen des damit verbundenen erhöhten Gefährdungspotentials entschieden ab. In Ausschöpfung ihres rechtlichen Handlungsrahmens wird die Landesregierung sich dafür einsetzen, dass es in schleswig-holsteinischen Anlagen zu keinem zusätzlichen Einsatz derartiger Brennelemente kommt.

Die Koalitionspartner verpflichten sich, bei wesentlichen Änderungen die Öffentlichkeit angemessen zu beteiligen.


Auseinandersetzung mit der Bundesaufsicht

Das Land Schleswig-Holstein ist für die Durchführung des Atomgesetzes zuständig. Zur Realisierung mdes Grundsatzes der bestmöglichen Schadensvorsorge wird die Landesregierung Auseinandersetzungen mit der Bundesaufsicht nicht ausweichen, sondern im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Landes Schleswig-Holstein ihre rechtlichen und politischen Möglichkeiten entschieden nutzen, auch in Bezug auf die Wahrung individualrechtlicher Rechtschutzinteressen.


Zusammenarbeit mit anderen Landesregierungen

Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit mit anderen Landesregierungen wird weiter gesucht und intensiviert. Ziel ist es, die genannten Zielsetzungen bundespolitisch durchzusetzen.

In eigener Verantwortung werden im Sinne der Kooperation folgende konkrete Initiativen ergriffen:

  • Bundesratsinitiative zur Problematik der Versicherung/ Deckungsvorsorge von Atomkraftwerken
  • Intensivierung der Bemühungen im "Arbeitskreis Bilanztechnische Fragen der Kernenergiewirtschaft" bzgl. Der hohen, bislang steuerfreien Rückstellungen für die Entsorgung.
  • Hilfestellung bei der Aufarbeitung der Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, beginnend mit einem Forum für Wissenschaftler/innen aus Belarus, der Ukraine und Russland. Ziel ist es, zu einer dringend erforderlichen Verschärfung der Strahlenschutzverordnung zu gelangen.
  • Die Problematik des Entsorgungsnachweises über Auslandsverträge wird auf der Basis der vorliegenden Gutachten weiter vertieft.


Kernkraftwerk Brunsbüttel

Das Kernkraftwerk Brunsbüttel wird einer gründlichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen.

Die Landesregierung überprüft derzeit Lastfälle infolge Einwirkungen von außen (EVA). Insbesondere die Erdbebensicherheit und die Überprüfungen zur Druckwellenbelastung bis in den Bereich des Reaktorbehälters werden nachdrücklich vorangetrieben.


Kernkraftwerk Krümmel

Das Kernkraftwerk Krümmel wird einer periodischen Sicherheitsüberprüfung, wie sie in der Betriebsgenehmigung gefordert wird, unterzogen.

Die Koalitionspartner lehnen den von der Betreiberin beantragten Einsatz von MOX-Brennelementen politisch entschieden ab. Als zuständige Genehmigungsbehörde ist sie nach Recht und Gesetz jedoch zur Durchführung des Genehmigungsverfahrens verpflichtet. Die Landesregierung wird die Öffentlichkeit an diesem Genehmigungsverfahren beteiligen und somit jedermann und -frau die Möglichkeit eröffnen, seine/ ihre Einwendungen gegen den Einsatz von MOX-Brennelementen geltend zu machen. Diese Einwendungen werden umfassend geprüft.

In Ergänzung der Inzidenzstudie wird eine retrospektive Leukämie-Fall-Kontroll-Studie in Auftrag gegeben, die die Kreise Herzogtum Lauenburg, Stormarn, Pinneberg und Steinburg umfasst. Zu der Frage, ob durch die Strahlenbelastung aus dem Betrieb des Kernkraftwerks Krümmel in der Umgebung ein Ursachenzusammenhang mit Leukämieerkrankungen ausgeschlossen werden kann, wird die Landesregierung ein strahlenbiologisches Gutachten vergeben.


Kernkraftwerk Brokdorf

Auch das Kernkraftwerk Brokdorf wird einer periodischen Sicherheitsüberprüfung, wie sie in der Betriebsgenehmigung gefordert wird, unterzogen.

Die Landesregierung wird vor allem die Sprödbruchsicherheit des Reaktordruckbehälters und die Problematik von Wasserstoffexplosionen mit Gefährdung des Sicherheitsbehälters weiter untersuchen. Die Vertragspartner bewerten die thermische Leistungserhöhung kritisch.


Kernenergieabwicklungsgesetz

Über die Einbringung eines Kernenergieabwicklungsgesetzes bzw. eines Atomausstiegsgesetzes wird die Landesregierung 1998 - auch unter Berücksichtigung der politischen Durchsetzbarkeit im Bundestag - entscheiden.


Öffentlichkeitsinformation

Nach Auffassung der Landesregierung ist eine umfassende Information der Öffentlichkeit wesentlich für die glaubwürdige Politik des Atomausstiegs. Die Landesregierung wird deshalb, soweit dies rechtlich zulässig ist, die Bevölkerung fortlaufend und umfassend über den Betrieb der Kernkraftwerke und aufsichtliche Feststellungen informieren.

In Anlehnung an die Informationsstelle "Gorleben" des niedersächsischen Umweltministeriums wird eine konzeptionell vergleichbare Informationsstelle für Schleswig-Holstein geschaffen.

Abfallpolitik

Entwicklung einer zukunftsfähigen Stoff- und Abfallwirtschaft

Bei den Zielen der Abfallpolitik hat die Abfallvermeidung oberste Priorität. Die Verminderung durch Wiederverwendung, die stoffliche Wiederverwertung sowie die umweltschonende Restabfallbehandlung bleiben unsere weiteren Ziele. Die Produktverantwortung des Produzenten soll durch die Integration von Abfallvermeidung und Abfallverminderung in die Produktion der Unternehmen verwirklicht werden.

Die Abfallabgabe wird beibehalten. Die Mittel werden primär im Bereich der Vermeidung und darüber hinaus als zweitem Schwerpunkt im Bereich der Verwertung im Rahmen von mechanisch-biologischen Anlagen eingesetzt. Im betrieblichen Bereich wird ein Schwerpunkt bei der umweltverträglichen Gestaltung der Betriebs- und Produktionsabläufe und der -verfahren, der Entwicklung abfallarmer Produkte sowie der Schaffung verbesserter Absatzchancen für Recyclingprodukte gelegt. Die Förderpraxis wird hieraufhin ständig überprüft und im jährlich fortzuschreibenden Förderprogramm festgelegt. Weiterhin werden Abfallminderungskonzepte im Rahmen des Öko-Audits aus der Abfallabgabe gefördert.

Auch im Interesse des Klimaschutzes werden die Anstrengungen zur Umsetzung des Reststoffvermeidungsgebotes des Bundesimmissionsschutzgesetzes im Rahmen der Arbeit der Gewerbeaufsichtsämter verstärkt.

Zur Umsetzung effektiver Vermeidungsstrategien ist eine klare Konzeption zu erarbeiten, die die Vermeidungspotentiale aufzeigt und quantitativ und qualitativ bewertet. Diese bildet die Grundlage für eine schnellstmögliche Umsetzung. Um die vorhandenen und zu erwartenden Stoffströme transparent machen und bewerten zu können, sind das Landesgewerbeabfallkataster mit einheitlichen Standards aufzubauen sowie zeitnahe Überwachungsinstrumente für die unterschiedlichen Stoff- ströme zu entwickeln und anzuwenden.

Der Ressourcenverbrauch ist zu reduzieren, so durch die Veränderung von Produktionsabläufen und Produkten. Hierzu ist das Bewusstsein der Verbrauchenden zu fördern, insbesondere durch eine intensive Abfallberatung. Zur Verbesserung von Mehrfachnutzungen sollen Sekundärproduktmärkte beitragen.

Wir werden Bundesratsinitiativen, die sich zu allererst an ökologischen Zielen orientieren, einbringen. Zur Novellierung der Verpackungsverordnung sind Zielsetzungen, Förderung und Ausbau der Mehrwegverpackung, auch durch die Einführung einer drastischen Abgabe auf Einweg-Verpackungen, sowie die Transparenz der Lizenzgestaltung und der Entsorgungs- und Verwertungswege zu ändern.

Zum Kreislaufabfallwirtschaftsgesetz wollen wir u.a. höhere Anforderungen an eine Verwertung und die Möglichkeit der zentralen Zuweisung von gewerblichen Abfällen zur Beseitigung auf Anlagen im Lande, um die Vorhaltung von teuren Überkapazitäten bei den Gebietskörperschaften zu verringern, einbringen.


Stärkung kommunaler Verantwortung und Zusammenarbeit

Die Bemühungen der Gebietskörperschaften um eine übergreifende Kooperation, insbesondere bei der Umsetzung von Zielsetzungen einer ökologischen Abfallwirtschaft und der Planung und dem Betrieb von Anlagen, werden von der Landesregierung ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Eine Förderung soll nur erfolgen, wenn neben der Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen auch den planerischen und konzeptionellen Ansätzen des Landes entsprochen wird.

Eine Nutzung freier Kapazitäten im Lande hat gegenüber dem Export über Ländergrenzen hinweg Vorrang. Der Export problematischer Abfälle, vor allem in Länder der "Dritten Welt", wird entschieden abgelehnt.

Den Konzentrationsbestrebungen großer Energiekonzerne in der Abfallwirtschaft des Landes ist, auch im Interesse von freier Konkurrenz und niedriger Preise zur Abwendung einer Quasi-Monopolbildung, durch Steuerung über eine verstärkte Planung mit klaren Zielvorgaben, so im verbindlichen Landesabfallentsorgungsplan, entgegenzuwirken.

Abfallmengen, für die keine Entsorgungssicherheit durch vorsorgende Planung besteht, sind den freien Entsorgungskapazitäten benachbarter Gebietskörperschaften zuzuweisen, die über Restabfallbehandlungsanlagen verfügen, die den Zielsetzungen der TASI entsprechen.

Das Kommunale Abgabengesetz wird mit dem Ziel überprüft, in den kommunalen Satzungen stärker verbrauchsorientierte Abfallgebühren zu ermöglichen und Abfallbesitzer zu Gebührenschuldnern erklären zu können.

Im Rahmen der länderübergreifenden Zusammenarbeit mit Hamburg, die auf umfassenden rechtlichen Vereinbarungen basieren muss, sollen ökologischen Zielsetzungen bei dem Regionalen Entwicklungskonzept stärker berücksichtigt werden. Hierzu gehört insbesondere die Erstellung einer ökologisch orientierten Abfallkonzeption unter Einbeziehung der Umlandkreise und -städte bei Berücksichtigung deren Interessen. Restabfälle aus Hamburg dürfen in Schleswig-Holstein nur abgelagert werden, wenn sie den ökologischen Kriterien des Landesabfallgesetzes genügen.

Die Bemühungen, eine Deponie in Bovenau für eine Unterbringung des Hamburger Hafenschlicks überflüssig zu machen, werden fortgesetzt. Wir werden auf Hamburg einwirken, die Vermeidung zu verstärken und vor einer Ablagerung eine weitestgehende Verwertung anzuwenden. Hafenschlick wird auch künftig als Sonderabfall klassifiziert werden, wenn er entsprechend schadstoffbelastet ist.


Landesabfallplanung

Die Landesabfallentsorgungspläne für Siedlungs-und Sonderabfall sowie Bauabfälle werden ebenso fortgeschrieben wie das Landesabfallwirtschaftsprogramm. Oberster Grundsatz einer ökologischen Abfallpolitik ist die Vermeidung. Eine möglichst weitgehende Verwertung, die Abfallkreislaufproblematik, die Verankerung von mechanisch-biologischen Restabfallbehandlungsanlagen als wichtige Bausteine und die Optimierung jeglicher Restabfallbehandlung durch eine vorherige mechanische Abfallbehandlung sind zu berücksichtigen.

Die Landesabfallplanung soll unter Rückgriff auf landesinterne Anlagen insbesondere im Bereich der Bioabfälle Entsorgungssicherheiten gewährleisten, wobei die Eigenkompostierung nicht behindert wird.


Reduzierung der Müllverbrennung

Ziel einer ökologisch verantwortlichen und kostenmäßig vertretbaren Restabfallbehandlung muss die Reduzierung der vorhandenen Müllverbrennungskapazitäten, zumindest kein weiterer Zubau von Anlagen, sein. Anstelle einer thermischen Restabfallbehandlung sind Verfahren anzuwenden, die die Ziele der TA Siedlungsabfall bezüglich der Emissions- und Setzungsarmut bei der Ablagerung berücksichtigen, aber im Gegensatz zu "heißen" Behandlungsverfahren die Müllvermeidung begünstigen und ermöglichen, und die zugleich flexibler steuerbar, dezentral einzusetzen und kostengünstiger sind.

Die Errichtung von mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen unter Wahrung hoher ökologischer Standards soll daher wesentlicher Schwerpunkt der Abfallpolitik und der Förderung aus den Mitteln der Abfallabgabe für die nächsten vier Jahre sein. Die Gebietskörperschaften, die ein ökologisches Abfallkonzept ohne eine Restabfallverbrennung auch nach 2005 vorweisen, werden dabei vorrangig gefördert.

Wir werden die Ablagerung der so vorbehandelten Restabfälle auf einer Deponie der Klasse II jeweils im Einzelfall bis zum Jahre 2020 genehmigen. Der Erlass zur Förderung eines technischen PiIotprojektes zur mechanisch—biologischen Restabfallbehandlung vom 23.2.1996 ist anzupassen.

Die Restabfälle sind vor einer Restabfallbehandlung in jedem Fall mechanisch aufzubereiten, um eine Optimierung der Behandlung zu gewährleisten. Dadurch werden Erweiterungen von bestehen- den Müllverbrennungsanlagen vermieden und bestehende mittelfristig reduziert werden. Für neue Anlagen einer Form der thermischen Abfallbehandlung gibt es keine Landesförderung.

Schlacken aus Müllverbrennungsanlagen dürfen nur verwertet werden, wenn sie dauerhaft keine Belastungen verursachen. Die Ablagerung unbehandelter Schlacken außerhalb planfestgestellter und basisabgedichteter Deponien wird überprüft. Die im Bundeskreislaufwirtschaftsgesetz als gleichrangig eingestufte Verbrennung wird in Schleswig-Holstein auch künftig absolut nachrangig behandelt. Die Anstrengungen zur Änderung der willkürlichen und einseitig eine Verbrennung bevorzugenden Parameter der Zuordnungswerte der TA Siedlungsabfall (TOC und Glühverlust) werden energisch weiter verfolgt.


Kreislaufwirtschaft von Sekundärrohstoffen

Die Bemühungen um eine ökologische Verwertung von Klärschlämmen und Kompost sollen verstärkt werden, hierzu sind Gesamtkonzepte zu erarbeiten. Eine Vermischung der verschiedenen Stoffströme soll dabei nicht erfolgen, um eine separate und optimierte Verwertung zu ermöglichen. Zur Verbesserung der Akzeptanz sind ökologische, landwirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen, so durch größere Dezentralität und eine Einbeziehung der landwirtschaftlichen Betriebe als Betreiber. Auch sollen alternative Vertriebswege und Veredelungstechniken vorangetrieben wer- den. Eine Verbrennung organischer Stoffe im Freien werden wir grundsätzlich mit dem Ziel, diese einer energetischen oder stofflichen Verwertung zuzuführen, untersagen. Die Förderung aus Mitteln der Landesabfallabgabe sollte sich auf Innovations- und Anlagenförderung beschränken.

Eine eventuelle Verbrennung von Abfällen in Anlagen außerhalb der Zuständigkeit des 17. BImSchG wird auf ein mögliches Verbot hin überprüft.

Eine Novellierung der Abfallklärschlamm VO mit dem Ziel einer drastischen Verringerung der Grenzwerte ist über eine Initiative im Bundesrat einzubringen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die geschaffenen schleswig-holsteinischen Verwertungsstrukturen durch Ausfüllung des Bundesrechts mit entsprechenden Rechtsverordnungen des Bundes z.B. der dringend erforderlichen Altauto- und Elektronikschrottverordnung abgesichert werden.


Altlasten und Sonderabfälle

Ein Altlastenprogramm zur Sanierung und Sicherung der vorhandenen Altlasten ist in Ergänzung des Bodenschutz- und Altlastengesetzes aufzustellen und zügig umzusetzen. Handlungsrichtschnur hierfür sind Dringlichkeit und Finanzierbarkeit der abzuarbeitenden Prioritäten. Für die Gefährdungsabschätzung ist eine Richtlinie zu erlassen. Über eine Bundesratsinitiative soll eine TA Bergversatz gefordert werden, die eine Deklarierung als Wirtschaftsgut und einen Bergversatz von schädlichen Stoffen unterbindet.

Die Vermeidung von Sonderabfällen hat höchste Priorität, hierzu sind verstärkte Anstrengungen zu unternehmen. Vor einer Deponierung oder Verbrennung müssen die Möglichkeiten einer Verwertung z.B. durch Bodenwäsche konsequent genutzt werden.

Vor der Einleitung eines weiteren neuen Schrittes im Planungsverfahren einer Sondermülldeponie bzw. einer Erweiterung von Rondeshagen ist der Bedarf zu prüfen


Immissionsschutz/Chemikalien

Saubere und gesunde Luft wollen wir für Schleswig-Holstein, auch als Ferienland, erhalten und deren Qualität weiter verbessern. Bei der Luftreinhaltepolitik setzen wir bei der Verminderung der Emissionen, also an der Quelle, durch Anwendung mindestens des Standes der Technik an. Eine leistungsfähige Gewerbeaufsicht ist durch intensive Beratung und Unterstützung den Unternehmen ein unverzichtbarer Partner. Ein Emissionskataster und die Erstellung von Maßnahmenplänen sind ebenso unverzichtbare Aufgaben wie die strikte Anwendung der bestehenden gesetzlichen Regelungen und eine verstärkte und effektive Vollzugskontrolle. Im Rahmen der Landesumweltdatenbank soll beim LANU ein landesweites lmmissionskataster auf der Grundlage der vorhandenen Daten erstellt und weiter ausgebaut werden.

Die Landesregierung wird die Möglichkeiten des Immissionsschutzrechtes voll nutzen, um das wichtigste Luftbelastungsproblem, die verkehrsbedingten Luftschadstoffe, weiter zu reduzieren. So werden wir die 23. Bundesimmissionsschutzverordnung aktiv auch hinsichtlich der verkehrslenkenden und -planenden Maßnahmen in Schleswig-Holstein umsetzen.

Zur Verschärfung der völlig unzureichenden Sommersmog-Regelung des Bundes werden wir eine Bundesratsinitiative starten, die insbesondere eine flächendeckende bundesweite Regelung von Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie Benutzervorteile zum Ziel hat.

Bei der Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, die Betreiberpflichten um eine Pflicht zur effizienten Energienutzung zu ergänzen und die bisherige Dreistufigkeit der Verfahrensarten zu erhalten. Das Kernanliegen des Entwurfs, die "nicht wesentlichen und erheblichen" Änderungen nur noch einem Anzeigeverfahren zu unterwerfen, lehnen wir ausdrücklich ab.

Die Lärmbelastung muss weiter reduziert werden, die Landesregierung wird daher eine Lärmschutzverordnung erlassen.

Die Landesregierung wird auf Bundesebene darauf dringen, bei Erstellung einer Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz über elektromagnetische Felder dem Vorsorgeprinzip folgend eine Verschärfung der Grenzwerte vorzunehmen. Ferner müssen entsprechend dem Minimierungsgebot alle aktiven und passiven Maßnahmen zur Verringerung elektromagnetischer Strahlung eingesetzt werden. Die Forschung in Schleswig-Holstein für eine entsprechende Gesundheitsvorsorge muss ausgebaut werden.

Chlororganische Erzeugnisse der Chemie haben sich als hochgiftig, krebserregend und erbgutschädigend herausgestellt. Die Landesregierung wird daher Initiativen zum Ausstieg aus der Chlorchemie, auch auf Bundesebene, unterstützen und sich selbst im Lande für die Verminderung der Verwendung PVC-haltiger Produkte engagieren. Hierzu gehören der Ausschluss von PVC-Produkten bei Ausschreibungen und in Förderprogrammen ebenso wie die Entwicklung von Alternativen z.B. durch das vorgesehene Öko-Test-Institut, des LANU oder andere Institute des Landes als Forschungsschwerpunkte und die Unterstützung kommunaler Anstrengungen.

Für eine Verbesserung der Störfallvorsorge durch Aufnahme der betriebsinternen Zwischenprodukte in die Altstoffregelung des Chemikaliengesetzes werden wir uns ebenso einsetzen wie für die Einrichtung eines Bundesregisters beim Umweltbundesamt für chemische Produkte einschließlich deren Rezepturen.

Boden- und Gewässerschutz

Durch die vielfältigen, hochintensiven Ansprüche von Industrie, Landwirtschaft, Verkehr und Bauwesen wird das Umweltmedium Boden durch Flächenversiegelung, Erosion, Bodenverdichtung, Überdüngung und Bodenversauerung in quantitativer und qualitativer Hinsicht zunehmend belastet. Der Bodenschutz muss daher als Querschnittsaufgabe zum grundlegenden Bestandteil einer vorsorgenden Natur- und Umweltpolitik werden. Wir wollen ein Bodenschutzprogramm für Schleswig-Holstein verabschieden, das als zentrales Anliegen eines verantwortungsbewussten Umgangs mit unseren Böden den vorsorgeorientierten Schutz der Bodenfunktionen umfasst. Es wird u. a. die Umsetzung eines Maßnahmenkataloges zur Vermeidung von Bodenversiegelung, -erosion und -verdichtung, zur Entsiegelung und zur Reduzierung der Schadstoffeinträge sowie ein Bodeninformationssystem und Bodenbelastungskataster enthalten.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass ein Bundesbodenschutzgesetz u. a. folgendes beinhaltet:

  • die Integration von vor- und nachsorgendem Bodenschutz,
  • die Beschränkung des Flächenverbrauchs und der Bodenversiegelung, die Minimierung der Stoffeinträge,
  • die Bodenzustandsüberwachung,
  • die Möglichkeit zur Nutzungsbeschränkung und Finanzierungs- und Haftungsregelungen. Wir werden auf Erlass einer TA Boden mit verbindlichen Grenzwerten dringen.

Die Landesregierung wird zur Umsetzung des im Verfahren befindlichen Bundesbodenschutzgesetzes schnellstmöglich ein Landesbodenschutz- und Altlastengesetz auf den Weg bringen. Als Eckpunkte soll es Regelungen zur Bodenschutzvorsorge und zum Umgang mit vorhandenen Bodenbelastungen einschließlich der Finanzierung enthalten.


Gewässerschutz

Dem Schutz der stehenden und fließenden Oberflächengewässer als Lebensräume zahlreicher, sehr selten gewordener Tier— und Pflanzenarten, als Bestandteile des globalen Wasserhaushalts, als bestimmende Elemente unserer Landschaften aber auch als Trinkwasserreservoir, kommt eine zentrale Bedeutung zu. Der Schutz unseres Grundwassers ist unverzichtbar. Zur Umsetzung dieser Ziele sind die rechtlichen, fachlichen und finanziellen Ressourcen des Naturschutzes und der Wasserwirtschaft zu bündeln. Hierzu gehört ebenfalls die Einbeziehung von Planungen und Programmen der Landwirtschaft.


Schutz der Oberflächengewässer

Wir wollen die ökologischen Funktionen der Gewässer sichern und wiederherstellen. Dazu gehören

  • die Wiedervernässung von Niedermooren mit 2-3 Modellprojekten,
  • die Umsetzung eines Programmes zum integrierten Seenschutz einschließlich der Reduzierung des flächenhaften Stoffeintrages und der Entwicklung von Grundsätzen zur ökologisch verträglichen fischwirtschaftlichen Nutzung und Erholungsnutzung der Seen,
  • die Fortsetzung des Programmes für die Renaturierung der Fließgewässer und bis Ende 1997 ein Investitions- und Förderprogramm für den integrierten Fließgewässerschutz.

Zum integrierten Fließgewässerschutz gehören insbesondere

  • der Schutz der Ufer-, Hang- und Überschwemmungsbereiche vor baulichen und anderweitigen Eingriffen,
  • die Einhaltung und der Schutz von Gewässerrandstreifen,
  • die Einbeziehung von Oberflächengewässern in Wasserschutzgebiete,
  • der integrierte Schutz des Wasserhaushalts in den Einzugsgebieten und
  • ein umfassender Gewässerschutz unter Einbeziehung der Landwirtschaft.

Die Grundsätze für Bewirtschaftung, Ausbau und Unterhaltung der Gewässer sind an ökologischen Kriterien zu orientieren. Hierzu wird die Novellierung des Landeswassergesetzes auf den Weg gebracht.


Schutz des Grundwassers

Wir wollen zum Schutz und zur Sicherung der Grundwasservorräte, des Bodens und der Oberflächengewässer den lokal begrenzten Grundwasserschutz zum flächendeckenden Wasserschutz weiterentwickeln. Ein Aktionsplan Grundwasserschutz wird vorgelegt. Die Grundwasserentnahmeabgabe wird beibehalten. Wichtige Schwerpunkte bleiben dabei die Förderung von Wassereinsparkonzepten, die Substitution wassergefährdender Stoffe und der flächenhafte Grundwasserschutz. Die Ausweisung weiterer Wasserschutzgebiete ist dringend notwendig und zügig zu betreiben. Dazu wird eine aktualisierte Programmplanung vorgelegt. Für die Grundwassergebiete ist ein landesweites Einleitungskataster zu erstellen.

Ergänzend und vorbereitend zur Ausweisung von Wasserschutzgebieten soll auf der Grundlage vertraglicher Regelungen für höchstens 5 Jahre schon vor der rechtswirksamen Festsetzung in Wasserschutzgebieten Grundwasserschutz mit dem Leitbild einer dauerhaften, ökologischen Bewirtschaftung ermöglicht werden. Zur nachhaltigen Sicherung der Flächen in Wasserschutzgebieten werden wir Wasserwerken auch zum Flächenerwerb finanzielle Anreize gewähren.


Anlagenbezogener Gewässerschutz

Es werden Grundsätze für die Behandlung von Regenwasser unter dem Gesichtspunkt der Reduzierung von Schadstoffen, zur Minimierung der Neuversiegelung und zum Abbau der hydraulischen Belastung der Fließgewässer erarbeitet und in Verbindung mit den Maßnahmen zum integrierten Fließgewässerschutz umgesetzt. Das Dringlichkeitsprogramm zur Nährstoffeliminierung wird fortgesetzt, der Abschluss bis zum Jahr 2002 erwartet.

Das Ausbauprogramm für kommunale Kläranlagen wird entsprechend den Anforderungen der EU-Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser bis Ende 1996 vorgelegt. Ziel ist der Ausbau weiterer 19 Kläranlagen mit Anschlusswerten von mehr als 10.000 EW nach Kriterien des Dringlichkeitsprogrammes bis 2002. Zum optimalen Betrieb kommunaler Kläranlagen bedarf es der strikten Einhaltung und Überwachung der lndirekteinleiter-Verordnung.

Der Ausbau zentraler Ortsentwässerungsanlagen im ländlichen Raum wird fortgesetzt und der Abschluss bis 2002 angestrebt. Ebenso werden alternative Verfahren wie z. B. Pflanzenkläranlagen in die Förderung aufgenommen.


Baggergut

Für den Umgang mit Baggergut gelten vorrangig die Grundsätze der Vermeidung und Verwertung. Die Verklappung von schad- oder nährstoffbelastetem Baggergutmaterial in die Nordsee, Ostsee, Elbe oder andere Gewässer lehnen wir ab. Die Landesregierung wird prüfen, ob Baggergut rechtlich als Abfall zu definieren ist.

Die regelmäßige Vertiefung der Fahrrinnen in der Nordsee ist hiervon nicht betroffen. Ein Baggergut-Verwertungskonzept soll eine weitestgehende Aufbereitung und Verwertung des Baggerguts vorschreiben. Entsprechend belastetes Baggergut wird auch zukünftig als Sonderabfall klassifiziert. Die Landesregierung wird das Projekt für die Reinigung schadstoffbelasteten Baggerguts finanziell fördern. Weiterhin sind unbelastete Materialien im Sinne einer Kreislaufwirtschaft einer Verwertung z. B. in der Bauwirtschaft zuzuführen.

Die Landesregierung strebt ein gemeinsames Baggergutkonzept der fünf Küstenländer und der Bundeswasserstraßenverwaltung bis Anfang 1998 an. Ziel ist die Harmonisierung der Bestimmungen für die Verwendung und Ablagerung von Baggergut aus Unterhaltungsbaggerungen. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen von Landesnaturschutz- und Wasserrecht bei Baggerungen durch die Bundeswasserstraßen-verwaltung sind notfalls im Klagewege zu bereinigen.


Elbevertiefung

Die abschließende Beratung und damit die Realisierung der Elbevertiefung ist abhängig vom Ergebnis der gesetzlich vorgeschriebenen Planungen wie des wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren, der Umweltverträglichkeitsuntersuchung und der Prüfung der naturschutzrechtlichen Ausgleichspflichten unter Einschluss von Änderungen des Wasserregimes für Flächenteile.

Tierschutz und Artenschutz

Tierschutz bedeutet, unsere Mitgeschöpfe nicht nur vor Quälerei, sondern auch vor vermeidbaren Belastungen zu bewahren. Wir wollen den Tierschutz daher als Staatsziel in die Landesverfassung aufnehmen und mittels einer neu zu erarbeitenden Konzeption umfassend in landesbehördliches und politisches Handeln umsetzen. Wir werden uns ferner dafür einsetzen, dass der Tierschutz in das Grundgesetz aufgenommen wird und dass die bundesgesetzlichen Defizite beseitigt werden. Die Haltungsbedingungen für Tiere sowie die Sachkunde beim Umgang mit Tieren müssen verbessert, nicht tierschutzgerechte Haltungsformen durch tiergerechte ersetzt und nicht tier- und artgerechte Zuchtziele und -methoden unterbunden werden.

Die Bedingungen für Tiertransporte sollen verbessert werden.

Die falschen Subventionsmechanismen der EU für Lebendtiertransporte müssen beseitigt, Schlachttier-Transporte müssen nach dem Prinzip der kurzen Wege erfolgen, Lebendexporte von Schlachttieren verhindert werden.

Die Landesregierung wird sich gegenüber der EU dafür einsetzen, dass anstelle der derzeitigen Negativlisten für den Handel und das Halten von Tier— und Pflanzenarten Positivlisten eingeführt werden.

Agrarpolitik

Allgemeine Grundsätze

Die ländlichen Räume sind ein großes Potential für den Standort Schleswig-Holstein. In Schleswig-Holstein ist 80 % der Fläche der ländliche Raum. In ihm wohnen 50 % unserer Bevölkerung. Er ist in seiner wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung integriert zu fördern.

Folgende Leitlinien werden die Regierungsarbeit in diesem Bereich prägen:

  • Die Dörfer brauchen Freiraum für eine eigenständige, dorfgemäße Entwicklung,
  • Arbeiten und Wohnen sollen möglichst eine Einheit bilden,
  • Umnutzung vorhandener Bausubstanz und dorfgemäßer Neubau sollen ermöglicht werden,
  • oberstes Ziel der Landesagrarpolitik ist eine ökologisch verträgliche und wettbewerbsfähige Land- und Ernährungswirtschaft.

Die Landwirtschaft hat für Schleswig-Holstein eine herausragende Bedeutung. Der größte Teil der Landesfläche wird von ihr bewirtschaftet. Sie ist zu sichern und weiterzuentwickeln zur Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen durch umweltverträgliche und standortgerechte Nutzung mit einer vielfältigen Organisationsstruktur. Durch nachhaltige Wirtschaft und tiergerechte Haltungsformen soll sie auch einen Beitrag leisten zum Schutz von Natur und Landschaft sowie zum Tierschutz. Im Zusammenhang mit der Ernährungswirtschaft ist sie auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Die Entwicklung der Land- und Verarbeitungswirtschaft dient der Stärkung der Wirtschaftskraft ländlich geprägter Räume, weil leistungs- und wettbewerbsfähige Betriebe zusammen mit den vor- und nachgelagerten Bereichen zur Sicherung und Beschäftigung in der Region erheblich beitragen.

Wir wollen Frauen in den Bereichen besonders fördern, in denen sie bisher unterrepräsentiert sind.


Dorf- und ländliche Regionalpolitik

Die ländliche Dorf- und Regionalpolitik zielt ab auf die Nutzung der wirtschaftlichen, kulturellen und ökologischen Potentiale der ländlichen Räume mit ihren kleinen Gemeinden und Dörfern, die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Sicherung der Grundversorgung (Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten etc.). Die Instrumente der Landesplanung und der Regionalpolitik sollen zur Erreichung dieser Ziele flexibel eingesetzt werden.

Die Eigenentwicklungsfähigkeit der kleinen Gemeinden und Dörfer ist zu verbessern, damit Leben, Wohnen und Arbeiten als räumliche Einheit die Dörfer prägen kann. Dazu ist das Gesamtmaß der Vorschriften, Regelungen und der Verwaltungspraxis - in konsequenter Fortsetzung des Projektes Aufgabenkritik - zu überprüfen.

Die bestehenden Programme für die Entwicklung der ländlichen Räume und ihrer Dörfer werden auch unter Einbeziehung der Fördermittel des Bundes und der Europäischen Union gebündelt und weiterentwickelt. Bei den Projekten der Dorf- und Regionalentwicklung wird eine weitgehende Beteiligung der Betroffenen vorgesehen. i

Die regionale Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte bietet Chancen für Arbeitsplätze im ländlichen Raum und in der Landwirtschaft, zumal wenn dabei hohe ökologische Standards (z.B. die Verfütterung einheimischer Futtermittel) eingehalten werden. Auch dabei soll eine Vernetzung von Land- und Ernährungswirtschaft, Tourismus und Gastronomie, Natur- und Tierschutz, Energie- und Abfallwirtschaft angestrebt werden.


Förderung der Landwirtschaft und des Gartenbaus

Im Rahmen der Europäischen Union und zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland müssen einheitliche Wettbewerbsbedingungen für die Landwirtschaft und den Gartenbau geschaffen werden. Im Bereich der Umweltstandards darf dies nicht zu einer negativen Nivellierung führen. Schleswig-Holstein kann auch im Hinblick auf seine günstigen natürlichen Voraussetzungen eine Vorreiterrolle erfüllen, die auch als Marktvorteil zu nutzen ist.

Die Agrarpolitik der Europäischen Union muss stärker an ökologischen Zielen ausgerichtet werden und die flächenbezogenen Ausgleichszahlungen müssen auch an ökologische Kriterien gebunden werden. Wir brauchen eine flächendeckende Extensivierung der europäischen Agrarproduktion. Im Rahmen der EU-Agrarreform müssen Umweltleistungen der Landwirtschaft, wie z.B. die Knickpflege und der Erhalt von Feldtümpeln, honoriert und in das System einbezogen werden. Die Ausgestaltung der EU-Programme soll im Sinne der Ökologisierung der Landwirtschaft vorgenommen werden. Bei der Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik wird sich die Landesregierung auch für eine Vereinfachung der administrativen EU-Vorgaben einsetzen (z.B. Bruttoflächenberechnung). Der Verwaltungsaufwand im Agrarsektor muss generell gesenkt werden. Eine flächendeckende Zertifizierung landwirtschaftlicher Betriebe nach DIN ISO wird abgelehnt.

Oberstes Ziel der Landesagrarpolitik ist eine wettbewerbsfähige und umweltfreundliche Landwirtschaft mit möglichst vielen landwirtschaftliche Betrieben und einem reichhaltigen Angebot an gesunden Lebensmitteln.

Zur Erreichung dieser Ziele werden folgende Projekte verfolgt:

  • Die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte - mit herausgehobener Qualität, in Schleswig-Holstein - ist zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Dazu wird ein Strukturentwicklungskonzept erarbeitet. Kleine und mittelständische Betriebe werden vorrangig berücksichtigt. Gleiches gilt für die Ausgestaltung von EU-Programmen in Schleswig-Holstein.
  • Die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft ist zu verbessern. Die Vermarktung ist der wichtigste Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg der Landwirtschaft und des Gartenbaues. Sie ist in erster Linie Aufgabe der Wirtschaft und erfordert eine enge Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Gartenbau, Agrarhandel und Ernährungswirtschaft. Wir wollen gesetzliche Vermarktungshemmnisse für Direktvermarkter abbauen.
  • Die Baumschulwirtschaft und der Gartenbau sind arbeitsintensiv und sichern in besonderem Maße Arbeitsplätze. Auch hierbei sind alle Möglichkeiten einer ökologisch verträglichen Produktionsweise auszuschöpfen.
  • Zur Absatzförderung der in Schleswig-Holstein erzeugten Lebensmittel werden gemeinsam mit der Ernährungswirtschaft die Qualitätsanforderungen an das Gütezeichen "Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein" weiter angehoben. Dabei ist die standortgerechte sowie umweltverträgliche Landbewirtschaftung und die tiergerechte Haltung einzubeziehen.
  • Das Gütezeichen „Hergestellt und Geprüft in S-H“ soll mit dem Ziel weiterentwickelt werden, dass nur noch die Lebensmittel das Gütezeichen erhalten, deren Rohstoffe aus Schleswig-Holstein stammen. Die Zusammensetzung des Vergabeausschusses und die Vergabekriterien werden überprüft.
  • Die arbeitsintensive Veredelungswirtschaft sichert in besonderem Maße Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Veredelungswirtschaft als gewerbliche Wirtschaft lehnen wir ab. Eine nachhaltige Stärkung der Veredelungswirtschaft im Rahmen der bäuerlichen Landwirtschaft muss durch eine verbesserte Ausbildung, Kooperation innerhalb und zwischen den Marktstufen, Anreize zur Verbesserung der Gesundheitsvorsorge und ähnliche Maßnahmen erfolgen. Das Land wird eine Initiative ergreifen, um das Verfüttern von Tierkörpermehlen an alle Tierarten zu verbieten.
  • Die Gülleverordnung des Landes wird auf der Grundlage der Düngeverordnung mit dem Ziel einer möglichst geringen Belastung von Wasser, Boden und Luft überprüft. Die Rahmenbedingungen für Festmistsysteme und die Verfütterung von einheimischen Futtermitteln sollen verbessert werden.
  • Die einzelbetriebliche Förderung für Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetriebe im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Muss beibehalten und weiterentwickelt werden.
  • Vorrang haben umweltfreundliche Anbaumethoden und tiergerechte Haltung im Rahmen einer nachhaltigen Landnutzung bei Anwendung hoher ökologischer Qualitätsziele. Anzustreben ist eine Reduzierung des Energieverbrauchs in der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie. Dabei sind Möglichkeiten der angepassten Betriebstechnik sowie der Einsparung und der Energieeigenerzeugung im Rahmen haushaltsrechtlicher Möglichkeiten zu fördern. Darüber hinaus soll ein Beitrag zum Erhalt von Genressourcen geleistet werden (z.B. Kaltblutpferde, aussterbende Haustierrassen, alte Obstsorten etc.) Die Beratung über die Umweltaspekte der landwirtschaftlichen Produktion wird zu einem Schwerpunkt der Offizialberatung der Landwirtschaftskammer entwickelt. Die Lehrinhalte der landwirtschaftlichen Fachschulen werden weiter ökologisch ausgerichtet.
  • Der Strukturwandel in der Landwirtschaft muss sozial gestaltet werden. Schleswig-Holstein wird darauf hinwirken, dass die Instrumente der EU- und Bundesagrarpolitik so ausgestaltet werden, dass sie möglichst nur den wirtschaftenden Betrieben zugute kommen. Das gilt auch für die Milchquotenregelung.
  • Im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe sollen insbesondere Projekte zur Biomassenutzung gefördert werden. Die stoffliche Verwendung von Biomasse hat grundsätzlich Vorrang vor der energetischen Nutzung. Die Reststoffverwertung hat Vorrang vor dem Anbau nachwachsender Energiepflanzen. Im Bereich der energetischen Nutzung von Biomasse wird nur bei positiver ökologischer Gesamtbilanz gefördert.
  • Der ökologische Landbau soll insbesondere durch Stärkung der Vermarktung mit Bezug auf die regionale Herkunft aus Schleswig-Holstein ausgeweitet werden. Ziel ist es, den Anteil der nach den Regeln für den ökologischen Landbau bewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzfläche deutlich zu steigern. Die Einführung eines Landesökosiegels wird unterstützt.
  • Öffentliche Großküchen sollen Vorbildfunktion entwickeln und möglichst ökologisch erzeugte Produkte aus Schleswig-Holstein verwenden. Für die Förderung des Absatzes und der Verarbeitung von Produkten aus dem schleswig-holsteinischen ökologischen Landbau wird ein Bündel von Maßnahmen in Abstimmung mit den Anbauverbänden entwickelt, dessen Finanzierung aus einem Ökofonds erfolgen soll, der über die ökologisch wirtschaftenden Betriebe indirekt aus Mitteln der Beibehaltungsprämie und der Prämie für Neuumsteller aus der Gemeinschaftsaufgabe finanziert wird.
  • Darüber hinaus werden Programme der Europäischen Union kofinanziert, die eine Förderung der Erfassung, Verarbeitung und Vermarktung von Produkten aus dem ökologischen Anbau ermöglichen (z.B. Biomilch, Direktvermarktung, Wochenmärkte).
    • Die Beibehaltung ist mit 240,— Mark/ha zu fördern, die Umstellung ist mit 300,- Mark/ha besser auszustatten. Die Fördergrenze liegt bei 100 ha pro Betrieb, zwischen 50 und 100 ha wird abgestaffelt.
  • Wer sich den Kontrollen des AGÖL-Verbandes unterwirft, wird im Hinblick auf Kontroll-, Beratungs- und Vermarktungskosten mit 120 DM/ha und Jahr gefördert.
  • Wir wollen dem ökologischen Landbau an den Landwirtschaftsschulen und Universitäten größeres Gewicht geben. Nach Möglichkeit soll ein eigener Ausbildungsgang "Ökologischer Landbau" an den Landwirtschaftsschulen angeboten werden.
  • Für die Forschung ist ein ökologisch wirtschaftender Versuchsbetrieb ausreichender Größe notwendig. Ein Institut für Öko-Landbau an der Agrarfakultät der Universität Kiel wird angestrebt.
  • Das Ziel einer Ausweitung des ökologischen Landbaus soll auch in der Arbeit der Landwirtschaftskammer und der Ernährungsberatung berücksichtigt werden.


Förderung der Ernährungswirtschaft

Eine leistungsfähige Ernährungswirtschaft sichert Wertschöpfung und Arbeitsplätze aus der landwirtschaftlichen Produktion in Schleswig-Holstein. Mit über 280 Industrieunternehmen und über 10 Mrd. DM Umsatz ist die Ernährungswirtschaft ein wesentlicher Wirtschaftszweig. Sie ist auf nationale und zunehmend auf internationale Absatzmärkte zwingend angewiesen.

Zugleich steht Schleswig-Holstein im Standortwettbewerb mit anderen nationalen und europäischen Regionen. Wir wollen daher:

  • Eine Sicherung und Verbesserung der Standortbedingungen u.a. durch verbessertes Behördenmanagement, vertikale Verbundstrukturen zwischen Land- und Ernährungswirtschaft, Stärkung der Kommunikation und Kooperation im Sektor und Einbeziehung der vorhandenen wissenschaftlichen Infrastruktur, stärkere Orientierung der Rohstoffproduktion in Schleswig-Holstein an den Erfordernissen des Lebensmittelmarktes und der Ernährungswirtschaft,
  • Absatzförderung der Ernährungsindustrie im In- und Ausland bei stärkerer Heraushebung der spezifischen schleswig-holsteinischen Vorteile, d.h. Produktion mit sauberer Luft, Wasser etc. Weitere Steigerung des Qualitätsniveaus durch Anhebung der Anforderungen des Gütezeichens "Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein" (z.B. Ausschluss problematischer Inhaltsstoffe und Verfahren einschließlich gentechnischer Manipulationen);
  • Unterstützung der Ernährungswirtschaft bei der Modernisierung der Unternehmen, u.a. durch Modelle zur Zertifizierung nach DIN ISO, Modelle zur Nutzung des EU-Öko-Audits, Entwicklung eines Logistik-Verbundkonzeptes aus der Region in andere Empfangsregionen sowie Investitionsförderung soweit im EU-Rahmen möglich.
  • Die Verarbeitung soll am Prinzip der kurzen Wege ausgerichtet werden. Deshalb soll insbesondere ein Abbau des verarbeitenden Ernährungsgewerbes in Schleswig-Holstein verhindert werden. Tiertransportfahrzeuge sollen hinsichtlich der Ladefläche und Ladekapazität gekennzeichnet werden. An Schlachthöfen ist bei der amtlichen Lebendviehannahme ein Transportprotokoll anzufertigen.


Verbraucherschutz

Die Produzenten können aus ihrer Verantwortung für umweltverträglich produzierte und gesunde Lebensmittel nicht entlassen werden. Die Versorgung der Verbraucherinnen und Verbraucher mit gesunden Lebensmitteln hoher Qualität aus umweltschonend und tiergerecht erzeugten Rohstoffen hat Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Schleswig-Holstein verhält sich weiterhin gegenüber pharmakologisch wirksamen Substanzen in der Tierproduktion so restriktiv wie möglich und wird auf Bundes- und EU-Ebene weitere Initiativen zur Reduzierung dieser Stoffe ergreifen. Die lebensmittelrechtlichen Vorschriften zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz vor Verbrauchertäuschung müssen in der Europäischen Union auf höchstem Niveau weiter harmonisiert werden. Gentechnisch behandelte Lebensmittel lehnen wir ab. Bestrahlte und gentechnisch behandelte oder veränderte Lebensmittel sind klar und eindeutig zu kennzeichnen.


Fischerei

Maßnahmen in den Bereichen Fischvermarktung, Hafen- und Flottenstruktur sowie umweltgerechte Fischereiwirtschaft werden vorrangig gefördert.

Die nachhaltige Nutzbarkeit der Bestände muss gesichert werden. Der Beifang soll vermindert werden.


Küstenschutz

Der Schutz der Menschen und ihrer Siedlungen hat für Schleswig-Holstein im Küstenschutz oberste Priorität. Die Sicherungsmaßnahmen sind einer strengen Prüfung hinsichtlich ihrer ökologischen und ökonomischen Verträglichkeit zu unterziehen. Die verschiedenen Nutzungen an der Küste sollten sich der Landschaft und ihren natürlichen Bedingungen anpassen.

Es werden keine neuen Vordeichungen, keine Bauwerke im Vordeichbereich und grundsätzlich keine küstenparallelen Buhnen errichtet. Ebenso wollen wir keine neue Landgewinnung durch Abdeichungen; im Deichbau werden keine Abfälle eingesetzt. Die Bundeswasserstraßenverwaltung wird aufgefordert, die Sanierung des Eider-Sperrwerks bezüglich der Folgenabschätzung und der Kosten ergebnisoffen zu überprüfen. Die Godel-Niederung auf Föhr als letztes naturnahes Ästuar wird in ihrem natürlichen Zustand erhalten.

Der derzeit gültige Generalplan Küstenschutz basiert auf Prognosen, die bis zum Jahr 2010 reichen, er ist mit den Zielen der Schutzgebietsausweisung und der Biotopverbundplanung abzugleichen und muss unter Einbeziehung der Auswirkungen künftiger Klimaveränderungen weiterentwickelt werden. Bei zukünftigen Küstenschutzmaßnahmen sind Möglichkeiten der Rückverlegung von Deichen an der Ostsee ebenso zu berücksichtigen wie Möglichkeiten, nicht mehr benötigte Deiche (z.B. Geltinger Birk) verfallen zu lassen.

Die Entscheidung über den Bau des Pellwormer Damms soll nach Auswertung der laufenden Untersuchungen erfolgen. Die Entscheidung wird von der Koalition im Einvernehmen getroffen.


Ökologisch verträgliche Waldnutzung

Wir wollen in bewusst naturnahen und strukturell stabilen Wäldern eine biologische nachhaltige Produktion von unbelasteten Rohstoffen verwirklichen. Dazu ist es nötig natürliche Entwicklungsphasen zuzulassen, um so ein dauerhaftes Waldgefüge zu schaffen, in dem häufige kostenintensive Eingriffe minimiert werden. Die Nutzung der Wälder erfolgt kahlschlagsfrei und pestizidfrei. Absoluten Vorrang haben die natürlichen Ansamungen der standortheimischen Baumarten. Zum Erhalt von Alterungs- und Zerfallsstrukturen ist auf die Totalnutzung zu verzichten. Art und Ausmaß der Nutzung müssen sich am natürlichen Ertragsniveau der Wälder orientieren. Der Einsatz waldschädlicher Maschinen darf nur noch in solchen Forstkulturen erfolgen, die den typischen Altersklassenwäldern entsprechen. Die Landesförderungsprogramme sind mit diesen Vorgaben abzugleichen. So ist die Förderung des Holzrückens mit Pferden in kommunalen Wäldern wieder einzuführen.

Auf der Grundlage der Waldbiotopkartierung wird ein Programm aufgelegt werden, wonach mindestens 5000 ha als Vorrangfläche für den Naturschutz im Wald auszuwählen und festzuschreiben sind. Ziel ist es dabei, großflächige Waldschutzgebiete auszuweisen, in denen der Naturschutz Vorrang hat und eine Teilnutzung möglich bleibt.

Trockengelegte Waldstandorte sind wiederzuvernässen, auf Wegeneubau in bestehenden Wäldern ist grundsätzlich zu verzichten.

Die Forstpolitik des Landes zielt darauf ab, den Anteil der Landeswaldfläche schrittweise zu vergrößern. Die Neuwaldbildung soll in enger Abstimmung mit der Biotopverbundplanung erfolgen. Die Unterstützung der forstlichen Zusammenschlüsse soll fortgesetzt werden. Eine kostenlose Beratung der Kleinstwaldbesitzer/innen bis 5 ha ist einzuführen. Zur Kontrolle einer naturnahen Entwicklung der Waldbestände wird langfristig die Kontrollstichprobe eingeführt. Besondere Bedeutung kommt der Förderung von waldgebundenen Erwerbs- und Arbeitsplätzen zu.

Durch Umweltzertifizierung sollen die Forstbetriebe unterstützt werden, um Marktvorteile zu erreichen. Wir sind für eine stärkere Verwendung von Holzwerkstoffen.

Es wird ein neues forstpolitisches Gesamtkonzept entwickelt, das in eine Novellierung des Landeswaldgesetzes mündet. Es kommt darauf an, dass die Öffentlichkeit auf einen verantwortungsvollen Umgang mit der Lebensgemeinschaft Wald vertrauen kann.

Wir werden auf Bundesebene darauf hinwirken, dass ausschließlich die naturnahe Waldbewirtschaftung Grundlage der finanziellen Förderung wird.


Ökologisch verträgliche Jagd

Die Jagd hat sich den ökologischen Belangen anzupassen und muss den Anforderungen des Tierschutzes gerecht werden. Vorrangig ist die Herstellung waldökologisch tragbarer Wilddichten, so dass eine natürliche gemischte Verjüngung ohne Zaunschutz sichergestellt wird. Die Abschusshöhe des Schalenwildes hat sich zukünftig an der durch Verbissgutachten festzustellenden Beeinträchtigung der Vegetation zu orientieren.

Um die Eingriffe in den Naturhaushalt möglichst gering zu halten, sind Abschussrichtlinien, Jagdzeiten und Jagdmethoden den wildbiologischen Erfordernissen anzupassen. Ziel ist es, die Beunruhigung der Wildtiere zu minimieren und effizienter zu gestalten. Es geht dabei u. a. um eine Verstärkung der gemeinschaftlichen Jagdausübung in Form der Intervalljagd und der revierübergreifenden Stöberjagden. Die Verkürzung der Jagdzeiten bis zum 31. 12. eines Jahres ist zu prüfen. Das Jagdhundewesen ist zu befördern, wobei die Prüfungszeit auf den Zeitraum außerhalb der gesetzlichen Brut- und Setzzeiten festzulegen ist.

Eine Novellierung der jagdrechtlichen Vorschriften ist deshalb dringend erforderlich. Insbesondere ist die Fütterung von Wildtieren weitgehend zu verbieten, die Abschaffung der Pflichttrophäenschau sowie das Verbot der Auswilderung lediglich zum Zwecke der Jagd. Die Jagd hat sich den Zielen des Naturschutzes unter zu ordnen. In diesem Sinne sind die Grundsätze für die Behandlung der Jagd in Naturschutzgebieten unverzüglich neu zu fassen.

Den ortsansässigen Jägerinnen und Jägern soll der Zugang zur bodenständigen Jagdausübung erleichtert werden. Eine unabhängige Ausbildung ist verstärkt an die ökologisch Grundlagen und den wildbiologischen Erkenntnisse auszurichten. Hierzu gehört u. a. die Einführung einer regelmäßigen Leistungsprüfung im Schießen für alle JagdscheininhaberInnen zur Verbesserung des Tierschutzes. Die Landesregierung wird sich auch in Zukunft jeder Initiative verschließen, die darauf abgestellt, die Jagd auf Rabenkrähen (Aaskrähen), Elstern und Eichelhäher wieder zuzulassen.

Nord- und Ostsee

Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer

Das Nationalparkgesetz wird bis spätestens Ende 1998 novelliert und zur Anpassung an das Landesnaturschutzgesetz und den Erkenntnissen und dem Wissenstand der Ökosystemforschung Wattenmeer angepasst. Dabei muss das Schutzziel dem Naturschutz eindeutigen Vorrang geben und den international üblichen Regelungen für Nationalparke angeglichen werden. Das Schutzzonenkonzept ist nach ökologischen Kriterien weiterzuentwickeln. Angrenzende, ökologisch bedeutsame Gebiete (15a-Flächen und NSG) sind zu überprüfen. Ziel ist es dabei, diese Gebiete in den Nationalpark einzubeziehen. Die Aufgaben in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit/Umweltbildung/Besucherlenkung und Monitoring/Forschung werden als Aufgaben des Nationalparkamtes festgeschrieben. Bei allen den Nationalpark betreffenden Angelegenheiten ist mit dem Nationalparkamt Einvernehmen herzustellen.

Die Landesregierung wird für den Nationalpark nach öffentlicher Anhörung einen Nationalparkplan aufstellen. Dies wird auf-der Grundlage des Syntheseberichtes der Ökosystemforschung geschehen. Im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer wird der mit Hilfe der Arbeitsverwaltung bereits eingeleitete Aufbau eines hauptamtlichen Nationalpark-Service fortgesetzt und dauerhaft etabliert. Die Arbeit der Naturschutzverbände muss hierbei miteinbezogen werden.

Im Nationalpark soll der Einstieg in eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der Agenda 21 auf den Inseln und Halligen erprobt werden. Hierzu dient auch die Fortführung des Programms des Integrierten Inselschutzkonzeptes. Die Inseln und Halligen sowie der Küstenbereich sollen ferner als Zone einer nachhaltigen, natur- und umweltverträglichen Entwicklung in das Biosphärenreservat einbezogen werden. Um Anreize für die in diesem Gebiet liegenden Gemeinden zu schaffen, werden geeignete Fördermittel inhaltlich an die Biosphärenreservatskriterien geknüpft.

Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass die beim Nationalparkamt Wattenmeer angesiedelte nationale Koordinierungsstelle im Rahmen des trilateralen Monitoring-Programmes für das Wattenmeer über die laufende Erprobungsphase hinaus auf Dauer in Tönning angesiedelt bleibt.

Das Muschelkonzept wird entsprechend den vorrangigen ökologischen Erfordernissen im Nationalpark überarbeitet. Insbesondere ist die Gesamtfläche der Muschelkulturen innerhalb dieser Legislaturperiode stufenweise zu reduzieren.

Die Kernzonen des Nationalparks sind von der Muschelfischerei freizuhalten.

Die Mindestgröße der anlandbaren Muscheln wird auf fünf Zentimeter, bei einem Anteil von mindermaßigen Muscheln von maximal 30 %, festgelegt.

Die Nutzung der im Meeresboden lebenden Muscheln soll weiter reduziert werden. Für die weitere Lizenzvergabe sind die Lizenzgebühren deutlich zu erhöhen. Aus diesen Mitteln soll das zukünftig im Nationalparkamt angesiedelte Muschelmonitoring finanziert werden. Das Muschelkonzept ist dabei die Grundlage.

Das Nationalparkamt und das Landesamt für Fischerei erarbeiten einvernehmlich ein wirksames, in das Muschelkonzept integriertes Kontrollsystem zur Muschelfischerei, das stringent anzuwenden ist. Eiderenten und andere Tiere, die sich von Muscheln ernähren, werden uneingeschränkt auf den Kulturen geduldet.

Auf der Ebene der EU ist darauf hinzuwirken, dass Fraßschäden durch Enten und Gänse aus dem EU-Agrarhaushalt finanziert werden. Bis dahin werden die Entschädigungsleistungen für Fraßschäden vom Landwirtschaftsministerium entrichtet.

Die Ausbeutung von Bodenschätzen und Waffenerprobungen sind mit den Schutzzielen eines Nationalparks nicht vereinbar. Die Bemühungen zur schnellstmöglichen Beendigung der Waffenerprobungen und zur Erarbeitung eines Konzepts zur Beendigung der Ölförderung im Nationalpark müssen fortgesetzt und intensiviert werden.


Ostseeschutz

Die Landesregierung wird die Ausweisung von Ostseeschutzgebieten unter Einbeziehung der Seegraswiesen zügig vorantreiben. Zusätzlich zu den Flachwasserbereichen Geltinger Birk und Schleimünde sollen zunächst die Flachwasserbereiche Hohwachter Bucht und Westfehmarn ausgewiesen werden. Es sind Management und Schutzkonzepte für die Gebiete zu erarbeiten und zu verwirklichen, die auch dem Ziel des Helsinki-Übereinkommens gerecht werden, die Verschmutzung der Ostsee zu verhüten und den Schutz der Meeresumwelt zu gewährleisten. Wir wollen die Erarbeitung und Umsetzung eines Küstenmanagementkonzeptes, das den gesamten Küstenverlauf umfasst.

Die Bilgenölentsorgung in den Häfen muss im Interesse des Meeresumweltschutzes und zur Erhaltung der bereits vorhandenen Infrastruktur weiterhin gewährleistet sein. Die Landesregierung wird sich intensiv für die Empfehlung der Helsinki-Kommission einsetzen, dass die Schiffsentsorgung im gesamten Ostseeraum über die Hafengebühr finanziert werden soll, und sie wird eine wettbewerbs- neutrale Umsetzung dieser Beschlüsse in Schleswig-Holstein gewährleisten.

Die Landesregierung wird sich auch gegenüber der Bundesregierung dafür einsetzen, dass entsprechende Regelungen für den Schutz der Nordsee kurzfristig getroffen werden.

Zum Schutz unserer Gewässer wird sich die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung für den Verbleib der Antifoulingsubstanzen in Anhang V des Kommissionsvorschlages einer EU-Biozid- Richtlinie einsetzen und die Entwicklung von Ersatzstoffen und praxisgerechten Alternativen auch durch schleswig-holsteinische Unternehmen fördern.

Bio- und Gentechnologie

Zu Gentechnik, Biotechnologie, biomedizinische Forschung haben die Vertragsparteien eine unterschiedlich kritische bzw. ablehnende Einstellung. Unabhängig davon bedarf es bei diesen Themen eines intensiven gesellschaftlichen Dialogs, in den der jeweilige Stand von Wissenschaft und Technik einfließen muss.


Mit der Gentechnik werden die Eingriffsmöglichkeiten des Menschen in die Naturzusammenhänge um Dimensionen erweitert: es besteht die Möglichkeit, dass biologische und ethische Grenzen überschritten werden.

Nach Auffassung der SPD muss bei der Gentechnologie eine besonders sorgfältige Abwägung der Chancen und Risiken erfolgen. Neben den Risiken sieht die SPD auch Chancen, vor allem im Gesundheitssektor (z. B. Diagnostik und Medikamente)

Aus der Sicht von Bündnis 90/DIE GRÜNEN sind die langfristigen Folgen für Mensch und Natur nach wie vor nicht absehbar. In Anbetracht dieser "Verantwortbarkeitslücke" lehnen Bündnis 90/DIE GRÜNEN die Gentechnik ab. Dies gilt auch für biotechnologische/biomedizinische Forschung, soweit sie gentechnische Verfahren vorbereitet.

Unabhängig davon setzen sich die Koalitionspartner für die Einsetzung einer Enquete-Kommission beim Landtag ein, die Empfehlungen zur sorgfältigen und verantwortungsbewussten Abwägung der Chancen und Risiken gentechnischer Verfahren geben soll.

  • Die Koalitionsparteien bekräftigen aus ethischen Grünen das Verbot gentechnischer Eingriffe in die Keimbahn des Menschen.
  • Sie lehnen die Freisetzung genmanipulierter Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen in die Umwelt ab.
  • Sie lehnen weiterhin die Patentierung von gentechnisch veränderten Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen ab wie auch von Teilen der Organismen und einzelnen Genen.
  • Solange dies auf Bundesebene nicht möglich ist, werden wir uns dafür einsetzen, durch eine Novelle des Bundesgentechnik-Gesetzes künftig eine Einvernehmensregelung zwischen dem Bund und den Landesbehörden bei bevorstehenden Freilandversuchen zu erreichen.

Biotechnische Verfahren ohne Gentechnik können wichtige Beiträge zur Umweltentlastung und Bewältigung von Umweltproblemen leisten, z. B. bei der Dekontamination belasteter Böden. Die Landesregierung wird entsprechende Entwicklungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ebenfalls unterstützen.

Den in den Bundesrat eingebrachten Antrag zur umfassenden Kennzeichnungspflicht für alle mit gentechnischen Verfahren und Bestandteilen hergestellten Lebensmittel und Produkte wird die Landesregierung mit Nachdruck weiterverfolgen.

Die Landesregierung wird sich für die Einrichtung einer fachübergreifenden Ethik-Kommission einsetzen, die zur Hälfte mit medizinischen/naturwissenschaftlichen Laien besetzt wird.

Eine nachhaltige Infrastruktur schaffen und die Verwaltung reformieren

Verkehrspolitik

Grundsätze der Verkehrspolitik

Ziel der gemeinsamen Verkehrspolitik ist es,

  • Mobilität für Menschen und Güter zu gewährleisten,
  • die Belastung der Umwelt durch Schadstoffemissionen, Flächenverbrauch, Zerschneidung der Landschaft und Lärm zu reduzieren und insbesondere
  • die notwendigen Schritte zur Erreichung der COZ-Reduktionsziele der Bundesregierung zu gewährleisten.

Dabei streben wir folgende Veränderungen an:

  • Die Verkehrsvermeidung;
  • die Verkehrsverlagerung auf umweltverträgliche Verkehrsmittel;
  • die Verkehrsberuhigung insbesondere durch niedrigere Geschwindigkeiten;
  • die technische Optimierung der Verkehrsmittel.

Um diese Ziele zu erreichen, sollen

  • die Raumordnung entsprechend geändert werden,
  • alle Möglichkeiten genutzt werden, um den öffentlichen Verkehr schrittweise zu einem vorrangigen Verkehrssystem zu machen;
  • die Bedingungen für Radfahrer und Fußgänger verbessert werden;
  • die Bedeutung des Straßenbaus im Rahmen eines Integrierten Verkehrskonzepts zurückgeführt werden.
  • Konzepte in Angriff genommen werden, um die Reduzierung und Verlagerung des Straßengüterverkehrs auf Schiene und Schiff voranzubringen;
  • die Hafeninfrastruktur ausgebaut werden;
  • die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Verkehrssystemen und Verkehrsmitteln verbessert werden;
  • die Verkehrsströme durch den Einsatz von elektronischen Mitteln optimiert werden (elektronische Maut für Ferngüterverkehre auf der Straße);
  • ein besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse und die gleichberechtigte Teilnahme am Verkehr von Frauen, Kindern, alten Menschen und Menschen mit Behinderungen gelegt werden;
  • Aktionen zur Förderung der Verkehrssicherheit durchgeführt werden;
  • der Komfort bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und die Information über ihre Nutzungsmöglichkeiten erhöht werden.

Bei der Verkehrspolitik muss die Beteiligung von Frauen deutlich verbessert werden. Die Landesregierung wird in diesen Bereich Bedürfnisse und Kenntnisse von Frauen systematisch in Planungsprozesse einbeziehen.

Die Stellungnahmen des Landes zur Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes und des Bedarfsplanes zum Bundesfernstraßenausbaugesetz sowie zum Bedarfsplan des Schienenwegeausbaugesetzes erfolgen im Einvernehmen der Koalitionspartner.


Schienenfernverkehr

Nach der Elektrifizierung der Strecke Hamburg - Kiel/Flensburg müssen weitere Maßnahmen zur Leistungssteigerung der Schiene in Schleswig-Holstein ergriffen werden. Nach Eröffnung der Großen Belt-Querung für die Eisenbahn (1997) und Fertigstellung der Oeresund-Querung (voraussichtlich 2001) konkretisiert sich die Perspektive, dass im Nord-Süd-Verkehr große Gütermengen ungebrochen über die Schiene abgewickelt werden können, womit das Fernstraßennetz in Schleswig-Holstein (A 1 und A 7) entlastet werden könnte. Dieser zunehmende Schienengüterverkehr wird sich hauptsächlich auf der Jütlandlinie über Flensburg/Neumünster abspielen.

Für die Landesregierung ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:

  • Der Engpass Pinneberg - Elmshorn muss dringend beseitigt werden.
  • Da die Hochbrücke bei Rendsburg von ihrer Belastungsfähigkeit her zu einem Engpass werden könnte, muss die Landesregierung auf den Bund einwirken, die Prüfung eines Ersatzbauwerkes in Angriff zu nehmen.
  • Die Leistungsfähigkeit der Westküsten-Linie (Marschenbahn) ist auch in ihrer entlastenden Funktion für die Jütlandlinie zu erhalten und auszubauen.
  • Soweit die Schienenverkehre Hamburg nicht als Ziel oder als Quelle haben, ist eine schnelle Umfahrung des Knotenpunktes Hamburg erforderlich. Die entsprechenden technischen und verkehrswirtschaftlichen Abwägungen sind Gegenstand einer Knotenuntersuchung der Metropolregion Hamburg, die u. a. auch eine westliche Querung der Elbe einschließt. Dabei favorisieren die Koalitionspartner eine Lösung, die zu einer strukturellen Stärkung der Westküste und des Industrieareals Brunsbüttel führt.

Die Landesregierung setzt sich ferner für eine Elektrifizierung der Strecke Hamburg - Lübeck ein und strebt zügig eine Einigung mit der DB AG über diese Ausbaumaßnahme an. Diese Maßnahme steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit Nr. 1“, dem Ausbau der Strecke Lübeck - Bad Kleinen. Die Landesregierung wird sich für den zweispurigen Ausbau einschließlich der Elektrifizierung dieser Strecke auch bei der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes und einer Änderung zum Schienenwegeausbaugesetz einsetzen.

Als weitere Nord—Süd—Magistrale ist die Vogelfluglinie von unveränderter Bedeutung. Die Landesregierung begrüßt die Absicht der DB AG, den Schienenpersonenfernverkehr auf der Strecke Hamburg - Kopenhagen zu stärken. Sie befürwortet Ausbaumaßnahmen im Bereich der eingleisigen Streckenführung, um eine Reisezeit von Hamburg nach Kopenhagen unterhalb von 4 Stunden zu erreichen.

Die Landesregierung setzt sich für den Ausbau der Vogelfluglinie mit einem optimierten Fährverkehr ein und begrüßt die Beschaffung von modernen Fährschiffen mit Gleisanlagen durch die Tochterunternehmen von DB AG und DSB. Zur festen Fehmarn-Beltquerung werden die Koalitionspartner nach Abschluss der laufenden Machbarkeitsstudien (voraussichtlich 1998) Schlussfolgerungen im Einvernehmen erzielen.

Die Landesregierung setzt sich für eine Eisenbahnverbindung Hamburg - Berlin mit Hochgeschwindigkeitszügen ein. Sie lehnt die Errichtung einer Transrapid-Strecke ab und wird nach Verabschiedung des Magnetschwebebahnbedarfsgesetzes durch den Deutschen Bundestag den Antrag eines Normenkontrollverfahrens beim Bundesverfassungsgericht prüfen.


Regionaler Schienenverkehr

Die Landesregierung hat mit der Einführung des integrierten Taktfahrplans, der Verabschiedung des ÖPNV-Gesetzes, der Einrichtung der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft mbH (LVS) und dem Vertrag mit der DB AG über die Bestellung von Verkehrsdienstleistungen 1996/1997 wesentliche Grundlagen zur Stärkung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) in Schleswig-Holstein geschaffen.

Die Landesregierung erwartet von der LVS einen ersten landesweiten Nahverkehrsplan noch im Jahr 1996, der zur Fortentwicklung des SPNV in Schleswig—Holstein führt. Dabei sollen auch stillgelegte Strecken - wie insbesondere Neumünster - Bad Segeberg und Geesthacht -Hamburg – und stillgelegte Bahnhöfe wieder in Betrieb genommen werden. Dazu wird nach Abschluss der laufenden Prüfungen der LVS GmbH einvernehmlich eine Prioritätenliste festzulegen sein. Die Landesregierung erwartet ferner Vorschläge zur Verwirklichung der 2. Stufe des landesweiten Verkehrsmodells "Ein Tarif - ein Fahrplan - ein Fahrschein". In diesem Zusammenhang wird auch ein Marketing—Konzept zu entwickeln sein, das über die Vorteile, die Attraktivität und die Leistungsfähigkeit des ÖPNV in Schleswig-Holstein insgesamt kundenorientiert Informationen und Anreize gibt. Darüber hinaus wird erwartet, dass die LVS GmbH Vorschläge für den Ausbau des SPNV vorlegt und eine koordinierende Rolle bei kreisgrenzenüberschreitendem ÖPNV und SPNV spielt.

Die Landesregierung wird ihrerseits ein Schienenpersonennahverkehrs-Konzept erarbeiten, das u. a. einen Ringverkehr Kiel - Neumünster - Hamburg -Lübeck - Kiel mit einer effizienten Nutzung des rollenden Materials vorsieht. Dazu sollen Mittel nach dem Schienenwegeausbaugesetz, die für den SPNV vorgesehen sind, für den Ausbau der Strecke Kiel - Lübeck auf eine Fahrzeit unter 60 Minuten eingesetzt werden. Weitere Mittel auf der Anspruchsgrundlage des Gesetzes werden noch in diesem Jahr für die Elektrifizierung Elmshorn - Itzehoe mit dem Effekt einer Fahrzeitverkürzung Hamburg - Westerland um 20 Minuten investiert. Als drittes Projekt wird der Ausbau der Strecke Husum - St. Peter-Ording verfolgt.

Im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten wird die Landesregierung zur Attraktivitätssteigerung des SPNV auch den Einsatz moderner Triebwagen und Waggons fördern und City-Bahn-Lösungen einbeziehen.


Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

Der übrige ÖPNV fällt nach dem ÖPNV-Gesetz in die Trägerschaft der kommunalen Gebietskörperschaften. Die Landesregierung stellt sich dessen unbenommen im Rahmen ihrer finanziellen Spielräume der Verantwortung, den ÖPNV in den kommunalen Gebietskörperschaften nach besten Kräften zu fördern. Dazu werden Mittel auf der Grundlage des Regionalisierungsgesetzes, des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) und des Finanzausgleichsgesetzes des Landes (FAG) sowie Mittel aus verschiedenen Programmen des Verkehrsministeriums eingesetzt.

Die Mittelverteilung des ab 1997 abgesenkten Plafonds des GVFG soll exklusive aller Mittel für Radwegebau und Radverkehrsanlagen, die in einem gesonderten Förderprogramm zusammengeführt werden sollen, im Durchschnitt der Legislaturperiode zu 50 % dem ÖPNV und zu 50 % dem kommunalen Straßenbau zufließen. Die Förderquoten im kommunalen Straßenbau sollen differenziert abgesenkt werden.

Die Landesregierung wird den kommunalen Gebietskörperschaften bei der Umsetzung von ÖPNV- Konzepten behilflich sein. Erreichen die aktuell in der Voruntersuchung befindlichen Stadtbahnsysteme für Kiel und Lübeck einen umsetzungsreifen Planungsstand, wird die Landesregierung auf An- trag der Städte eine Anmeldung auf Mittel aus dem GVFG-Programm des Bundes betreiben. Sie wird nach ersten Erfahrungen mit der neugegründeten HW GmbH einvernehmlich mit den Gesellschaftern eine Ausweitung des HW-Einzugsgebietes prüfen.

Nach Auswertung der Machbarkeitsstudie über eine Mobilitätsberatung in Schleswig-Holstein wird die Landesregierung über die Zukunft einer "Mobilitätszentrale Nord" entscheiden, die flächendeckend und kundenfreundlich Auskünfte über Verbindungen auf Schiene und Straße, Anschlussverbindungen und touristische Angebote geben soll. Hierfür werden ausreichende Mittel im Rahmen des Haushaltes zur Verfügung gestellt.


Güterverkehr

Die Landesregierung wird auf der Grundlage einer Studie, die insbesondere über inter- und intraregionale Güterströme Ergebnisse ‚liefern soll, ein integriertes Güterverkehrskonzept unter Einbeziehung von Eisenbahnunternehmen, der Hafenwirtschaft und Transportunternehmen des Landes erarbeiten. Dabei soll auch die Möglichkeit eines regionalen Liniengüterverkehrs untersucht werden. Die geplanten Güterverkehrszentren (GVZ) in Neumünster und Lübeck finden die deutliche Unterstützung der Landesregierung. Zur Förderung des GVZ in Neumünster nach dem GVFG gibt es verbindliche Erklärungen der Landesregierung. Zur effizienten Nutzung der bestehenden Hafenkapazitäten soll die Modernisierung von Umschlageinrichtungen und -techniken zu einem weiteren Schwerpunkt bei der Förderung von Hafeninvestitionen erhoben werden.


Straßenverkehr

Ein weiterer Ausbau des Hauptstraßennetzes löst nicht die Verkehrsprobleme der Zukunft. Notwendig ist ein Integriertes Verkehrskonzept, das einer bloßen Fortschreibung der Verkehrsspirale, insbesondere auf der Straße entgegenwirkt.


Bundesfernstraßen

  1. In der Beurteilung konkreter Straßenbauvorhaben besteht bei den Koalitionspartnern häufig keine Deckungsgleichheit bei der Bewertung. Dies gilt insbesondere für das Vorhaben einer A 20 einschließlich einer Elbquerung.
  2. Unbeschadet dessen besteht für die Straßenbauverwaltung des Landes Schleswig-Holstein für die im vordringlichen Bedarf befindlichen Maßnahmen des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen ein durch den Bund erteilter gesetzlicher Planungsauftrag. Bündnis 90/DIE GRÜNEN erkennt die primäre Zuständigkeit des Bundes und die besondere Rolle der Landesverwaltung im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung an. Dem durch den Bund erteilten gesetzlichen Planungsauftrag wird nach einer angemessenen Prioritätensetzung nachgekommen, die die Dringlichkeit der Projekte, ihre Finanzierbarkeit und den wirtschaftlichen Einsatz der Planungskapazität berücksichtigt.
  3. Die Stellungnahmen des Landes zur Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes und des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen sowie die Beantragung von zusätzlichen Mitteln für Neubaumaßnahmen beim Bund erfolgen im Einvernehmen der Koalitionspartner.
  4. Realisierung-Planungsschritte A 20
    Die Landesregierung wird die Planfeststellungsverfahren im Raum Lübeck mit maximaler Transparenz und Bürgerfreundlichkeit ohne Zeitdruck zu Ende führen. Die Koalitionspartner setzen sich in diesem Verfahren gemeinsam für eine maximale Umweltverträglichkeit des Straßenbauvorhabens ein. Grundlage hierfür bietet u. a. der Landtagsbeschluss vom 19.08.1992. Der MVVTV wird Vorschläge aus den öffentlichen Anhörungen nach einer ermessensfehlerfreien Abwägung in seiner Stellungnahme an den BMV berücksichtigen.
  5. A 20 Raum Lübeck
    Der Abschnitt zwischen A 1 und L 92 (Kronsforder Allee) ist Gegenstand eines laufenden Planfeststellungsverfahrens, das mit der öffentlichen Auslegung der Planunterlagen eingeleitet worden ist. Über die Behandlung der Einwendungen in den vorgesehenen öffentlichen Erörterungsterminen hinaus, steht der Rechtsweg (Verwaltungsgerichtsverfahren) offen. Unterschiedliche Auffassungen zur Rechtskonformität des Verfahrens können nicht in einer Koalitionsvereinbarung geklärt werde. In den beiden Abschnitten zwischen L 92 und L 2 (jenseits der Landesgrenze) erfolgt die par- zellenscharfe Entwurfsbearbeitung, um die Planfeststellungsunterlagen zu erstellen. Mit der Einleitung der Planfeststellungsverfahren ist nicht vor Jahreswende 1997/1998 zu rechnen, Planfeststellungsbeschlüsse nicht vor 1999. Vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens wird für diese Abschnitte ein Gutachten über die Vereinbarkeit der Planung mit dem europäischen Umweltrecht (EU/Vogelschutz, FFH) erstellt. Der MVVTV wird das Ergebnis des Gutachtens nach ermessenfehlerfreier Prüfung in seine Stellungnahme an BMV aufnehmen.
  6. A 20 westlich der A1
    1. A1/Geschendorf
      Dieser Streckenabschnitt ist im gültigen 5-Jahres-Plan bis zum 31.12.2000 finanziert. Gleichwohl ist mit einem Planfeststellungsbeschluss in dieser Legislaturperiode nicht zu rechnen.
    2. Geschendorf A 20 von Geschendorf bis zur Elbe
      Für die Teilabschnitte A 1 bis Bad Segeberg laufen Voruntersuchungen zur Linienführung. Bei der Linienfindung der freien Strecke erfolgt die Prioritätensetzung auf einer Ausbauvariante der bestehenden B 206 zur Minimierung der Eingriffe. Im gültigen 5-Jahres-Plan zur Finanzierung des Bundesverkehrswegeplanes ist bis zum 31.12.2000 kein Finanzierungsbeginn für den Ausbau der A 20 westlich von Geschendorf vorgesehen.
      Die Einleitung von Planfeststellungsverfahren zu allen Abschnitten erfolgt nicht vor Ende der Legislaturperiode.
  7. Elbquerung
    Die verkehrswirtschaftliche Untersuchung sowie eine Schienenknotenpunkt-Untersuchung zur Metropole Hamburg mit Relevanz für die Frage einer kombinierten Straße/Schiene-Querung läuft. Ergebnisse werden voraussichtlich zur Jahreswende 1996/1997 vorliegen. Die Auswertung der verkehrswirtschaftlichen Untersuchung bleibt abzuwarten.
  8. Während der laufenden Planfeststellungsverfahren bleibt es beiden Partnern unbenommen, in ihrem Sinn die Öffentlichkeit zu informieren.


Landesstraßen

Die finanzielle Mittelausstattung des Um- und Ausbaus von Landesstraßen ist in den letzten 10 Jahren um die Hälfte gekürzt worden (Mittelansatz 1997: Nettoansatz 33 Mio. DM). Allein notwendige Brückensanierungen, Ortsdurchfahrten mit Kanalisation und kleinere Verkehrssicherungsmaßnahmen nehmen davon einen so hohen Anteil in Anspruch, dass kaum noch Spielraum für Neubaumaßnahmen besteht. Die Folgen sind im Übrigen auch in einem Absinken der jährlich fertiggestellten Radwege-Kilometer und in einem Substanzverfall abzulesen, der nach dem Winter 1995/1996 prekär werden könnte.

Die Koalitionspartner einigen sich darauf, dass sich die Baumaßnahmen an und von Landesstraßen nach der Anlage zum Einzelplan des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums (Epl. 06) richten, die Gegenstand der jährlichen Haushaltsberatungen des Kabinetts ist.

Als Voraussetzungen für neu zu schaffende Ortsumgehungen müssen gegeben sein:

  • eine nachgewiesene Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger von mindestens 50 % des Verkehrs; d. h. der Durchgangsverkehr muss vor der Maßnahme stärker sein, als der Ziel- und Quellverkehr;
  • eine Verlagerungsfunktion von inneren Ortslagen nach außen;
  • alle verkehrsberuhigenden Maßnahmen müssen als ungenügend erkannt worden sein.

Die Landesstraßenbauverwaltung, die von 1988 bis 1996 rd. 200 Stellen abgebaut hat, wird sich wie bisher an den Personaleinsparungsmaßnahmen des Landes beteiligen, wobei sich die Personalbemessung an den verkehrspolitischen Grundsätzen orientiert.


Radwege

Die Landesregierung wird ein Programm „Fahrradfreundliches Schleswig-Holstein“ vorlegen, mit dem die verkehrsmitteltypischen Vorteile des Fahrradverkehrs gefördert werden sollen. In diesem Programm werden die Haushaltsmittel zusammengefasst, die das Land für Radwege an Landesstraßen und zur Förderung von Radwegen in kommunaler Baulast bereitstellt. Darüber soll ein möglichst effektiver Mitteleinsatz zur Entwicklung des Radverkehrsnetzes erfolgen, wobei auch sog. Wirtschaftswege einzubeziehen sind. Die Landesregierung wird die Schaffung von Radverkehrsanlagen vornehmlich unter den Kriterien der Schulwegsicherung, des touristischen Angebots und der Umverteilung des motorisierten Individualverkehrs fördern. Es wird zukünftig im Verkehrsministerium eine feste Ansprechperson für Fahrradfragen geben.


Verkehrssicherheit

Die Landesregierung wird ihre Verkehrssicherheitsarbeit fortsetzen und im Jahr 1998 die Aktion "Minus 50 %" mit allen Beteiligten auswerten.


Hafenausbau

Vor dem Hintergrund der veränderten wirtschaftsgeographischen Lage Schleswig-Holsteins und dem zusammenwachsenden Ostseeraum haben die überregional bedeutsamen Häfen in Schleswig-Holstein (Kiel, Lübeck, Puttgarden und Brunsbüttel) eine zunehmende Bedeutung. Die Schifffahrt ist einer der ökologisch verträglichsten Transportwege für Güter.

Die Koalitionspartner sind sich einig, dass die Infrastruktur insbesondere dieser Häfen und ihre Hinterlandverbindungen gestärkt werden müssen, wenn die Verkehrsströme nicht an Schleswig-Holstein vorbei z.B. direkt in andere, große europäische Häfen (z.B. in den Benelux-Ländern) mit einem entsprechenden Verlust an Niederlassungen, Wertschöpfung und Beschäftigung laufen sollen. Dabei ist die umweltfreundliche Schienenanbindung vorrangig zu fördern.

Die Hafenwirtschaft in Kiel und Lübeck hat sich vor dem Hintergrund einer bemerkenswerten Umschlagentwicklung zu einem großen Stabilisator und Nachfrager auf dem Arbeitsmarkt entwickelt. Dieses Potential für mehr Beschäftigung muss genutzt werden.

Die notwendigen Investitionen für eine verbesserte Hafeninfrastruktur sind immer teurer geworden. Deshalb kommt es zunehmend darauf an, einerseits die Effizienz des Güterumschlages technisch und organisatorisch zu steigern, und andererseits private Investoren für notwendige Erweiterungsmaßnahmen zu gewinnen.

Die Landesregierung strebt an, mit dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg und der Hamburger Hafenwirtschaft die Perspektiven einer Hafenkooperation zwischen Hamburg und Brunsbüttel und Hamburg und Lübeck andererseits zu konkretisieren.

Die Landesregierung wird vor dem Hintergrund der ökologischen Vorteile von See- und Küstenverkehren mit dem Schiff die Initiative zu einer 3. Veranstaltung des Deutschen Maritimen Industrie-Forums (DMIF) ergreifen und die Arbeitsaufträge aus dem 2. Forum abarbeiten.

Die Landesregierung wird über den Bundesrat und den Fachgremien weiterhin darauf hinwirken, die Sicherheit im Schiffsverkehr zu verbessern. Dabei stehen die seemännische Ausbildung, die Schiffsbesetzung und die Schiffsmeldewege über die Hafenbehörde im Mittelpunkt.

Die Landesregierung wird darauf hinwirken, dass im schleswig-holsteinischen Schiffbau die modernen Standards der Schiffssicherheit und im maritimen Umweltschutz fortentwickelt und umgesetzt werden.

Sie wird wie anerkannt hochklassige Ausbildungen an den seemännischen Ausbildungsstätten, auf Fachhochschul- und Fachschulebene und an der Seemannsschule in Travemünde weiterhin gewährleisten.


Flughäfen

Die Landesregierung lehnt den Bau eines Großflughafens Kaltenkirchen ab.

Sie wird sich für eine Rückveräußerung der Liegenschaft im Eigentum der Hamburger Flughafengesellschaft (Gesellschafteranteil des Landes Schleswig-Holstein: 10 %) einsetzen.

Die Landesregierung wird ferner ihren Gesellschafteranteil an der Hamburger Flughafengesellschaft zu veräußern suchen.

Die Landesregierung wird über den Regionalflughafen Kiel-Holtenau hinaus keine weiteren Regionalflughäfen errichten, Gesellschafteranteile an Verkehrslandeplätzen erwerben oder Kapazitätserweiterungen von Verkehrslandeplätzen finanziell fördern.

Die Subventionierung sicherheitstechnischer Maßnahmen ist auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen. Angebotserweiterungen der Verkehrslandeplätze und Flughäfen (z.B. Nachtlandemöglichkeiten u.ä.) dürfen über solche Maßnahmen nicht erreicht werden.

Die Landesregierung hält eine direkte Schienenanbindung an den Großflughafen Fuhlsbüttel für wichtig, muss dieses Vorhaben aber wegen fehlender finanzieller Mittel zurückstellen; eine Verbesserung der Busanbindung wird angestrebt.


Planungs- und Genehmigungsverfahren

Die Landesregierung wird unter Bemühung externen Sachverstandes Vorschläge zur zügigen Abwicklung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrswesen erarbeiten, die in ihrer Zuständigkeit liegen. Dabei sollen die Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht angetastet werden. Vielmehr wollen wir die Beteiligungsmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern möglichst frühzeitig in den Planungsprozess integrieren, um auch auf diesem Wege eine Beschleunigung der förmlichen Verfahren zu erreichen.


Weitere Maßnahmen

Die Koalitionspartner einigen sich auf folgende Maßnahmen:

  • In Lärmzonen ordnet die Landesregierung nach Prüfung Geschwindigkeitsbeschränkungen

und/oder Nachtfahrverbote für LKW an.

  • Die Erfahrungen mit dem neuen Straßen- und Wegegesetz werden in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode ausgewertet und die Ergebnisse ggfs. bei einer Novellierung des Gesetzes berücksichtigt.
  • Die Vergaberichtlinien für GVFG-Mittel Straße sind zu überprüfen, ob sie mit den in den Grundsätzen zur Verkehrspolitik formulierten Absichten übereinstimmen. Sie sind ggfs. anzupassen.
  • Um Fahrten auf die grüne Wiese zu verringern oder zu vermeiden, wird die Landesregierung darauf hinwirken, dass die kommunalen Gebietskörperschaften bei der Veräußerung ihrer Flächen an Verbrauchermärkte die Erhebung von Parkgebühren ermöglichen, um eine Gleichstellung mit dem innerstädtischen Einzelhandel zu bewirken.
  • Die Landesregierung lehnt die private Vorfinanzierung von Straßenbauprojekten ab. (Erläuterung: Darunter fallen keine echten privaten Finanzierungen von Verkehrsinfrastrukturvorhaben.)
  • Bei allen Straßenneubauten und -neuplanungen außerhalb geschlossener Ortschaften ist

grundsätzlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzuschalten.

Die Landesregierung wird eine Parkraumüberprüfung und -bewirtschaftung bei allen Landeseinrichtungen vornehmen. Sie wird mit den Nahverkehrsunternehmen Verhandlungen über die Einführung eines Jobtickets aufnehmen.

Die Landesregierung wird in ihrer Regionalplanung auf Siedlungsstrukturen hinwirken, die dazu beitragen, dass Verkehre vermieden oder vermindert werden können. Dazu ist insbesondere die Funktionstrennung von Wohnen und Arbeiten abzubauen. Sie befürwortet Modellvorhaben "Wohnen ohne eigenes Auto". Sie wird prüfen, ob dafür Regelungen erforderlich sind.

Die Landesregierung wird ein touristisches Verkehrskonzept umsetzen, das insbesondere folgende Ziele verfolgt:

  • Ausweitung des Ferientickets/Vergünstigung für Familien;
  • Einsatz zusätzlicher Regelzüge und Ferienzüge in die Haupturlaubsgebiete Schleswig-Holsteins;
  • Öffnung zusätzlicher Ferienzielbahnhöfe;
  • Einrichtung von Abhol- und Zubringerdiensten in Tourismusregionen;
  • Systematische Information über Anreise- und Ausflugsmöglichkeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln;
  • Verkehrsberuhigung in Fremdenverkehrsorten;
  • Einrichtung von Arbeitsgruppen in den Fremdenverkehrsorten zur Umsetzung des touristischen Verkehrskonzeptes;
  • Start einer Imagekampagne mit der DB AG und dem Fremdenverkehrsverband.


Bundespolitische Initiativen

Die Landesregierung wird Bundesratsinitiativen einbringen zur

  • Einführung allgemeiner Geschwindigkeitsbegrenzungen;
  • Änderung der Straßenverkehrsordnung zur Bevorzugung von "Car-Sharing-Stellplätzen" im öffentlichen Straßenraum;
  • Umstellung der Kilometerpauschale auf eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale;
  • einer Ökologisierung des Steuer- und Abgabensystems;
  • einer Erhebung von Mineralölsteuer auf Flugbenzin mit dem Ziel, eine einheitliche Regelung innerhalb der Europäischen Union zu erreichen.

Die Landesregierung wird eine Initiative der norddeutschen Länder anregen, um eine Steuerfreiheit für Seeleute (analog der steuerlichen Befreiung z.B. von Arbeitnehmern im Anlagenbau im Ausland) als wirksame Maßnahme gegen die Ausflaggungstendenz deutscher Reedereien einzuführen. Die Landesregierung wird beim Bund eine Kostendeckung für die Planung von Bundesfernstraßen einfordern.

Reform der Verwaltung

Bei der Modernisierung und der Reform der öffentlichen Verwaltung verfolgt die Landesregierung weiterhin einen ganzheitlichen Ansatz im Sinne des Berichts der Enquete-Kommission zur Verbesserung der Effizienz der öffentlichen Verwaltung (Dr. 13/2270).

Die Förderung von Frauen auf allen Ebenen ist ein integraler Bestandteil dieser Modernisierungsbemühungen. Sie ist als Querschnittsaufgabe zu begreifen, die alle Lebensbereiche in der Verwaltung gleichermaßen betrifft.

Ziele der Modernisierung und der Reform der schleswig-holsteinischen Landesverwaltung sind:

  • mehr Bürgernähe zu schaffen,
  • Bürgerinnen und Bürger bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen,
  • die Qualität der Dienstleistungen zu stärken,
  • den Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens und der sozialen Gerechtigkeit zu gewährleisten die effiziente Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern voranzutreiben,
  • sachbezogenen transparente und kostenorientierte Entscheidungen zu treffen,
  • zweckgerichtetes und wirtschaftliches Handeln zu ermöglichen.

Eine gut funktionierende öffentliche Verwaltung ist ein ökonomischer Standortfaktor und von hoher gesellschaftlicher Bedeutung.

Die bereits in Kraft getretenen Regelungen, wie z.B. Sabbatjahr, Gleitzeitgrundsätze, Beurteilungsrichtlinien, Leitbild, Erweiterung von Teilzeit sowie Flexibilisierung der Landeshaushaltsordnung sind erste Schritte auf deren Grundlage die Ziele weiterverfolgt werden müssen.

Ein grundlegender Reformprozess ist nur sicherzustellen, wenn Beschäftigte und ihre Vertretungen auf allen Ebenen Bürgerinnen und Bürger sowie Nutzerinnen und Nutzer von Verwaltungsdienstleitungen diesen Reformprozess tragen und mitgestalten. Entsprechende Instrumente sind zu entwickeln. Die mit Fragen der Chancenförderung von Frauen befassten Funktionsträger/innen in der Verwaltung werden beteiligt, um bei der Aushandlung, Beschreibung und Überprüfung der Reformmaßnahmen die Chancenförderung sicherzustellen.

Der zwischen der Landesregierung und den Gewerkschaften abgeschlossenen Vereinbarung über die Modernisierung der Verwaltung und der Beteiligung der Gewerkschaften sieht sich die Landesregierung verpflichtet. Die Landesregierung wird darauf hinwirken, dass diese Vereinbarung durch Tarifvertrag auch auf Beschäftigte der Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit der rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts übertragen wird. Verwaltungsmodernisierung und Verwaltungsreform hängen entscheidend von der Einbeziehung von Erfahrungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und der Stärkung des Leistungsprinzips ab, wobei sich dieses nicht an der zeitlichen Verfügbarkeit orientiert. Deshalb kommt der Fortbildung der Beschäftigten auf allen Ebenen trotz Einsparungen eine Schlüsselfunktion zu. Die Beschäftigten sind auf allen Ebenen zu qualifizieren. Die Arbeitszeit soll mit dem Ziel, mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten zu ermöglichen, flexibilisiert werden.

Die Landesregierung erarbeitet ein Konzept zu Personalentwicklung und -management. Das Konzept soll auch dazu dienen, Frauen für neue Berufe zu qualifizieren, die den geänderten Organisationsabläufen Rechnung tragen und zur Erhöhung der Frauenanteile insbesondere in gehobenen und höheren Positionen beitragen.

Die bereits eingeleiteten bzw. realisierten sechzig Modernisierungs- und Modellprojekte werden ausgewertet. Positive Ergebnisse sollen zügig in allen Teilen der Landesverwaltung umgesetzt werden. Die Landesregierung wird eine Auswertung der Projekte, die die Kommunen auf der Grundlage der Experimentierklausel in der Kommunalverfassung sammeln, vorlegen. Kommunale Modernisierungsprojekte sollten auch zukünftig finanziell unterstützt werden.

Die Landesregierung strebt eine Vereinfachung, Straffung und ggf. Streichung von Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und Förderrichtlinien an, wobei die eingangs genannten Ziele der Verwaltungsreform dadurch nicht beeinträchtigt werden dürfen. Dies unterstützt insbesondere den Modernisierungsprozess auf kommunaler Ebene.

Die Landesregierung wird ihre Bemühungen, die bundes- und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine grundlegende Modernisierung der öffentlichen Verwaltung zu schaffen, konsequent fortsetzen. Eine moderne Personalpolitik stößt an die Grenzen des von Bundesgesetzen und Verfassung gesetzten Rahmens, der in weiten Teilen auf den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums beruht. Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze sollen geändert werden, weil sie einer Modernisierung des öffentlichen Dienstrechts im Wege stehen. Die Landesregierung unterstützt insbesondere die Initiativen, die die Gleichbehandlung von Beschäftigtengruppen vorantreiben. Die Gewerkschaften sind an diesem Prozess zu beteiligen.

Für eine Modernisierung der öffentlichen Verwaltung ist ferner eine Flexibilisierung des staatlichen Haushaltsrechts erforderlich. Entscheidungsbefugnisse und Verantwortung für den effizienten und sparsamen Einsatz von Ressourcen werden dezentralisiert, um den Sachverstand, die Ideen und die Kreativität möglichst vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Prozess einzubeziehen. Bereits eingeleitete Maßnahmenwerden konsequent weitergeführt. Das Haushaltsgrundsätzegesetz muss novelliert werden.

Grundsätzlich sind alle bisher wahrgenommenen Aufgaben einer Analyse und einer Kritik zu unterziehen. Aufgaben, die im politischen Prozess als öffentliche Aufgaben anerkannt werden, sind den Verwaltungsträgern, ihren unterschiedlichen Organen und Behörden bzw. Einrichtungen optimal zuzuordnen. Dazu sind die Verantwortlichkeiten sowie die organisatorischen Rahmenbedingungen der Aufgabenerfüllung zwischen den verschiedenen Ebenen der Landesbehörden sowie zwischen Land und Kommunen zu überprüfen und neue kommunikative Arbeitsformen und Abstimmungsprozesse zu entwickeln. Ziel ist eine effiziente einheitliche und möglichst dezentrale Aufgabenwahrnehmung auf der untersten Ebene. Soweit die Kommunen in diesem Zusammenhang neue Aufgaben übernehmen, ist für finanziellen Ausgleich zu sorgen. Ein mit den kommunalen Landesverbänden abgestimmtes Konzept wird vorgelegt. Die Landesregierung prüft zurzeit schwerpunktmäßig u.a. die Verlagerung von Aufgaben des Umweltschutzes auf die Kommunen.

Die Landesregierung erarbeitet Kriterien für die Verselbständigung bzw. Verlagerung von Aufgaben, die in ein umfassendes Konzept zur Verwaltungsmodernisierung einzubetten sind. Dabei ist zwischen Aufgabengewährleistung und Aufgabendurchführung zu unterscheiden und die breite Palette von unterschiedlichen Formen der Übertragung an Dritte zu überprüfen. Öffentliche Aufgaben sind durch staatliche Organisationen auszuführen, wenn ein Vollzug durch Nichtstaatliche aus Risiko-, Missbrauchs-, Gleichstellungs- oder Gleichbehandlungsaspekten ausscheidet. Sofern mit privaten Anbietern ein Wettbewerb besteht, sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse kein Maßstab bei Beurteilung der Wirtschaftlichkeit.

Verwaltungsreformen im Sinne der neuen Steuerung bedeuten eine Veränderung der Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive. Aufgabe der Legislative wird es zukünftig sein, sich stärker auf Grundsatzentscheidungen, Vorgaben von politischen Leitlinien und die Kontrolle deren Einhaltung zu konzentrieren. Die Exekutive erhält mehr operativen Spielraum und Eigenverantwortung. Dabei sind die Grundwerte einer demokratischen Gesellschaft, d.h. z.B. Transparenz und frühzeitige Beteiligung zu wahren. Entsprechende Instrumente für das Zusammenspiel zwischen Landesregierung und Landtag sind gemeinsam zu erarbeiten. Dazu gehören insbesondere die Entwicklung von Controllingverfahren und Veränderungen im Haushaltsrecht.

Medienpolitik

Präambel Vor dem Hintergrund der immer rascheren Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien verfolgt die Landesregierung die doppelte Zielsetzung, einerseits demokratiegefährdende Machtkonzentrationen im Medienbereich zu verhindern und so Meinungsfreiheit, Pluralismus und Informationsvielfalt zu gewährleisten und andererseits die Chancen dieser Technologien zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zu nutzen, indem sie insbesondere für eine vernünftige regionale Infrastruktur Sorge trägt.


Medienaufsicht

Einigkeit besteht in folgenden Zielen:

  • Stärkung der medienwirtschaftlichen Infrastruktur Schleswig-Holsteins,
  • Stärkung der Effizienz der Medienaufsicht über bundesweit verbreitete Programme durch die Fortentwicklung der Zusammenarbeit der Landesmedienanstalten.

Die Koalitionspartner stimmen einer Norddeutschen Medienanstalt unter folgenden Bedingungen zu:

a) Sie muss auch die Marktmacht Schleswig-Holsteins stärken.
b) Sie muss die regionalen Belange wahren; deshalb
  • Forderung nach Standort in Schleswig-Holstein
  • Staatsvertragliche Regelungen
  • zur vielfältigen Medienförderung in der Region in Verbindung mit bestehenden Einrichtungen
  • zur Bestandssicherung und Entwicklung des Offenen Kanals und bestehender privater Rundfunkveranstaltung in Schleswig-Holstein
  • zur angemessenen Repräsentanz Schleswig-Holsteins in den Gremien.
c) Sie muss mindestens eine Drei-Länder-Anstalt sein.


Fragen der Finanzierung der Medienförderung

Einigkeit besteht, dass

  • § 29 Rundfunkstaatsvertrag nicht die Möglichkeit für eine allgemeine kulturelle Filmförderung ohne Bezug zum Rundfunk öffnen kann, Mittel hierfür stehen der ULR aber über die Rundfunkabgabe zur Verfügung,
  • gutachterlich die Möglichkeit der Förderung von Aus- und Weiterbildung im Produktionsbereich durch Mittel aus § 29 Rundfunkstaatsvertrag geprüft werden soll,
  • bei Feststellung eines verfassungsrechtlichen Interpretationsspielraumes die Landesregierung bei den laufenden Staatsvertragsverhandlungen einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten wird.


Konzept der Aus- und Weiterbildung

Einigkeit besteht, dass die Landesregierung eine zukunftsweisende Konzeption für die Aus- und Weiterbildung im Medienbereich im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel unter Einbeziehung aller kompetenten Einrichtungen im Land koordiniert.


Nichtkommerzieller lokaler Hörfunk

Einigkeit besteht, dass die Einrichtungen des Offenen Kanals für gestaltete Programmstrukturen stärker geöffnet werden sollen und hierzu eine klarstellende Absicherung bei Novellierung des Landesrundfunkgesetzes vorgesehen wird. Weiterhin soll für die ULR die Möglichkeit geschaffen werden, Pilotprojekte für ehrenamtlichen nichtkommerziellen lokalen Hörfunk zuzulassen.


Rundfunkgebühr

Einigkeit besteht, dass das Land für eine angemessene Erhöhung der Rundfunkgebühr eintritt, die den Bestand und die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auch bei rückläufigen Werbeeinnahmen sichert, wie dies das Bundesverfassungsgericht im 8. Rundfunkurteil ausdrücklich fordert, und sich gegen eine Verringerung des Gebührenanteils der Landesmedienanstalten wendet.


Landespressegesetz

Einigkeit besteht in der Feststellung, dass die Pressekonzentration in Schleswig-Holstein einen hohen Grad erreicht hat und sich hieraus Fragen der Fortentwicklung des Presserechts (Transparenz, innere Pressefreiheit) ergeben.


Telekommunikationsgesetz

Einigkeit besteht über die von den Ländern im Bundesrat geschlossen vertretene Haltung zum Telekommunikationsgesetz (TKG) und dass sich die Landesregierung bei den weiteren Beratungen insbesondere für

  • eine flächendeckende und chancengleiche Telekommunikationsversorgung im ländlichen Raum,
  • einen Anspruch der Träger der Wegebaulast auf Entgelt (Obergrenze durch Rechtsverordnung),
  • eine Mitwirkung der Länder bei der Regulierung zur Berücksichtigung von Regionalbelangen und
  • optimale Standards für den Datenschutz

weiterhin einsetzt.


Multi-Mediamarkt

Einigkeit besteht, dass die Stärkung von Informations- und Kommunikationstechnologien und eine Qualifizierungsoffensive im Medienbereich zu einer vordringlichen Aufgabe der kommenden Legislaturperiode gehören, und dass die Landesregierung die dafür erforderlichen Strukturen gewährleistet.

Einigkeit besteht weiterhin über folgende Ziele:

  • die Kompetenz der Länder zur Regelung neuer Mediendienste zu behaupten und einen praktikablen Ordnungsrahmen zu schaffen, der den unterschiedlichen Regelungsbedarf entsprechend der meinungsbildenden Relevanz eines Dienstes berücksichtigt,
  • sinnvolle Modellprojekte im Land zu initiieren und die mittelständische Wirtschaft bei der Nutzung insbesondere umweltschonender Techniken zu unterstützen,
  • auf den Aufbau regionaler Netze, bzw. die Stärkung regionaler Strukturen innerhalb bestehender Netze zu achten,
  • die Aus- und Fortbildung im Multimediabereich in allen Bereichen der Gesellschaft zu intensivieren,
  • alle Fördermittel für eine Entwicklung des regionalen Marktes und für eine Zusammenarbeit im Ostseeraum zu nutzen.

Alle Maßnahmen stehen dabei unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit eigener und externer Mittel.

Einigkeit besteht auch darüber, dass die flächendeckende Verfügbarkeit von Telekommunikationsdiensten in öffentlichen Einrichtungen (wie z.B. Schulen, Hochschulen, Bibliotheken, Museen und Krankenhäusern) aus einem Sonderfonds zu fördern sind, den der Bund aus "Lizenz"-Versteigerungserlösen auf der Grundlage des TKG zu schaffen hat, und dass der Zugang zu regionalen Netzen, der die Bürgerinnen und Bürger mit politischen, sozialen und kulturellen Basisinformationen versorgt, gesichert wird.


Frauen in den Medien

Einigkeit besteht darin, dass die Landesregierung bei der Besetzung von Aufsichts- und Fördergremien sowie Leitungspositionen auf eine geschlechterparitätische Besetzung hinwirken wird.

Landesplanung

Aufgabe der Landesplanung ist es, die räumliche Struktur des Landes natur- und umweltgerecht und zugleich auf die Bedürfnisse von Frauen und Männern gleichermaßen hin zu entwickeln und damit den Rahmen für einen ausgewogenen Entwicklungspfad zwischen Ökologie und Ökonomie zu setzen.

Mit der Ressource Raum muss sparsam umgegangen werden; sie muss für Wohnungen und Arbeitsplätze aber in hinreichendem Umfang zur Verfügung stehen, auf den Freiraumschutz (auch in verdichteten Räumen!) und den Aufbau eines Biotopverbundsystems sowie Beiträge zur Verkehrsreduzierung wird besonderer Wert gelegt.

Die Siedlungsentwicklung soll auch zukünftig schwerpunktmäßig in den zentralen Orten und innerhalb der Siedlungsachsen erfolgen. Nur so kann einer ungeordneten Suburbanisierung und einer Zersiedelung der Freiräume entgegengewirkt und gleichzeitig die ökonomische Tragfähigkeit eines weiter zu verbessernden ÖPNV gesichert werden. Außerhalb der Ordnungsräume sollen einzelne Mittelzentren als eigenständige Entwicklungspole (Entwicklungs- und Entlastungsorte) gefördert werden und positiv auf ihr Umland einwirken.

Eine umfassende politische Debatte über das im Grundsatz bewährte zentralörtliche System soll noch in diesem Jahr im Landtag geführt werden, wobei auch die Höhe der Zuweisung der zentralörtlichen Mittel an die einzelnen Orte entsprechend ihrer jeweiligen Zentralitätsstufe einbezogen werden muss.

Die Verpflichtung zur Erstellung des Landschaftsprogramms gem. § 49, Abs. 3 LNatSchG wird schnellstmöglich erfüllt. Die raumbedeutsamen Erfordernisse und Maßnahmen dieser Fachplanungen werden bei der Neufassung des Landesraumordnungsplans und bei der Fortschreibung bzw. Teilfortschreibung der Regionalpläne übernommen.

Eigenständige Entwicklungsplanungen "von unten" werden in Regionen und Kommunen gefördert. Die gebietsgrenzenübergreifende Zusammenarbeit der Kommunen soll zur regionalen Stärkung beitragen. Regionale Entwicklungskonzepte sollen in möglichst breitem sozialem Dialog der Akteure "vor Ort" erarbeitet werden. Dazu gehören auch die Interessenvertretungen von Frauen. Die Öffentlichkeit ist über die Erarbeitung dieser Konzepte jederzeit umfassend zu informieren.

In diesem Sinne wird auch der im Druck befindliche "Werkstattbericht" zum REK (Metropolregion Hamburg)-Handlungsrahmen in Kürze den Kommunen und Verbänden der Region als Grundlage für eine Diskussion übergeben. Aus den Diskussionsergebnissen soll noch in diesem Jahr ein Handlungsrahmen entwickelt werden, mit dem sich auch Kabinett und Landtag befassen werden.

Der Entwurf des fortgeschriebenen Landesraumordnungsplans befindet sich ebenso wie der Entwurf des neuen Regionalplans l im Anhörungsverfahren bei Kommunen und Verbänden. Beide Pläne wurden mit dem MNU abgestimmt und haben raumbedeutsame Schwerpunkte des nach den Vorschriften des Landesnaturschutzgesetzes in Arbeit befindlichen Landschaftsprogramms sowie des jetzt ebenfalls zur Anhörung freigegebenen Landschaftsrahmenplans für den Planungsraum I textlich und in der Karte übernommen (Biotopverbund). Die Verfahren zur Fortschreibung der Pläne sollten zügig fortgesetzt werden. Unabhängig davon sind die Endarbeiten am Landschaftsprogramm beschleunigt zum Abschluss zu bringen, um eine breite öffentliche Erörterung beginnen zu können. In dieser Legislaturperiode ist die - zum Teil überfällige — Fortschreibung aller Regionalpläne anzustreben. Die Kreise sind dabei frühzeitig und umfassend einzubeziehen, eine größtmögliche Transparenz der Erarbeitung ist das Ziel. Im Voraus sollen flächendeckend fachliche regionale Teilpläne für Windenergiestandorte und Ausschlussgebiete fertiggestellt werden.

Gleichstellung der Frauen

Grundsätze und allgemeine Maßnahmen

Ziel der Frauen- und Gleichstellungspolitik der schleswig-holsteinischen Landesregierung ist es, Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen zu ermöglichen und damit den Auftrag der Verfassung umzusetzen. Interessenvertretungen von Frauen werden auch weiterhin partnerschaftlich an dieser Umsetzung beteiligt. Wichtige Voraussetzung für die Teilhabe am Arbeitsmarkt sind Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe, die jedes Ressort gleichermaßen verpflichtet. In allen Einflussbereichen, insbesondere bei eigenen Programmen und Projekten, wird die Landesregierung die bisherigen Fortschritte der Gleichstellung der Frau sichern und ausbauen. Trotz der notwendigen Sparmaßnahmen verfolgt die Landesregierung weiterhin konsequent die Zielvorgaben des Gleichstellungsgesetzes und der Gleichstellung im Rahmen des Hochschulgesetzes. Darüber hinaus ist es Ziel der Landesregierung, bei der Strukturreform des öffentlichen Dienstes und in der Privatwirtschaft eine aktive Frauenförderung zu erreichen und hierfür neue politische Instrumente zu entwickeln.

Die Landesregierung wirkt darauf hin, dass bei allen Gesetzen, Planungen, Fördermaßnahmen und personellen Entscheidungen auf Landesebene die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern hergestellt und die Benachteiligung von Frauen abgebaut wird. Jedes Ressort legt bei der Erstellung des jährlichen Haushalts dar, inwieweit bei Entscheidungen über die Verwendung ihrer Mittel dem gleichstellungspolitischen Auftrag der Landesverfassung Rechnung getragen wird.


Frauen, Arbeit und Beruf

Die Frauenförderung im öffentlichen Dienst wird von der schleswig-holsteinischen Landesregierung auf der Basis des Hochschul- und Gleichstellungsgesetzes sowie der Kommunalverfassung konsequent umgesetzt. Qualifizierte Teilzeitarbeit und flexible Arbeitszeitformen mit dem Ziel von mehr Arbeitnehmersouveränität werden weiter ausgebaut.

Die Aufgaben und Beteiligungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten werden auf der Basis der bestehenden gesetzlichen Grundlagen konkretisiert. Dabei wird besonderen Wert auf die Umsetzung der fachlichen Zuständigkeit der Gleichstellungsbeauftragten im jeweiligen Geschäftsbereich gelegt.

Es wird eine landesweite Koordinierungsstelle als Serviceeinrichtung geschaffen, die die Aufgabe übernimmt, die Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten untereinander zu vernetzen und sie zu beraten. Integraler Bestandteil der Bemühungen zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung ist die Förderung von Frauen auf allen Ebenen. Frauenförderung ist als Querschnittsaufgabe zu begreifen, die alle Lebensbereiche und Fachbereiche in der Verwaltung gleichermaßen betrifft. Ziel der Modernisierung und der Reform der schleswig-holsteinischen Landesverwaltung ist u.a., die effiziente Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern voranzutreiben. Die mit Fragen der Chancenförderung von Frauen befassten Funktionsträgerinnen und Funktionsträger in der Verwaltung werden am Reformprozess beteiligt, um bei der Aushandlung, Beschreibung und Überprüfung der Reformmaßnahmen die Chancenförderung sicherzustellen. Das Konzept zur Personalentwicklung und -management soll auch dazu dienen, Frauen für neue Berufe zu qualifizieren, die den geänderten Organisationsabläufen Rechnung tragen und zur Erhöhung der Frauenanteile, insbesondere in gehobenen und höheren Positionen, beitragen.

Bei der Verselbständigung von Aufgaben ist sicherzustellen, dass die Regelungen des Gleichstellungsgesetzes weiter Anwendung finden. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sind nicht zu begründen.

Die Landesregierung wird darauf hinwirken, dass Frauen mit Behinderung entsprechend ihrem Anteil an Schwerbehinderten im Landesdienst ausgebildet und eingestellt werden.

Frauen sind an allen beschäftigungswirksamen Programmen des Landes mindestens entsprechend ihrem Anteil an der Arbeitslosenquote zu beteiligen. Arbeitsfelder und berufliche Qualifizierung müssen den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen in besonderem Maße entsprechen. Controlling-Instrumente sind zu entwickeln. Für landeseigene Wirtschafts- und Strukturprogramme sollen Anreize und Auflagen für frauenfördernde Maßnahmen erarbeitet werden. Die entsprechenden Datengrundlagen sind hierfür zu erarbeiten und zu veröffentlichen.

Die von Frauenprojekten geleistete gesellschaftlich notwendige Arbeit wird haushaltsjahrübergreifend ab- gesichert.


Frauen, Wirtschaft und Verkehr

Bei der Vergabe von Aufträgen ist in die Vertragsbedingungen die Verpflichtung frauenfördernder Maßnahmen aufzunehmen. Beim Vergleich der Wirtschaftlichkeit im Verhältnis mit Dritten sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse nicht zu berücksichtigen.

Im Rahmen der Existenzgründungsförderung des Landes, sind Frauen gleichberechtigt an der Förderung zu beteiligen. Das zur Verfügung stehende Instrumentarium ist entsprechend zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Existenzgründungsberatung für Frauen soll landesweit dezentral zugänglich sein. Um Existenzgründungen von Frauen stärker zu fördern, wird die Investitionsbank im Rahmen eines Modellprojektes die Hausbankfunktion für kleinere Vorhaben der Existenzgründung übernehmen.

Die Beratungsstellen "Frau und Beruf" sollen zu Zentren regionaler Strukturförderung für Frauen personell und sächlich ausgebaut und langfristig abgesichert werden.

Im Verbund mit den entsprechenden Akteuren wird die Landesregierung ein Konzept entwickeln, um das Berufswahlspektrum von Mädchen und jungen Frauen vor allem in Hinblick auf zukunftssichere Berufe in den neuen Technologien erweitern.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung wird sich im Bundesrat für die grundsätzliche Abschaffung versicherungsfreier Beschäftigungsverhältnisse einsetzen. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse dürfen durch die Landesregierung nicht begründet werden. Bestehende sind abzubauen.

Frauen sind vom Konversionsprozess in gleicher Weise betroffen. Daher sind die Förderprogramme so zu gestalten, dass Frauen mit ihren Beschäftigungs- und Qualifizierungsinteressen Zugang finden.

Das Programm "Innovationsassistentinnen und Innovationsassistenten" soll die technische und wirtschaftliche Innovationsfähigkeit von Mittelstand und Handwerk verbessern und gleichzeitig der Abwanderung qualifizierter Hochschulabgängerinnen und Hochschulabgänger aus Schleswig-Holstein entgegenwirken. Das Programm soll als frauenfördernde Komponente einen erhöhten Zuschuss bei der Einstellung von Frauen vorsehen.

Es wird ein spezifisch auf Frauen - insbesondere auch auf Frauen, die nach einer Erziehungspause wieder erwerbstätig werden wollen - zugeschnittenes Existenzgründerinnenprogramm in Höhe von 1 Million DM aufgelegt. Die Erfahrungen mit dem entsprechenden Programm aus Niedersachsen werden dabei berücksichtigt.

Wir werden eine "Meister- und Meisterinnenprämie" zur gezielten Förderung von Existenzgründerinnen im strukturpolitisch wichtigen Bereich des Handwerks im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel einführen. Der extrem geringe Anteil der Frauen bei den Meisterabschlüssen soll gehoben werden.

Bei der Auftragsvergabe an Betriebe ist vertraglich zu regeln, dass Tariflöhne gezahlt werden, keine geringfügigen, nicht sozialversicherten Arbeitsverhältnisse unterhalten werden, und dass sie frauenfördernde Maßnahmen ergreifen (ein entsprechender Maßnahmenkatalog wird erstellt).

Bei der Verkehrspolitik muss die Beteiligung von Frauen deutlich verbessert werden. Die Landesregierung wird in diesem Bereich Bedürfnisse und Kenntnisse von Frauen systematisch in Planungsprozesse einbeziehen.


Frauen in Regionalpolitik und Landesplanung

Aufgabe der Landesplanung ist es, die räumliche Struktur des Landes natur- und umweltgerecht und sogleich auf die Bedürfnisse von Frauen und Männern gleichermaßen hin zu entwickeln und damit den Rahmen für einen mausgewogenen Entwicklungspfad zwischen Ökologie und Ökonomie zu setzen.

Regionale Entwicklungskonzepte sollen in möglichst breitem sozialem Dialog der Akteure "vor Ort" erarbeitet werden. Dazu gehören auch die Interessenvertretungen von Frauen.

Bei der Entwicklung des ländlichen Raumes soll den besonderen Lebensverhältnissen von Frauen Rechnung getragen werden.


Frauen und Soziales

Die Landesregierung wird in Zusammenarbeit mit den Kommunen das Konzept zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit konsequent umsetzen. Den besonderen Bedürfnissen von Frauen wird Rechnung getragen. Als erster Schritt zur Hilfestellung Obdachloser oder von Wohnungslosigkeit bedrohter Frauen werden Frauenberatungsstellen mit Tagestreffs eingerichtet. Auf der Grundlage bestehender Gutachten (Schleswig- Holstein und Rheinland-Pfalz) werden Maßnahmen ergriffen, um der wachsenden Wohnungsnot und Obdachlosigkeit von Frauen wirksam entgegenzuwirken.

Der Landesplan für Menschen mit Behinderung wird überarbeitet und in Teilen fortgeschrieben. Dabei wird auf Frauen mit Behinderung ein besonderer Schwerpunkt gelegt. Die Landesregierung wird darauf hinwirken, dass Frauen mit Behinderung entsprechend ihrem Anteil an Schwerbehinderten im Landesdienst aus- gebildet und eingestellt werden.

Die Landesregierung wird kinder- und jugendgerechte Partizipationsstrukturen weiter entwickeln und die Einflussmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in allen Bereichen erweitern. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Abbau spezifischer Benachteiligung von Mädchen.

Die Landesregierung wird die Mädchenarbeit als eigenständigen Teil der Jugendarbeit insbesondere im ländlichen Raum weiter ausbauen.


Gewalt gegen Frauen und Frauen im Strafvollzug

Die bereits begonnene Präventionsarbeit zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen wird verstärkt fortgeführt.

Für das Mädchenhaus Lotta wird die Landesregierung die rechtliche Voraussetzung für eine einzelfallunabhängige Förderung schaffen. Die Landesregierung strebt die Einrichtung von weiteren Mädchenhäusern im Rahmen der Jugendhilfe an.

Das bestehende Angebot an Beratungsstellen und Notrufgruppen wird abgesichert und konzeptionell weiterentwickelt. Die Landesregierung wird das Modell „Kieler Interventionskonzept (KIK)“ zur Verringerung bzw. Vermeidung häuslicher Gewalt auswerten und strebt eine landesweite Umsetzung der Ergebnisse an. Die Landesregierung setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass ein gewalttätiger (Ehe)Partner der Frau und den Kindern die Wohnung überlassen muss.

Die schulische Prävention von (sexualisierter) Gewalt gegen Mädchen und Jungen wird fortgesetzt und erweitert.

Das Konzept von Haftvermeidung von Frauen soll weiterentwickelt werden. Während der Haft muss qualifizierte Aus- und Weiterbildung angeboten werden. Ein hoher Prozentsatz aller inhaftierten Frauen ist drogensüchtig. Um der gesundheitlichen Gefährdung entgegenzuwirken, wird modellhaft im Frauenstrafvollzug der Zugang zu sterilen Spritzen ermöglicht. Die Beteiligung an einem Methadonprogramm ist zu prüfen.


Gesundheitsberatung und sexuelle Selbstbestimmung

Die Förderung frauengerechter Gesundheitsberatung, insbesondere für ältere Frauen, macht sich die Landesregierung zur Aufgabe. Die Einrichtung von Familienplanungszentren ist wünschenswert.

Die landeseinheitliche Frauenhausfinanzierung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs wird beibehalten. Eine landeseinheitliche Regelung für die pauschale Übernahme der Mietkosten durch Kommune und Land wird erarbeitet".

Der Bedarf an Schwangerschaftskonfliktberatung (§ 218) ist gedeckt. Das vorhandene Netz an Beratungsstellen wird abgesichert.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung setzt sich auf Bundesebene für eine rechtliche und finanzielle Besserstellung von Hebammen ein.

Maßnahmen für Prostituierte, die den Ausstieg aus dieser Tätigkeit suchen, werden gefördert. Die Landesregierung wird sich für die Beseitigung diskriminierender Regelungen und Vorschriften einsetzen. Minderheitenschutz, Schutz vor Gewalt und Förderung der Selbstbestimmung von Lesben (und Schwulen) gehören zum politischen Auftrag. Die Landesregierung verpflichtet sich zu einer aktiven Antidiskriminierungspolitik. Die Empfehlung des Europäischen Parlamentes zur Gleichberechtigung gleichgeschlechtlich orientierter Bürgerinnen (und Bürger) und Partnerschaften wird die Landesregierung umsetzen, soweit sie Landespolitik betreffen, und im gleichen Sinne auf den Bund einwirken.

Die Entwicklung eines Anti-Diskriminierungsprogrammes und eines Programmes zur Prävention und Bekämpfung von Gewaltakten gegen Lesben und Schwule soll in den Aufgabenbereich der bestehenden interministeriellen Arbeitsgruppe zur Koordinierung von Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Gewalt, Rassismus und Extremismus einbezogen werden.


Ausländerinnen, Asylbewerberinnen und Migrantinnen

Die Landesregierung setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass Ehegatten ohne die Voraussetzung der „Ehebestandsdauer“ ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten (§ 19 Ausländergesetz). Das Land wird die Förderung der sozialen Arbeit im Bereich der Migration sichern und die Förderung neuer Projekte z.B. in der Frauen- und Mädchenarbeit ermöglichen.

Die Landesregierung wird alles tun, um den organisierten Frauenhandel wirksam zu unterbinden. Zur Bekämpfung des Menschenhandels mit ausländischen Frauen und Mädchen, illegaler Heiratsvermittlung und Prostitutionstourismus hat die Landesregierung ein umfassendes Maßnahmenkonzept (z.B. Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm, Beratung und geschützte Wohnsituation) zu erarbeiten und umzusetzen.

Die Landesregierung wird sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass

  • Sprachkurse für asylsuchende Frauen angeboten werden,
  • dass asylsuchende Frauen von weiblichem Personal (Beamtinnen, Dolmetscherinnen) befragt werden,
  • dass auf die Verschwiegenheitspflicht der Behörde, aber auch unabhängiger Hilfsorganisationen, vor der Anhörung hinzuweisen ist,
  • dass Informationen über sexuelle Folter auch gegenüber den Angehörigen vertraulich zu behandeln ist, und
  • dass Frauen, die sexuelle Misshandlung geltend machen, dieses auch später noch vortragen können, ohne dass es als gesteigertes oder verspätetes Vorbringen gewertet wird. Die Landesregierung strebt an, dass alleine oder mit Kindern flüchtende Frauen die Möglichkeit erhalten, auf Wunsch getrennt von Männern untergebracht zu werden (einschl. eigener Sanitär- und Sozialräume sowie weibl. Betreuung).

Die Landesregierung wirkt darauf hin, dass die Bundesregierung gemäß UNHCR einen Katalog zur Behandlung weiblicher Flüchtlinge erarbeitet. Sie lehnt Vergewaltigungen in jeder Form auch als Mittel systematischer Kriegsführung ab.


Bauen und Wohnen für Frauen

Die Bau- und Wohnungspolitik des Landes Schleswig-Holstein wird eine nutzerinnen- und nutzerbeteiligte Landes- und Stadtentwicklung fördern. Sie wird es ermöglichen, Familien- und Berufsarbeit miteinander zu verknüpfen und Kindern gerecht zu werden. Die Koalitionsparteien vereinbaren eine Fachkommission "Frauen planen Wohnen" einzurichten, die das federführende Fachministerium in Baufragen berät und öffentliche Foren gestaltet. Neue zielgenaue und personenbezogene Förderungsmodelle, u.a. für Frauen in besonderen Notlagen und Alleinerziehende, sind zu entwickeln und zu erproben.


Koedukation und Förderung von Mädchen an Schulen

Koedukation ist im Idealfall pädagogisches Bemühen um die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frau und Mann, von Schülerin und Schüler.

Die Koalitionspartner sehen in den neuen Lehrplänen eine gemeinsame Grundlage, um die Geschlechterfrage in der Schule konstruktiv einzubringen und zu einer gleichberechtigten Teilhabe von Mädchen und Jungen am schulischen Bildungsangebot und an beruflichen Ausbildungsgängen zu kommen.

In allen Schulstufen sind Mädchen und Jungen auf eine Lebens- und Berufsplanung vorzubereiten, die für beide Geschlechter gleichermaßen eine aktive Verantwortungsübernahme der Haushaltsführung, Kinderpflege und Fürsorge für andere fordert. Alle zuletzt genannten Bereiche sind ebenfalls in die Aus- und Fortbildung der Lehrer/innen einzubeziehen.

Seit Einführung der Koedukation in Schulen, Ende der sechziger Jahre, hat sich immer deutlicher gezeigt, dass es Themenbereiche gibt, bei denen die Aufhebung der Koedukation pädagogisch geboten und der Unterricht in geschlechtshomogenen Schülerinnen- oder Schülergruppen angemessen sein kann. Themenbezogene Beispiele sind geschlechtsspezifisches Rollenverhalten (Weiblichkeit, Männlichkeit), Sexualität oder Gewaltprävention.

Schleswig-Holstein hat 1990 als erstes Bundesland sein Schulgesetz so geändert, dass in einzelnen Fächern zeitweise getrennter Unterricht stattfinden kann. Die Koalitionspartner sind sich darin einig, dass aufgrund der unterschiedlichen Sozialisationshintergründe von Mädchen und Jungen sowie der unterschiedlichen Entwicklungsverläufe in der Pubertät der zeitweise geschlechtergetrennte Unterricht nach § 5 Abs. 1 Schulgesetz erhalten bleibt.

Auch geschlechtergetrennter Unterricht im Sport, im mathematisch-naturwissenschaftlich und im technischen Unterricht hilft mit, Benachteiligungen von Mädchen und Jungen zu verringern.


Frauen in Wissenschaft, Forschung, Hochschule und Kultur

Der Ausbau der Kapazitäten für Forschung und Entwicklung bei neuen Fragestellungen der Frauen- und Geschlechterforschung wird fortgesetzt.

In den vergangenen 5 Jahren ist es lediglich gelungen, den Anteil der Frauen in der schleswig-holsteinischen Professor/innenschaft von 4 % auf 6,1 % zu erhöhen. Die Aufhebung der Benachteiligung von Frauen an den Hochschulen des Landes ist ein Ziel mit hoher Priorität.

Mit dem Hochschulgesetz verfügt Schleswig-Holstein über wirksame Instrumente zur Frauenförderung an den Hochschulen. Die Maßnahmen zur Qualifizierung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses werden ausgebaut. Neben den Förder-. und Qualifikationsmöglichkeiten durch das neue HSP ist aus den Nachwuchsstellen eine besondere Rate für Frauen im Landesprogramm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vorzusehen. Für die Fachhochschulen, die insbesondere in den technischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereichen erheblichen Nachholbedarf haben, wird ein Sonderprogramm für Frauenförderung konzipiert. Die Frauenforschung wird gestärkt. Zusammen mit den Hochschulen wird nach Wegen gesucht, nebenamtliche Frauenbeauftragte zusätzlich zu entlasten.

Frauenarbeitsstellen werden vom Abbau höchstens proportional betroffen. Das schleswig-holsteinische Gleichstellungsgesetz wird strikt angewandt.

Die kulturellen Aktivitäten von Frauen werden stärker gefördert und ins öffentliche Bewusstsein gerückt.


Frauen und internationale Zusammenarbeit

Die internationale Frauenkonferenz der Vereinten Nationen (Beijing) hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass die Gleichberechtigung von Frauen als globale Herausforderung begriffen werden muss. Den weltweiten Anstrengungen der Frauen um Sicherung der sozialen und ökologischen Lebensgrundlagen wie ihrer vielfältigen Benachteiligungen ist dadurch gerecht zu werden, dass auch im Bereich der Eine-Welt-Politik der Förderung von Frauenprojekten Priorität beizumessen ist.

Die Landesregierung wird auch im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit - insbesondere in der Ostseekooperation - ihre frauenpolitischen Ziele verfolgen und den frauenspezifischen Anteil bei den geförderten Projekten erhöhen.

EU-Programme sollen so ausgestaltet werden, dass hieraus ostseeübergreifende, interregionale Kooperationen und Projekte - unabhängig von EU-Mitgliedschaften - in höherem Maße als bisher gefördert werden können. Sie müssen die Kriterien der Sozial- und Umweltverträglichkeit ebenso berücksichtigen, wie die Gleichstellung der Frauen. Netzwerke von Nichtregierungsorganisationen, u.a. im Bereich Frauen, wird das Land verstärkt unterstützen.

Eine zukunftsorientierte Bildung und Ausbildung sichern - Kultur und Sport pflegen

Schule

Allgemeine Grundsätze

Der rasche Wandel der modernen Gesellschaft verlangt von allen Bürgerinnen und Bürgern ständig neue Fertigkeiten und Fähigkeiten. Das lebensbegleitende Lernen wird für die Zukunft bestimmend sein, wenn wir die künftigen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Herausforderungen bestehen wollen. Das Bildungswesen in Schleswig-Holstein hat damit hohen Anforderungen zu genügen.

Gerade angesichts der schwieriger werdenden Rahmenbedingungen für schulische Arbeit durch das deutliche Anwachsen der SchülerInnenzahlen in den nächsten Jahren und die engen Finanzierungsspielräume der öffentlichen Hand steht im Mittelpunkt der nächsten vier Jahre die qualitative und solide Weiterentwicklung der in den vergangenen Jahren eingeleiteten Bildungsreform.

Schul- und Bildungspolitik muss den Menschen Verständnis und Kenntnisse für ökologische und soziale Problemzusammenhänge vermitteln, sie lehren, sich gemeinsam mit technischen, gesellschaftlichen ökonomischen und ökologischen Entwicklungen und Risiken kritisch auseinanderzusetzen und Alternativen für humane Lösungen für eine lebenswerte Zukunft zu finden. Schul- und Bildungspolitik muss Selbstbestimmung, demokratische Handlungskompetenz, ökologische Verantwortung, kulturelle Toleranz und interkulturelles Verstehen fördern.

Ausbildung und Erziehung zu sozialer Verantwortung, zu Selbständigkeit und eigener Initiative können dabei besonders gut in Einrichtungen gelingen, die diesen Anforderungen selbst gerecht werden. Der Entwicklung von Eigenständigkeit nicht nur in der pädagogischen Arbeit, sondern auch bei der Erstellung von sachgerechten und wirtschaftlichen Lösungen vor Ort in den Schulen wie in anderen Bildungseinrichtungen auch kommen dabei nach Auffassung der Koalitionspartner eine besondere Bedeutung zu.


Mit klaren Rahmenbedingungen Unterrichtsversorgung sichern

In den kommenden Jahren werden unsere Schulen mit deutlich steigenden Zahlen von Schülerinnen und Schülern leben. Insgesamt wird eine Steigerung der Schülerzahlen bis zum Jahr 2000 um ca. 35.000 erwartet.

Angesichts der Lage der öffentlichen Finanzen reichen die herkömmlichen Lösungen zur Bewältigung dieses Schüleranstiegs und zur Sicherung der schulischen Bildung nicht mehr aus. Zur Sicherung der Unterrichtsversorgung sind neue Lösungen notwendig, an denen alle mitwirken müssen - die Schulen, die Lehrkräfte, die Eltern und das Land mit einer finanziellen Kraftanstrengung.

Das Land Schleswig-Holstein wird deshalb jede durch Ausscheiden frei werdende Lehrerstelle bis zum Jahr 2000 auch künftig neu besetzen. Die im Haushaltsplan im Schulkapitel ausgebrachten kw-Vermerke werden gestrichen.

Darüber hinaus beabsichtigt die Landesregierung, in den nächsten vier Jahren insgesamt 450 Lehrerstellen zusätzlich zu schaffen.

Als Eckpunkte zur Sicherung der Unterrichtsversorgung in den Jahren 1996-2000 haben die Regierungspartner weiter vereinbart:

  1. Es wird davon ausgegangen, dass ca. 2/3 des Schülerzuwachses zu neuen Klassenbildungen führt, 1/3 in vorhandenen Klassen aufgenommen wird. Die durchschnittliche Klassenfrequenz wird entsprechend ansteigen. Die gegenwärtige Höchstgrenze für die Klassengröße wird grundsätzlich beibehalten. Wo ein Anstieg über diese bestehende Höchstgrenze auch im Rahmen einer flexiblen Umsetzung der zugewiesenen Lehrerstunden nicht vermeidbar ist, bedarf sie der Genehmigung durch die Schulaufsicht.
  2. Der Unterricht wird bei den Stundentafeln im Gegenwert von ca. 500 Stellen gekürzt. Vorhandene Kursangebote werden überprüft und im Sinne eines effektiven Einsatzes von vorhandenen Unterrichtskapazitäten gestrafft. Die Landesregierung strebt in Verhandlungen mit Gewerkschaften und Verbänden und unter Einbeziehung von Eltern und Schülern ein Konzept zur Sicherung der Unterrichtsversorgung an, das von den nachfolgenden Eckpunkten ausgeht:
  3. Das gegenwärtig zur Verfügung stehende Potential an rund 52.000 Ausgleichs- und Ermäßigungsstunden (Stand 1995), das für die Lehrkräfte an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen zur Verfügung steht, wird deutlich zurückgeführt, um die Arbeitszeit der Lehrkräfte wieder unmittelbar für die Erteilung von Unterrichtsstunden zu nutzen.
    • Der Stundenpool für sogenannte Verwaltungsaufgaben und für Schulleitungen (rund 24.700 Stunden) soll dabei bis auf besondere Leistungssachverhalte auf dem Gebiet der Schulverwaltung aufgelöst werden in einem Gegenwert von 250 Stellen.
    • Der Stundenpool für sogenannte pädagogische Aufgaben wird deutlich reduziert und durch einen lnnovationsstundenpools ersetzt, der einen Umfang von 1 % der Lehrerplanstellen umfasst und mit dem die Organisationsentwicklung im Prozess von mehr Eigenverantwortung und besonderen innovativ und integrativ ausgerichteten pädagogischen Aufgaben an den Schulen abgesichert werden soll.
    • Die gegenwärtig gültige Altersermäßigung für Lehrkräfte ab 55 Jahren mit zwei Unterrichtsstunden und für Lehrkräfte ab 60 Jahren mit drei Unterrichtsstunden wird im Gegenwert von 400 Stellen in dieser Legislaturperiode reduziert. Die Unterrichtsleistung wird in diesem Fall durch die Übernahme von Verwaltungsaufgaben ersetzt. Gleichzeitig soll den Lehrkräften das Angebot gemacht werden, stattdessen auf entsprechende Gehaltsanteile bei Beibehaltung einer entsprechenden Unterrichtsermäßigung verzichten zu können. Die Landesregierung wird entsprechende Verhandlungen über eine solche Regelung mit den Gewerkschaften und Lehrerverbänden aufnehmen und gegebenenfalls entsprechende gesetzliche Initiativen ergreifen.
  4. Die 1993 verkündete Arbeitszeitverlängerung für alle Beamten, also auch für die Lehrerinnen und Lehrer im Beamtenstatus, läuft 1998 aus. Im Rahmen des Prozesses "Verhandeln statt Verordnen" wird über Regelungen verhandelt, wie danach der wachsende Unterrichtsbedarf angesichts wachsender Schülerzahlen gedeckt werden kann. Dabei sind nicht nur die unterschiedlichen Unterrichtsverpflichtungen der einzelnen Lehrerlaufbahnen einzubeziehen, sondern auch die zeitlich gestaffelten Schülerzuwächse in den Schularten.
  5. Wir wollen die Lehrerinnen und Lehrer dabei künftig grundsätzlich als Angestellte beschäftigen. Um die Einstellung von mehrjungen Lehrerinnen und Lehrern zu ermöglichen, wird das Prinzip einer zeitlich befristeten Teilzeiteinstellung im Rahmen eines Stufenmodells bis zum Jahr 2000 schrittweise zurückgenommen. Bisher schon im Schuldienst geleistete Dienstzeiten sollen bei der Neueinstellung in angemessener Weise berücksichtigt werden.
  6. Eine wesentliche Aufgabe bei der Sicherung der Unterrichtsversorgung angesichts von deutlichen Schwankungen in den Schülerzahlen kommt der Schulentwicklungsplanung zu. Durch die gemeinsamen Anstrengungen von Land, Kreisen und Kommunen soll eine verlässliche Schulentwicklungsplanung auch für die Zukunft fortgeschrieben werden. Die Eckwerte der bisherigen Schulentwicklungsplanung soll dabei im Grundsatz für die Zukunft beibehalten werden, um vernünftige pädagogische Rahmenbedingungen zu erhalten. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden wird im Rahmen der Schulentwicklungsplanung eine kommunalaufsichtlich vereinheitlichte Bedarfsprüfung entwickelt und verbindlich gemacht.
  7. Die Koalitionspartner werden zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden in eine Bestandsaufnahme des zukünftigen Schulbau- und Sanierungsbedarfs und seiner Bewältigung eintreten. Sollten sich die Zuwächse im Schulbauprogramm nach dem Kommunalen Finanzausgleichsgesetz dabei als nicht ausreichend herausstellen, streben die Koalitionspartner eine Verlängerung der jährlichen Zuwachsraten im Schulbaufonds an. Bei der Vergabe der Mittel ist ein besonderer Fonds für die umweltfreundliche Sanierung und die ökologische Umgestaltung von Schulbauten sowie kleinerer Baumaßnahmen zur Förderung der Integration Behinderter vorzusehen.
  8. Die Koalitionspartner streben an, zusammen mit Gewerkschaften und Verbänden eine Überprüfung der Stellenkegel vorzunehmen. Das Ziel dieser Überprüfung ist, besonders dotierte Beförderungsstellen mit klaren Funktionsaufgaben und Leistungsnachweisen zu versehen.
  9. Die Koalitionspartner werden als Beitrag zur Sicherung der Unterrichtsversorgung Möglichkeiten prüfen, wie weit in einem Kooperationsabkommen Lehrerinnen und Lehrer aus den neuen Bundesländern, die dort wegen des dramatischen Schülerrückgangs nicht mehr unterrichten und aus Mitteln der Länder und der Arbeitsverwaltung bzw. der Sozialkassen finanziert werden, in Schleswig-Holstein eingesetzt werden können.
  10. Die Mitwirkung von Eltern und engagierten und qualifizierten Personen an der Schule soll für die Zukunft erleichtert und verbessert werden.


Lernen für die Zukunft

Wir wollen erreichen, dass in unseren Schulen

  • das Denken in Zusammenhängen, das für die komplexen Zusammenhänge in der modernen Zivilisation notwendig ist, gefördert wird und
  • dass sich die Schulen noch stärker zu ihrem sozialen Umfeld hin öffnen und Teil eines pädagogischen Netzes werden.

Die Schule soll Mädchen und Jungen so erziehen, dass sie partnerschaftlich in einer Gesellschaft der Gleichen leben können.

In den nächsten vier Jahren sollen hierzu folgende Initiativen ergriffen werden:

  1. Die Lehrpläne der Grundschule und der Sekundarstufe l werden 1997 nach Auswertung der Anhörung in Kraft gesetzt.
    Auch die Lehrpläne für die sonderpädagogische Förderung werden grundlegend neu gestaltet. Die Lehrpläne der Sekundarstufe Il werden weiter entwickelt, wobei die Unterrichtsinhalte der allgemeinbildenden und der beruflichen Schulen aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt werden sollen.
  2. Die Schule der Zukunft wird sich noch stärker als bisher als eine Schule in Europa verstehen. Neben den Schüler- und Lehreraustausch treten mit wachsender Bedeutung auch in unserem Land Ansätze einer interkulturellen Bildung. Diese wollen wir verstärken.
    Die Fremdsprachenbegegnung soll schrittweise Unterrichtsinhalt an allen Grundschulen werden. An mindestens zwei Schulen pro Jahr soll zusätzlich mit bilingualem Unterricht begonnen werden. Die Förderung und Integration der Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Muttersprache soll über eine Öffnung für weitere Herkunftssprachen und ihre Anerkennung als Fremdsprache unterstützt werden. Die Muttersprache dieser Kinder ist als erste Fremdsprache mit Prüfungsrelevanz anzuerkennen.
  3. Die Landesregierung will die ökologische Bildung über die Modernisierung der Lehrpläne hinaus entwickeln, indem ökologische Projekte angeregt werden, die Öffnung der Schule insbesondere für die Umweltbildung genutzt wird und ergänzende Institutionen zur Umweltbildung erhalten und gefördert werden. Es soll ein Angebot an Regionalen Pädagogischen Umweltzentren institutionalisiert werden.
  4. Die in den letzten Jahren eingeleiteten Maßnahmen zur Gewaltprävention an den Schulen sowie zur schulischen Prävention sexuellen Missbrauchs an Mädchen und Jungen (Petze) werden weitergeführt und institutionalisiert. Wir wollen in Zukunft die schulische und die Jugendarbeit noch stärker verzahnen. Wie bei den Initiativen zur Gewaltprävention sollen Angebote der Jugendhilfe vermehrt auch in den Schulen stattfinden.
  5. Sexualerziehung in den Schulen soll dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler - ein positives Verhältnis zu ihrer Sexualität entwickeln, - Verständnis für verschiedene Formen von Partnerschaften gewinnen und - für ihr Sexualverhalten Verantwortung tragen.
    Sexualerziehung soll darüber hinaus Toleranz und Akzeptanz gegenüber verschiedenen sexuellen Identitäten vermitteln und zum Abbau der Diskriminierung von Lesben und Schwulen beitragen.
  6. Die Gesundheitserziehung soll durchgängiges Unterrichtsprinzip an allen Schulen werden. Die Schulen werden dabei durch eine Anlaufstelle für alle Aktivitäten zur Gesundheitsförderung in Schulen unterstützt.
  7. Die Schulen müssen die modernen Medien verstärkt für das Lernen nutzen. Wir werden ein Konzept umsetzen zum schrittweisen Anschluss aller Schulen an Informations- und Kommunikationsnetze mit der Fähigkeit, Multimedia-Software zu übertragen. Die Ausstattung der Schulen mit multimediafähigen PCs muss damit einhergehen und mit den Schulträgern erörtert werden.
    Gleichzeitig und darüber hinaus sollen die Schülerinnen und Schüler einen kritischen und selbstbewussten Umgang mit den neuen Medien im Rahmen einer aktiven Medienerziehung lernen können. Deshalb soll der Umgang mit Medien Bestandteil der Lehrerausbildung werden.


Eigenverantwortung der Schulen und Schuldemokratie

Zeitgemäße Schulen benötigen heute mehr pädagogische Gestaltungsfreiheit, mehr Entscheidungsrechte, ein eigenes Budget und damit mehr Verantwortung.

Mehr Eigenverantwortung von Schule ist im Wesentlichen ein Mittel zur Qualitätsverbesserung der Bildungsarbeit der Schule und keine Aufforderung zur Beliebigkeit. Autonomie bedeutet mehr Verantwortung für die einzelne Schule, sie ist nicht zu trennen von einer wirkungsvollen internen und externen Evaluation der Arbeit und Leistungen der öffentlich verantworteten Schule.

Das Land Schleswig-Holstein bleibt für die Rahmenbedingungen und Rahmenvorgaben weiter zuständig. Diese sollen den Schulen jedoch bei deren Umsetzung die größtmögliche Freiheit lassen und sie in ihrer Bildungsarbeit nicht gängeln, sondern unterstützen.

Die Koalitionspartner streben an, nach der intensiven Diskussions- und Erprobungsphase zur Eigenverantwortung an den Schulen zum Schuljahr 1997/1998 mit ersten Maßnahmen der Dezentralisierung von Entscheidungen und der Stärkung der Eigenverantwortung zu beginnen. Parallel hierzu wird eine entsprechende schulgesetzliche Änderung vorbereitet, die den Gesetzesrahmen für neue Entwicklungen bei der Budgetierung von schulischen Mitteln und bei der Entwicklung eines Schulprofils absteckt.

Auch eine Neubestimmung der Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer kann ein Beitrag zur Eigenverantwortung der Schule sein. Die Koalitionspartner kommen überein, eine Fachkommission unter Beteiligung von Gewerkschaften, Verbänden und Schulexperten einzusetzen, die u.a. Fragen des Gesamtarbeitszeitdeputats der Lehrkräfte, des Jahresstundenbudgets der Schule, der Lösung von der 45-Minuten-Unterrichtsstunde und der Präsenzzeit erörtern soll. Auf der Grundlage des Kommissionsberichtes werden gegebenenfalls mit einzelnen Schulen entsprechende Modelle vorbereitet und durchgeführt.

Erste konkrete Schritte werden darüber hinaus eingeleitet, indem mit Beginn des Schuljahres 1997/98 Fortbildungs- und Reisemittel budgetiert werden und die Schulen in der schulischen Fortbildung über ihre Budgets freier verfügen können.

Die Organisationsentwicklung hin zu mehr Eigenverantwortung wird auch weiterhin durch besondere Angebote in der Fortbildung unterstützt und durch den Innovationspool gefördert. Mitwirkung von Schulen und örtlichen Schulämtern an der Auswahl und Einstellung von Lehrkräften soll nach einer Auswertung der Erprobung auch auf andere Kreise in Schleswig-Holstein ausgedehnt werden.

Die Landesregierung wird in enger Abstimmung mit der schulischen und der kommunalen Seite Modelle einleiten, an den Schulen Kräfte ganz unterschiedlicher Qualifikation als schulische Assistenten einzusetzen, die verwaltende, organisatorische und unterrichtsbegleitende Arbeiten übernehmen können.

Zur Schaffung eines höheren Maßes an Selbständigkeit und Verantwortung gehört auch eine angemessene Beteiligung der Schülerinnen und Schüler an der Gestaltung des Schullebens. Die Koalitionspartner haben vereinbart, hierzu die Drittelparität in der Schulkonferenz zu ermöglichen.

Das Land Schleswig-Holstein setzt sich dafür ein, bei den beamtenrechtlichen Regelungen des Bundes eine Besetzung von Funktionsstellen auf Zeit auch an den Schulen zu erreichen. Es wird hierzu Initiativen ergreifen, um dann bei entsprechenden landesrechtlichen Möglichkeiten schrittweise Funktionsstellen zeitlich zu befristen und hier Erfahrungen zu sammeln.


Verbesserung der Bildungswege

Die Koalitionspartner wollen gemeinsam, dass alle Kinder und Jugendlichen ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten und ihre Persönlichkeit entwickeln können und ihre schulischen Wege ohne Sackgassen und Ausgrenzungen finden und durchlaufen können. Das differenzierte und vielfältige Schulangebot, aus dem die Eltern die geeignete Schule für ihre Kinder wählen können, wird erhalten und entsprechend den Wünschen der Eltern und der Schulträger weiterentwickelt; seine Durchlässigkeit wird ausgeweitet. Das schleswig-holsteinische Schulwesen ist so zu gestalten, dass die gemeinsame Erziehung und das gemeinsame Lernen von Kindern und Jugendlichen in größtmöglichem Ausmaß verwirklicht wird. Dabei kommt in Zukunft insbesondere der Kooperation vor Ort und zwischen den einzelnen Schulen, auch über Schularten hinweg, ein besonderes Gewicht zu.

Der schulartübergreifende Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern trägt zum besseren Verständnis und zur besseren Kooperation der Schulen bei und wird in angemessener Form fortgeführt. Die Weiterentwicklung der Lehrerbildung wird das Vorhaben erleichtern.

Die Grundschule als gemeinsame Schule für alle Kinder ist in den letzten Jahrzehnten am wirksamsten reformiert worden. Sie geht neue pädagogische Wege, z. B. in Form des offenen Unterrichts und bei der integrativen Förderung von Kindern.

Mit der Möglichkeit einer zweijährigen Eingangsphase mit ein- bis dreijähriger Verweildauer wollen wir die Grundschulen als „Schule für alle Kinder“ weiter entwickeln.

Die guten Erfahrungen mit den Berichten zu den Lernfortschritten sollen zukünftig auch für die Klassen 4 genutzt werden können, indem dort Berichte und Noten in den Zeugnissen kombiniert werden können. Wie weit die Form der Zeugnisse in der Grundschule ab der Klasse 3 in die eigenverantwortliche Entscheidung der Schulkonferenz gelegt werden kann und wie weit auf die Halbjahreszeugnisse der Grundschule verzichtet werden kann, ist ein Teil der Diskussion zur Eigenverantwortung der Schule.

Über die weitere Schullaufbahn des Kindes soll zukünftig die Klassenkonferenz eine schriftliche Empfehlung aussprechen, in die neben Haupt- und Realschulen und Gymnasien auch die Gesamtschule als grundsätzliche Möglichkeit eingeschlossen ist. Diese Empfehlung wird mit einem Beratungsgespräch mit den Eltern verbunden. Die Information der Eltern von Grundschülern über die Schulform Gesamtschule wird verbessert und grundsätzlich verbindlich gemacht.

Insbesondere an den Grundschulen müssen mit der Einführung fester Öffnungszeiten die pädagogischen Gestaltungsmöglichkeiten der Schule erweitert und den Familien ihre Zeit- und Arbeitsplanung erleichtert werden. Die Koalitionspartner werden in dieser Legislaturperiode ein Programm zur Unterstützung des stufenweisen Ausbaus der festen betreuten Grundschulzeiten an den Grundschulen des Landes vorlegen und mit dessen Umsetzung beginnen. Dabei sind soziale Mindeststandards für die Beschäftigten zu sichern.

Anträge von Schulträgern auf Einrichtung von Ganztagsschulen werden unterstützt.

Die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium wie auch die Gesamtschulen haben sich in den vergangenen Jahren neuen Anforderungen gestellt. Um den größeren pädagogischen Anforderungen auch in Zukunft gerecht werden zu können, lehnen wir jede Verkürzung der Schulzeit ab.

Alle weiterführenden Schulen werden Ihrem Schulartprofil entsprechend weiterentwickelt.

Die Praktika zur Berufsorientierung werden in den Oberstufen der Gymnasien, der Gesamtschulen und an den Fachgymnasien ausgebaut. Es wird ein Programm vorgelegt, das auch für die Lehrerinnen und Lehrer betriebliche Informationspraktika vorsieht.

Wir treten für eine erleichterte Errichtung von Integrierten Gesamtschulen ein. Die Errichtung darf nicht mehr an die Zentralörtlichkeit einer Kommune gebunden sein. Eine eigene Oberstufe ist nicht Bedingung. Das Schulgesetz wird entsprechend geändert.

Die Kooperation von Schulen, die eine Sekundarstufe II haben, wird weiter ausgebaut. Sie soll gleichermaßen der Profilbildung der einzelnen Schule wie der Sicherung eines breiten Wahlangebots für die Schülerinnen und Schüler dienen.

Die Integrierte Gesamtschule soll sich noch mehr als bisher zu einer pädagogischen Alternative im Sinne einer integrativen, praxisorientierten und ganzheitlichen Pädagogik entwickeln können.

Es wird angestrebt, im Rahmen der Stundentafel der Gesamtschule die Einführung des Faches Arbeitslehre zu ermöglichen und das Wahlpflichtangebot um das Fach Gestaltung zu erweitern.

Die Differenzierungsvorgaben für die Gesamtschulen in Schleswig-Holstein sollen sich an den Mindestverpflichtungen des Orientierungsrahmens der KMK ausrichten.

Die Schulen in freier Trägerschaft setzen mit ihrem besonderen pädagogischen Angebot eigene Akzente und geben vielfach innovative Anstöße auch für das staatliche Schulwesen. Die Koalitionspartner stimmen darin überein, dass die Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft grundsätzlich an die Leistungsentwicklung für die öffentlichen Schulen gekoppelt bleibt. In Bezug auf die geltende Finanzierungsregelung ist eine Überprüfung rechtzeitig vor dem Auslaufen der Übergangsregelung vorzunehmen. Die Koalitionspartner sprechen sich dafür aus, den freien Schulen eine Mitwirkung im Landesschulbeirat zu ermöglichen.

Das dänische Schulwesen in Schleswig-Holstein wird auch weiterhin in besonderer Weise unterstützt. Es wird eine Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur der Schülerbeförderungskosten vorbereitet.


Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen

Die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in den allgemeinbildenden Schulen wird weiter ausgebaut.

Ein Kernstück unserer Bildungspolitik ist, Schülerinnen und Schüler, denen es aufgrund ihrer Behinderung schwerer fällt zu lernen, besonders zu fördern. Dafür werden wir beide schulischen Förderkonzepte weiter verfolgen. So gilt es einerseits die bisherigen Sonderschulen weiter zu Förderzentren, in denen nach wie vor Schülerinnen und Schüler sonderpädagogisch gefördert werden, auszubauen. Gleichzeitig wird auch die integrative Förderung im Unterricht der Regelschulen weiter ausgeweitet und von den Förderzentren unterstützt, um eine Ausgrenzung von Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten von vornherein zu vermeiden.

Integrative Maßnahmen sollen in der Regel gebündelt werden. In weiterführenden Schulen können Außenstellen von Förderzentren eingerichtet werden, wenn mehrere integrative Maßnahmen bestehen. In Ganztagsschulen können für integrative Maßnahmen mit Kindern mit geistiger Behinderung zusätzlich Erzieherinnen eingesetzt werden. Neben der lernzieldifferenten sonderpädagogischen Förderung werden weiterhin auch zielgleiche Maßnahmen entsprechend des im Einzelfall notwendigen Förderbedarfs in allen Schulstufen personell unterstützt.

Ziel der Behindertenpädagogik ist auch, die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf durch präventiv wirkende Maßnahmen zu verringern.

Die Arbeit der Förderzentren sollen insbesondere durch eine noch stärkere Verzahnung und Kooperation mit anderen Angeboten der Jugendhilfe weiterentwickelt werden.

Die Landesregierung wird sich hierzu um einen Ausbau der Fördernetzwerke bemühen und dafür insbesondere auch Mittel der Europäischen Union einwerben.

Möglichst alle Jugendlichen sollen zu einem Bildungs- und Berufsabschluss geführt werden. Wir wollen Benachteiligte und Behinderte in der Berufsbildung besonders fördern und hierzu eine besonders enge Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung organisieren.


Koedukation und Förderung von Mädchen

Koedukation ist im Idealfall pädagogisches Bemühen um die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frau und Mann, von Schülerin und Schüler.

Die Koalitionspartner sehen in den neuen Lehrplänen eine gemeinsame Grundlage, um die Geschlechterfrage in Schule und Unterricht konstruktiv einzubringen und so zu einer gleichberechtigten Teilhabe von Mädchen und Jungen am schulischen Bildungsangebot und an beruflichen Ausbildungsgängen zu kommen.

In allen Schulstufen sind Mädchen und Jungen auf eine Lebens— und Berufsplanung vorzubereiten, die für beide Geschlechter gleichermaßen eine aktive Verantwortungsübernahme der Haushaltsführung, Kinderpflege und Fürsorge für andere fordert.

Alle zuletzt genannten Bereiche sind ebenfalls in die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte einzubeziehen.

Seit der Einführung der Koedukation in Schulen Ende der 60er Jahre hat sich immer deutlicher gezeigt, dass es Themenbereiche gibt, bei denen die Aufhebung der Koedukation pädagogisch geboten und der Unterricht in geschlechtshomogenen Schülerinnen- oder Schülergruppen angemessen sein kann. Themenbezogene Beispiele sind geschlechtsspezifisches Rollenverhalten (Weiblichkeit, Männlichkeit), Sexualität oder Gewaltprävention.

Schleswig-Holstein hat 1990 als erstes Bundesland sein Schulgesetz so geändert, dass in einzelnen Fächern zeitweise getrennter Unterricht stattfinden kann. Die Koalitionspartner sind sich darin einig, dass aufgrund der unterschiedlichen Sozialisationshintergründe von Mädchen und Jungen sowie der unterschiedlichen Entwicklungsverläufe in der Pubertät der zeitweise geschlechtergetrennte Unterricht nach § 5 Abs. 1 Schulgesetz erhalten bleibt.

Auch geschlechtergetrennter Unterricht im Sport, im mathematisch-naturwissenschaftlichen und im technischen Unterricht hilft mit, Benachteiligungen von Mädchen und Jungen zu verringern.

Zur Förderung der Weiterentwicklung des Themenkreises wird beim Bildungsministerium ein Arbeitskreis „Koedukation/Geschlechtshomogener Unterricht“ einrichtet, der das Ministerium fachlich berät.


Stärkung der beruflichen Bildung

Eine anspruchsvolle und erfolgreich abgeschlossene berufliche Ausbildung ist nach wie vor für jeden ein entscheidender Teil der Persönlichkeitsentwicklung und Existenzsicherung und ein wichtiger Beitrag für die erfolgreiche Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft in unserem Land. Qualität und Stabilität des Systems der beruflichen Bildung können nur durch ein Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft garantiert werden. i

Die Koalitionspartner streben an, die Stärkung der beruflichen Bildung durch eine Reihe von Maßnahmen voranzubringen.

Die Landesregierung wird eine Bundesratsinitiative einbringen, um über eine Änderung des Berufsbildungsgesetzes die Leistungsbewertung der Berufsschule gleichberechtigt in die Gesamtbewertung der Berufsausbildung einzubeziehen.

Die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung ist durch Differenzierung und Integration an den beruflichen Schulen zu fördern, z. B. durch die Verstärkung des Fremdsprachenunterrichts. Es wird angestrebt, nach der Erprobungsphase die Verleihung der Fachhochschulreife im unmittelbaren Anschluss an die Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf zu ermöglichen (Versuch dreijährige Fachoberschule, Teilzeit).

Die Umsetzung handlungsorientierter Lernprozesse an den Lernorten Schule und Betrieb, wie sie die Neuordnung der Berufe vorsieht, soll vorangetrieben werden. Hierzu ist eine verstärkte Zusammenarbeit von Theorie und Praxis an den Berufsschulen und den betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildungsstätten anzustreben.

Das Ziel eines 480-Jahresstunden Berufsschulunterrichts soll bis zum Ende dieser Legislaturperiode schrittweise erreicht werden. Es soll durch regional abgestimmte flexible Organisationsformen erreicht werden (z. B. Verblockung), dass die Ausbildungszeit der Auszubildenden im Betrieb ausgedehnt wird und mehr auf die Bedürfnisse speziell des Handwerks Bezug genommen wird.

Die Ausbildung im Ausbildungsverbund mit mehreren betrieblichen Lernorten soll ausgebaut werden. Die Koalitionspartner stimmen darin überein, dass Betriebe, die sich nicht in erforderlichem Umfang an der beruflichen Erstausbildung beteiligen, einen direkten oder indirekten finanziellen Beitrag zur Schaffung eines ausreichenden Ausbildungsplatzangebots in Wirtschaft, Handel und Verwaltung leisten sollen.

Anzustreben ist eine Umgestaltung der Berufsschulen zu regionalen Bildungs- und Innovationszentren für berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung auf der Basis von Modellversuchen.

Durch die Zusammenarbeit der beruflichen Schulen über Kreisgrenzen hinweg sollen berufspädagogische Angebote effizienter gestaltet werden. Hierbei eingesparte Mittel sollen der beruflichen Bildung an anderer Stelle zugute kommen

Die Hilfen und die Beratung insbesondere für Jugendliche ohne oder mit niedrigem Bildungsabschluss sind mit dem Ziel der Aufnahme und erfolgreichen Bewältigung einer Ausbildung zu verstärken. Hierzu soll ein Landesprogramm „Benachteiligte Jugendliche“ zwischen allen zuständigen Ressorts der Landesregierung unter Beteiligung der Wirtschaft und des Handwerks erarbeitet werden.

Die Landesregierung wird dabei insbesondere Maßnahmen ergreifen, um der Ausgrenzung von Lernschwachen durch Modellprojekte, wie u.a. durch den Einsatz von Ausbildungsbetreuern und durch Fördernetzwerke für benachteiligte Jugendliche entgegenwirken.

Neue Technologien und Arbeitsabläufe erfordern eine bessere Koordination zwischen den Lernorten der dualen Ausbildung. Lehrkräfte der Berufsschulen müssen den Anschluss an die berufliche und betriebliche Realität halten können. Hierzu sollen zusammen mit der Wirtschaft die Möglichkeiten für Betriebspraktika ausgeweitet werden.


Lehreraus- und -fortbildung

Die Lehrerinnen und Lehrer einer Schule stehen mit ihrer Professionalität und ihrer pädagogischen Motivation in einer besonderen Verantwortung für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Schulwesens. Die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte muss der beabsichtigten Öffnung der Schule zu mehr Eigenverantwortung und den wachsenden pädagogischen und sozialen Anforderungen an die Unterrichtstätigkeit deshalb entsprechen und mit den hohen fachlichen Ansprüchen und Kompetenzen verbinden.

Wir werden die Lehrerausbildung mit folgender Zielsetzung reformieren:

  • bessere Vermittlung von Schlüssel- und Fachqualifikationen durch sowohl schulart- als auch schulstufenbezogene Ausbildung
  • Stärkung der pädagogischen und sozialpädagogischen Kompetenz der Lehrkräfte, ihrer fachdidaktischen und Planungskompetenzen
  • Verstärkung der Praxisanteile in der ersten Phase der gymnasialen Lehrerausbildung.

Bei der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte soll auf die pädagogische und sozialpädagogische Kompetenz zur integrativen Arbeit mit behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern besonderes Gewicht gelegt werden.

Die Ausbildungsphasen sollen stärker miteinander verknüpft werden. Dazu gehört die Neufassung der Prüfungsordnungen für die erste Ausbildungsphase. Auch die Mittel für die Fort- und Weiterbildung sind auf diese Ziele hin zu konzentrieren.

Wir wollen in den nächsten vier Jahren die Studiengänge an den Hochschulen und die Aus- und Fortbildung am Institut für Theorie und Praxis der Schule (IPTS) enger aufeinander beziehen.

Die schulinterne Lehrerfortbildung soll weiter ausgebaut werden. Den Schulen werden eigene Fortbildungsbudgets zur Verfügung gestellt, die sie auch für eigene Konzepte der Fortbildung ausgeben können.

Maßnahmen der Lehrerfortbildung sind auch eine Voraussetzung für eine Stärkung der einzelnen Schule, die sich zunehmend für ihr Profil und ihre besonderen Angebote selbst verantwortlich fühlen muss. Dafür werden insbesondere auch Fortbildungsangebote für die Schulleitungen und die Schulaufsicht organisiert, um die Voraussetzungen für eine Modernisierung der Schule in diesem Bereich zu erhöhen.

Wissenschaft und Forschung

Allgemeine Grundsätze

Wissenschaft und Forschung leisten zunehmend einen entscheidenden Beitrag zur Gegenwartsgestaltung und Zukunftssicherung unseres Landes. Die Bewältigung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Aufgaben von Gesellschaft und Wirtschaft, die Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen, die Schaffung neuer, zukunftsorientierter Arbeitsplätze erfordern leistungsfähige Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Schleswig-Holstein hat 1988 begonnen, den Anschluss an die Hochschulentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zu finden. Trotz eines beachtlichen Ausbaus bestehen noch zahlreiche Aufgaben, die abzuarbeiten sind, damit Schleswig-Holstein ein zukunftsfähiger Standort für Wirtschaft, Arbeit, Umwelt und Innovation werden kann.

Struktur und Umfang der Hochschulen in Schleswig-Holstein sind in den letzten Jahren erheblich ausgebaut worden. Der Ausbau soll fortgesetzt, die vorhandenen Kapazitäten in Forschung und Lehre dabei noch effizienter genutzt werden. Die Sicherung und Leistungsfähigkeit von Wissenschaft und Forschung ist eine Schwerpunktaufgabe der Landesregierung.

Priorität für Wissenschaft und Forschung bedeutet auch, dass die Hochschulen weiterhin für die jungen Menschen, die studieren wollen, offen bleiben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Studienanfänger/innen in den nächsten Jahren um ca. 30% wachsen wird. Die Chancengleichheit derjenigen, die studieren wollen, ist zu gewährleisten - deshalb werden Studiengebühren abgelehnt.


Wissenschaft und Forschung weiterentwickeln

Mit dem Landeshochschulplan von 1991 liegen erstmals mittelfristige Perspektiven für die schleswig-holsteinischen Hochschulen und selbständigen Forschungseinrichtungen vor. Sie sollen im Rahmen dieses Planes konkretisiert und weiterentwickelt werden.

Die Forschungspolitik des Landes ist ein wichtiger Baustein für eine zukunftsfähige Entwicklung des Landes. Der Ausbau der Kapazitäten für Forschung und Entwicklung in Gebieten insbesondere der Ökosystemforschung, der Meeresforschung, der Medizinforschung, der Biowissenschaften, der Mikroelektronik, der Mikrosystemtechnik, der Materialwissenschaften, des Software-Engineering, beim lSIT-Institut sowie der neuen Fragestellungen der Frauen- und Geschlechterforschung und der Friedensforschung wird fortgesetzt. Dabei soll sich die Wissenschaft auch ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung stellen. Fächerübergreifendes Denken und Handeln in Forschung und Lehre ist eine wesentliche Voraussetzung dafür.

Finanzielle Engpässe durch Unterfinanzierung des Bundes bei Baumaßnahmen sowie unvermeidbare Sparmaßnahmen des Landes erfordern Schwerpunktsetzung und Nutzung vorhandener Ressourcen.

Um Gestaltungsspielräume für eine zielorientierte Weiterentwicklung erhalten und den insbesondere für 1997 vorgegebenen Ausgabenrahmen einhalten zu können, sind über die Budgetierung und Globalisierung hinaus Einsparungen wie auch strukturelle Maßnahmen und Einschnitte erforderlich. Dabei wird auch geprüft werden müssen, ob nicht weniger zukunftsträchtige oder weniger nachgefragte Studiengänge und Einrichtungen aufgegeben werden müssen.

Zur Umschichtung in neue insbesondere innovative Verwendungen und zur festgelegten Erbringung vorhandener kw-Stellen wird der Innovationspool auf 2% aufgestockt. Ob und inwieweit der Innovationspool hochschulübergreifend organisiert werden muss, wird geprüft.

Das Land unterstützt in der KMK Initiativen mit dem Ziel, die Lehrdeputate für Universitätsprofessor/innen zu erhöhen.

In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, welche Bauvorhaben gestreckt werden können, ohne die Hochschulausbaupläne in Frage zu stellen. Der Ausbau der Fachhochschulen, der BWH Flensburg, der MU Lübeck werden fortgesetzt. Der Neubau der Universitätsbibliothek in Kiel ist vordringlich.

Der Wissens- und Technologietransfer erfordert auch an den Fachhochschulen die Wahrnehmung praxisnaher Forschungs- und Entwicklungsaufgaben. Die Fachhochschulforschung ist im Rahmen der personellen Möglichkeiten abzusichern. Sie soll noch stärker in die regionale Wirtschaftsstruktur eingebunden werden, z.B. durch weitere Beteiligungen an Innovations- und Technologiezentren. Private Fachhochschulen sind eine Erweiterung des Hochschulangebots. Dabei kann der Bedarf nicht außer acht bleiben. Es ist zu prüfen, ob im HSG Bedarfsgesichtspunkte für die Anerkennung verankert werden sollen.

Hochschule

Der Weg der Stärkung der Hochschulautonomie wird weiter beschritten. Die Hochschulen müssen mehr Möglichkeiten erhalten, ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln.

Budgetierung und Globalisierung von Hochschulhaushalten werden durch gezielte Maßnahmen erweitert (Einbeziehung von Personalausgaben in die Deckungsfähigkeit, Einführung betriebswirtschaftlicher Kosten- und Leistungsrechnung, Controlling, Modellversuch hochschulinterne Mittelverteilung, Ieistungsabhängige Mittelzuweisung unter Einbeziehung der Leistungen in der Lehre). Zwischen einer gestärkten Entscheidungsfähigkeit der Hochschulorgane und einer verbesserten Teilhabe der Hochschulmitglieder in den Gremien besteht ein Spannungsverhältnis. Um ein hohes Maß an demokratischer Willensbildung zu ermöglichen, wird die Landesregierung die Bundesratsinitiative zur Änderung des Hochschulrahmenrechts durch eine Experimentierklausel unterstützen, um die Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitgliedergruppen des wissenschaftlichen Dienstes, der Studierenden und des nichtwissenschaftlichen Dienstes zu stärken.

Die Kommunikation zwischen Gesellschaft und Hochschule soll verbessert werden. Dem jeweiligen zentralen Ausschuss für Forschung und Wissenstransfer sollen mit beratender Stimme Personen angehören, die nicht Mitglieder der betreffenden Hochschule sind. In dieser Legislaturperiode soll der Aufbau hochschulspezifischer Kuratorien eingeleitet werden.

Die Hochschul-Personalstruktur ist aufgabengerechter und leistungsorientiert zu gestalten, neue Formen der Beschäftigungsverhältnisse (z.B. Teilzeitprofessuren, Angestellte statt Beamte, eigenständige Tarifverträge für den Hochschulbereich, Arbeitszeitkonten, Berufung auf Zeit) sind zu entwickeln; Initiativen zur Reform des BAT werden ergriffen.

Die Landesregierung wird auf Bundesebene mit dem Ziel initiativ werden, Qualifikationswege und Berufungsvoraussetzungen für eine Professur zu überprüfen.

Die Universitätsklinika werden auf der Basis der vorliegenden Eckpunkte zur Klinikreform im Verhältnis zum Land wirtschaftlich verselbständigt. Sie erhalten die volle Finanzverantwortung. Personalangelegenheiten werden umfassend auf sie delegiert. Eine rechtliche Verselbständigung wird nicht angestrebt.

Die Umwandlung der Verwaltungsfachhochschule Altenholz zu einer Fachhochschule mit offenem Zugang soll vorbereitet werden. Gleichzeitig sollen einzelne Fortbildungsmaßnahmen dezentraler gestaltet werden.

Es wird geprüft, ob und wann das Studienkolleg für ausländische Fachhochschulbewerber/innen an der Theodor-Litt-Schule Neumünster an den neuen Standort der Fachhochschule Kiel in Dietrichsdorf verlagert wird.


Nachwuchs fördern, Frauen fördern

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gewinnt angesichts des bevorstehenden Generationswechsels bei den Hochschullehrern besondere Bedeutung. Mit den vorhandenen Landesmitteln (Graduiertenförderungsstipendien, Promotions- und Habilitationsstellen) sowie mit HSP-Mitteln wird Nachwuchsförderung in einem Landesprogramm effektiv gestaltet werden. Stellen und Mittel sollen in erster Linie dort ausgebracht werden, wo bundesweit ein hoher Ersatzbedarf bei den Professuren besteht und bisher eine auffällige Unterrepräsentanz von Frauen zu verzeichnen ist. Die Aufhebung der Benachteiligung von Frauen an den Hochschulen des Landes ist ein Ziel von hoher Priorität. In den vergangenen fünf Jahren ist es lediglich gelungen, den Anteil der Frauen in der schleswig-holsteinischen Professoren/innenschaft von 4% auf 6,1% zu erhöhen.

Mit dem Hochschulgesetz verfügt Schleswig-Holstein über wirksame Instrumente zur Frauenförderung an den Hochschulen. Die Maßnahmen zur Qualifizierung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses werden ausgebaut. Neben den Förder- und Qualifikationsmöglichkeiten durch das neue HSP ist aus den Nachwuchsstellen eine besondere Rate für Frauen im Landesprogramm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vorzusehen.

Für die Fachhochschulen, die insbesondere in den technischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereichen erheblichen Nachholbedarf haben, wird ein Sonderprogramm Frauenförderung konzipiert.

Die Frauenforschung wird gestärkt.

Zusammen mit den Hochschulen wird nach Wegen gesucht, nebenamtliche Frauenbeauftragte zusätzlich zu entlasten.


Studium reformieren und Lehre verbessern

Die Lehre an den Hochschulen soll durch weitere gezielte Evaluierungsmaßnahmen verbessert werden. Studiengänge sollen dadurch besser organisiert, auf besondere Studienziele und Ausbildungsprofile ausgerichtet und in eine Strategie der Qualitätssicherung eingebettet werden. Die im Hochschulgesetz vorgesehenen Lehrberichte werden die Lehrleistung des wissenschaftlichen Hochschulpersonals aufwerten. Die Hochschul- und Fachdidaktik sind zu stärken.

Die wissenschaftliche Weiterbildung soll verstärkt, die Angebote ergänzt und der Öffentlichkeit besser bekannt gemacht werden.

Die Ausbildung an den Fachhochschulen soll durch neue Studiengänge wie z.B. regenerative Energietechnik und Krankenhausmanagement in Flensburg, Automatisierungstechnik in Kiel und Medizintechnik in Lübeck weiterentwickelt werden. Der Studienschwerpunkt Gesundheitsförderung an der BWH Flensburg ist nach erfolgreichem Abschluss des entsprechenden Modellversuchs zu institutionalisieren. Im Rahmen der weiteren Profilbildung schleswig-holsteinischer Hochschulen werden Angebote wie Geragogik und ökologischer Landbau gestärkt. In Verhandlungen mit den medizinischen Fakultäten in Kiel und Lübeck soll die Einrichtung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin vorangetrieben werden.

Der Umgang mit neuen Medien und ihre Einsatzmöglichkeiten im Hochschulunterricht soll ausgebaut werden. Zugangsmöglichkeiten zum Internet sind zu erweitern.

Auf der Basis des gemeinsamen Eckwertepapiers von Bund und Ländern werden die Anstrengungen zur Stoffentlastung der Studien- und Prüfungsordnungen fortgesetzt und die Ausbildung an den Hochschulen praxisnäher gestaltet. Prüfungsordnungen, die eine Zwangsexmatrikulation vorsehen, sind nicht genehmigungsfähig.

Zur Sicherung des Lehrangebots ist die Lehrverpflichtung grundsätzlich persönlich zu erbringen. Die Studien- und Prüfungsberatung von Professoren/innen wird durch verstärkte Präsenz verbessert. Die Einrichtung zentraler Studienberatungen an den Hochschulen soll vorangetrieben werden. Duale Studiengänge vor allem an Fachhochschulen sollen betriebliche Ausbildung und Hochschulausbildung verbinden. Der Zugang von beruflich Qualifizierten an die Hochschulen soll gestärkt werden. Die Landesregierung wird sich Bundesinitiativen zur Durchlässigkeit des Öffentlichen Dienstes für Fachhochschulabsolventen/innen anschließen.

Initiativen zur Schaffung spezifischer Teilzeitstudienangebote werden begrüßt. Zusammen mit den Hochschulen soll versucht werden, entsprechende Modelle umzusetzen.


Kooperationen und Transfers ausbauen

Der Technologietransfer zwischen Forschung, Wirtschaft und Politik ist zu verstärken und dabei auf Offenheit und Transparenz zu achten. Um die Effektivität von Forschung und Lehre zu verbessern, sind die Kooperationen der Hochschulen untereinander zu verbessern. Die regionale und überregionale Kooperation in der Forschungsplanung muss ausgebaut werden.


Soziale und ökologische Standards verbessern

Der behindertengerechte Umbau älterer Hochschulgebäude soll vorangebracht werden.

Das Angebot an Kinderbetreuung für Studierende mit Kindern soll verstärkt werden.

Der Bau von Studierendenwohnungen mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus soll fortgesetzt werden.

Bei der Studienfinanzierung nach BAföG wird ein Modell unterstützt, bei dem die sozialen Transferleistungen gebündelt und in eine Grundförderung eingebracht werden.

Öffentliche Großeinrichtungen wie die Hochschulen haben Vorbildfunktion bei der Berücksichtigung ökologischer Belange. Die Hochschulen sollen versuchen, im Rahmen der Budgetierung die Einsetzung von Umweltbeauftragten zu erproben.

Weiterbildung

Der Weiterbildung kommt eine wachsende Bedeutung für die produktive Bewältigung und den Umgang mit sich wandelnden gesellschaftlichen, beruflichen, ökologischen und politischen Anforderungen zu. Weiterbildung ist ein lebensbegleitender Prozess geworden. Deshalb ist es notwendig, gemeinsam mit Gewerkschaften, Wirtschaft und Verbänden die Weiterbildung zu einer vierten Säule des Bildungswesens auszubauen.

Hierfür Rahmenbedingungen zu schaffen, stellt eine notwendige gesamtgesellschaftliche - und damit auch staatliche - Aufgabe dar. Als grundlegendes Gut bleibt Weiterbildung dabei auch eine Aufgabe kommunaler Daseinsvorsorge.

Damit Weiterbildung dies leisten kann, ist sie zu einem eigenständigen, Vielfältigkeit sichernden, professionell gestalteten Bereich zu entwickeln. Hier kommt ganzheitlichen und integrativen Bildungsangeboten (wie der Umweltbildung) besondere Bedeutung zu.

Die Koalitionspartner haben die Schaffung eines Weiterbildungsgesetzes vereinbart. Es soll den Qualitätsrahmen für ein vielfältiges Weiterbildungssystem schaffen. Es soll bei Wahrung der Pluralität der Träger und bei Freiwilligkeit der Teilnahme die Grundversorgung, ein offenes Angebot, anerkannte Zertifizierungen und Abschlüsse sowie die Ergänzung und Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung sicherstellen.

Für bessere Transparenz der Weiterbildungsangebote und einen leichteren Zugang aller Bevölkerungsgruppen sind Information und Beratung erforderlich. Die Landesregierung wird den qualitativen und flächendeckenden Aufbau einer Weiterbildungsdatenbank und die Intensivierung der Weiterbildungsberatung der Träger und Einrichtungen unterstützen.

Entsprechend dem Verfassungsauftrag werden wir die Förderung der Volkshochschulen im WeiterbiIdungsgesetz verankern.

Kulturpolitik des Landes

Allgemeine Grundsätze

Die Koalitionspartner wollen die schleswig-holsteinische Kulturlandschaft in ihrer Vielfalt und Farbigkeit, in ihrer Qualität und Kreativität stärken und weiterentwickeln. An der Gestaltung des Kulturlandes Schleswig-Holstein sollen möglichst viele Menschen teilnehmen.

Schleswig-Holstein soll ein weltoffenes Land bleiben, in dem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit keinen Platz haben. Deshalb werden die Koalitionspartner den interkulturellen Dialog im Land fortsetzen und verstärken.

Die Kulturpolitik des Landes Schleswig-Holstein soll

  • den Rahmen für die freie Entfaltung kultureller Aktivitäten in der Vielfalt ihrer Ausdrucksformen sichern,
  • vorrangig kulturelle Projekte fördern, die sich wirtschaftlich nur schwer behaupten können,
  • Mehrheiten und Minderheiten die gleichberechtigte Teilnahme an Kultur und den interkulturellen Dialog ermöglichen,
  • zum Ausgleich regionaler Defizite beitragen,
  • die kulturelle Zusammenarbeit über Landes- und Staatsgrenzen hinweg fördern
  • und zugleich die Attraktivität Schleswig-Holsteins als Heimat seiner Bürgerinnen und Bürger, als Wirtschaftsstandort und als Reiseziel stärken.


Zusammenarbeit und Transparenz

Staatliche, kommunale und private Kulturpflege und -förderung sollen wirkungsvoll ineinander greifen.

Die Aufgabenteilung zwischen Land und Kommunen auf dem Gebiet der Kultur muss angesichts der knappen Kassen den schwierigen Bedingungen entsprechend weiterentwickelt werden. Die Kulturpolitik des Landes muss in der mittelfristigen Finanzplanung abgesichert sein.

Das Land fördert vorrangig Projekte von überregionaler Bedeutung und wirkt auf Koordination und Interessenausgleich hin. Das Land unterstützt die Kulturschaffenden beim Aufbau von Selbstverwaltungsstrukturen. Über diese sollen die Kulturschaffenden in transparenter und angemessener Weise an der Vergabe von Fördermitteln beteiligt werden. Die Vertreter der einzelnen kulturellen Sparten sind auch weiterhin bei der Besetzung der Kulturkommissionen und Beiräte zu beteiligen.


Kulturpolitik des Landes

Das Land wird die Weiterentwicklung der traditionellen und der zeitgenössischen Musiklandschaft einschließlich Jazz-, Pop- und Rockmusik auch künftig unterstützen.

Auch in Zukunft wird die eigenständige Arbeit des Landesmusikrates mit dazu beitragen, die Musikkultur zu fördern. Seine weitgehenden Kompetenzen bei der Vergabe der Mittel bleiben erhalten. Die Koalitionspartner stimmen darin überein, dass das Schleswig-Holstein Musikfestival auch künftig fortgeführt wird.

Auch in Zukunft müssen kulturelle Spitzenqualität, die Einbindung der regionalen Musikszene und finanzielle Solidität sichergestellt sein. An den pädagogischen Akzenten der Meisterkurse und der Orchesterakademie wollen wir festhalten. Es wird angestrebt, dass die Finanzierung durch den Kartenverkauf, durch Sponsoren und durch die öffentliche Hand möglichst zu gleichen Teilen gesichert wird. Der Kartenaufschlag zur Förderung der Musikschulen ist beizubehalten. Grenzüberschreitende Initiativen und Veranstaltungsreihen geben der Kulturlandschaft Schleswig- Holsteins wichtige Impulse und schlagen kulturelle Brücken zu unseren nord- und osteuropäischen Nachbarn. Das Land wird sie auch künftig fördern.

Ars Baltica, die von Schleswig-Holstein ausgehende Initiative der kulturellen Ostseekooperation, wird fortgeführt. Es ist ein Netzwerk grenzüberschreitender Zusammenarbeit, auch in finanzieller Hinsicht. Ars Baltica trägt zur wirksamen Einbindung der neuen Demokratien in Osteuropa bei.

Die Förderung der bildenden Kunst orientiert sich auch weiterhin an Qualität, Innovation, Dokumentation, Nachwuchsförderung und kulturellem Austausch. Der Berufsverband Bildender Künstler (BBK) wird institutionell gefördert.

Durch die Förderung der Kunst im öffentlichen Raum, der Künstlerhäuser und Stipendiaten sollen durch das Land weiterhin Akzente gesetzt werden.

Literatur braucht neben der Projektförderung auch eine kontinuierliche Anlaufstelle. Das Literaturhaus hat sich bewährt und soll durch einen besser geeigneten Standort in Kiel stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken.

Die Filmwerkstatt in Kiel und das Filmbüro in Lübeck, die die Grundstruktur für Förderung, Beratung und Fortbildung gewährleisten, und die kulturelle Filmförderung in Schleswig-Holstein werden gesichert.

Die institutionelle Förderung des Landes für die LAG Soziokultur wird abgesichert. Die Koalitionspartner streben eine Förderung für besonderen Investitionsbedarf der soziokulturellen Zentren an. Hierzu sollen auch Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt werden.

Eine engagierte Kulturarbeit muss besonders Jugendlichen und Heranwachsenden geistige Orientierungshilfen geben. Notwendig ist daher ein größeres Engagement in der Jugendkulturarbeit, die emanzipatorische Zielsetzungen verfolgen und gesellschaftliche begründeten Orientierungsdefiziten entgegenwirken soll.

Die kulturellen Aktivitäten von Frauen werden stärker gefördert und ins öffentliche Bewusstsein gerückt.

Die Theatersanierung in Kiel, Lübeck und beim Landestheater über den kommunalen Finanzausgleich wird fortgesetzt. Die Förderstrukturen der freien Theater werden in Zusammenarbeit mit den Theaterschaffenden überarbeitet.

Das neue selbständige Museumsamt unterstützt die Weiterentwicklung, Akzentsetzung und Kooperation der Museen im Lande. Bei der künftigen Förderung der Museen soll ein Akzent im Bereich der Industriekultur gesetzt werden. Der zügige Ausbau der Volkskundlichen Sammlung auf dem Hesterberg in Schleswig ist ein zentraler sozialgeschichtlicher Schwerpunkt der Kulturpolitik in den nächsten vier Jahren.

Durch das Auslaufen des Landessonderprogramms und den Fortfall von Bundesmitteln stehen nur begrenzte Mittel des Landes zur Denkmalpflege zur Verfügung. Für die Zukunft soll geprüft werden, ob über steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten hinaus zusätzliche Mittel aus anderen Förderprogrammen, z.B. im Rahmen der Dorfentwicklung, verstärkt für den Erhalt und die Pflege denkmalgeschützter Gebäude nutzbar gemacht werden können. Die Sanierung des Schlosses Eutin wird zügig fortgesetzt.

Die zeitgeschichtliche Forschung, insbesondere über den Nationalsozialismus und seine Folgen, ist nicht nur Aufgabe wissenschaftlicher Institutionen wie der Universitäten, des Instituts für Zeit- und Regionalgeschichte und des Landesarchivs, sondern ebenso der Geschichtsverbände und Geschichtswerkstätten, die vom Land auch künftig gefördert werden. Forschung und Aufklärung über die Rolle von staatlichen Einrichtungen der NS-Zeit, wie Justiz, Polizei, Hochschule und Schule bleiben für die Zukunft wichtig.

Die Förderung des öffentlichen Büchereiwesens in Schleswig-Holstein ist bundesweit vorbildlich. Die Budgetierung der Mittel soll Planungssicherheit und Selbständigkeit für den neu gegründeten "Büchereiverein Schleswig-Holstein e.V." geben.

In der Heimatkultur wird die kulturelle Arbeit von Minderheiten und Mehrheiten vor allem über die Einrichtungen der dänischen Minderheit, das Nordfriisk Institut, den Schleswig-Holsteinischen Heimatbund (SHHB) und die Niederdeutsch-Zentren gefördert.

Die erfolgreiche schleswig-holsteinische Minderheitenpolitik soll durch den Aufbau des Europäischen Zentrums für Minderheitenfragen in Flensburg weiter gestärkt werden. Wir werden uns für die Aufnahme der Sinti und Roma als Minderheit in die Landesverfassung einsetzen.

Die Förderung kultureller Projekte von Ausländerinnen und Ausländern, Migranten und Flüchtlingen bildet einen zusätzlichen Schwerpunkt.

Sport

Die Koalitionspartner sind darin einig, dass dem Sport eine hohe Bedeutung in der aktiven Gestaltung der Freizeit, in der Gesundheitsvorsorge und im sozialen Engagement eines großen Teils der Bürgerinnen und Bürger zukommt. Zentrales Ziel ist es, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger am Sport beteiligen können.

Die Koalitionspartner streben daher die Verankerung der Sportförderung als Staatsziel in der Landesverfassung an.

Die Möglichkeiten des Sports, zur Persönlichkeitsbildung, zur Gesundheit und zur sozialen Integration beizutragen, sollen in Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und den Sportorganisationen weiter entwickelt werden.

Der Sport wird in erster Linie von der ehrenamtlichen Tätigkeit getragen, für die das Land zusammen mit dem Bund und den Kommunen Rahmenbedingungen und Motivationen schafft. Hierzu gehören z.B. öffentliche Auszeichnungen, die Anerkennung ehrenamtlicher Tätigkeit als Praktikum, Begünstigung bei der Arbeits- und Weiterbildungsfreistellung u.a. In Zusammenarbeit mit den Sportverbänden strebt das Land die Erhöhung des Frauenanteils im ehrenamtlichen Leitungsbereich an.

Die soziale Verantwortung des Sports, besonders In den Angeboten zum Breiten- und Freizeitsport, drückt sich in zahlreichen Initiativen zugunsten der Gruppen aus, die noch in geringerem Maße in sportliche Aktivitäten integriert sind, z.B. Mädchen und Frauen, ältere, kranke und behinderte Menschen, Aussiedler/innen, Ausländer/innen und Personen in schwieriger sozialer Lage. Besonders die Integrationsarbeit zugunsten von Menschen mit Behinderung und von Menschen aus gesellschaftlich benachteiligten Gruppen wird vom Land gefördert. Das erfolgreiche Programm „Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“ wird weitergeführt.

Über den Sportunterricht hinaus sind neue Initiativen zu mehr Bewegung im Schulalltag erforderlich. Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern soll ausgebaut werden, insbesondere mit Sportvereinen.

Bei der Lösung unvermeidbarer Konflikte zwischen den Interessen des Sports und denen der Umwelt räumt das Land dem Bemühen um Dialog und Konsens zwischen den Beteiligten Vorrang vor der Regelung durch Verordnungen und Erlasse ein.

Den Sozialstaat sichern und die solidarische Gesellschaft ausbauen

Präambel

  1. Der Sozialstaat als Gebot unseres Grundgesetzes ist durch eine immer bedrohlichere Schieflage in der Verteilung von Einkommen, Vermögen und Belastungen in Bedrängnis geraten. Seine strukturelle und finanzielle Zukunftssicherung ist hoch belastet, insbesondere durch die anhaltende Massenarbeitslosigkeit, aber auch durch die anhaltende Debatte über seine angebliche Unbezahlbarkeit.
  2. In dieser Zeit müssen gerade in Schleswig-Holstein auch zukünftig Zeichen gesetzt werden, dass soziale Standards und sozialer Friede zur Standortsicherung unerlässlich sind und dass die Sanierung der Staatsfinanzen durch steuerliche Umverteilung und grundlegende Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme erfolgen muss, und nicht durch deren Demontage. Die Landesregierung begreift Sozialpolitik als eine Investition in die Zukunft.
  3. Schleswig-Holstein wird sich in diesem Sinne an den anstehenden Gesetzesreformen beteiligen und daran mitarbeiten, dass die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung erhalten und ihre Finanzierung auf eine breitere Grundlage gestellt wird. Dazu gehören auch Überlegungen zum Einstieg in eine Grundsicherung.
  4. Oberste Priorität für die Sicherung des Sozialstaates hat die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
  5. Dies steht auch auf Landesebene im Mittelpunkt aller Bemühungen. Die Landesregierung wird ihre gesetzlichen und finanziellen Möglichkeiten ausschöpfen, um durch noch stärkere Vernetzung von Wirtschafts-, Struktur- und Arbeitsmarktpolitik Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen.
  6. Sozialpolitik in Schleswig-Holstein setzt auf Solidarität und Partizipation als Grundprinzipien und folgt dem Gestaltungsprinzip „Vorbeugen statt Heilen“. Sie hat zum Ziel, soziale Ausgrenzung zu verhindern bzw. zu bekämpfen. Sie wird Hilfsangebote bedarfs- und bedürfnisgerecht gestalten, Betroffenenorientierung und Vernetzung, Effizienz und Wirtschaftlichkeit fördern und bürokratische Strukturen abbauen bzw. verhindern. Als durchgängiger Grundsatz gilt "ambulant vor stationär”. Selbsthilfe sowie bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement sind substantielle Bestandteile der sozialen Infrastruktur.
  7. Familienpolitik in Schleswig-Holstein unterstützt und schützt alle Formen von Lebensgemeinschaften, die auf Dauer angelegt sind. Zu dieser modernen Form der Familie gehören Ehen ebenso wie nicht eheliche Lebensgemeinschaften, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und Ein-EItern-Familien.
  8. Insbesondere Familien mit Kindern bedürfen einer gesellschaftlichen Unterstützung. Eine aktive Familienpolitik reicht von der Umsetzung des Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz über eine aktive Kinder- und Jugendpolitik bis zum Bemühen um eine qualifizierte Ausbildung. Familien müssen durch eine Erhöhung des Kindergeldes entlastet werden.
  9. Über eine flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung hinaus wird die Landesregierung die Voraussetzungen für einen umfassenden vorbeugenden Gesundheitsschutz verbessern.

Sozialpolitik

  1. Sozialpolitik in Schleswig-Holstein soll dazu beitragen, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen sowie soziale und individuelle Defizite auszugleichen. Instrumente hierfür sind ausdifferenzierte Beratungs- und Hilfsangebote sowie Hilfe zur Selbsthilfe. Voraussetzung dafür ist und bleibt die Sicherung und Modernisierung des Sozialstaates auf allen Ebenen. In Zeiten wirtschaftlicher Krisen dürfen die Opfer der Krise nicht weiter ausgegrenzt werden, sondern brauchen die Unterstützung durch eine solidarische Gesellschaft. In Schleswig-Holstein müssen auch zukünftig Zeichen gesetzt werden, dass der Abbau des Sozialstaates der falsche Weg zur Sicherung der Staatsfinanzen ist. Die finanziellen Mittel zur Sanierung der Staatsfinanzen und zur Sicherung der sozialen Systeme müssen durch eine steuerliche Umverteilung aufgebracht werden.
    Bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement in Verbindung mit den Hilfsangeboten der Wohlfahrtsverbände und anderer Träger sind bewährte Pfeiler eines derartigen Sozialsystems. Selbsthilfe und Selbstorganisation Betroffener gewinnen an Bedeutung und werden von der Landesregierung unterstützt. Die Landesregierung wird die konstruktive Zusammenarbeit mit den Betroffenen und den genannten Organisationen weiterentwickeln. Gleichzeitig müssen Anbieter sozialer Dienstleistungen nach Grundsätzen von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit arbeiten.
  2. Die Landesregierung wird auf Bundesebene Vorstöße zur Reduzierung der Belastung von Land und Kommune im Bereich der Sozialhilfe unternehmen. Parallel dazu wird die Landesregierung alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Sozialhilfebezug zu vermeiden oder zu verkürzen. Die Sozialhilfe muss wo nicht vermeidbar, das Existenzminimum und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen.
  3. Grundlage für eine effektive Sozialpolitik ist eine fundierte Sozialberichterstattung und Sozialplanung in Zusammenarbeit mit den Kommunen. Zu diesem Zweck werden die vorhandenen Pläne fortgeschrieben und die dort enthaltenen Handlungskonzepte den aktuellen Erfordernissen angepasst. Die Landesregierung initiiert eine Armutsberichterstattung.
  4. Effektive Sozialpolitik bedarf der Demokratisierung von Entscheidungsstrukturen und der Vereinfachung von Zuschussverfahren. Eine bereichsübergreifende, ganzheitliche und vernetzende Arbeitsweise von Anbietern sozialer Leistungen wird besonders unterstützt. Förderrichtlinien müssen die Vielfalt sozialer Anbieter berücksichtigen. Die Landesregierung kann Träger der sozialen Arbeit über die Dachverbände oder im Einzelfall direkt fördern.
  5. Die Landesregierung wirkt auf eine effektive Zusammenarbeit und Vernetzung der ausdifferenzierten Sozial- und Gesundheitsberatung hin. Sie entwickelt zu diesem Zweck Instrumente für ein Qualitätscontrolling (u.a. Wirtschaftlichkeit, Ablauf- und Ergebnisüberprüfung).
    Die Landesregierung wirkt darauf hin, dass das Netz der Schuldenberatungsstellen in Schleswig-Holstein weiter flächendeckend ausgebaut wird. Analog zu den Sparkassen wird eine finanzielle Beteiligung der Banken angestrebt.
  6. Die Landesregierung wird in Zusammenarbeit mit den Kommunen das Konzept zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit konsequent umsetzen. Den besonderen Bedürfnissen von Frauen wird Rechnung getragen.
  7. Die Institution der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten hat sich bewährt. Sie wird fortgeführt.
  8. Die Landesregierung setzt sich für die Stärkung der ehrenamtlichen Arbeit auf der Grundlage des Landtagsbeschlusses vom 30.11.95 (Drs. 13/3163) in den verschiedenen Politikbereichen ein.
  9. Die bei der Staatskanzlei angesiedelten Beauftragten der Landesregierung sollen schrittweise eine gemeinsame Infrastruktur erhalten und unter einem Dach zusammengeführt werden.
  10. Grundsätzliche Übereinstimmung besteht in der Auffassung, dass der Buß- und Bettag als Feiertag aufgrund seiner kulturellen, sozialen und kirchlichen Bedeutung bundesweit wieder eingeführt werden soll.

Die Koalitionsparteien treten zudem dafür ein, dass die Kosten der Sozialversicherung auch künftig zur Hälfte durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen werden sollen. Sie kritisieren die vereinbarte Lösung zur Finanzierung der Pflegeversicherung, weil sie eine Umverteilung der finanziellen Lasten auf Kosten der Arbeitnehmer und eine Begünstigung der Arbeitgeber bedeutet. Der von der Bundesregierung erzwungene Kompromiss wird nur mitgetragen, weil die Einführung der Pflegeversicherung ein Gewinn an Menschenwürde für die Pflegebedürftigen ist, der anders nicht zu erreichen war.

Die Koalitionsparteien werden alle Maßnahmen unterstützen und darauf hinwirken, dass die Lasten der Pflegeversicherung gerecht zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern verteilt werden, der Buß- und Bettag bundesweit wieder eingeführt wird und der besondere Schutz der Sonn- und Feiertage gewahrt bleibt.

Bis dahin wird die Landesregierung den Buß- und Bettag als geschützten Feiertag einführen. Die Koalitionsparteien sehen jedoch derzeit keine Möglichkeit, den Buß- und Bettag als arbeitsfreien Feiertag in Schleswig-Holstein wieder einzuführen.

Eine weitere Belastung der Arbeitnehmer, wie z. B. eine vollständige Übernahme des Beitrages zur Pflegeversicherung durch die Arbeitnehmer oder die Kürzung des tariflichen Urlaubsanspruchs um zwei Tage zur Finanzierung der zweiten Stufe der Pflegeversicherung lehnen wir ab.

Bauen und Wohnen

Der Wohnungsbau soll einer der Schwerpunkte der Politik einer von SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN gestellten Landesregierung sein. Ausreichender, bezahlbarer und gesunder sowie umweltgerechter Wohnraum ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Die Wohnungsbaupolitik geht also über das bloße Zuweisen von Finanzmitteln zur Förderung von Wohnraum hinaus. Die Errichtung von Wohnraum muss vielmehr sozial bedarfsorientiert sein, sie muss sich ökologischen Zielen verpflichten, und sie muss Kosten sparen. Jede Änderung des bestehenden Förderungssystems, die diesen Grundsätzen widerspricht, lehnt die Landesregierung ab. Für die Bau- und Wohnungspolitik im Land Schleswig-Holstein gilt es insbesondere, möglichst viele Wege für folgende Zielsetzungen zu erschließen:

  • Förderung einer nutzerinnen- und nutzerbeteiligten Landes- und Stadtentwicklung, die es ermöglicht, Familien- und Berufsarbeit miteinander zu verknüpfen und Kindern gerecht wird,
  • Förderung sozialer Wohnraumversorgung und integrativer Wohnraumprojekte,
  • Förderung einer ökologisch orientierten Bauwirtschaft und Bausanierung und
  • Minimierung der Bodenversiegelung und des Ressourcenverbrauches.

Die Koalitionsparteien vereinbaren für die zweite Hälfte der Legislaturperiode eine Überprüfung der Landesbauordnung zur Frage, ob den gesundheitlichen, energie- und verkehrspolitischen Erfordernissen ressourcensparenden Bauens, sowie den sozialpolitischen Forderungen von Frauenorganisationen und Behindertenverbänden Rechnung getragen ist. Die Koalitionsparteien vereinbaren, eine Fachkommission “Frauen planen Wohnen” einzurichten, die das federführende Fachministerium in Baufragen berät und öffentliche Foren gestaltet.


Preisgünstigen Wohnraum für verschiedene Lebensformen schaffen

Die bisherige Leistungsbilanz im Wohnungsbau kann sich sehenlassen. Auch wenn sich Anzeichen der Entspannung auf dem Wohnungsmarkt abzeichnen, muss die Förderung des Wohnungsbaus auf hohem Niveau fortgesetzt werden, um den Bedarf zu decken. Das beschlossene Wohnungsbauprogramm 1995/96 wird durchgeführt.

Eine zukünftige Wohnungspolitik muss sich dabei auf die Veränderung von Lebensstilen, Wohnbedürfnissen und Qualitätsansprüchen In der Gesellschaft einstellen. Neue, zielgenauere und personenbezogene Förderungsmodelle, vor allem für das autoarme Wohnen, größere Wohnungen für kinderreiche Familien, Alleinerziehende, Behinderte, Frauen in besonderen Notlagen, Wohngemeinschaftsmodelle, generationsübergreifendes Wohnen, Neugründung von Genossenschaften sind zu entwickeln und zu erproben. Für bei der Wohnungsvergabe benachteiligte Gruppen (alleinerziehende Frauen, Behinderte, Wohnungsnotfälle, Wohngemeinschaften) sollen spezielle Kontingente bereitgestellt bzw. existierende Programme fortgesetzt werden.

Um die verschiedenen baubezogenen Förderprogramme des Landes aufeinander abzustimmen und zu optimieren, wird eine interministerielle Projektgruppe gebildet, die die einzelnen Programme aufeinander abstimmt und ggf. neu konzipiert.

Zur gezielteren Wohnungsbauförderung werden die Bemühungen vorangetrieben, ein Wohnungsmarkt-Beobachtungssystem einzurichten. Mit ihm soll die statistische Basis bei Fragen der Wohnungsbedarfsermittlung verbessert werden. Nach einer Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse wird die Einrichtung spezieller Beratungsbüros für Bauwillige, Mieterinnen und Mieter und Wohnungsbaugesellschaften und deren kostenmäßige Absicherung geprüft.

Eine Förderung der Versorgung von Haushalten mit niedrigem Einkommen ist vorrangig und maßgeblich auf Gebiete mit erhöhter Wohnungsnachfrage zu konzentrieren. Die Förderkonditionen sind regional unterschiedlich zu gestalten und neue Fördermodelle zu erproben.

Maßgeblich für den Umfang der an der Zielgruppe der niedrigen Einkommen orientierten Wohnungsneubauförderung sollte ein anzustrebender Sockelbestand von ca. 80.000 mietpreis- und belegrechtsgebundenen Sozialwohnungen in Schleswig-Holstein sein. In den Jahren 1997/98 sollen, um den Wohnungsbedarf zu befriedigen, daher mindestens 4.000 Wohnungen p.a. öffentlich gefördert werden. Dies entspräche einem Anteil von ca. 28 % der anzustrebenden durchschnittlichen Wohnungsneubautätigkeit von 14.500 Wohnungen in Schleswig-Holstein. Zugunsten nachstehend aufgeführter Projekte und Maßnahmen kann sich diese Zahl ggf. verringern.

Das Wohnungsbauförderungsprogramm 1997/98 wird auch zwischen den Koalitionsparteien verhandelt. Für diese Diskussion wird eine Überprüfung der Standards (z.B. nutzungsneutrale Wohnungsgrundrisse, Mindestgrößen für Wohnräume und für Küchen von 10 qm, zusammenschaltbare Räume und Wohnungen, Raumbedarf für Alleinerziehende, barrierefreies Bauen) verabredet.

Für soziale Gruppenwohnungsbauvorhaben und innovative Bauprojekte, sowie bei Projekten der sozialen Wohnraumhilfe für Wohnungslose sollen die sozialen Planungsleistungen im Rahmen der Baunebenkosten nach den unterschiedlichen rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten der Förderprogramme abgerechnet werden. Arbeitsmarktpolitische Programme des Landes werden stärker mit innovativen Bauprojekten verbunden.

Im Hamburger Umland besteht ein besonderer Bedarf zur Erschließung von Wohn- und Gewerbeflächen. Schleswig-Holstein und Hamburg stellten je 3,5 Millionen Mark aus dem „Gemeinsamen Förderungsfonds für den Nachbarraum um Hamburg” für ein gemeinsames Wohnungsbauprogramm zur Verfügung. Die Landesregierung hält an diesem Sonderprogramm mit Hamburg fest.

Die Landesregierung fördert die Nutzung des Erbbaurechts als Grundlage für preisstabile Miet- und Eigentumsmaßnahmen.


Ökologisches Bauen

Bauen bedeutet immer einen Eingriff in den Naturhaushalt und letztlich eine Umweltbelastung. Zukünftige Wohnungsbauprogramme müssen daher den Einsatz von Maßnahmen des Energiesparens und alternativer Energien sowohl im Bestand als auch im Neubau und den Einsatz umweltverträglicher Baustoffe und Maßnahmen des flächensparenden Bauens fortsetzen.

Vorrangig wird von der Verwendung PVC-haltiger Baumaterialien (beispielsweise Fenster) abgesehen. Die Liste der zu vermeidenden Baustoffe und die Liste der gesundheitsverträglichen Baustoffe wird auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse ständig fortgeschrieben.

Eine interministerielle Arbeitsgruppe überarbeitet auf dieser Grundlage die technischen Baubestimmungen für die Durchführung des sozialen Wohnungsbaus, wie auch für die landeseigene Bautätigkeit (z.B. Hochschulbereich) mit dem Ziel der Ökologisierung des Bauens. Hierzu wird eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Beteiligung externer Expertinnen und Experten eingesetzt.

Wir wollen zusammen mit der Wirtschaft die Gründung eines Öko-Test-Instituts für ökologische Bauprodukte initiieren.

Um die Standortqualität des Wohnungsneubaus zu erhöhen, eine umweltverträgliche Mobilität niedriger und mittlerer Einkommensgruppen langfristig zu sichern und der Zersiedelung des Naturraumes aktiv entgegenzuwirken, wird der Einsatz von Wohnungsbauförderungsmitteln zukünftig verstärkt unter ökologischen und siedlungsstrukturellen Gesichtspunkten erfolgen. Lückenbebauung hat Vorrang, die Verringerung des Flächenverbrauchs bei Bauprojekten ist anzustreben. Hierfür sollen im Rahmen der ALK Baulückenkataster aufgestellt werden. Für die Planung und Realisierung von Siedlungen sollen zur Energieeinsparung unter Vermeidung von Versiegelung des Bodens zur Umweltverträglichkeitsprüfung auch örtliche Energiekonzepte mit herangezogen werden.

Im Rahmen eines Wohnbaulandentwicklungsprogramms unterstützt das Land die Gemeinden mit dringendem Wohnbedarf bei der Schaffung oder Erweiterung der kurzfristig erforderlichen technischen und sozialen Infrastruktur.

Es können Fonds für Bodenbevorratung bei Kommunen und Kreisen eingerichtet werden, um insbesondere in bevölkerungsreichen Regionen mit entsprechender Flächenknappheit der Bodenspekulation zu begegnen. Dies soll insbesondere dazu dienen, über die Verhinderung von planungsbedingten Bodenwertsteigerung günstigere Baupreise zu erreichen.


Kostengünstiges Bauen

Da die Förderung niedriger Einkommensgruppen Priorität hat, soll dasjenige Förderinstrument vorrangig zum Einsatz kommen, das die beste soziale Wirkung und größte wirtschaftliche Effizienz mit langfristigem Wohnwert verbindet. Somit kommt dem 1. Förderweg besondere Bedeutung zu, soweit nicht über neue Wege zielgenauerer Förderung größere Effizienz erreicht werden kann (z. B. 3. Förderweg, vereinbarte Förderung). Die Fehlbelegungsabgabe stellt einen wirksamen Beitrag für die Wohnungsbauförderung dar, den die nicht mehr wohnberechtigten Mieter von Sozialwohnungen zugunsten noch unversorgter Wohnungssuchender erbringen. Ihr Aufkommen wird der Wohnungsbauförderung auch weiterhin zugeführt. mit mehr als neun Wohnungen zur bauwirtschaftlichen Prüfung vorgelegt werden müssen, wird anerkannt.

Die Prüf- und Beraterfunktion der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, dem Prüfinstitut für Träger des öffentlich geförderten Wohnungsbaus muss sachlich umfassender und transparenter gestaltet werden. Über rein bauwirtschaftliche und bautechnische Aspekte hinaus müssen künftig mehr als bisher ökologische, soziale und städtebauliche Qualitätsziele mitberaten und geprüft werden. Hierzu ist ein Fachbeirat mit entsprechender Aufgabenstellung einzusetzen, bei dem die am sozialen Wohnungsbau beteiligten Institutionen einzubeziehen sind. Männer und Frauen sollen paritätisch vertreten sein. Die Satzung der Arbeitsgemeinschaft wird mit dem Ziel überprüft, die o.g. Aspekte besser zur Geltung kommen zu lassen.


Die Interessen der Mieterinnen und Mieter stärken

Die Landesregierung setzt sich für die längst fällige Anhebung des Wohngeldes ein. Sie wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf eine verbesserte Mietermitbestimmung zur Förderung der Identität der Bewohnerinnen und Bewohner in ihrem Wohnquartier hinwirken. Dabei soll den landeseigenen und den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften eine Vorbildfunktion zukommen. Die Landesregierung fördert die Transparenz der Kosten im Rahmen des Programmes „Betreutes Wohnen“, um Mieterinnen und Mieter vor Übervorteilung zu schützen(Ausführungsbestimmungen zu § 9 Abs. 6 Satz 3 Wohnungsbindungsgesetz).

Nach Ablauf der eingeräumten Erprobungsphase für eine "Vereinbarung über die Einräumung von Vorschlagsrechten zur Wohnungsvergabe” wird geprüft, ob die gemachten Erfahrungen den Erlass einer Verordnung nach § 5 a Wohnungsbindungsgesetz rechtfertigen.


Förderung von Genossenschaften

Der Genossenschaftsgedanke im Wohnungsbau ist neu zu beleben und zu stärken. Die Möglichkeiten einer behutsamen Privatisierung zugunsten der Mieter und besonders die Möglichkeit zur Schaffung neuer Genossenschaften im Rahmen des neuen Eigenheimzulagengesetzes müssen in die künftigen Überlegungen einbezogen werden. Die Genossenschaftsidee ist durch eine Einbeziehung in die steuerliche Förderung zu stärken. Priorität wird gesetzt auf die Förderung von Vorhaben neuer nachbarschaftlicher Wohnungsbauträger (Genossenschaften, Gruppenbauvorhaben, soziale Wohnraumhilfeprojekte, Bauprojekte mit Selbsthilfecharakter und anderem) und die Initiierung nutzerorientierter Projekte im Wohnungsbau (auch über die LEG). Die Mittel für den sogenannten KleinsiedIungsbau werden in diesem Sinne genutzt.


Neue Formen preisgünstigen Wohneigentums fördern

Die Landesregierung wird die öffentliche Förderung der Eigentumsbildung fortsetzen, die insbesondere jungen Familien und einkommensschwachen Haushalten innerhalb der Einkommensgrenzen des § 25 Abs. 2 II. WoBauG wie beim Mietwohnungsbau zugutekommt. Die durch das neue Eigenheimzulagengesetz begünstigte Ausgangslage niedriger Einkommensgruppen soll durch eine entsprechende Landesförderung unterstützt werden. Durch den Verweis dieser Einkommensgruppen auf besonders kostengünstige Hausformen soll die Förderpauschale des Landes an das Vergleichsniveau der Förderpauschale für den Mietwohnungsbau entsprechender Einkommensgruppen angenähert werden. Innerhalb der Eigentumsförderung sollen auch hier Familien oder Alleinerziehende mit Kindern und Behinderte Vorrang haben. Es ist eine Konzentration auf die räumlichen Bedarfsschwerpunkte der wohnungsnachfrage anzustreben. Dabei haben Haushalte Vorrang, die soziale Mietwohnungen freimachen. Die konkrete Gewichtung wird in den Wohnungsbauprogrammen 1997/98 vorgenommen.


Preisgünstigen Wohnbestand und gerechte Mieten erhalten

Die Neubauförderung steht in enger Wechselbeziehung zur Bestandsentwicklung. Für den Versorgungsauftrag niedriger Einkommensgruppen, aber auch aus Gründen der sozialen Mischung und einer ausgeglichenen Stadtentwicklung, ist eine besondere Bestandspolitik notwendig. Die von der Landesregierung eingeleiteten Maßnahmen zur größeren Flexibilisierung der Belegungsrechte, zur Beruhigung der Mietenprogression, zur Stärkung der sozialen Mischung durch ein Angebot verschiedener Förderwege und durch Anwendung des sogenannten Kombinationsmodells, sowie zur Förderung der Modernisierung im Rahmen des § 17 a II. WoBauG, sollen fortgeführt werden.

In Gebieten, wo ein besonders hoher Verlust an mietpreis- und belegrechtsgebundenen Sozialwohnungen droht und diese nicht hinreichend durch Neubaumaßnahmen kompensiert werden können, kann die Bereitstellung dauerhafter Belegungsrechte an freien und freiwerdenden, nicht gebundenen Wohnungen gefördert werden. Die Landesregierung prüft, ob hierfür zinsgünstige Darlehen bereitgestellt werden können. Fördervoraussetzung ist, dass sich die Gemeinde an der Finanzierung mit einem angemessenen Betrag beteiligt. Beteiligte Wohnungsunternehmen sind in die Verantwortung zu nehmen, damit sie einen Teil ihrer Entschuldungsgewinne auch ohne direkte öffentliche Förderung bei der Modernisierung der Großsiedlungen aufwenden können. Die Kommunen haben sich mit einem angemessenen Beitrag zu beteiligen.

Die Koalitionsparteien sprechen sich für eine Verschärfung der Instrumente gegen Zweckentfremdung aus und prüfen in Abstimmung mit den kommunalen Landesverbänden, ob analog des entsprechenden hessischen Gesetzes eine gesetzliche Regelung (namentlich in den Bädergemeinden an den Küsten) notwendig ist.

Die Landesregierung wird auf die Erstellung von Mietspiegeln hinwirken, die auf einer einheitlichen Datenerhebung und gemeinsamen Erhebungsmethoden basieren.


Städtebauförderung und Sanierung

Die Landesregierung wird nicht nachlassen, den Bund zu einem finanziellen Bekenntnis zu seiner Verantwortung für die Städtebauförderung auch in den westlichen Ländern zu drängen. Die in den vergangenen Jahren vom Bund fast eingestellte Städtebauförderung muss schon wegen ihrer Folgewirkungen für die Bauindustrie und Folgeinvestitionen wieder hochgefahren werden. Über die Komplettierung der Bundesmittel hinaus werden für fünf Jahre in einem Landesprogramm jeweils 5 Mio. DM p.a. zusätzlich für die Städtebauförderung bereitgestellt.

Die Landesregierung will historische Stadt- und Ortskerne in Schleswig-Holstein erhalten. Dazu gehören auch erhaltenswerte Mietwohnungsbausiedlungen der Nachkriegszeit. Die Entwicklung dieser Siedlungen soll nicht allein dem Markt überlassen bleiben. Der Diskussion, auf welche Art und Weise eine gute soziale und altersmäßige Mischung in diesen Mietwohnungsbausiedlungen erreicht werden kann, kommt hohe Priorität zu.

Durch freiwerdende militärische Liegenschaften und Militärwohnungen stehen viele hochwertige innerstädtische Flächen der Stadtentwicklung wieder zur Verfügung. Sie gilt es schnellstens zu nutzen, um den Wohnungsnotstand zu verringern. Um den sozialen Wohnungsbau und/oder gemischte Nutzungen (Gewerbe, Wohnen, öffentliche Grünflächen) auf den ehemaligen Militärflächen zu realisieren, wird das Land im Rahmen seiner Wohnungsbauprogramme Projekte für "Wohnen statt Kasernen" fördern.

Der neugegründeten Landesentwicklungsgesellschaft kommt für die Flächenbevorratung und -entwicklung besondere Bedeutung zu. Sie soll zwei Jahre nach Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Bericht über die Erfüllung der in der Präambel festgelegten Zielsetzungen geben.


Bundesratsinitiativen

Bei der anstehenden Mietrechtsnovelle halten die Koalitionspartner an der bisherigen 11%igen Umlage für Modernisierungen, die ihre Kappung in der örtlichen Vergleichsmiete oder Mietspiegelmiete findet, fest. Die zulässige Mieterhöhung nach § 2 Miethöhegesetz soll auf einheitlich 15 % in drei Jahren begrenzt werden. Bei Neuvermietungen soll die Mieterhöhung nicht über 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete steigen. In die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete sollen die unveränderten Bestandsmieten der letzten vier Jahre einbezogen werden. An den geltenden Kündigungsschutzregelungen wird festgehalten.

Für die anstehende Wohngeldnovelle streben die Koalitionspartner eine deutliche Verbesserung des Wohngeldes mit Dynamisierungsklausel an. Die ersatzlose Streichung des pauschalierten Wohngeldes (für HLU-Empfängerinnen und Empfänger) wird abgelehnt, stattdessen wird eine geteilte Verantwortlichkeit für die Bezahlung der Mietbelastungen bei Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern angestrebt.

Für die Reform des II. Wohnungsbaugesetzes lehnen die Koalitionspartner die Einführung einer einkommensorientierten Miete nach den Vorstellungen des BMBau ab und halten grundsätzlich an der Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe fest, solange nicht ein entsprechendes Investitionsvolumen‚ für den Wohnungsbau gesetzlich verbindlich neu geschaffen wird.

Es soll geprüft werden, ob die Fehlbelegungsabgabe auch in den Wohnungen des 3. Förderungsweges in Zukunft erhoben werden kann. Die Koalitionspartner werden eine Initiative zur Verankerung einer dauerhaften Vermögens- und Sozialbindung bei Wohnungsbaugesellschaften der öffentlichen Hand bzw. derer mit öffentlicher Beteiligung in den Bundesrat einbringen. Diese Unternehmen sollen zugleich besondere Steuervorteile und eine Bevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erfahren. Darüber hinaus soll die Berücksichtigung von Grundsätzen des ökologischen wie flächen- und kostensparenden Bauens in die Reform eingearbeitet werden.

Die Mitbestimmung der Mieterinnen und Mieter in den Wohnungsbaugesellschaften ist in den Satzungen zu verankern. Die Initiative soll auch die Öffnung von Bundesmitteln für den sozialen Wohnungsbau für den Erwerb von Belegrechten zum Ziel haben. Das Zusammenwohnen von Nichtverwandten in Sozialwohnungen soll ermöglicht werden.

Bei der anstehenden Reform des Baugesetzbuches vereinbaren die Koalitionspartner die Einbringung folgender Zielsetzungen für eine Bundesratsinitiative:

  • Die Übernahme der Bestimmungen des BauGBMaßnahmengesetzes und des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes, die Verfahrensverkürzungen zu Lasten der Bürgerbeteiligung und der bisherigen Bauleitplanverfahren beinhalten in Regelbestimmungen des BauGB werden abgelehnt. Erweiterung der Träger öffentlicher Belange und Einbeziehung betroffener Verbände und Vereinigungen (Frauen-, Umweltverbände u.a.).
  • Die Kommunen werden ermächtigt, bis zu zwei Dritteln der planungsbedingten Bodenwertsteigerungen zum Zwecke der Erschließung und Infrastruktur abzuschöpfen.

Gesundheitspolitik

  1. Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern ein Zustand allgemeinen, körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Die Landesregierung bekennt sich zu den Zielen der Gesundheitsförderung, wie sie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Ottawa-Charta 1986 formuliert wurden. Die Landesregierung strebt an, sich in absehbarer Zeit als "Gesunde Region Schleswig-Holstein" dem Netzwerk der WHO anzuschließen. Ziele der Landesregierung sind: Umfassender vorbeugender Gesundheitsschutz, flächendeckende differenzierte Versorgungsstrukturen im stationären, ambulanten und teilstationären Bereich, in enger Kooperation mit leistungsfähigen Kostenträgern, Leistungsanbietern und Betroffenen. Darüber hinaus will die Landesregierung die Erreichbarkeit von gesundheitlichen Angeboten sozial- benachteiligter Gruppen verbessern.
  2. Gesundheit muss in der Region organisiert werden. Deshalb wird die Landesregierung mit allen am Gesundheitswesen Beteiligten eine regionale Gesundheitskonferenz ins Leben rufen. Zusammen mit Leistungsanbietern und Kostenträgern wird die Landesregierung konkrete Angebote zur Prävention entwickeln. Die Landesregierung unterstützt darüber hinaus entsprechende Bemühungen der Kommunen (z.B. "Gesunde Städte-Netzwerk" der WHO) und die Einrichtung von Gesundheitszirkeln in den Kreisen.
  3. Zur Weiterentwicklung des gesundheitlichen Arbeitnehmerschutzes wird die Landesregierung das gemeinsam mit den Gewerbeaufsichtsämtern erarbeitete Arbeitsschutzkonzept umsetzen und weiterentwickeln. Gesundheitlicher Arbeitnehmerschutz und öffentlicher Gesundheitsdienst müssen enger miteinander verzahnt werden. Der "Beirat für Arbeitsschutz" bei der Ministerin für Arbeit, Soziales, Jugend und Gesundheit wird gestärkt. Auf europäischer Ebene wird sich die Landesregierung für einen einheitlichen Arbeitsschutz für alle Beschäftigten einsetzen.
  4. Die Landesregierung wird den öffentlichen Gesundheitsdienst stärken und das ÖGDG unter Beteiligung der Gesundheitsämter novellieren mit der Zielsetzung, deren Kompetenzen im umweltbezogenen Gesundheitsschutz, der Gesundheitsberichterstattung und der Gesundheitsplanung im Sinne einer Gesundheitsverträglichkeitsprüfung zu erweitern. In diesem Zusammenhang wird geprüft, inwieweit Gesundheitsämter von Aufgaben entlastet werden können.
  5. Die Landesregierung wirkt darauf hin, dass die wohnortnahe, qualifizierte und wirtschaftliche Krankenhausversorgung in den Regionen auf der Basis der fortzuschreibenden Krankenhausplanung optimiert wird. Dazu gehören auch umweltbewusstes Verhalten, z.B. Müllvermeidung und -entsorgung, Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Beschäftigen, Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention.
    Im Rahmen bestehender Strukturen unterstützt die Landesregierung eine Schwerpunktsetzung in der Behandlung von Folter- und Gewaltopfern.
  6. Die Dezentralisierung der psychiatrischen Versorgung und die Ausgestaltung der gemeindenahen Psychiatrie werden fortgesetzt. Das Psych-KG wird novelliert, der Maßregelvollzug wird auf eine eigene gesetzliche Grundlage gestellt. Der Psychiatrieplan wird fortgeschrieben. Die Landesregierung befürwortet die Einrichtung unabhängiger Interessenvertretungen von Patientinnen und Patienten. Im Bereich Maßregelvollzug wird eine Besuchskommission eingerichtet.
  7. Durch die Förderung des Hospizgedankens für Schwerkranke und Sterbende wollen wir die Annahme von Sterben und Tod als Bestandteil menschlichen Lebens in das gesellschaftliche Bewusstsein zurückrufen. Wir wollen die Einrichtung von Hospizen und die ambulante Begleitung Sterbender durch ehrenamtliche Hausbetreuung fördern.
  8. Die Landesregierung strebt eine qualifizierte AIDS-Beratung und -Hilfe in Zusammenarbeit mit den Landkreisen an.
  9. In Schleswig-Holstein wird ein Krebsregister eingerichtet, das die Mortalität und die Inzidenz erfasst. Notwendig sind Meldepflicht und die Möglichkeit zum länderübergreifenden Abgleich der Krebsregister und Abgleich mit dem Melderegister. Außerdem werden vorhandene Krebsmortalitätsregister verwendet.

Politik für Menschen mit Behinderung

  1. Die Politik der Landesregierung für Menschen mit Behinderung orientiert sich an den Prinzipien der Normalität, der Integration und der weitestgehenden Selbständigkeit. Dazu ist es u.a. erforderlich, in den Bereichen Arbeit, Wohnen und selbständige Lebensführung die bereits vorhandenen Infrastrukturangebote weiterzuentwickeln. Notwendige Assistenz und Begleitung sollen so weit wie möglich in das Leben der Betroffenen integriert werden.
  2. Der Landesplan für Menschen mit Behinderung wird überarbeitet und in Teilen fortgeschrieben. Dabei wird auf Frauen mit Behinderung ein besonderer Schwerpunkt gelegt.
  3. Die Integration behinderter und nichtbehinderter Kinder in Tagesstätten und Schulen wird weiter vorangetrieben.
  4. Um die Einhaltung der Mindestquote voranzubringen, ist eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe unabdingbar.
  5. Die Anerkennung der Gebärdensprache als eigenständige Sprache wird geprüft. Sie soll in Gehörlosenschulen und in der Frühförderung eingesetzt werden, ohne Hörreste und Vermittlung der Lautsprache zu gefährden. Die Landesregierung wirkt auf die Medien ein, um die Belange von Menschen mit Behinderung angemessener zu vertreten (z.B. durch mehr Sendungen mit Einblendung von Gebärdendolmetscher/innen).
  6. Durch die Einführung der Pflegeversicherung dürfen Menschen mit Behinderung nicht schlechter gestellt werden. Die Ganzheitlichkeit der Arbeit soll auch zukünftig gewährleistet werden. Im Rahmen eines neu zu schaffenden SGB IX setzt sich die Landesregierung auf Bundesebene dafür ein, dass dort alle sozialgesetzlichen Regelungen für Menschen mit Behinderung zusammengefasst werden und ein allgemeines Diskriminierungsverbot festgeschrieben wird.
  7. Die schleswig-holsteinische Landesregierung wird im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz dem Diskriminierungsverbot in Landesrecht und Verwaltung Geltung verschaffen.
  8. Die Landesregierung trägt dafür Sorge, dass die Beschäftigungsquote von 6 % nach dem Schwerbehindertengesetz innerhalb der Landesverwaltung erfüllt wird. Die Landesregierung wird darauf hinwirken, dass Frauen mit Behinderung entsprechend ihrem Anteil an Schwerbehinderten im Landesdienst ausgebildet und eingestellt werden.
  9. Die Stelle des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung wird fortgeführt. Die Landesregierung wird die bisher ehrenamtliche Stelle in eine hauptamtliche Stelle umwandeln.
  10. Bei der nächsten anstehenden Änderung der Landesbauordnung wird die Landesregierung das barrierefreie Bauen als Grundsatz festschreiben.

Kinder und Jugend

  1. Lebensumstände von Kindern und Jugendlichen werden durch die Entwicklung in allen Politikbereichen mit beeinflusst. Daher ist Kinder— und Jugendpolitik Querschnittsaufgabe. Die Landesregierung wird kinder- und jugendgerechte Partizipationsstrukturen weiterentwickeln und die Einflussmöglichkeit von Jugendlichen in allen Bereichen erweitern. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Abbau spezifischer Benachteiligung von Mädchen.
  2. Die Landesregierung wird einen Gesetzentwurf zur Herabsetzung des Kommunalwahlalters auf 16 Jahre einbringen.
  3. Schleswig-Holstein setzt die Ziele der Kinderkonvention der UN u.a. durch eine Verbesserung der gesellschaftlichen und politischen Beteiligung von Kindern- und Jugendlichen um. Die Landesregierung wird im Rahmen einer Demokratieoffensive gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen neue kinder- und jugendgerechte Mitbestimmungsformen entwickeln.
  4. Die Landesregierung sieht sich in der Verantwortung, die gesellschaftliche Teilhabe aller, auch der aus unterschiedlichen Gründen benachteiligten Jugendlichen. Sie wird weiterhin auf eine zukunftsorientierte Ausbildung für alle drängen und Hilfen beim Einstieg in Arbeit und Beruf anbieten. Dazu gehören eine konsequente Modernisierung des Jugendaufbauwerks Schleswig-Holstein sowie gezielte Maßnahmen im Rahmen von ASH (vergl. konzertierte Aktion "Jugend und Arbeit").
  5. Offene Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und die Arbeit der Jugendverbände und Jugendgemeinschaften haben neben ihrer emanzipatorischen Bedeutung eine präventive Funktion. Daher muss die Kooperation von Jugendarbeit und Schule erweitert und müssen Jugendtreffs und Jugendzentren in den Kommunen erhalten werden. Dieses Ziel soll auch durch Instrumente der Arbeitsmarktpolitik gefördert werden (§ 242 s AFG). Die Landesregierung wird eine Vereinfachung und Straffung sowie Bündelung der Maßnahmen in diesem Bereich vornehmen. Der Bereich der Förderung der Mädchenarbeit bleibt extra ausgewiesen. Die Landesregierung unterstützt insbesondere Initiativen, die neue, kreative und vernetzende Angebote vorhalten. Wegen ihrer besonderen Bedeutung hat die präventive Arbeit eine hohe Priorität.
  6. Die Landesregierung wird die Förderung der organisierten Jugendarbeit einschließlich geschlechtsspezifischer Angebote weiter ausbauen. Sie soll auch die Integration ausländischer Kinder und Jugendlicher zum Ziel haben. Die Arbeit der Jugendverbände und -initiativen wird abgesichert und das Engagement ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin gefördert.
  7. Das Engagement Jugendlicher, die sich am internationalen Jugendaustausch und an der multikulturellen Jugendarbeit vor Ort beteiligen, wird weiterhin unterstützt. Beim Freiwilligen Sozialen Jahr und beim Freiwilligen Ökologischen Jahr werden die Plätze aufgestockt.
  8. Die Maßnahmen der Jugendhilfe (z.B. erzieherische Hilfen, Krisenintervention) liegen in der Kompetenz der kommunalen Ebene. Dies entspricht dem Kinder— und Jugendhilfegesetz und dem Jugendförderungsgesetz Schleswig-Holstein. Die Landesregierung wird sich insbesondere für die Erarbeitung von Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien für Jugendhilfeeinrichtungen einsetzen, mit dem Ziel, den Abbau stationärer Hilfen (Heimunterbringung) zugunsten von ambulanten Hilfen zu fördern. Gemeinsam mit den Kommunalen Landesverbänden werden Anreize über das Instrument eines Verteilungsschlüssel entwickelt, die dem Ziel der Stärkung ambulanter Hilfen entsprechen. Die Landesregierung behält sich eine landeseigene Regelung vor, wenn kein Einvernehmen gefunden wird.
  9. Die Landesregierung legt ein besonderes Augenmerk auf die Unterstützung von Kriseninterventionsstellen und von Fachberatungsstellen für Kinder und Jugendliche, die von sexueller Gewalt betroffen sind.
  10. Auf der Basis des Berichts der Landesregierung zur Landesjugendhilfeplanung (Drs. 13/3135) wird die Landesregierung zusammen mit den freien und öffentlichen Trägern der Jugendhilfe, die Jugendhilfeplanung des Landes Schleswig—Holstein fortschreiben. Die Landesregierung wird prüfen, ob die Zusammensetzung des Landesjugendhilfeausschusses der Vielfalt der Träger in der Jugendhilfe entspricht und ggfs. auf eine Änderung hinwirken.
  11. Die Landesregierung wird alle Initiativen auf Bundesebene unterstützen, die das Armutsrisiko von Familien mindern. Sie wird in ihrer Landespolitik bestrebt sein, gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder zu gewährleisten.
  12. Die Institution einer bzw. eines Kinder— und Jugendbeauftragten hat sich bewährt. Sie wird hauptamtlich weitergeführt und wird zukünftig bei der Staatskanzlei angesiedelt werden.

Kindertagesstätten

  1. Ein Kernstück sozialer Infrastruktur ist der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, den die Landesregierung zusammen mit den Kommunen und den freien Trägern bis 1998 erfüllen wird. Die Förderung der Personalkosten wird konsequent fortgeführt und die Investitionskostenförderung auf hohem Niveau beibehalten. Kostengünstige Bauformen und kreative Finanzierungsmöglichkeiten werden auch zukünftig gefördert und weiterentwickelt.
    Nach Erfüllung des Rechtsanspruchs wird auch die verstärkte Einrichtung altersgemischter Gruppen und die Betreuung 0-3-jähriger und über 6-jähriger Kinder vermehrt gefördert.
  2. Der gemeinsame Aktionsplan „Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz”, der mit den Kommunalen Landesverbänden und den Freien Wohlfahrtsverbänden vereinbart worden ist, versteht sich als Übergangsregelung zur schnelleren Erfüllung des Rechtsanspruches. Die Betreuungskriterien nach dem Kindertagesstättengesetz und der Mindestvoraussetzungsverordnung werden nach Erfüllung des Rechtsanspruches wieder so zur Geltung gebracht, dass Ausnahmegenehmigungen, die auf Bedarfserfüllung abzielen, nicht mehr erteilt werden.
  3. Um die gewünschte, verbesserte Betreuung im Ganztagesbereich in absehbarer Zeit zu verbessern und eine Erweiterung der Öffnungszeiten vornehmen zu können, werden die Träger bei Vorhaben unterstützt, Möglichkeiten, die das AFG und ASH III für zusätzliches Personal bieten, zu nutzen.
  4. Um eine einheitliche Umsetzung des Kindertagesstättengesetzes zu erreichen, wird die Landesregierung im Einvernehmen mit den Kommunalen Verbänden und den Trägern eine Empfehlung zur Interpretation der Personalausstattung der Gruppen (Verfügungs- und Ausfallzeiten) erarbeiten.
  5. Das Kindertagesstättengesetz wird dahingehend geändert, dass nach Erfüllung des Rechtsanspruchs flexible Regelungen für Horte in Verbindung mit Schulen ermöglicht werden.
  6. Auf der Grundlage des Kindertagesstättengesetzes wird das Land auch weiterhin solche Formen der Tagespflege fördern, die auf einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis basieren. Das Land wird sich weiterhin finanziell an den Qualifizierungsmaßnahmen und anteilig an den Personalkosten beteiligen. Erfahrungen aus Modellversuchen werden in die Weiterentwicklung der Konzeption einbezogen. Tagespflegestellen werden nicht als Ersatz für Kinderkrippen oder Kindertagesstätten gesehen, sondern als Ergänzung bestehender Einrichtungen.

Alter

  1. Politik für alte Menschen wird ein Schwerpunkt der Landespolitik bleiben. Die Generation der Seniorinnen und Senioren muss aktiver Teil der Gesellschaft bleiben und an ihren Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt sein. Institutionen für Ältere und viele Formen der Selbsthilfe beweisen dies und werden vom Land weiter unterstützt. Wo ältere Menschen vorbeugende und akute Hilfe benötigen, muss auch diese gewährleistet sein. Die Landesregierung wird den Landesaltenplan in diesem Sinne fortschreiben.
    Dabei wird eine Vernetzung von ambulanten stationären und teilstationären Angeboten wie z. B. bei den Servicehäusern sowie eine dezentrale und wohnortnahe Versorgung angestrebt. Auch Formen von Seniorenwohngemeinschaften und generationsübergreifendes Wohnen sollen initiiert werden. Die Landesregierung unterstützt ebenso den bedarfsgerechten Ausbau wohnortnaher Tagespflege-, Nachtpflege- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen. Soweit nicht schon durch das Landespflegegesetz geschehen, werden im Zusammenwirken mit den Trägern Förderrichtlinien entwickelt.
  2. Auf der Grundlage des neuen Landespflegegesetzes wird die Landesregierung die Pflegeinfrastruktur auch im teilstationären Bereich vervollständigen. Durch eine entsprechende finanzielle Förderung werden die erforderlichen Investitionen ermöglicht. Darüber hinaus werden zur qualitativen Verbesserung der sozialpflegerischen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung Modellprojekte gefördert, die u.a. die Entwicklung neuer Formen pflegerischer Angebote, Maßnahmen zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit und die Vernetzung von Pflegeeinrichtungen mit gesundheits- und sozialpflegerischen Angeboten zum Ziel haben.

Die Landesregierung wirkt auf eine integrierte Neuordnung der Pflegeberufe auf Bundes- bzw. Landesebene hin.

Illegale Drogen und Suchtprävention

  1. Die von der Landesregierung eingeschlagenen Wege der Drogen- und Suchthilfe werden konsequent weitergeführt.
  2. Leitlinie ist eine pragmatische und differenzierte Politik der Suchtprävention, der Risikominderung und Schadensbegrenzung.
  3. Das Hilfesystem für Suchtkranke und Drogenkonsumentinnen und -konsumenten muss in dem Sinne weiterentwickelt werden, dass möglichst viele Betroffene erreicht und nach den Bedürfnissen ihres Einzelfalls unterstützt werden können.
    Dazu gehört insbesondere, das Hilfeangebot im niedrigschwelligen und akzeptierenden Bereich möglichst flächendeckend zu gestalten und die Substitutionsangebote auszubauen. Um der gesundheitlichen Verelendung von Drogenabhängigen entgegenzuwirken, wird die Einrichtung von Druckräumen geprüft.
  4. Die Landesregierung wird das Netz von Präventions-, Beratungs- und Hilfeangeboten effektivieren.
  5. Drogengebrauchende und -abhängige Strafgefangene müssen den gleichen Eingang zu Hilfeangeboten erhalten wie Betroffene "draußen". (Safer use, Substitution, qualifizierte Entgiftung, Therapie). Für den schleswig-holsteinischen Strafvollzug wird ein Konzept zur Vergabe von sterilen Einwegspritzen erarbeitet.
  6. Präventionskonzepte müssen neben der Suchtvermeidung den verantwortlichen Umgang mit Genussmitteln zum Ziel haben. Die bisherige Präventionsarbeit wird in diesem Sinne einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen.
  7. Auf Bundesebene wird die Landesregierung die eingeleitete Initiative zur Trennung der Märkte von harten und weichen Drogen konsequent weiterverfolgen. Außerdem wird sie Gesetzesinitiativen unterstützen, die die medizinisch indizierte und kontrollierte Vergabe von Originalpräparaten an Schwerstabhängige, die Einrichtung von Druckräumen und die Liberalisierung der Methadon- und Codeinsubstitution ermöglichen.

Die innere Sicherheit gewährleisten und die soziale Demokratie stärken

Innere Sicherheit

Allgemeine Grundsätze

Die Menschen in Schleswig-Holstein haben ein Recht auf Schutz vor Gewalt und Verbrechen. Innere Sicherheit ist für eine von der SPD und Bündnis 90/ DIE GRÜNEN gestellten Landesregierung ein Schwerpunkt politischer Arbeit. Nicht nur das Ausmaß und die Formen, die die Kriminalität angenommen hat, sondern auch der enge Zusammenhang der Gesamtentwicklung der Kriminalität mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen machen die innere Sicherheit zu einer Aufgabe, der sich eine Vielzahl von Institutionen gemeinsam widmen müssen. Entscheidend für den Erfolg der Politik von SPD und Bündnis 90/ DIE GRÜNEN sind die Menschen, die für die Erhaltung der inneren Sicherheit zuständig sind und die Bedingungen, unter denen sie arbeiten. Dies sind in erster Linie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Polizei und in der Justiz.

Ihre professionelle Handlungskompetenz muss mit den Erkenntnissen kriminologischer Forschung Schritt halten. Rolle und Funktion der Polizei in der Gesellschaft sind kontinuierlich zu reflektieren. Das Leitbild der Polizei orientiert sich an den obersten Wertentscheidungen der Verfassung. Das gilt auch für das innere Gefüge. Die Polizei versteht sich als Bürger/innen-Polizei, indem sie mit sozialer Kompetenz und bürgernah ihre Aufgaben wahrnimmt. Das professionelle Konfliktmanagement soll tragendes Identifikationsmerkmal der Polizei sein.

Eine leistungsfähige, motivierte und qualifizierte Polizei ist ein wichtiger Garant für die innere Sicherheit in Schleswig-Holstein. Prävention, Berufsbild und Motivation der Polizei und Präsenz der Polizei sind die Säulen, auf denen die Innere Sicherheit aufgebaut werden muss.


Prävention

Die Probleme der Inneren Sicherheit sind nicht allein durch Polizei und Justiz in den Griff zu bekommen, sondern deren Bewältigung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die vor Ort angenommen werden muss. Auf dem Gebiet der Kriminalprävention ist Schleswig-Holstein bundesweit führend. Das bereits vorhandene Netzwerk von kriminalpräventiven Räten auf Landesebene, in Kreisen und Kommunen Schleswig-Holsteins hat sich bewährt. Die Landesregierung erwartet den weiteren zügigen Ausbau kommunaler kriminalpräventiver Räte; sie appelliert nachdrücklich an die Kommunen, die erforderlichen Initiativen zu ergreifen.

Zukünftige Schwerpunkte in den regionalen Präventionsräten sind vor dem Hintergrund der örtlich spezifischen Kriminalitätslage weiter zu entwickeln. Der Landesrat für Kriminalitätsverhütung wird seine Hilfestellung bei der Gründung weiterer kommunaler Präventionsräte verstärken. Dazu gehört eine offensive Öffentlichkeitsarbeit ebenso wie die Erarbeitung von Konzeptionen, die die regionalen Präventionsräte bei ihrer Arbeit unterstützen können. Die Anbindung des Rates für Kriminalitätsverhütung beim Ministerium des Inneren wird überprüft.

Die Landesregierung sieht überregionale Schwerpunkte vor allem in der Präventionsarbeit zur Verhinderung von Jugendkriminalität. Auch die bereits begonnene Präventionsarbeit zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und gegen Seniorinnen und Senioren werden verstärkt fortgeführt.

Die bestehende interministerielle Arbeitsgruppe zur Koordinierung von Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Gewalt, Rassismus und Extremismus wird in enger Abstimmung mit dem Landesrat für Kriminalitätsverhütung auch Maßnahmen der ressortübergreifenden Kriminalprävention koordinieren und Empfehlungen für Einzelaktivitäten erarbeiten. Auch die Entwicklung eines Antidiskriminierungsprogrammes und eines Programmes zur Prävention und Bekämpfung von Gewaltakten gegen Lesben und Schwule soll in den Aufgabenbereich der Arbeitsgruppe einbezogen werden.

Der für die Federführung der Arbeitsgruppe zuständige Innenminister erstattet dem Kabinett jährlich Bericht über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe.

Polizei

Berufsbild und Motivation der Polizei

Eine positiv motivierte, gut ausgebildete und modern ausgestattete Polizei ist die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung.

Einer Strukturverbesserung bei der Polizei im mittleren und gehobenen Dienst kommt neben anderen bedeutsamen Faktoren eine besondere Bedeutung zu. Die Landesregierung wird deswegen die Fortsetzung des Personalstrukturkonzeptes "Polizei 2000” nachdrücklich verfolgen. Die "Bugwelle” von ca. 1.500 beförderungsreifen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten muss so rasch wie möglich abgebaut werden.

Die Umsetzung der zweigeteilten Laufbahn wird konsequent fortgesetzt, um eine gerechte Bewertung und Bezahlung polizeilicher Tätigkeit zu erreichen.

Parallel zur Umsetzung der zweigeteilten Laufbahn hält die Landesregierung eine Reduktion der Rangdifferenzierungen für überprüfenswert und wird die dazu erforderlichen Entscheidungsgrundlagen erarbeiten, u.a. durch eine Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Der Polizeivollzugsdienst muss von polizeifremden Aufgaben sowie Verwaltungs- und Technikaufgaben weitgehend entlastet werden. Entsprechende Umschichtungen müssen dem Polizeivollzugsdienst zugute kommen. Die erfolgreiche Integration von Schutz- und Kriminalpolizei wird weiter vorangetrieben.

Die Chancen deutscher Bewerberinnen und Bewerber mit ausländischer Herkunft und ausländischer Bewerberinnen und Bewerber für eine Einstellung bei der Polizei sollen verbessert werden. Dabei sollte der Anteil ausländischer Bewerbern/Bewerberinnen in der Polizei dem Anteil der nichtdeutschen Wohnbevölkerung Schleswig-Holsteins angeglichen werden. Einsatzbeschränkungen für diese Beamtinnen und Beamten darf es nicht geben.

Die Ausbildung der schleswig-holsteinischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten soll zu sozialer und kommunikativer Kompetenz in der Praxis befähigen. Im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen sollen vermehrt Supervision und Rhetorik, Kommunikations- und Verhandlungstraining angeboten werden.

Die Landesregierung verstärkt nach Möglichkeit ihre sozialwissenschaftlichen Dienste in der Polizei, um den gewachsenen Anforderungen sozialwissenschaftlicher Aufgabenfelder in der Polizei gerecht zu werden. Der sozialwissenschaftliche Dienst soll die Praxis sowie Aus- und Fortbildung der Polizei unterstützen. Die Landesregierung prüft, inwieweit innerhalb des Aus- und Fortbildungspersonals Umschichtungen zugunsten des sozialwissenschaftlichen Dienstes vorgenommen werden können. Darüber hinaus ist ein von Sozialwissenschaftlern und Sozialwissenschaftlerinnen gelehrtes Hauptfach "Kriminologie" in die Ausbildung einzuführen.

Die Landesregierung entwickelt die Beurteilungsrichtlinien fort und wird ein Verfahren erarbeiten, wonach Vorgesetzte durch ein anonymisiertes Verfahren von deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hinsichtlich ihrer persönlichen, sozialen und Führungskompetenz bewertet werden.

Die Landesregierung wird darauf hinwirken, die Personalzumessungskriterien zu überarbeiten und dabei den Anteil der Präventionsarbeit gleichberechtigt zu Repression zu berücksichtigen.

Die Ablauf- und Aufbauorganisation ist dahingehend zu prüfen, inwieweit die Kompetenzentscheidung und Erfüllung der Aufgaben soweit wie möglich nach „unten“ auf die Basisdienststellen delegiert werden können. Das betrifft insbesondere die Wirtschaftsverwaltung (Budgetierung).

Es wird geprüft, inwieweit die Identifizierung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten durch Namensschilder und/oder Dienstnummern schrittweise ermöglicht werden kann. Dies soll in Abstimmung mit den Betroffenen geschehen.

Angesichts knapper personeller Ressourcen muss die Polizei durch eine bessere technische Ausstattung von Büroroutine entlastet werden, um ihre Präsenz auf der Straße zu gewährleisten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt deshalb bei der Ausstattung mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik (u.a. COMPAS-System und Handys).


Präsenz der Polizei

Die Präsenz der Polizei, vor allem in Uniform, aber auch in Zivil, soll durch verstärkten Polizeieinsatz vor Ort erhöht werden, um die Kriminalitätslage zu entschärfen und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen. Das erfolgreiche Konzept der zivilen Streifenkommandos auf Polizeiinspektionsebene wird fortgeführt. Die Landesregierung hält am Schutzbereichskonzept fest und wird dieses weiterentwickeln. Einen Rückzug der Polizei aus dem ländlichen Raum wird es nicht geben.


Private Sicherheitsdienste, Gebühren für Polizeieinsätze

Durch die Tätigkeit privater Sicherheitsdienste darf das staatliche Gewaltmonopol nicht in Frage gestellt werden. Vor dem Hintergrund vielfältiger Erfahrungen mit privaten Sicherheitsdiensten hält die Landesregierung eine gesetzliche Grundlage für dringend erforderlich. Die Landesregierung wird daher den Bundesgesetzgeber im Rahmen ihrer Möglichkeiten auffordern, den Aufgabenbereich privater Sicherheitsdienste gesetzlich zu regeln und Ausbildungsrichtlinien für deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter festzulegen.

Die Sicherheit des Einzelnen darf keine Frage des Portemonnaies sein. Die Landesregierung lehnt deswegen die Einführung von Gebühren für Polizeieinsätze ab. Geprüft werden soll jedoch, ob für Polizeieinsätze im Zusammenhang mit kommerziellen Großveranstaltungen unter bestimmten Voraussetzungen Gebührenerstattung eingeführt werden soll.


Polizeirecht

Die länderübergreifende polizeiliche Zusammenarbeit ist zur Bekämpfung neuer Formen in der Organisierten Kriminalität und der Bandenkriminalität künftig noch wichtiger. Die Landesregierung wird die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Schleswig-Holsteins, dem BGS, dem Zoll und anderen Bundesbehörden noch verstärken. Auch die Kooperation auf europäischer Ebene muss forciert wer- den. Die Landesregierung wird erst dann der Übertragung bestimmter Kompetenzen an EUROPOL zustimmen, wenn die Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof gewährleistet ist.

Polizei und Justiz erhalten die rechtsstaatlich notwendigen Instrumente zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität, Organisierter Kriminalität, Korruption und der illegalen Beschäftigung. Der Zugriff auf kriminell erworbenes Vermögen und die Bekämpfung der Geldwäsche müssen erleichtert werden.

Die Landesregierung setzt sich weiter für die Einhaltung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Trennungsgebotes von Geheimdiensten und Polizei ein. Aufgaben, die dem Zweck der Strafverfolgung dienen, haben bei den Geheimdiensten nichts zu suchen.

Datenschutz

Für den Datenschutz in Schleswig-Holstein ist festzustellen, dass unser Land moderne und effektive Gesetze zum Schutz der Bürgerrechte geschaffen hat. Der Gefährdung der Freiheit und Intimsphäre der Bürgerinnen und Bürger durch unkontrollierte Speicherung von persönlichen Daten wird die Landesregierung auch in Zukunft entschieden entgegentreten. Wir werden dafür sorgen, dass der Datenschutz mit den technischen Neuerungen unserer Informationsgesellschaft standhält.

Die Vorgaben des Datenschutzbeauftragten sind zu beachten und seine Bedenken ggf. abzustellen. Bei sämtlichen automatisierten Dateien der Polizei sind Strukturen (insbesondere technische Vorrichtungen) zu entwickeln, die einen Missbrauch der Daten ausschließen und eine Kontrolle sicher- stellen. Die Vorgaben des Datenschutzbeauftragten sind zu beachten und Bedenken gegebenenfalls abzustellen.

Kampf gegen politisch motivierte Gewalt und Rechtsradikalismus

Schleswig-Holstein ist ein freizügiges Land mit liberaler Tradition, in dem politisch motivierte Gewalt und rechtsradikaler Ungeist keinen Platz haben dürfen. Die Landesregierung lehnt jede Form von Gewalt gegen Personen oder Sachen zur Durchsetzung politischer Ziele entschieden ab. Gegen volksverhetzende, antisemitische oder rassistische Gewalt und Agitation muss konsequent vorgegangen werden. auch mit den Mitteln des Verfassungsschutzes.

Justizpolitik

Die Landesregierung will einen demokratischen und sozialen Rechtsstaat absichern und fortentwickeln, in dem die Justiz sich als Dienstleistungsbetrieb für die Bürgerinnen und Bürger versteht. Eine Justiz, die ihre Aufgaben bürgernah und mit sozialer Kompetenz wahrnimmt, wird auch Vertrauen und Akzeptanz bei der Bevölkerung finden. Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung ist in einer Zeit wachsender sozialer Spannungen und Gegensätze erhöhten Anforderungen ausgesetzt. Deswegen ist die Unabhängigkeit der Rechtsprechung nicht nur gegenüber der Exekutiven, sondern auch gegenüber mächtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessengruppen zu stärken und zu sichern. Dies erfordert eine Reform der herkömmlichen hierarchischen Strukturen und der traditionellen Arbeitsweise der Justiz, unterstützt durch eine moderne Bürotechnik.

Das Selbstverständnis einer von der Pluralität der Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft geprägten Justiz muss sich am Leitbild des demokratischen und sozialen Rechtsstaats orientieren, in dem die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger, die Gleichheit aller vor dem Gesetz, die Gleichberechtigung der Geschlechter und der Schutz von Minderheiten besonders bedeutsam sind.


Strukturen reformieren

Die Koalitionspartner wollen einen übersichtlichen dreigliedrigen Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit, verbunden mit einer Stärkung des Eingangsgerichts.

Wir wollen Frauen in den Bereichen besonders fördern, in denen sie bisher unterrepräsentiert sind. Überflüssige Hierarchien wollen wir abbauen, z. B. durch Einführung eines einheitlichen Richteramtes auf allen Ebenen, einen rotierenden Vorsitz, Besetzung von Behördenleitungspositionen auf beschränkte Zeit und Beseitigung des überproportionalen Gewichtes von Vorsitzenden Richterinnen und Richtern in den Präsidien. Wir wollen die generelle Einführung des Verhältniswahlrechts bei allen richterlichen Mitbestimmungsgremien, insbesondere bei den Wahlen zu den Präsidien.

Es wird angestrebt, den Präsidialrat abzuschaffen.

Eine plurale und regional ausgewogene Besetzung der Richterdienstgerichte durch Veränderung des bisherigen Besetzungsverfahrens ist sicherzustellen.

Der Übergang hin zur Vergabe von Funktionsstellen auf Zeit auch in den Staatsanwaltschaften ist anzustreben.

Zur Unterstützung der Strukturreformen werden Gerichte und Staatsanwaltschaften zeitnah mit den bereits entwickelten Kommunikationssystemen (MEGA/ MESTA) ausgestattet.


Aus-, Fort- und Weiterbildung

Die Koalitionspartner sprechen sich für die Wiedereinführung der einstufigen Juristenausbildung mit entsprechenden Inhalten aus. Sie fördern Ausbildungs- und Prüfungsinhalte für das erste und zweite juristische Staatsexamen, die insbesondere das Verständnis sozialer und wirtschaftlicher Probleme stärken.

Die Auswirkungen der sog. „Freischussregelung“ werden überprüft.

Die Fortbildung und Weiterbildung des Justizpersonals soll sich auch am Erwerb außerjuristischer Kompetenzen im sozialen, organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Bereich orientieren.


Wirtschafts- und Umweltkriminalität

Die Justiz tritt jeder Form von Kriminalität entschieden entgegen. Sie setzt Schwerpunkte bei gesellschaftlich besonders gefährlichen Formen der Kriminalität, insbesondere der Wirtschafts- und Umweltkriminalität.

Da illegales Gewinnstreben für diese Formen der Kriminalität eine besondere Rolle spielt, wird angestrebt, die Möglichkeiten der Vermögenseinziehung zu erleichtern und zu erweitern.

Zur Vermeidung und Bekämpfung der Korruption werden mehr präventive Maßnahmen ergriffen, die Zusammenarbeit von Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden verbessert, überführte Firmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen und die gesetzlichen Instrumente verschärft.


Liberale und moderne Rechtspolitik

Um vermeidbarem Freiheitsentzug entgegenzuwirken, sind insbesondere die Haftentscheidungshilfe und der Täter-Opfer-Ausgleich weiter zu stärken und auszubauen. Durch geeignete Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Rundverfügung des Generalstaatsanwalts zum Täter-Opfer-Ausgleich in der Praxis größere Bedeutung erlangt.

Die Landesregierung wird zur Durchsetzung einer liberalen und modernen Rechtspolitik kriminologische und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse ernst nehmen und sie als Rechtsgrundlage für rechtspolitische Entscheidungen berücksichtigen.

Eingriffe in Bürger— und Freiheitsrechte sind nur ausnahmsweise und unter engsten Voraussetzungen auf ein unerlässliches Maß zu beschränken. Dies gilt auch für den sogenannten „großen Lauschangriff“.


Humaner Strafvollzug

Die Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes von 1977 sind konsequent umzusetzen und ein humanerer Strafvollzug anzustreben, der geeignete Voraussetzungen für ein straffreies Leben in Freiheit schafft. Die bislang zur Erreichung dieses Zieles seit 1988 angedachten und umgesetzten Reformvorhaben müssen fortgeführt und ergänzt werden.

Um das Ziel, in jedem Landgerichts-Bezirk jeweils Einrichtungen des offenen und geschlossenen Vollzuges für Erwachsene und Jugendliche einzurichten, zu erreichen, ist 'die Reform des Justizvollzugs in Schleswig-Holstein mit dem Bau der geschlossenen Jugendanstalt Schleswig, der Verbesserung des Jugendvollzugs in Neumünster und der Schaffung weiterer offener und auch geschlossener Einrichtungen des Jugendvollzuges in der Mitte wie im Süden des Landes weiterzuführen.

Im geschlossenen Vollzug soll die berufliche Bildung weiter verbessert werden.

Wir sind für die Wiedereinrichtung einer sozialtherapeutischen Abteilung im schleswig-holsteinischen Strafvollzug.

Die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen soll in der Regel im offenen Vollzug erfolgen.

Die Entwicklung von "Hilfen am Übergang" ist zu unterstützen, um dem Rückfall stärker entgegenzuwirken. Der Ausbau von Projekten der Straffälligen- und Haftentlassungshilfe ist weiterzuführen, dabei ist eng mit den Kommunen und freien Trägern zusammenzuarbeiten.

Der Strafvollzug bei schwangeren Frauen und Müttern kleinerer Kinder ist zurückzustellen. Das Konzept von Haftvermeidung von Frauen soll weiterentwickelt werden. Während der Haft müssen auch Frauen Möglichkeiten der Qualifikation angeboten werden.

Im Strafvollzug sind Spritzenaustauschprogramme in allen Bereichen einzuführen. Bei Ablehnung durch die Anstaltsärztin oder den Anstaltsarzt kann eine Behandlung durch eine externe Ärztin oder einen externen Arzt erfolgen. Ein medikamentengestützter Entzug (kein "kalter Entzug"), der Ausbau der Methadonbehandlung im Vollzug sowie der Ausbau der Drogenberatung und Therapie auch mit externen Beraterinnen und Beratern sowie Therapeutinnen und Therapeuten dient dem Ziel eines humanen und rationalen Umgangs mit drogenkranken Straf- und Untersuchungsgefangenen.

Ein hoher Prozentsatz aller inhaftierten Frauen ist drogensüchtig. Um der gesundheitlichen Gefährdung entgegenzuwirken, wird modellhaft im Frauenstrafvollzug der Zugang zu sterilen Spritzen ermöglicht. Die Beteiligung an einem Methadonprogramm ist zu prüfen.

Grundsätzlich ist eine frühzeitige Verschonung vom Strafvollzug bei Aids-Erkrankten und anderen Schwerstkranken vorzunehmen.

Die Öffnung des Strafvollzugsdienstes für Bewerber/innen ausländischer Herkunft ist im Hinblick auf den Anteil ausländischer Gefangener in den Strafvollzugsanstalten weiter auszubauen.

Langfristig ist eine leistungsgerechte Entlohnung für Gefangene und ihre Einbeziehung in die Sozialversicherung zu erreichen. Gefangene müssen während der Haftzeit angemessene persönliche und intime Begegnungsmöglichkeiten erhalten. Mitwirkung und Gestaltungsrechte von Häftlingen müssen verbessert werden, ebenso ist die Gefangenenmitverantwortung weiter zu entwickeln. Die dort Engagierten müssen sichere Gestaltungsmöglichkeiten erhalten. Missbrauch ist zu verhindern. Im Sinne eines "humanen Strafvollzugs” ist die Intensivierung der Aus- und Fortbildung einschließlich der Supervision für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Strafvollzugsdienst notwendig.


Initiativen auf Bundesebene

Folgende Initiativen werden eingebracht oder unterstützt:

  • Bundesresozialisierungsgesetz;
  • die sogenannte Heroinabgabeinitiative von Hamburg;
  • Entkriminalisierung des Umgangs von Drogen, soweit die jeweiligen Verhaltensweisen auf Eigenverbrauch abzielen.
  • entsprechende Initiativen zum Betäubungsmittelrecht (Cannabis)
  • Aufgreifen der Entkriminalisierungsvorschläge der Reformkommissionen Hessen und Niedersachsen;
  • Beteiligung an der Diskussion zur Weiterentwicklung des strafrechtlichen Sanktionensystems und der Harmonisierung der Strafrahmen im Hinblick auf gewandelte Wertanschauungen, ein- schließlich der Debatte über die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe;
  • Einführung gemeinnütziger Arbeiten als selbständige strafrechtliche Sanktion;
  • Ausweitung des Anwendungsbereiches der Bewährungsstrafe von 2 auf 3 Jahre;
  • Unterstützung des Schutzes von Kindern in der Hauptverhandlung;
  • Initiativen, um Opfer oder Zeugen einer Straftat nicht mit ihren Ängsten und Problemen alleine zu lassen;
  • Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeitende sozialer Beratungsstellen.


Bürgernahe Justiz

Die Landesregierung wird

  • einen sogenannten “Außensenat” des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes im südlichen Landesteil einrichten
  • und die Abhaltung von Gerichtstagen in der Fläche unterstützen.

Die Wirkung der Ausführungsbestimmungen zum Bewährungs- und Gerichtshilfegesetz sind nach 2 Jahren zu überprüfen.

AusländerInnen und Flüchtlinge

Präambel

Flüchtlingspolitik ist Menschenrechtspolitik. Flucht und Vertreibung belasten Menschen existentiell. Die Landesregierung wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazu beitragen, dass Menschen in körperlicher Unversehrtheit und sozialer Sicherheit in ihrer Heimat leben können.

Das Recht auf Asyl und der Schutz vor akuten Bedrohungen für Menschen, die als Flüchtlinge oder Vertriebene zu uns kommen, wird unter Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten gewährt.

Die menschenwürdige Aufnahme von Schutzsuchenden und die Sicherung ihrer Grundrechte sind eine gemeinsame Verpflichtung von Bund, Ländern und Gemeinden.

Die Landesregierung versteht den Schutz von Flüchtlingen im eigenen Verantwortungsbereich als originären Schutz von Menschenrechten. Auf der Grundlage bestehender gesetzlicher Regelungen wie der Genfer Flüchtlingskonvention wird die Landesregierung dafür Sorge tragen, dass keine Menschen aus Schleswig-Holstein in die Gefahr von Folter, Verfolgung oder in Kriege und Bürgerkriege abgeschoben oder ausgewiesen werden.

Die Landesregierung lehnt Vergewaltigung in jeder Form, auch als Mittel systematischer Kriegsführung ab.

Auch zukünftig wird die Landesregierung alle Anstrengungen unternehmen, um ein friedliches Zusammenleben aller Kulturen zu fördern. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausländerhass stoßen auf unsere entschiedene demokratische Gegenwehr.


Aufenthalts- und Bleiberechte

Die Landesregierung wird mit Abschiebestopps nach § 54 AusIG dafür Sorge tragen, dass Menschen nicht zwangsweise in Staaten zurückkehren müssen, in denen ihnen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen. Dies ist durch eine Gesetzesinitiative auch für Menschen, anzustreben, deren Leib, Leben oder Freiheit durch Katastrophen oder durch nichtstaatliche Kräfte bedroht ist.

Die Landesregierung wird zur Beurteilung der Menschenrechtssituation in den jeweiligen Herkunftsstaaten der Flüchtlinge die aktuellen Berichte der nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen berücksichtigen und ggf. öffentliche Anhörungen durchführen.

Spätestens nach Erlass eines Abschiebestopps in einem anderen Bundesland überprüft die Landesregierung die Möglichkeit für einen eigenen Abschiebestopp und bittet die Ausländerbehörden, während des Prüfverfahrens von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen. Nachdem ein landesweiter Abschiebestopp nach 6 Monaten rechtskräftig abgelaufen ist, wird die Landesregierung bezüglich des abgelaufenen Abschiebestopps eigenständig recherchieren, ob inzwischen neue Erkenntnisse über Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit bei Rückkehr oder Abschiebung der gleichen Personengruppe vorliegen und wird gegebenenfalls einen neuen 6-monatigen Abschiebestopp gemäß § 54 Satz 1 AuslG erlassen.

Die Landesregierung wird die auf der IMK am 29.03.1996 beschlossene Härtefallregelung in Schleswig-Holstein unter humanitären Gesichtspunkten umsetzen.

Die von den Innenministern der Länder und des Bundes geschlossene Übereinkunft vom 29.03.1996 über ein Aufenthaltsrecht für schon länger in der Bundesrepublik Deutschland lebende Asylbewerberinnen und Asylbewerber (Altfallregelung) reicht nicht aus, weil eine große Zahl schwieriger Fälle damit nicht gelöst werden kann. ‘

Deswegen wird sich die Landesregierung weiterhin für eine Härtefallregelung im Ausländergesetz einsetzen. Damit kann auch in Ausnahmesituationen größere Gerechtigkeit hergestellt werden. Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass in Einzelfällen humanitäre Gesichtspunkte für einen weiteren Aufenthalt sprechen können. Die Landesregierung wird sich deswegen für eine Novellierung des AuslG einsetzen, um abgelehnten Asylbewerbern oder geduldeten Personen in genau geprüften Einzelfällen aus dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen, auch wenn die jetzt vorgesehenen Aufenthaltsfristen und andere Voraussetzungen noch nicht erfüllt sind.

In den Fällen, in denen sich bei der Anwendung der Altfallregelung der IMK v. 29.03.1996 Auslegungsprobleme ergeben, wird die oberste Landesbehörde in Absprache mit den Ausländerbehörden den vorgelegten Einzelfall prüfen und gegebenenfalls der jeweils zuständigen Ausländerbehörde empfehlen, von der Abschiebung abzusehen.

Bei der obersten Landesbehörde wird eine Härtefallkommission eingerichtet, an die sich von Abschiebung und Ausweisung betroffene Personen und deren Angehörige sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und Betreuungseinrichtungen wenden können. Die Härtefallkommission kann in einer Angelegenheit nur einmal angerufen werden.

Die Kommission besteht aus sechs Mitgliedern aus den Bereichen der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen sowie zwei Vertreterinnen und Vertretern des Innenministeriums, von denen eine/ einer den Vorsitz führen soll. Die Kommission soll paritätisch mit Frauen und Männern besetzt sein.

Die Härtefallkommission tagt nicht öffentlich. Sie soll zu den vorgelegten Anträgen die Antragstellerinnen oder die Antragsteller, deren Bevollmächtigte sowie Vertreterinnen oder Vertreter der Ausländerbehörde anhören. Über ihr Erscheinen entscheiden die Betroffenen in eigener Zuständigkeit. Die Härtefallkommission kann weitere Informationen einholen, z.B. von Menschenrechtsorganisationen.

Die Kommission trifft ihre empfehlende Entscheidung mit der Mehrheit der anwesenden Mitglieder. Das Innenministerium leitet die Empfehlung der Härtefallkommission unverzüglich der zuständigen Ausländerbehörde zu. Bis zur Entscheidung der Härtefallkommission und der daraufhin ergehenden Empfehlung des Innenministeriums an die Ausländerbehörden werden diese gebeten, keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchzuführen.

Eine Angelegenheit, die vor dem des Schleswig-Holsteinischen Landtages oder der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten anhängig ist, kann nicht der Härtefallkommission vorgelegt werden. Wird während eines Verfahrens vor der Härtefallkommission der Eingaben-Ausschuss oder die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten angerufen, ist das Verfahren vor der Härtefallkommission erledigt. Nach Abschluss eines Petitionsverfahrens oder eines Verfahrens bei der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten kann die Härtefallkommission nur bei Vor- liegen eines neuen Sachverhalts angerufen werden.

Die Landesregierung setzt bei der Rückkehr von Bürgerkriegsflüchtlingen - im Einklang mit internationalen Prinzipien - auf Freiwilligkeit. Die Landesregierung strebt eine Verbesserung der sozialpsychiatrischen Betreuung gewalttraumatisierter Flüchtlinge an und prüft darüber hinaus, ob gemeinsam mit anderen Bundesländern eine derartige Einrichtung gegründet werden kann.

Die Landesregierung wird alles in ihrer Macht stehende tun, um die Situation der ausländischen Kinder zu verbessern. Schleswig-Holstein wird sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass bei Aufenthaltsentscheidungen das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Die Landesregierung wird den Ausländerbehörden besondere Hinweise zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe wie z.B. "außergewöhnliche Härte", “erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit” und weitere Auslegungshinweise zu §§ 22, 53 und 57 AuslG geben.

Integrationspolitische Aspekte, Zustimmung zu Familienzusammenführungen und das Wohl der betroffenen Menschen sowie die Vermeidung inhumaner Härten haben hierbei eine hervorragende Bedeutung. Damit wird den Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention und anderer völkerrechtlicher Abkommen angemessen entsprochen und die Möglichkeit eröffnet, über den Aufenthalt von ausländischen Kindern im Bundesgebiet auch unter Berücksichtigung von Unterbringung, Ausbildungschancen und beruflichem Fortkommen im Herkunftsland und hier zu entscheiden.

Die Koalitionspartner setzen sich dafür ein, dass unbegleitete Kinder und Jugendliche, die sich seit mindestens 3 Jahren geduldet in der Bundesrepublik aufhalten, eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

Das Land Schleswig-Holstein strebt zusammen mit anderen Bundesländern eine Bundesratsinitiative an mit dem Ziel, die Altersgrenze der Handlungsfähigkeit im Ausländerrecht dem Haager Minderjährigenschutzabkommen und der UN-Kinderrechtskonvention anzugleichen und auf 18 Jahre heraufzusetzen. Die Landesregierung wird ferner ihre landesrechtlichen Handlungsspielräume in diesem Sinne ausnutzen. Die Übernahme der Kosten erfolgt nach den Regelungen des SGB VIII. Es muss sichergestellt werden, dass die tatsächliche persönliche, rechtliche und ökonomische Situation unbegleiteter Flüchtlingskinder mit geeigneten Maßnahmen geklärt wird.

Die Aufnahme und Betreuung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in den Aufnahmeeinrichtungen Schleswig-Holsteins ist weiter zu verbessern. Vor dem Hintergrund der Erfahrungsergebnisse der Verfahrensberatung des Landesverbandes des Diakonischen Werkes prüft die Landesregierung die Fortsetzung der Verfahrensberatung in den Aufnahmeeinrichtungen des Landes.

Die Landesregierung wird auch weiterhin mit einer Öffentlichkeitskampagne für Flüchtlinge über Fluchtursachen und Probleme der Flüchtlinge aufklären. Fremdenhass und Rassimus in Schleswig-Holstein werden dezentral mit Aufklärung und Informationen bekämpft. Ausstellungen und andere Aktivitäten von Flüchtlingsinitiativen, die über die Situation der Flüchtlinge berichten, werden von der Landesregierung aktiv unterstützt und außer im Landeshaus auch in anderen öffentlichen Gebäuden wie z.B. Schulen möglich gemacht werden.


Abschiebehaft

Die Koalitionspartner sind sich der besonderen Problematik der Abschiebehaft bewusst. Sie wird deshalb alles in ihren Kräften stehende veranlassen, um im Rahmen des geltenden Rechts Abschiebehaft zu vermeiden. Sie gehen davon aus, dass die Anordnung der Abschiebehaft eine Ausnahme sein soll. Die Landesregierung fördert nach Kräften die Freiwilligkeit der Ausreise ausreisepflichtiger Ausländer. Es ist Ziel der Landesregierung, dass Abschiebehaft nur bei unvermeidbaren Fällen zur Sicherung der Ausreise und so kurz und so human wie möglich stattfindet. Die Landesregierung wird in diesem Sinne einvernehmlich zwischen den Koalitionspartnern ihre Richtlinien überarbeiten.

Die Abschiebehaft wird in Amtshilfe des Justizressorts in besonderen Abteilungen der Justizvollzugsanstalten mit gelockerten Vollzugsbedingungen durchgeführt.

Bündnis 90/Die Grünen lehnen Abschiebehaft grundsätzlich ab.


Migrantinnen

Die Landesregierung wird sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Sprachkurse für asylsuchende Frauen angeboten werden, dass asylsuchende Frauen von weiblichem Personal (Beamtinnen, Dolmetscherinnen) befragt werden, dass auf die Verschwiegenheitspflicht der Behörde, aber auch unabhängiger Hilfsorganisationen vor der Anhörung hinzuweisen ist, dass Informationen über sexuelle Folter auch gegenüber angehörigen vertraulich zu behandeln sind, dass Frauen, die sexuelle Misshandlung geltend machen, dies auch später noch vortragen können, ohne dass es als gesteigertes oder verspätetes Vorbringen gewertet wird.

Die Landesregierung strebt an, dass alleine oder mit Kindern flüchtende Frauen die Möglichkeit erhalten, auf Wunsch getrennt von Männern untergebracht zu werden (einschl. eigener Sanitär- und Sozialräume sowie weiblicher Betreuung).


Unterbringung, Versorgung, Betreuung von Flüchtlingen

Die Landesregierung bittet die zuständigen Stellen (Landesamt für Ausländerangelegenheiten, Landräte), bei Zuteilungen innerhalb des Landes und bei Umverteilungen die persönlichen Wünsche der Asylbewerber zu berücksichtigen. Hierbei ist der Familienbegriff weiter als die „Kernfamilie” zu fassen.

Teure und inhumane Maßnahmen wie zum Beispiel die Unterbringung in Containern etc. sollen vermieden werden.

Die Landesregierung lehnt weitere Verschlechterungen der sozialen Sicherung der Asylbewerber/innen ab. Sie strebt eine Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes an mit dem Ziel, mehr Ermessen für die Kommunen bei der Gewährung von Sach- oder Barleistungen zu erreichen. Im Übrigen sind sich die Koalitionspartner über die Auslegung des geltenden Rechts bzgl. der Refinanzierung von Barleistungen der Kommunen nicht einig.

Der Stellenschlüssel für Personal, das Flüchtlinge berät und betreut, wird stufenweise auf ein Verhältnis von 1:150 verbessert. Bei der Berechnung werden neben Asylbewerberinnen und Asylbewerbern auch de-facto-Flüchtlinge, geduldete Ausländer/innen und (wg. des besonderen Integrationsbedarfs in den ersten beiden Jahren) auch anerkannte Flüchtlinge (§ 51 AusIG/ Art. 16a GG) berücksichtigt. Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus gehören ausdrücklich zur Klientel der hilfeorientierten Beratung.

Die Landesregierung fördert verstärkt die Selbstorganisation der Flüchtlinge und ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt durch geeignete sozialpolitische Maßnahmen. Dazu gehören:

  • Die Teilnahme an Sprachkursen für Flüchtlinge sowie Einwanderinnen und Einwanderer auch vor endgültiger Entscheidung über ihr Bleiberecht.
  • Unterstützung der Arbeit des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein e.V. durch Bereitstellung der Mittel für eine Geschäftsstelle.

Die Landesregierung befürwortet Projekte zur beruflichen Qualifizierung von de-facto-Flüchtlingen, Bürgerkriegsflüchtlingen und geduldeten Ausländerinnen und Ausländern.

Die Landesregierung wird zur Erreichung dieser bildungs-, sozial- und vertretungspolitischen Ziele noch in 1996 zu einem landesweiten flüchtlings- und migrationspolitischen Runden Tisch Vertreter/innen des Flüchtlingsrates, der Flüchtlingsorganisationen, der Wohlfahrtsverbände, des Landesarbeitsamtes und von Bildungseinrichtungen einladen.


Integration

Deutschland ist faktisch ein Einwanderungsland. Dennoch gibt es weder eine nationale noch europäisch abgestimmte Zuwanderungspolitik, die eine geregelte Zuwanderung und soziale Integration auf der Grundlage eines Einwanderungsgesetzes ermöglicht. Die Landesregierung wird sich daher im Bundesrat für eine derartige gesetzliche Regelung einsetzen.


Aussiedlerinnen und Aussiedler

Zu den Zuwanderern gehören auch Aussiedlerinnen und Aussiedler, die als Deutsche - überwiegend aus Osteuropa - zu uns kommen und die Schwierigkeiten bei der Integration haben, insbesondere ihre Kinder und Jugendlichen. In vielen Lebensbereichen werden sie mit Benachteiligungen und schlechten Lebensbedingungen konfrontiert.

Die Sprachförderung für Aussiedlerinnen und Aussiedler wird durch Initiativen des Landes gefördert und gestützt. Das Land kann dabei kein Ausfallbürge für die Kürzungen des Garantiefonds auf Bundesebene sein. Für Aussiedlerinnen und Aussiedler werden arbeitsmarktorientierte Modelle für Verlängerungsphasen von Sprachkursen eingerichtet.

Die Landesregierung wird gegen Rassismus und jede Form der Diskriminierung von Ausländerinnen und Ausländern mit Nachdruck vorgehen und ihre Anstrengungen darauf richten, die Integration und gleichberechtigte Teilhabe aller in Schleswig-Holstein lebenden Menschen zu gewährleisten.

Beim Landtag wird eine Beauftragte! ein Beauftragter für Flüchtlinge und Ausländerinnen und Ausländer eingerichtet; das Nähere regelt ein Gesetz.

Die für die Zustimmung zur Visumserteilung zuständigen Ausländerbehörden werden von der Landesregierung gebeten, die Anfragen der Auslandsvertretungen bei Anträgen zur Familienzusammenführung zügig zu bearbeiten. Dabei wirkt die Landesregierung darauf hin, dass die Ausländerbehörden gemäß Artikel 16a GG und § 51 AuslG anerkannten Flüchtlinge ihr Ermessen bei der Erteilung der Zustimmung hinsichtlich des Vorhandenseins ausreichenden Wohnraumes und eigenen Einkommens möglichst großzügig handhaben. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass in diesem Zusammenhang der Begriff „Familie“ im Einzelfall über die Definition von Eltern und minderjährigen Kindern hinausgehen kann (z.B. bei Familien mit noch nicht verheirateten, aber volljährigen Töchtern.)


Bundesratsinitiativen

Im Rahmen der Staatsangehörigkeitsnovelle wird die Landesregierung auf eine volle staatsangehörigkeitsrechtliche Integration von Ausländerinnen und Ausländern hinwirken, die ihren Aufenthalt in Deutschland verfestigt haben; diese schließt die Akzeptanz von Mehrstaatigkeit (doppelte Staatsbürgerschaft) und den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland (2. Generation) ein. Die Durchführung von Einbürgerungsverfahren wird beschleunigt und erleichtert.

Die Landesregierung wird die Bundesratsinitiative zu § 54 AuslG weiterverfolgen.

Die Landesregierung setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass Ehegatten ohne die Voraussetzung der "Ehebestandsdauer” ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten (§ 19 Ausländergesetz).

Die Landesregierung wirkt darauf hin, dass die Bundesregierung gemäß UNHCR einen Katalog zur Behandlung weiblicher Flüchtlinge erarbeitet.

Die Landesregierung wird sich einer etwaigen hessischen Normenkontrollklage gegen das Ausländerzentralregister anschließen.

Die Landesregierung wird sich weiter dafür einsetzen, dass für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge ein besonderer, gesicherter Aufenthaltsstatus mit klaren Finanzierungsregelungen geschaffen wird. Bis dahin setzt das Land die Kostenerstattung fort.

Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensformen

Allgemeine Grundsätze

Lesben und Schwule sind nach wie vor im Alltag, im Berufsleben und durch zahlreiche gesetzliche und Verwaltungsvorschriften benachteiligt. Die Koalitionspartner sind der Auffassung, dass alle Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins gleich behandelt werden sollen. Die von SPD und GRÜNEN getragene Landesregierung wird daher eine aktive Antidiskriminierungspolitik betreiben, die den Abbau jeglicher rechtlicher Ungleichbehandlung aufgrund gleichgeschlechtlicher Lebensformen, den Abbau von Vorurteilen gegen und der Diskriminierung von Lesben und Schwulen im Berufsleben und im Alltag sowie die Bekämpfung von Gewalt gegen Schwule und Lesben zum Ziel hat.


Einzelmaßnahmen

Die Empfehlungen des Europäischen Parlaments zur Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen in der Europäischen Union werden - soweit sie Landesrecht betreffen - umgesetzt.

Alle Gesetze, Verordnungen, Erlasse und Verwaltungsvorschriften des Landes sind an den o.a. Grundsätzen zu orientieren. Bestehende rechtliche Regelungen werden daraufhin überprüft werden, ob durch sie Lesben und Schwule benachteiligt werden und ggf. mit dem Ziel der Aufhebung dieser Benachteiligung geändert.

Das Land Schleswig-Holstein wird in seinem Kompetenzbereich die Partnerinnen und Partner gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften als Angehörige anerkennen. Es wird darauf hinwirken, dass die Kreise und Kommunen Schleswig-Holsteins z. B. bei der Wohnungsvergabe entsprechend verfahren.

Im Ministerium für Arbeit, Soziales, Jugend und Gesundheit wird ein Referat für gleichgeschlechtliche Lebensformen eingerichtet.

Das Land fördert Projekte und Initiativen mit dem Ziel lesbischer und schwuler Emanzipation. Dazu wird im Einzelplan 10 des Landeshaushalts ein neuer Haushaltstitel eingerichtet.


Landesübergreifende Initiativen

Das Land wird die o.a. Grundsätze sowie die Empfehlungen des Europäischen Parlaments zur Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen auch bei Staatsverträgen mit anderen Bundesländern und seinen Stellungnahmen in Bundesratsangelegenheiten berücksichtigen und darauf hinwirken, dass auch die Bundesrecht betreffenden Empfehlungen des Europäischen Parlaments umgesetzt werden.

Die Landesregierung wird darüber hinaus Initiativen ergreifen:

  • um das Gebot der Gleichbehandlung von Lesben und Schwulen zu erweitern und
  • bei Verfolgung ihre Einbeziehung in den Kreis der politisch Asylberechtigten zu erreichen.
  • Ausländische Partnerinnen und Partner gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit deutschen Staatsangehörigen sollen ein Einreise- und Aufenthaltsrecht erhalten.
  • Lesbische und schwule Opfer des NS-Regimes werden endlich entschädigt.

Landesverfassung

Die Koalitionspartner streben an, in der laufenden Legislaturperiode die Landesverfassung zu ergänzen um

  • die Aufnahme der Sinti und Roma in den Schutz der nationalen Minderheiten und Volksgruppen
  • die Einrichtung eines Landesverfassungsgerichts,
  • den Tierschutz und
  • die Förderung des Sports.

Ferner soll geprüft werden, ob im Rahmen einer Verfassungsreform weitere Staatsziele wie das Recht auf Wohnung, die Gewährleistung des Schutzes von sozialen Minderheiten mit dem Ziel ihrer gleichberechtigten Teilhabe am öffentlichen Leben, eine Verpflichtung der Schulen zur Erziehung zur Toleranz und zum Abbau diskriminierender Haltungen, der Schutz und die Förderung der platt- deutschen und der friesischen Sprache in die Verfassung aufgenommen werden sollen.

Die Koalitionspartner erwarten, dass die anderen im Landtag vertretenen Parteien dieses Vorhaben ernsthaft prüfen und eigene mögliche Initiativen rechtzeitig vorlegen. Die Koalitionspartner werden dem Landtag die Einrichtung eines Sonderausschusses vorschlagen.

Wahlrecht

Bei Landtagswahlen wird eine Zweitstimme eingeführt.

Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht bei Kommunalwahlen wird auf 16 Jahre herabgesetzt.

Die finanzielle Handlungsfähigkeit des Landes sichern und aufrechterhalten

Einleitung

Solidität bleibt das Markenzeichen der Finanzpolitik in Schleswig-Holstein. Solide Haushaltspolitik Ist kein Selbstzweck, sondern ein Politikziel mit hoher Priorität, um für die Zukunft die finanziellen Handlungs- und Gestaltungsspielräume in der schleswig-holsteinischen Landespolitik zu erhalten.

Auch für die Finanzpolitik gilt das Leitbild "nachhaltiger Entwicklung". Es gilt die "Bedürfnisse der heutigen Generation zu befriedigen, ohne die Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen unmöglich zu machen" (Brundtland-Kommission).

Das Land Schleswig-Holstein muss heute in seine Zukunft investieren, um die Zukunftschancen seiner Bürgerinnen und Bürger zu wahren. Das Land Schleswig-Holstein muss heute zugleich energisch sparen, um unseren Kindern morgen nicht die Gestaltungsspielräume zu verbauen. Wir dürfen uns nicht die Last erleichtern, indem wir sie als Schulden in die Zukunft verschieben.

Mut zu Zukunftsinvestitionen und Konsequenz bei der Fortsetzung der Konsolidierung des Landeshaushaltes gehören zusammen. Das gebietet das Prinzip Verantwortung in der Finanzpolitik.

Die Begrenzung der Neuverschuldung, die Verbesserung der Einnahmen, die Verringerung der Ausgaben insbesondere durch Verwaltungsreform, die Begrenzung des Personalkostenanteils am Haushalt, die Vorsorge für zukünftige Pensionslasten und der Abbau von Subventionen sind die Kernziele unserer Finanzpolitik. Denn nur unter diesen Voraussetzungen lässt sich Reformpolitik künftig noch finanzieren.

Die Bundesregierung wird dieser Verantwortung nicht gerecht. Ihr Verzicht auf eine wirksame Politik zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, ihre Weigerung, Steuergerechtigkeit herzustellen, und ihre Politik, immer größere Lasten auf die Länder und Kommunen abzuwälzen, sind wesentliche Ursachen für die Verschärfung der Krise aller öffentlichen Haushalte.

Deshalb wird das Land Schleswig-Holstein im Bundesrat energisch gegen die Fortsetzung der unsoliden und ungerechten Steuer- und Finanzpolitik der Bundesregierung eintreten. Das Land Schleswig-Holstein will stattdessen eine ökologischen Steuerreform sowie wirksame Schritte zur Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung erreichen.

Die Koalitionspartner haben sich stets für eine Sicherung und Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung eingesetzt. Dazu gehört vor allem, dass die Kommunen finanziell handlungsfähig sein müssen und eigen- verantwortlich über ihre Einnahmen und Ausgaben entscheiden können.


Kommunale Finanzen

Die Haushaltssituation der Kommunen hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Einbrüche bei den Steuereinnahmen und steigende Lasten im Sozialhilfebereich aufgrund der wachsenden Arbeitslosigkeit sowie die Beiträge zur Finanzierung der deutschen Einheit haben in den kommunalen Haushalten zum Teil große Deckungslücken gerissen.


Finanzausgleich

Die Schicksalsgemeinschaft zwischen Land und Kommunen findet ihren finanziellen Ausdruck im kommunalen Finanzausgleich. Dazu gehört die volle und faire Einbeziehung der Kommunen bei Änderung der Finanzressourcen und der Lastenverteilung im Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Land und Kommunen haben anlässlich der letzten Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes auch mit der dort festgelegten Verbundquote diese Schicksalsgemeinschaft noch einmal bestätigt. Die Landesregierung wird diese Quote nicht unterschreiten.

Das Verhältnis Land - Kommunen wird aber nicht allein von der Höhe der Finanzausgleichsmasse bestimmt, sondern auch von der Verteilungsgerechtigkeit bei der Gestaltung des Finanzausgleichs und der Verteilung sonstiger Zuwendungen des Landes an die Kommunen. Deshalb wird die Landesregierung prüfen, ob mit den bestehenden Regelungen das Ziel der Verwirklichung gleicher Lebensverhältnisse in Stadt und Land und in den verschiedenen Regionen Schleswig-Holsteins erreicht wird und ggf. Änderungen vornehmen.

Mit dieser Überprüfung soll die Schaffung von noch mehr Transparenz über die Förderung der Kommunen durch das Land erreicht werden. Auf Dauer ist das Solidaritätsprinzip, dass finanziell schwache oder besonders belastete Kommunen zu Lasten der finanziell stärkeren gefördert werden, nur aufrecht zu erhalten, wenn dies für alle Beteiligten nachvollziehbar und gerecht geregelt wird. Die Landesregierung wird darauf achten, dass eigene Anstrengungen der Kommunen zur Stärkung der Finanzkraft nicht vollständig durch den Finanzausgleich kompensiert werden. In Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden wird die Landesregierung prüfen, ob nicht ein Teilbetrag der Festbeträge als "Ausgleichsfonds" in Verantwortung der kommunalen Spitzenverbände verteilt werden kann.


Aufgabenverteilung und Finanzausstattung

Die Landesregierung wird bei der Überprüfung von neuen Aufgaben und bei Aufgabenverlagerungen auf die Kommunen dafür sorgen, dass keine zusätzlichen finanziellen Belastungen auf sie zukommen. Das gilt auch für Änderungen bei der Landesförderung im Rahmen von Aufgaben, die in gemeinsamer finanzieller Verantwortung von Land und Kommunen erfüllt werden (z. B. bei der Jugend- und Sozialhilfe). Die Landesregierung bekennt sich ausdrücklich zum Grundsatz der Konnexität zwischen Aufgaben- und Finanzverantwortung, wie er in der Landesverfassung verankert ist.

Die Landesregierung wird den Modernisierungsprozess in der öffentlichen Verwaltung weiterhin konsequent vorantreiben. Dies kann nur in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit der kommunalen Ebene geschehen. Soweit mit der Entflechtung von Aufgabenzuständigkeit, Dezentralisierung und Aufgabenwahrnehmung und Deregulierung der Aufgabendurchführung (Funktionalreform) auch Verlagerungen in der Kostenverantwortung einhergehen, gilt auch hier der Grundsatz der Konnexität.


Haushalts- und finanzpolitische Grundsätze

Unser Ziel ist es, die Neuverschuldung bis zum Jahr 2000 in jährlichen Schritten auf 800 Millionen Mark abzusenken.

Die Neuverschuldung darf die in Artikel 53 Landesverfassung festgesetzte Grenze der Kreditaufnahme nicht überschreiten.

Neue politische Schwerpunkte können deshalb nicht durch eine höhere Neuverschuldung, sondern sollen durch Umschichtungen im Haushalt finanziert werden.

Soweit für neue oder verstärkte Aufgaben zusätzliche Stellen notwendig sind, müssen diese vorrangig in den einzelnen Ressorts durch interne Umschichtungen realisiert werden.

Die Koalitionspartner wissen um die schwierige Situation nicht nur des Landeshaushaltes, sondern auch der kommunalen Haushalte.

Gesetzesinitiativen u.ä. im Landtag oder im Bundesrat sollen deshalb nicht zu Mehrbelastungen des Landes oder der Kommunen führen, soweit nicht ein finanzieller Ausgleich sichergestellt ist.


Einnahmenverbesserungen

Der Haushalt des Landes Schleswig-Holstein ist von einem strukturellen Ungleichgewicht zwischen den regulären Einnahmen und den unabweisbaren Ausgaben geprägt. Um diese Lücke zu schließen, sind zunächst alle bestehenden Einnahmemöglichkeiten vollständig auszuschöpfen.

Dazu gehört vor allem die Bekämpfung der Wirtschafts- und Steuerkriminalität. Deshalb wird die technische Ausstattung der Finanzämter verbessert und Betriebsprüfungen ausgebaut.

Eine umfassende Vereinfachung des Steuerrechts auf Bundesebene ist ebenso nötig. Steuersubventionen sind grundsätzlich abzubauen.

Es werden keine neuen Landesabgaben eingeführt. Bestehende Abgaben werden auf ihre Lenkungsfunktion überprüft.

Wir werden auf Bundesebene Initiativen für eine sozial gerechte, ökologische Steuerreform unterstützen, die den Energieeinsatz steuerlich stärker belastet und dafür die Abgabenlast für Arbeitnehmer und Unternehmen reduziert.


Ausgabeüberprüfungen

Mit einer Verbesserung der Einnahmesituation allein wird eine durchgreifende Verbesserung der Haushaltssituation nicht erzielt werden können.

Deshalb ist es auch zwingend notwendig, die konsumtiven Ausgaben zu senken, bestehende Programme und institutionelle Förderungen auf das erforderliche Maß zurückzuführen. Die Landesregierung hält es für dringend erforderlich, das Verhältnis konsumtiver und investiver Aufgaben zueinander neu zu definieren. Dabei ist jeder Einzelfall ist zu prüfen. Rasenmäherkürzungen finden nicht statt.

Förderprogramme werden hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die Investitionsbank oder andere Institutionen überprüft.

Jede Beteiligung ist kritisch zu überprüfen.

Sich daraus ergebende Einnahmeerlöse/Minderausgaben werden überwiegend zur Senkung der Neuverschuldung genutzt.


Personalkostenentwicklung

Der Anteil der Personalausgaben an den Ausgaben beträgt zurzeit rund 40 %. Steigende Personal- und Pensionskosten sowie die Personalnebenkosten sind neben den Zinsausgaben die Hauptgefahr, für den finanziellen Handlungs- und Gestaltungsspielraum des Landes. Die Entwicklung der Personalkosten muss konsequent begrenzt werden, ohne die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu gefährden.

Wir werden deshalb die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter gezielt verstärken und ihre Aufstiegschancen im Rahmen einer Personalentwicklungsplanung verbessern. Die schon begonnene Aufgabenanalyse und Aufgabenkritik und die Umsetzung des Leitbildes wird zügig umgesetzt.

Diese Maßnahmen sind notwendig, damit Stelleneinsparungen nicht einseitig zu Lasten der Beschäftigten realisiert werden.

Um die Personalkosten deutlich unter 39 % der Ausgaben des Landes zu senken, sollen bis zum Jahr 2000 über die 861 ausgebrachten kw-Stellen hinaus 639 (Jahre 2000 ff) kw-Stellen erbracht werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, darf nur jede 2. freiwerdende Stelle im Ressort wiederbesetzt werden, bis die kw-Stellen im Ressort erwirtschaftet sind.

Der Schulbereich (Lehrer) ist von diesen Regelungen ausgenommen. Bereits ausgebrachte kw-Vermerke werden gestrichen.

Im Hochschulbereich dürfen zwei von drei freiwerdenden Stellen besetzt werden, bis die kw-Stellen erwirtschaftet sind. Das Fachressort wird bis zum Abschluss der Haushaltsberatungen 1997 Vorschläge für Personalkostensenkungen vorlegen, die den Besonderheiten der Einrichtung mit vereinbarten Budgets Rechnung tragen. Die Wiederbesetzungssperre wird insofern relativiert.

Frauenarbeitsstellen werden vom Abbau höchstens proportional betroffen. Das schleswig-holsteinische Gleichstellungsgesetz wird strikt angewendet.

Die nur für die Landesverwaltung Ausgebildeten werden übernommen und ggf. vorübergehend auf kw-StelIen geführt. Die Ausbildungskapazitäten für diese Ausbildungsbereiche sind bedarfsgerecht anzupassen. In Berufen, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes ausgeübt werden können, wird das Land beim Angebot von Ausbildungsplätzen eine positive Vorreiterrolle spielen. Eine Übernahmeverpflichtung nach der Ausbildung ist damit nicht verbunden.

Beschäftigungsverhältnisse im Landesdienst, die nicht der Arbeitslosenversicherungs- und Rentenversicherungspflicht unterliegen, werden abgeschafft.

Die Arbeitszeitverlängerung für alle Beamten läuft 1998 aus. Im Rahmen des Prozesses "Verhandeln statt Verordnen" wird über Arbeitszeitregelungen unter Einbeziehung von Arbeitszeitkonten mit den Gewerkschaften verhandelt.

Es werden grundsätzlich nur noch Arbeiter und Angestellte ausgebildet bzw. eingestellt. Beamtinnen und Beamte werden nur insoweit ausgebildet bzw. eingestellt, wie sie zur Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben, in den Bereichen Polizei, Steuern, und Justiz notwendig sind.

Darüber hinaus werden die Koalitionspartner weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Personal(neben)kosten erarbeiten und umsetzen. .

Ergibt sich nach Abschluss der Aufgabenanalyse /Aufgabenkritik, dass Personalkosten reduziert werden können, dürfen die Ressorts 10 % der Einsparungen für personelle Strukturverbesserungen und 30% für Ausstattung, Fortbildung und Aufgabenveränderung verwenden.


Veränderung von haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen

Eine moderne und effiziente Aufgabenerledigung bedarf eines ebensolchen Haushaltsrechtes. Das bisherige System der Haushaltsaufstellung und des Haushaltsvollzugs muss deshalb reformiert werden.

An seine Stelle muss ein modernes Rechnungswesen treten, das politische und betriebswirtschaftliche Controllingmechanismen enthält und ergebnisorientiert arbeitet.

Die dezentrale Ressourcenverantwortung ist zu verstärken.


Effizienz und Effektivität treten in den Vordergrund.

Hierzu soll in einem ersten Schritt eine Kosten- und Leistungsrechnung eingeführt werden.

Allgemeine Vereinbarungen

Bundesratsklausel

Die Koalitionspartner legen das Abstimmungsverhalten des Landes im Bundesrat durch Kabinettsentscheidung fest. Sie orientieren sich dabei an den Interessen des Landes und an Inhalt und Geist der Koalitionsvereinbarung.

Sofern in Fragen, die nach Auffassung eines Partners von grundsätzlicher Bedeutung sind, eine Einigung nicht erzielt wird, enthält sich das Land der Stimme.

Vereinbarung über das Abstimmungsverhalten im Landtag

Die Koalitionspartner verpflichten sich, diese Vereinbarung in Regierungshandeln umzusetzen. Die Fraktionen beider Parteien werden im Landtag und seinen Ausschüssen nicht mit wechselnden Mehrheiten abstimmen. Dies gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Ausgenommen davon sind die Angelegenheiten, die die Abgeordnetenfinanzierung betreffen. Die freie Gewissensentscheidung der/des einzelnen Abgeordneten bleibt hiervon unberührt.

Zur Abstimmung der parlamentarischen Zusammenarbeit findet zwischen beiden Fraktionen ein enger und regelmäßiger Informationsaustausch statt. Über Initiativen der Koalitionsfraktionen wird vor der Einbringung in den Landtag der bzw. die jeweils andere Fraktionsvorsitzende oder der jeweils andere Parlamentarische Geschäftsführer unterrichtet, um eine Absprache über Inhalt und Vorgehen zu ermöglichen.

Koalitionsausschuss

Die Koalitionsparteien bilden einen Koalitionsausschuss. Der Ausschuss berät Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, die zwischen den Koalitionspartnern abgestimmt werden müssen. Er tritt in regelmäßigen Abständen zusammen und muss darüber hinaus auf Antrag einer der Partner einberufen werden.