Ä45 zu B1: Lernen für die Zukunft - Präambel für den Leitantrag (2004)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Norderstedt 2004
Bezeichnung: Ä45 zu B1
Antragsteller: Kreisverband Stormarn und Kreisverband Ostholstein


Beschluss: Angenommen und Überwiesen an Landesvorstand

(Beschluss: Als Material an den Landesvorstand zur Einarbeitung, Annahme)


Reform oder Revolution?

Unser Schulsystem braucht Veränderungen.

Es ist an der Zeit, sich der Erkenntnis zu stellen, dass unser heutiges Schulsystem weder unseren Erwartungen noch den internationalen Anforderungen gerecht wird. Die bitterste Erkenntnis aus Studien wie PISA und IGLU ist die, dass Schule, wie sie heute bei uns funktioniert, soziale Unterschiede vergrößert statt abzubauen. Die Position der SPD Schleswig-Holstein ist daher nicht nur eine Vision, sondern eine Antwort auf die Notwendigkeit, die Strukturen im Bildungsbereich zu verändern und den Anforderungen anzupassen.

Konzepte zu einer Reform des Bildungssystems gibt es nicht erst seit den 80er Jahren, durchgesetzt worden ist jedoch zu wenig. PISA hat uns aus dem Traum geholt, dass Deutschland mit seinem dreigliedrigen Schulsystem gut dastünde.

Die SPD Schleswig-Holstein versteht die derzeitige Diskussion um die Krise unseres Schulsystems als Chance, längst Überfälliges umzusetzen. Das deutsche Schulsystem, das noch aus Kaisers Zeiten stammt, ist eine Antwort von Vorgestern auf die Herausforderungen von Morgen.

Die Finanzen sind auf allen Ebenen knapp. Trotzdem müssen wir jetzt beginnen umzusteuern, um eine zukunftsfähige Schule zu erhalten. Ohne Änderungen werden wir künftig nicht mehr konkurrenzfähig bleiben.

Dabei steht ein Ziel über allen anderen: Es darf künftig keine soziale Selektion mehr im Bildungssystem geben. Das Bildungssystem muss soziale Unterschiede verringern helfen, statt sie zu verstärken. Dies ist für die SPD ein wesentlicher Bestandteil sozialer Gerechtigkeit.

Unser Bildungsziel heißt: „Integration statt Selektion“, denn im heutigen Schulsystem haben nur 10% der Schüler eine gute Bildungschance. Wir müssen damit aufhören, unsere Kinder im Alter von 10 Jahren in drei Sorten Menschen aufzuteilen:

  • Im Mittelpunkt aller Bemühungen um das Bildungssystem muss das lernende Kind stehen. Das erfordert einen umfassenden Bildungsbegriff und natürlich einen Blick über die Schule hinaus, auf Elternhaus, Kitas, Freizeitangebote und generell außerschulische Lern-Orte.
  • Wesentliche Entscheidungen für die Entwicklung eines Kindes werden in den ersten Jahren getroffen. Kitas haben in diesem Zusammenhang einen eigenen und besonders wichtigen Bildungsauftrag. Diese Tatsache muss sich in der Ausbildung des Personals und in der Ausstattung mit Sachmitteln widerspiegeln.
  • Um allen Kindern zur Einschulung vergleichbare Chancen zu bieten, fordert die SPD die Einführung eines verbindlichen Vorschuljahres.
  • Es müssen Konzepte für eine stückweise Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems entwickelt werden, die Kinder sollen länger gemeinsam lernen. Berücksichtigt werden müssen dabei natürlich auch „bauliche Voraussetzungen“ – Grundschulen, Haupt- und Realschulen und Gymnasien können nicht über Nacht zu einer Einheit werden.
  • Am Ende dieses Prozesses muss „eine Schule für alle“ stehen, ein „Haus des Lernens“ für alle Schüler von Klasse 1 bis 10.
  • In dieser Schule sollen Lehrer nicht alleine das pädagogische Personal sein. Sozialpädagogen, Psychologen etc. müssen künftig fest in die Schulkonzepte integriert werden.
  • „Sitzenbleiben“ muss abgeschafft werden.
  • Die Lehrerausbildung muss dieser Entwicklung Rechnung tragen. Binnendifferenzierung, offene Unterrichtsformen und die Einbeziehung außerschulischer Lern-Orte müssen verbindliche Teile der Lehrerausbildung sein, verbindliche Fortbildungen zum Lehreralltag dazu gehören.


Trotz der schlechten (finanziellen) Ausgangsvoraussetzungen müssen wir an dem Ziel einer breiten Bildungsreform festhalten und schon jetzt praktikable Änderungen vornehmen, sanfte Übergänge bei den Strukturveränderungen finden und bei der Umverteilung der Mittel zu Gunsten der Bildung glaubwürdig, aber auch mutig sein. Ein Ziel dabei ist, durch eine größere Verteilung der Kosten, z.B. durch die Beteiligung des Bundes, eine Mehrbelastung der Kommunen zu vermeiden.

  • Aufgrund der Finanz-Situation der öffentlichen Hand muss die Diskussion um nachhaltige Reformern des Bildungssystems auch auf Grundlage einer gesellschaftlichen Gewinn- und Verlustrechnung geführt werden. Unser Bildungssystem kostet Milliarden mit seinen Folgen in der Jugendhilfe, der Sozialhilfe, auf dem Arbeitsmarkt etc.
  • „Kinder sind wichtiger als Steuersenkungen“ – darüber muss ein gesellschaftlicher Konsens erzielt werden.

Die Frage, wie wir unsere Kinder ausbilden, ist die bedeutendste für unsere Zukunft überhaupt. Gerade die SPD als Emanzipationspartei muss Motor der Entwicklung eines Bildungssystems sein, das allen die gleichen Chancen in einer globalisierten Welt bietet.