1: Bildungspolitik in schwieriger Zeit - Neue Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen Erwartung und Machbarkeit (1995): Unterschied zwischen den Versionen

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===Neue gesellschaftliche Herausforderungen===
===Neue gesellschaftliche Herausforderungen===
Unser Bildungssystem steht vor einer schwierigen Phase der Anpassung an veränderte gesellschaftli­che Herausforderungen.
'''2.1.''' Die Lebensbedingungen der Menschen befinden sich in einem grundlegenden Wandel. Junge wie erwachsene Menschen werden heute immer mehr aus traditionell geprägten Beziehungen und -bindungen herausgelöst. Sie verlieren damit Sicherheiten, die für ihren Umgang mit anderen Menschen und für ihre Orientierung in der Gesellschaft wichtig sind. Kinder und Jugendliche müssen - zuweilen damit alleingelassen - ihren eigenen Standort finden. In diesem Entwicklungs- und Entscheidungspro­zeß benötigen sie grundlegende Orientierungshilfen.
Immer mehr Kinder wachsen als Einzelkinder und/oder in Ein-Eltern-Familien auf. Zunehmend sind beide Eltern berufstätig.
Durch den steigenden Medienkonsum, durch die wachsende Rolle der Computer im Alltag und durch die Einschränkung der Spielflächen zugunsten des Autoverkehrs wird die unvermittelte Erfahrung von Wirklichkeit eingeschränkt.
Die Veränderung von sozialen Beziehungen und Lebenszusammenhängen bewirkt häufig Entsolidarisie­rung und Gleichgültigkeit gegenüber anderen.
Das Kosten-Nutzen-Denken unserer Gesellschaft ist allgegenwärtig. Als wertvoll gilt, was einen Preis hat. Das rücksichtslose Durchsetzen eigener Interessen, auch auf Kosten anderer, wird immer mehr zum Leitbild für Erfolg. Vor diesem Hintergrund ist es für Kinder und Jugendliche besonders schwer, eigene Maßstäbe und Wertvorstellungen zu entwickeln und zu bewahren.
'''2.2.''' Die von der SPD in der Vergangenheit geförderte Öffnung der Bildung für größere Anteile der Bevölkerung war richtig. Sie entsprach nicht nur den Wünschen junger und erwachsener Menschen, sondern auch dem Bedarf der Gesellschaft. Anstelle der Bildungsprivilegien für wenige hat die SPD vielen den Zugang zu einer besseren Bildung und zu beruflicher Qualifikation ermöglicht. Ohne dies wäre unsere Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten international nicht so erfolgreich gewesen.
Arbeitsmarktprognosen für das Jahr 2000 sagen voraus, daß die Zahl der Arbeitsplätze, für die Qualifikationen mit höheren Bildungsabschlüssen notwendig sind, immer größer wird.
Gleichzeitig gibt es neue finanzielle Rahmenbedingungen. Neue Anforderungen an die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden entstehen aus dem Finanzbedarf für den Aufbau in den neuen Ländern, für die Entwicklung in Osteuropa und in der Dritten Welt. Dennoch ist es notwendig zu überprüfen, ob die aufgewendeten finanziellen Mittel für das Bildungssystem ausreichen und wirksa­mer eingesetzt werden können.
Immer modernere Fertigungstechniken stellen höchste Anforderungen an strukturelles Denken, selbständiges Arbeiten und Problemlösungsbereitschaft. Verantwortung wird stärker an Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer delegiert als zuvor. Gefragt sind Leistungsbereitschaft, selbstbewußtes, eigenständiges Handeln und Kreativität, um im arbeitsteiligen Weltmarkt bestehen zu können .Arbeitsplätze unterschiedlicher Qualifikationsstandards sollen auf der Basis bestmöglicher Berufsbil­dung einen größtmöglichen Beschäftigungsstand in einer konkurrenzfähigen Wirtschaft sichern.
===Bildungsreform in Schleswig-Holstein - Festigung, Sicherung und Weiterentwicklung===
===Bildungsreform in Schleswig-Holstein - Festigung, Sicherung und Weiterentwicklung===
===Wir brauchen einen Generationenvertrag zugunsten der Bildung===
===Wir brauchen einen Generationenvertrag zugunsten der Bildung===

Version vom 19. Juli 2013, 12:30 Uhr

Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Damp 1995
Bezeichnung: Leitantrag 1
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


(Beschluß der Landesparteitage der SPD Schleswig-Holstein vom 18. Februar 1995 in Bad Segeberg und vom 13./14. Mai 1995 in Damp)


Vorwort

1.

Wir brauchen eine zweite Bildungsreform in Deutschland.

  • Was Bildung an der Schwelle zum 3. Jahrtausend leisten soll,
  • welchen Wert Bildung im Zusammenwachsen Europas für den einzelnen und die Gesamtgesell­schaft haben soll,
  • wie die Anforderungen an Bildung in Schleswig-Holstein bewältigt werden können,
  • wie bei knappen öffentlichen Mitteln die notwendigen Finanzmittel aufgebracht werden können,

darüber will die SPD in Schleswig-Holstein eine breite öffentliche Diskussion führen. Dazu eingeladen sind alle: Lernende wie Lehrende, Eltern wie Ausbilder, Gewerkschaften und Unternehmer.

Bildungsfragen sind gesellschaftliche Fragen von hohem Stellenwert. Wie wir sie beantworten, wie wir ihre finanzpolitische Priorität durchsetzen, entscheidet über die Zukunft unserer Gesellschaft und die Chancen jeder und jedes einzelnen.


2.

Eine demokratische Bildungsreform kann nicht "von oben" verordnet werden. Sie muß das Werk aller Beteiligten sein. Die Rolle der Politikerinnen und Politiker dabei ist, Anstöße zu geben und die Rahmen­bedingungen schaffen.


3.

Eine neue Bildungsreform setzt am Erreichten an und entwickelt es sorgsam weiter.

Die CDU-Regierungen in Schleswig-Holstein haben einen enormen bildungspolitischen Reformstau hin­terlassen. Nach jahrzehntelanger konservativ geprägter Bildungsverwaltung mußten überfällige Reformen in kurzer Zeit umgesetzt werden. Die Rahmenbedingungen, die wir 1988 vorfanden, waren schwierig: knapper werdende finanzielle Mittel und ein geminderter Stellenwert von Bildung in der öffentlichen Diskussion.

Wir haben eine Reihe neuer Gesamtschulen ermöglicht und damit den Elternwillen erfüllt. Wir haben den Weg für offenen Unterricht an den Schulen bereitet. Die Integration Behinderter haben wir verstärkt. Die Ausstattung der beruflichen Bildung haben wir verbessert. Die Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein wurde belebt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben neue Chancen der Fort-und Weiterbildung erhalten.

Eine neue Bildungsdiskussion darf weder auf das Ziel "Sparen" verengt werden noch finanzpolitische Illusionen nähren. Sie muß den vorhandenen Problemdruck an Schulen und Hochschulen aufnehmen und hierzu Lösungen erarbeiten.

Bildungsreformen sind langfristige Aufgaben. Wir müssen diese Reformen konsequent und nachvoll­ziehbar weiterentwickeln.


4.

Die SPD legt ein Bildungsprogramm vor, das eine Reihe von Fragen aufgreift und Antworten zur Diskussion stellt. Wir sind uns bewußt, daß wir weder alle möglichen Fragen gestellt noch in jedem Fall bereits hinreichende Antworten gefunden haben. Dieses Programm ist daher erst der Anfangs­punkt einer breiten bildungspolitischen Diskussion. Wir rufen alle, die am Bildungssystem teilhaben, auf, bei der Weiterentwicklung dieses Programms mitzuwirken.

Bildung vor neuen Herausforderungen

Stellenwert und Verständnis von Bildung

Ziel und Aufgabe von Bildung ist für uns mehr als nur Qualifikation für ein Berufsleben. Bildung hat eine besondere Bedeutung für die Entfaltung der Persönlichkeit. Bildung muß Chancen eröffnen für selbständiges Arbeiten, für eine selbstbestimmte Gestaltung der erwerbsfreien Zeit und für verantwor­tungsbewußte und gleichberechtigte Teilnahme am politischen, sozialen und kulturellen Leben unserer Gesellschaft.

Bildung soll Menschen für die selbständige Lebensbewältigung befähigen, so daß sie

  • ihre grundlegenden Lebensbedingungen erfassen,
  • die Veränderungen dieser Lebensbedingungen wahrnehmen,
  • und diese verantwortlich und kreativ mitgestalten können.


Bildung prägt das Verhältnis des einzelnen zur Gesellschaft ganz wesentlich mit. Bildungseinrichtungen haben deshalb nach unserer Ansicht die Aufgabe:

  • Verständnis für andere Menschen zu wecken und Vorurteile abzubauen,
  • für den Umgang mit anderen Menschen Hilfestellungen anzubieten,
  • zum demokratischen und friedvollen Handeln zu erziehen,
  • und ein friedliches Zusammenleben zwischen den Völkern unter Achtung der kulturellen Eigen­ständigkeit zu fördern.

Diese Forderungen sind heute aktueller denn je.

Nach diesem Verständnis ist Bildung ein lebenslang andauernden Prozeß der Entwicklung der Persönlichkeit.

Um dieses Ziel zu verwirklichen, müssen alle Menschen gleiche Bildungschancen und das Recht auf Zugang zu den Bildungsangeboten haben.

Neue gesellschaftliche Herausforderungen

Unser Bildungssystem steht vor einer schwierigen Phase der Anpassung an veränderte gesellschaftli­che Herausforderungen.

2.1. Die Lebensbedingungen der Menschen befinden sich in einem grundlegenden Wandel. Junge wie erwachsene Menschen werden heute immer mehr aus traditionell geprägten Beziehungen und -bindungen herausgelöst. Sie verlieren damit Sicherheiten, die für ihren Umgang mit anderen Menschen und für ihre Orientierung in der Gesellschaft wichtig sind. Kinder und Jugendliche müssen - zuweilen damit alleingelassen - ihren eigenen Standort finden. In diesem Entwicklungs- und Entscheidungspro­zeß benötigen sie grundlegende Orientierungshilfen.

Immer mehr Kinder wachsen als Einzelkinder und/oder in Ein-Eltern-Familien auf. Zunehmend sind beide Eltern berufstätig.

Durch den steigenden Medienkonsum, durch die wachsende Rolle der Computer im Alltag und durch die Einschränkung der Spielflächen zugunsten des Autoverkehrs wird die unvermittelte Erfahrung von Wirklichkeit eingeschränkt. Die Veränderung von sozialen Beziehungen und Lebenszusammenhängen bewirkt häufig Entsolidarisie­rung und Gleichgültigkeit gegenüber anderen.

Das Kosten-Nutzen-Denken unserer Gesellschaft ist allgegenwärtig. Als wertvoll gilt, was einen Preis hat. Das rücksichtslose Durchsetzen eigener Interessen, auch auf Kosten anderer, wird immer mehr zum Leitbild für Erfolg. Vor diesem Hintergrund ist es für Kinder und Jugendliche besonders schwer, eigene Maßstäbe und Wertvorstellungen zu entwickeln und zu bewahren.


2.2. Die von der SPD in der Vergangenheit geförderte Öffnung der Bildung für größere Anteile der Bevölkerung war richtig. Sie entsprach nicht nur den Wünschen junger und erwachsener Menschen, sondern auch dem Bedarf der Gesellschaft. Anstelle der Bildungsprivilegien für wenige hat die SPD vielen den Zugang zu einer besseren Bildung und zu beruflicher Qualifikation ermöglicht. Ohne dies wäre unsere Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten international nicht so erfolgreich gewesen.

Arbeitsmarktprognosen für das Jahr 2000 sagen voraus, daß die Zahl der Arbeitsplätze, für die Qualifikationen mit höheren Bildungsabschlüssen notwendig sind, immer größer wird.

Gleichzeitig gibt es neue finanzielle Rahmenbedingungen. Neue Anforderungen an die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden entstehen aus dem Finanzbedarf für den Aufbau in den neuen Ländern, für die Entwicklung in Osteuropa und in der Dritten Welt. Dennoch ist es notwendig zu überprüfen, ob die aufgewendeten finanziellen Mittel für das Bildungssystem ausreichen und wirksa­mer eingesetzt werden können.

Immer modernere Fertigungstechniken stellen höchste Anforderungen an strukturelles Denken, selbständiges Arbeiten und Problemlösungsbereitschaft. Verantwortung wird stärker an Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer delegiert als zuvor. Gefragt sind Leistungsbereitschaft, selbstbewußtes, eigenständiges Handeln und Kreativität, um im arbeitsteiligen Weltmarkt bestehen zu können .Arbeitsplätze unterschiedlicher Qualifikationsstandards sollen auf der Basis bestmöglicher Berufsbil­dung einen größtmöglichen Beschäftigungsstand in einer konkurrenzfähigen Wirtschaft sichern.

Bildungsreform in Schleswig-Holstein - Festigung, Sicherung und Weiterentwicklung

Wir brauchen einen Generationenvertrag zugunsten der Bildung

Die Strukturen unseres Bildungssystems müssen modernisiert werden

Bildungsinhalte für die Zukunft

Bildung während des ganzen Lebens

Bildungsnetze

Neue Formen des Lernens und der Bildung ermöglichen

Bildungsinhalte

Die Weiterentwicklung der Schule

Der Erziehungsauftrag der Schule und ihre Möglichkeiten der sozialen Integration

Eine demokratische Schule braucht mehr eigenverantwortliche Entscheidungs- und Handlungsräume

Ausbildung und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern

Die Strukturen im Schulsystem weiterentwickeln

Berufliche Erstausbildung

Stärkung des dualen Systems

Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung

Erstausbildung für alle

Die Weiterentwicklung der Hochschulen

Ausbau und Strukturreform der Hochschulen - Investition für die Zukunft

Erfolgreich studieren in angemessener Zeit

Durch breite Beteiligung die Eigenverantwortung der Hochschulen stärken

Forschungspolitik

Weiterbildung für eine menschliche Zukunft