A1 Wie wir in Zukunft arbeiten (2020)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteirat
Sitzung: Landesparteiratssitzung, August 2020
Bezeichnung: A1
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


Digitalisierung, Globalisierung, demografischer Wandel: Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Die Auswirkungen der Corona-Krise beschleunigen diese Veränderung. Digitales Arbeiten von Zuhause ist plötzlich zu einem millionenfach geübten Alltag geworden. Damit sind wir bereits in einer neuen Arbeitsrealität angekommen.

Gleichzeitig wandelt sich die Einstellung der Menschen zur Arbeit. Wichtiger werden Familie, Freunde und Freizeit und die Frage, wie sich all das miteinander vereinbaren lässt. Wer sich deswegen keine Sorgen machen muss, kann sich wiederum voll auf seinen Beruf konzentrieren. Deswegen wollen wir ein neues Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit herstellen und insbesondere den uneingeschränkten sozialen Schutz und die soziale Sicherheit im Wandel der Arbeitswelt für die Menschen erreichen.

Ein besseres Gleichgewicht zwischen Arbeit, Familie und Freizeit sowie mehr Selbstbestimmung über die eigene Zeit sorgen auch für mehr Lebensqualität. Aktuell werden wir häufig fremdbestimmt. Die Öffnungszeiten von Ämtern, Kitas und Geschäften kollidieren mit unserer Arbeitszeit. Ganz besonders ist das der Fall, wenn auch noch die Pflege von Angehörigen hinzukommt. Das zerrt an uns und unseren Nerven. Gerade die durch Corona bedingten Schließungen von Kitas und Schulen zeigen, dass Familie und Beruf schwer zu vereinbaren sind.

30 Stunden Arbeit in der Woche sind genug

Unser langfristiges Ziel ist die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Die mehrfache Belastung und der Leistungsdruck, dem Arbeitnehmer*innen ausgesetzt sind, werden immer mehr. Insbesondere in Zeiten, in denen immer mehr Arbeitnehmer*innen an Erschöpfungsdepression und weiteren psychischen Erkrankungen leiden, ist es erforderlicher denn je, Arbeitnehmer*innen zu entlasten und die Lebensqualität zu verbessern.

Die 30-Stunden-Woche muss in ihrer Umsetzung langfristig und konsequent gedacht werden. Wir als SPD wollen uns mit Vertreter*innen von Arbeitgeber*innenseite, Gewerkschaften und Expert*innen in einen Dialog begeben, um die Voraussetzungen der 30-Stunden-Woche auszuloten und das Potenzial dieser Arbeitszeitregelung eingehend und gewinnbringend zu diskutieren.

Darüber hinaus darf die 30-Stunden-Woche nicht als alleiniges Instrument dafür dienen, um dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen.

Die 30-Stunden-Woche hilft auch auf dem Weg aus der Corona-Krise. Aktuell besteht ein Fenster für grundlegende Veränderungen. Jetzt besteht die Möglichkeit, die Art wie wir arbeiten zu ändern und sie damit langfristig zu verbessern. Aufgrund der aktuellen Unterbeschäftigung ist das der richtige Moment für Modell-Projekte. Unternehmen könnten so die Auswirkungen auf die Produktivität testen. Außerdem können Abstandsregeln besser eingehalten, wenn sich die Aufenthaltszeit in den Betrieben reduziert. Studien zeigen, dass dadurch die Kosten für den Bürobetrieb deutlich sinken. Zudem könnte ein Teil der Ausfälle im Tourismus durch verlängerte Wochenenden aufgefangen werden, wenn die 30-Stunden Arbeit auf vier Tage in der Woche verteilt werden.

Mehr Zeit für die Familie, wenn Du sie brauchst

Wir wollen mehr Zeit für die Familie. Wenn die Kinder klein sind oder Familienangehörige gepflegt werden, sollen die Menschen flexibel mehr Zeit dafür bekommen. Sie können dann die Stundenzahl weiter reduzieren und die Gemeinschaft gleicht den Gehaltsverlust aus.

Außerdem wollen wir einen selbstbestimmten Wechsel zwischen Teil- und Vollzeit. Das steigert nicht nur die Lebensqualität der Beschäftigten, sondern ist auch ein Mittel gegen den Fachkräftemangel, weil man sich nicht zwischen Familie und Beruf entscheiden muss.

Überstunden bekämpfen

Überstunden müssen die Ausnahme werden! Die Deutschen sind Europameister bei den Überstunden. Das kann so nicht weitergehen. Menschen, die dauerhaft mehr als die vertraglich vereinbarte Zeit arbeiten, leiden darunter geistig und körperlich – manche werden dadurch sogar schwer krank und fallen lange aus. Dadurch steigt noch einmal die Belastung für die übrigen Kolleginnen und Kollegen.

Überstunden müssen in Freizeit kompensiert werden, damit Arbeit nicht krankmacht. Die Einhaltung der Regeln muss stärker staatlich kontrolliert werden. Dafür müssen die Stellen beim Zoll und bei den Aufsichtsbehörden für Arbeitsschutz aufgestockt werden. Zudem bedarf es einer zeitnahen Gesetzesinitiative zur verpflichtenden systematischen Erfassung der Arbeitszeit.

Dein Arbeitszeitkonto gehört Dir

Wir wollen, dass Du Dein Arbeitszeitkonto von einem/einen Arbeitgeber*in zur nächsten mitnehmen kannst. Arbeitszeitkonten sind eine gute Sache. Sie sollten aber nicht an Arbeitgeber*innen gebunden sein, sondern den Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern gehören und die sollen sie mitnehmen können.

Dazu schlagen wir vor, dass der Staat für jede Bürgerin und jeden Bürger ein Zeitkonto einrichtet – so ähnlich wie die Zeitkonten, die es bereits in Tarifverträgen gibt. Basis eines solchen Zeitkontos sollen Einzahlungen der Beschäftigten sein, so dass auf diesem Konto Zeit angespart wird, die durch Tarifverträge oder durch den Staat für besonders förderungswürdige Zwecke zusätzlich aufgestockt werden können, z.B. für Fort- und Weiterbildungen.

Der Vorteil ist, dass auf diese Weise Überstunden nicht verloren gehen, sondern sich in ein Zeitguthaben verwandeln, das im Lebensverlauf mehr Freiheit ermöglicht. Wenn man den Betrieb wechselt, gehen die Stunden nicht verloren, sondern sind transportierbar; sie bleiben auf dem Zeitkonto. Sie wandern, staatlich abgesichert, mit zur neuen Arbeitgeber*in oder mit zur neuen Beschäftigung. Zusätzlich kann für das Zeitkonto ein zeitliches Startguthaben vorgesehen werden.

Recht auf Homeoffice

Homeoffice ist ein Beitrag zur Vereinbarkeit von Arbeit und Familie. In bestimmten Berufen ist Homeoffice nicht möglich. Dort aber, wo es geht, wollen wir ein Recht auf Homeoffice einführen. Die aktuelle Krise zeigt aber auch, dass es nicht reicht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach nach Hause zu schicken. Der Arbeitgeber muss für eine entsprechende Arbeitsumgebung und die nötigen Arbeitsmittel sorgen.

Gleichzeitig muss klar sein, dass die Menschen auch im Homeoffice Feierabend haben und dann nicht erreichbar sind. Dafür wollen wir ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit einführen. Es gibt bereits die nötigen technischen Mittel, um das umzusetzen.

Mobiles Arbeiten

Wir wollen rechtliche Sicherheit für mobiles Arbeiten. Mobile Geräte und mobiles Internet machen es möglich, dass die Menschen auch unterwegs, in der Bahn oder im Café arbeiten können. Das muss möglich sein, sollte aber schon aus gesundheitlichen Gründen die Ausnahme bleiben. Ein Stuhl im Café ist kein ordentlicher, dauerhafter Arbeitsplatz. Für die Arbeitnehmer*innen muss sicher geregelt sein, dass sie nicht für den Verlust der Geräte und der Daten verantwortlich sind, wenn der Arbeitgeber mobiles Arbeiten ermöglicht.

Recht auf Nicht-Erreichbarkeit

Feierabend ist Feierabend. Wochenende ist Wochenende. Urlaub ist Urlaub. Smartphones machen möglich, dass wir auf allen Kanälen rund um die Uhr erreichbar sein können. Wir sind aber der Meinung, dass es wichtig ist, Arbeit und Freizeit klar zu trennen. Man muss auch mal frei auf andere Gedanken kommen können, ohne dass irgendwer erwartet, dass man per Telefon oder Mail erreichbar ist. Vertrauensarbeitszeit oder Arbeiten auf Abruf sind für uns keine Lösung. Die Arbeitgeber*innen müssen klarmachen, dass sie das nicht erwarten. Bereitschaftsdienste sind weiterhin klar zu regeln. Wir kümmern uns dabei auch um die differenzierten Bedürfnisse der älteren Arbeitnehmer*innen.

Die Care-Arbeit der Zukunft

Heutzutage ist es noch immer so, dass die Haus- und Familienarbeit nicht als vollwertige Arbeit anerkannt wird und somit auch nicht entlohnt wird. Insbesondere Frauen müssen sich heute noch immer um die Kinder und den Haushalt oder kranke Verwandte kümmern. Da sie dann, wenn überhaupt, nur ein niedriges Einkommen haben und auch nicht für die Rente vorsorgen können, sind sie von ihren Partner*innen abhängig.

Unser Ziel ist es, dass auch die Care-Arbeit angemessen vergütet wird. Außerdem wollen wir eine gerechte Aufteilung dieser Aufgaben auf die Eltern. Jedes Elternteil, das arbeiten möchte, soll die Möglichkeit erhalten, andersherum sollen auch die Elternteile, die das höhere Einkommen erwirtschaften, nicht auf die Zeit mit ihren Kindern verzichten müssen.

Deshalb fordern wir:

  • Die Beitragsfreiheit für die Kinderbetreuung. Die volle steuerliche Absetzbarkeit von weiteren Kinderbetreuungskosten.
  • Die Bezuschussung von sozialversicherungspflichtig beschäftigten Haushaltshilfen, wenn betreuungsbedürftige Personen im Haushalt leben, perspektivisch als 24/7 Angebot.
  • Die Ausweitung der Betreuungszeiten der Kindertagesstätten.
  • Pflegezeiten für pflegende Angehörige sollen so gestaltet werden, dass diese stärker bei der Rentenanwartschaft berücksichtigt werden und Angehörigenpflege bis zu einem bestimmten Maße nicht zu Gehaltseinbußen führt. Für die pflegenden Angehörigen sollen diese Zeiten voll in der Rentenanwartschaft angerechnet werden. Die hieraus entstehenden Kosten werden der Rentenversicherung vom Bund erstattet.
  • Die Aufwertung der Berufe im Bereich der Care-Arbeit.


Wir sorgen weiterhin für faire Löhne

Trotz der Einführung des Mindestlohns ist der deutsche Niedriglohnsektor einer der größten der Europäischen Union. Fast ein Viertel der Beschäftigten lebt damit knapp an der Armutsgrenze. Gleichzeitig verdienen Manager*innen in Dax Vorständen 52 Mal so viel, wie ihre Mitarbeiter*innen.

Diese Differenzen entstehen aufgrund von ungerechten Machtverhältnissen in den Betrieben und haben nichts mehr mit Leistungsgerechtigkeit oder zu tragender Verantwortung zu tun. In Schleswig-Holstein ist das Lohnniveau das niedrigste der westdeutschen Bundesländer, die Abschaffung des landesweiten Mindestlohns durch die Jamaika Regierung war vor diesem Hintergrund ein Fehler.

Um die starken Einkommensungleichheiten zu beseitigen, braucht es starke Gewerkschaften und Tarifverträge. Aber auch die Politik ist gefragt. Der Mindestlohn muss denjenigen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, auch eine auskömmliche Rente sichern können. Außerdem muss der Mindestlohn auch für junge Menschen gelten. Sie arbeiten nicht schlechter als ihre volljährigen Kolleg*innen.

Deswegen fordern wir:

  • Den Mindestlohn auch für minderjährige Beschäftigte.
  • Die Wiedereinführung des landesweiten Mindestlohns in Schleswig-Holstein.
  • Die Erhöhung des Mindestlohns auf 13 Euro.
  • Die in Behindertenwerkstätten Beschäftigten sollen vom Mindestlohn nicht länger ausgenommen werden.
  • Eine erhebliche personelle Verstärkung des Zolls zur Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns.