B1: Innerparteiliche Gleichstellung von Frauen (1985)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Reinbek 1985
Bezeichnung: B1
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


1. Die SPD hat sich in ihren Vorstellungen bewußt beschränkt auf innerparteilich zu ergreifende Maßnahmen zur Gleichstellung der Frauen. Der Landesparteitag ist der Meinung, daß in Fragen der generellen Gleichstellung von Frauen bereits ausreichende Vorschläge gemacht seien. Es gelte vor allem, diese zu verwirklichen.

Politische Appelle zur Verwirklichung dieser Gleichberechtigung an andere Institutionen und Instanzen sind notwendig und wichtig. Aber sie sind nur glaubwürdig, wenn sie auf einer Praxis aufbauen, die den eigenen Appellen entspricht. Gerade die SPD-Argumentation gegen die frauenfeindliche Bonner Wendepolitik wird besser überzeugen, wenn wir in unseren eigenen Reihen eine Politik betreiben, die Frauen aktiv fördert.

Die Frauen entscheiden sich bei den Wahlen überproportional für die SPD, und seit dem letzten Jahr treten die Frauen auch verstärkt in die SPD ein. Aber sie sind nach wie vor unzureichend in vielen Gremien der SPD und den parlamentarischen Mandaten vertreten. Diese Diskrepanz muß überwunden werden.

Tatsache ist:

Der Anteil von Frauen an den Neueintritten in die SPD Schleswig-Holstein betrug

  • Im Jahre 1983 35 Prozent,
  • im Januar 1985 41 Prozent.

Tatsache ist aber auch:

Die Frauen sind nach wie vor bei einem Anteil an der SPD-Mitgliedschaft von 30 Prozent (Stand 01.02.1985) in den Parteifunktionen gravierend unterrepräsentiert:

Nur 8,4 Prozent aller Ortsvereinsvorsitzenden der SPD Schleswig-Holstein sind Frauen; eine weibliche Kreisvorsitzende gibt es überhaupt nicht, und selbst bei den Beisitzerfunktionen im Ortsvereins- bzw. Kreisvorstand sind sie deutlich schlechter Vertreten (im OV-Vorstand = 27 %, im Kreisvorstand = 24,5 %).

Tatsache ist ebenfalls:

Bei den parlamentarischen Mandaten sind die SPD-Frauen in Schleswig-Holstein nach wie vor unterrepräsentiert:

  • Anteil der weiblichen SPD-Mitglieder in den Gemeindevertretungen: 23,2 %
  • Anteil von Frauen in SPD—Kreistagsfraktionen: 15,7 %
  • Anteil der weiblichen MdL: 14,7 %
  • Anteil der weiblichen MdB: 22,2 5

Die Ursachen für diese Diskrepanz zwischen dem Frauenanteil an der Bevölkerung, dem Umfang der Frauenstimmen für die SPD, der steigenden Tendenz bei Neueintritten einerseits und der nach wie vor nicht ausreichenden Vertretung von Frauen in der SPD Schleswig-Holstein andererseits haben unserer Ansicht nach vor allem folgende Gründe:

  • Das herkömmliche Rollenverständnis, das sich noch allzu oft im Unverständnis des Partners für politische Tätigkeit der Frau äußert. Das sich in oft mangelndem Selbstvertrauen der Frauen dokumentiert bzw. darin, daß die eigenen Erwartungen der Frauen und die Erwartungen an Frauen insgesamt ungleich höher geschraubt sind als gegenüber Männern. Selbst bei gleichlaufenden Interessen in einer Partnerschaft führt dieses traditionelle Rollenverständnis oft dazu, daß die Interessen der Frau gegenüber denen des Mannes nachgeordnet werden.
  • Die Doppel- und Dreifachbelastung der Frauen, auf die traditionell in der Rollenverteilung Haushaltstätigkeit und Kindererziehung abgeschoben werden, Verhindert politische Arbeit bzw. den Aufbau einer eigenen Karriere.
  • Frauen empfinden die Strukturen in der Partei häufig als hierarchisch und verkrustet und sehen dies als Barriere für ihre eigenen Beteiligungschancen an. Sie empfinden das Klima der Parteiarbeit als "kommunikationsunfreundlich" und engagieren sich - wie die Erfahrung in den "neuen sozialen Bewegungen" zeigt - eher in informellen Arbeitsgruppen. Sie fühlen sich gegenüber Gremien im Nachteil, die vorwiegend mit Männern besetzt sind und in denen Vorentscheidungen getroffen werden. Sie werden oft von den Männern bewußt auf "Frauenthemen" abgedrängt.
  • Insgesamt ist die übliche Arbeitsweise sowie die Terminierung der Parteiarbeit wenig familienfreundlich.


2. Der SPD-Landesparteitag fordert daher alle Mitglieder und alle Gliederungen der schleswig-holsteinischen SPD auf, den Anteil der Frauen in Parlamenten, Kommunalvertretungen und Parteigremien zu erhöhen. Dabei ist klar, daß dies nicht allein durch Parteitagsbeschlüsse erreicht werden kann, sondern daß dieser Weg aus politischer Überzeugung stattfinden muß.


3. Für die nächsten Jahre legt der Landesparteitag folgende Ziele fest:

a) Der Anteil der Frauen in der SPD-Landespartei muß durch unsere Politik und durch gezielte Maßnahmen von jetzt 30 Prozent kontinuierlich erhöht werden.
b) Für die Landtagswahl 1987 müssen alle für die Besetzung von Wahlkreisen zuständigen Gremien und insbesondere der SPD-Landesvorstand dafür Sorge tragen, daß der Anteil der Frauen auf sicheren Listenplätzen auf 30 Prozent erhöht wird. Das gleiche gilt für die Bundestagswahl 1987.
c) Im Rahmen der zeitlich noch gegebenen Möglichkeiten für die Aufstellung von Kandidatinnen und Kandidaten bei der Kommunalwahl 1986 müssen die Ortsvereine und Kreisverbände alles tun, vorrangig Frauenkandidaturen durchzusetzen. Der jetzige Frauenanteil in Kommunalvertretungen von ca. 23 Prozent ist auszubauen. Für die Kommunalwahl 1990 muß durchgesetzt werden, den Einzug von mindestens 30 Prozent Frauen in die Kommunalparlamente zu gewährleisten.


4. Der Landesparteitag unterstützt die Auffassung der AsF, daß die Präsenz von Frauen in Vorständen und bei innerparteilichen Mandaten mindestens in dem Umfang sichergestelllt sein muß, der dem prozentualen Anteil der weiblichen Mitglieder der jeweiligen Organisationsebene entspricht. Dieses Ziel muß in den nächsten zwei Jahren erreicht werden.


5. Der Landesparteitag ist der Auffassung, daß nach Erreichung der vorstehend genannten Ziele auf allen Ebenen ein weiterer Ausbau der Frauenanteile in den Gremien der Partei und in den Parlamenten erfolgen muß. Dabei geht es darum, diesen Weg durch Überzeugungsarbeit und Meinungsbildung in unserer Partei gangbar zu machen. Spätestens 1995 soll die paritätische Besetzung in allen Gremien der Partei und in ihren Parlamentsfraktionen erreicht sein.


6. Der SPD-Landesparteitag unterstützt die Gründung paritätisch besetzter Gleichstellungskommissionen auf allen Ebenen der Partei, um die angestrebten Ziele der innerparteilichen Gleichstellung zu erreichen.
Über die Arbeit der Gleichstellungskommissionen und die erreichten Ergebnisse wird auf jedem zukünftigen ordentlichen Landesparteitag berichtet.
Dies ermöglicht zukünftigen Landesparteitagen, neue Zielwerte für innerparteiliche und parlamentarische Quoten von Frauenkandidaturen zu beschließen.


7. Politik muß für Frauen attraktiv gemacht werden
Dies geschieht nicht nur durch die Behandlung von sogenannten Frauenthemen.
In der AsF—Arbeit ist deutlich geworden, daß Frauen für allgemeinpolitische Themen interessiert werden können, wenn diese aus der besonderen Sicht von Frauen behandelt werden‚(z. B. Frauen für den Frieden, Frauen zur Bundeswehr, Frauen im Widerstand, Kommunalpolitik für Frauen, Bildungs-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik).
Die SPD sollte auch in ihrer politischen und gesellschaftlichen Arbeit Arbeits- und Veranstaltungsformen verwirklichen, die Frauen besser ansprechen. Das stärkere Engagement von Frauen in der Friedens- und Umweltbewegung sowie in lokalen Initiativen sollte hier ein Hinweis sein. Allerdings kann es nicht alleiniges Ziel sein, Frauen in derartigen Arbeitsformen einzubeziehen, sondern das Ziel muß sein, ihre gleichberechtigte Mitarbeit auf allen Ebenen der SPD zu verwirklichen. Sonst würden traditionelle Rollenprägungen nur in anderer Form fortgesetzt.

Darüber hinaus muß Genossen und Genossinnen vermittelt werden, daß Frauen fähig sind, selber Politik zu machen. Verstärkt sollte darauf geachtet werden, Referentinnen für Mitgliederversammlungen und Parteitage zu gewinnen, da von diesen eine erhebliche Signalwirkung ausgeht. Gleichzeitig müssen die Genossinnen, die überhaupt bereit sind, sich am politischen Geschehen zu beteiligen, hierbei unterstützt werden.

Mitgliederversammlungen, Parteikonferenzen und Parteitage sollten in stärkerem Maße als bisher von Frauen geleitet werden.

Die Erfahrung zeigt, daß Frauen, denen Funktionen anvertraut werden, diese in der Regel auch engagiert ausfüllen.

Die Rahmenbedingungen für die politische Betätigung der Genossinnen müssen verbessert werden. Aufgrund der immer noch herrschenden Rollenverteilung ist es für Frauen schwieriger, politische Veranstaltungen zu besuchen und sich an den Veranstaltungen aktiv zu beteiligen.


Vorschläge: Fahrgelderstattung bei Bedarf, Organisation von Fahrgemeinschaften, Tagungsorte nahe öffentlichem Nahverkehr, Abendveranstaltungen ab 20 Uhr, Einrichtung fester Termine (Stammtisch, 14tägiger Arbeitskreis), damit sich die Familie an die Abwesenheit der Mutter/Genossin gewöhnt. Jede SPD-Veranstaltung sollte die Notwendigkeit der Kinderbetreuung berücksichtigen.


Bildungsarbeit
Der Bildungsarbeit für Frauen muß im Rahmen der Bildungsarbeit der Partei mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen von Frauen aufgrund ihrer jeweiligen familiären und gesellschaftlichen Situation ist dabei durch ein möglichst differenziertes Angebot Rechnung zu tragen. Deshalb muß Bildungsarbeit für Frauen auf allen Ebenen ansetzen.
Durch ein möglichst breites Angebot von Tagesseminaren soll der Kreis von Frauen, die an Seminaren teilnehmen, erweitert werden. Viele Frauen können aus beruflichen, familiären oder persönlichen Gründen nicht an Wochenend- oder gar Wochenseminaren teilnehmen. Die Kreisverbände und Ortsvereine werden auf- gefordert, solche Seminare dezentral durchzuführen bzw. die AsF auf Kreis— oder örtlicher Ebene bei der Durchführung organisatorisch und finanziell zu unterstützen (wie z. B. Politseminar in Kiel). Sinnvoll und in der Praxis bewährt sind ebenfalls Seminare, die über mehrere Wochen dauern, aber nur jeweils an einem festen Abend der Woche stattfinden.


Vorbereitungsseminar für Kandidatinnen
Frauen, die bereit sind, Mandate zu übernehmen, sollen die Mög-lichkeit haben, sich ganz gezielt auf diese Arbeit vorzubereiten. Sie sollen sich vertraut machen können mit Aufgabenbereich, Anforderungen, Arbeitstechnik und -ablauf sowie Handhabung der Hilfsmittel durch möglichst genaues Kennenlernen des neuen "Arbeitsplatzes" und dem Funktionieren des dazugehörigen "Apparates". Mandatsträger/Mandatsträgerinnen sollen dabei die entsprechende Hilfestellung leisten. Alle Kreisvorstände sollen aufgefordert werden, diese Vorbereitungsseminare für Kandidatinnen bereits zur Kommunalwahl 1986 anzubieten.


Gezielte Ansprache
Generell sollte die Ausschreibung von Seminaren die Aufforderung enthalten, Frauen gezielt zur Teilnahme aufzufordern. Die Ortsvereine werden aufgefordert, für die Seminare bei Frauen zu werben. Frauen sollten bei der Platzvergabe so lange bevorzugt werden, solange sie noch eine Minderheit der Teilnehmer stellen.


Kinderbetreuung
Die Träger, insbesondere die Gustav-Heinemann-Bildungsstätte, werden aufgefordert, Seminare mit Kinderbetreuung anzubieten, um Frauen/Männern mit Kindern die Teilnahme zu erleichtern. Die Sommerferien sind für Familien mit Kindern zu teilen.


Einsatz von Referentinnen
Bevorzugt sind Referentinnen einzusetzen. Dies erleichtert in vielen Fällen Frauen den Einstieg und die Bereitschaft zur Mitarbeit.


Verbesserung des Informationsangebotes
Örtliche AsF's sind häufig überfordert bei der Vermittlung eines möglichst umfassenden Informationsangebotes für Frauen. Ortsvereine und Kreisvorstände sollen durch besseres gezieltes Informationsangebot für Frauen die Arbeit der örtlichen AsF fördern und unterstützen.