B2 Bildung für die Zukunft (2011)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Husum 2011
Bezeichnung: B2
Antragsteller: Kreisverband Pinneberg


Beschluss: Überwiesen an Wahlprogramm-Debatte


Mit der Verabschiedung des Schulgesetzes im Jahr 2007 ist eine historische Bildungsreform in Schleswig-Holstein auf den Weg gebracht worden, die allen Schülerinnen und Schülern ein flächendeckendes, gerechtes und nachhaltiges Bildungsangebot bieten soll.

Die Veränderungen die aufgrund der demographischen Entwicklung und den Erkenntnissen aus den zahlreichen nationalen und internationalen Vergleichsstudien notwendig waren, sind ein Meilenstein für die Bildungspolitik in Deutschland insgesamt. Die zahlreichen nationalen und internationalen Vergleichsstudien haben neben den für Deutschland unbefriedigenden Ergebnissen dazu geführt, dass Bildung wieder in den Mittelpunkt der politischen Diskussion gerückt ist. Es wird über den eigenen bildungspolitischen Tellerrand hinaus geblickt und die Jahrzehnte währenden ideologischen Debatten zwischen den an Bildung beteiligten Gesellschaftsgruppen konnte teilweise überwunden werden.

Die Schule der Zukunft steht vor zwei entscheidenden Herausforderungen:

  1. Die demografische Entwicklung - Bezogen auf das Schuljahr 2009/2010 werden im Schuljahr 2017/2018 ca. 50.000 Schülerinnen und Schüler (15 %) landesweit weniger unsere Schulen besuchen. Die Bildungslandschaft muss sich auf sinkende Schülerzahlen einstellen und gleichzeitig alle Bildungsabschlüsse in zumutbaren Entfernungen anbieten. Die viel beschworene demografische Entwicklung ist Herausforderung und Chance zugleich für eine Verbesserung unseres Bildungssystems. Die Ressourcen, die durch weniger Schüler frei werden, sind vorrangig für die Entwicklung der Bildungspolitik zu verwenden.
  1. Dem wirtschaftlichen Strukturwandel unserer Arbeitswelt - Bereits heute ist in einzelnen Ausbildungsbereichen ein Fachkräftemangel unübersehbar. Er wird durch sinkende Schülerzahlen weiter verschärft. Gleichzeitig nehmen die Ausbildungsplätze und Beschäftigungsmöglichkeiten für gering qualifizierte Tätigkeiten kontinuierlich ab. Deshalb können wir uns kein Bildungssystem leisten, dass Schüler ohne Schulabschluss zurück lässt. Auf der anderen Seite steigen die Ansprüche in den einzelnen Ausbildungsberufen beträchtlich. Die

Erwartungen an Flexibilität, an sozialer Kompetenz, an Fremdsprachenkenntnissen und an eine fundierte Allgemeinbilddung haben deutlich zu genommen. Dazu kommt, im OECD Vergleich, die Ausbildung von zu wenigen Akademikern.

Das Bildungsniveau muss steigen und für möglichst viele erreichbar sein.

Alle internationalen Vergleichsstudien haben Deutschland ein zu geringes durchschnittliches Bildungsniveau mit erheblichen Defiziten hinsichtlich der Chancengleichheit bescheinigt.

In keiner Industrienation ist die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von Kindern vom sozialökonomischen Status so abhängig wie in Deutschland. Ganz besonders sind Kinder mit Migrationshintergrund in unserem Bildungssystem benachteiligt.

In keinem vergleichbaren Land der Welt, werden Kinder so früh in verschiedene Bildungsgänge getrennt wie in Deutschland.

Während die Leistungen von Grundschülern im internationalen Vergleich durchaus mithalten können, ergeben sich später bei vielen Jugendlichen erhebliche Defizite.

Wir haben besonders viele leistungsschwache 15-Jährige, die Motivation und Leistungswillen verlieren, weil sie zu früh von den mitreißenden Effekten der Leistungsstärkerenabgekoppelt werden.

Die 15-jährigen im deutschen Bildungssystem spiegeln mit ihren Schulleistungen mehr als anderswo ihre soziale Herkunft wieder, es fehlen noch immer Ganztagsschulen um den Nachmittag gezielt für Bildung einzusetzen.

Die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund muss deutlich verbessert werden. Migranten sind Bereicherung hinsichtlich der vielfältigen Kultur, des Erlernens von Fremdsprachen und dem friedlichen Zusammenleben verschiedener Religionen untereinander.

Die Grundschule braucht einen neuen gesellschaftspolitischen Stellenwert. Sie legt die Grundlagen, deshalb müssen sich hier die Hilfs- und Förderangebote konzentrieren. Die vorschulische Bildung und Betreuung muss deutlich verbessert werden und die Kooperation zwischen Kitas und Grundschulen ist zu intensivieren.

Unser Bildungssystem in Schleswig-Holstein soll in Zukunft aus Gymnasien und Gemeinschaftsschulen bestehen. Die verstärkte Zusammenarbeit dieser beiden Schularten ist unser Ziel.

Der Ausbau von Ganztagsangeboten muss kontinuierlich weitergeführt und zur Regeleinrichtung werden. Ganztagsschulen sind die Schulen der Zukunft. Sie schaffen eine neue Lern- und Lehrkultur und werden die Schulen aller Prägung zu modernen Häusern des Lernens umwandeln.

Das Bildungssystem in Schleswig-Holstein darf nicht im Ansatz in das alte dreigliedrige Bildungssystem, in eine veraltete Bildungsideologie und eine Schullandschaft in der die Ungerechtigkeit der Bildungschancen manifestiert werden, zurückkehren. Im Gegenteil, das was 2007 auf den Weg gebracht wurde, muss konsequent weiterentwickelt werden.

Die öffentlichen Haushalte sind überschuldet. Der Spardruck in Schleswig-Holstein wird durch die Zustimmung der Landesregierung zu dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zusätzlich verstärkt. Die Steuervergünstigungen für Hoteliers und Erben verringert die Steuereinnahmen für den Landeshaushalt jährlich um 70 Millionen, zusätzlich fehlen den Kommunen landesweit weitere 60 Millionen Euro an Steuern. Diese einseitige Klientelpolitik darf nicht auf dem Rücken der Vorschulkinder und Schüler ausgetragen werden. Es steht außer Frage, dass die öffentlichen Haushalte dringend konsolidiert werden müssen. Dabei ist der Bildungsbereich auszunehmen.

Gerechte Bildungschancen entscheiden über Lebens- und Berufschancen. Gleiche Bildungschancen unabhängig vom Einkommen und sozialer Herkunft der Eltern sind das Fundament für soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft.


Der Besuch der Kindertagesstätte als elementare Bildungseinrichtung

Das Recht auf individuelle und optimale Bildung beginnt mit der Geburt

Deshalb wollen wir:

  • Den Rechtsanspruch für Eltern auf einen Kinderbetreuungsplatz mit der Geburt des Kindes.
  • Einen bedarfsgerechten Ausbau der Betreuungs- und Bildungsangebote für unter dreijährige Kinder.
  • Die Einführung des gebührenfreien Besuchs einer Kindertagesstätte bis 2013.
  • Dass das Mittagessen perspektivisch in der KiTa als Regelleistung in den Elternbeitrag einbezogen und die Sozialstaffel entsprechend angewendet wird. Bis zur Verwirklichung dieses Ziels ist das Programm „Kein Kind ohne Mahlzeit“ ohne Unterbrechung fortzuführen.
  • Keine Absenkung oder die landesweite Freigabe der Standards für die Kitabetreuung.
  • Einen besonderen Stellenwert für die frühkindliche Bildung haben die vorschulischen Angebote. Diese Angebote müssen landesweit vereinheitlicht und verpflichtend umgesetzt werden.
  • Die verpflichtende Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen und Diagnostik im Kindergartenalter, damit Entwicklungsstörungen und -defizite frühzeitig erkannt und behandelt werden.
  • Eine Weiterbildungsoffensive für die MitarbeiterInnen in den Kinderbetreuungseinrichtungen um diesen Anspruch auch umsetzen zu können und eine gesellschaftliche Aufwertung des Erzieherberufs dementsprechend sind auch die Eingruppierungen anzupassen.
  • Die Arbeit von Familienbildungsstätten und Kinderbetreuungseinrichtungen sind stärker zu vernetzen um Familienberatungszentren gründen zu können.
  • Die Kitas sind konzeptionell zu Familienzentren zu entwickeln.
  • Den verpflichtenden Besuch des gebührenfreien 3. Kitajahrgangs für alle Kinder.


Die Grundschule als primäre Bildungseinrichtung

Auf den Anfang kommt es an!

Deshalb wollen wir:

  • Individuelles Fördern und Fordern als Bildungs- und Strukturprinzip mit Beginn der Schulzeit.
  • Die Einschulung im Einvernehmen mit Schule, Kindertagesstätte und Elternhaus.
  • Bei der Ressourcenzuteilung sind Grundschulen mit zusätzlichen Mitteln zu stärken, damit ihr Stellenwert im Bildungssystem wesentlich erhöht wird, denn hier werden die Grundlagen für Lern- und Leistungskompetenz mit den notwendigen Konzepten aufgebaut und gefördert.
  • Kleine Klassen.
  • Die Inklusion als Form integrativen Lernens und Lebens mit der notwendigen personellen Ausstattung.
  • Ein flächendeckendes Angebot für die Beschulung der Kinder mit besonderem Förderbedarf an Regelschulen.
  • Den Ausbau der sozialpädagogischen Diagnostik, zur Ermittlung von Hochbegabten und Kinder mit Teilleistungsstörungen, um die notwendigen pädagogischen Konzepte zu erkennen und um die Entwicklungsschritte rechtzeitig zu ermöglichen.
  • Die Einführung und Weiterentwicklung von Schulsozialarbeit in den Grundschulen, um bereits im frühen Schulalter Entwicklungsdefiziten und Verhaltensauffälligkeiten begegnen zu können.
  • Den Ausbau der flexiblen Eingangsphase für die Klassen 1-3, damit ein Sitzenbleiben vermieden und ein Überspringen ermöglicht wird.
  • Keine Noten als Bewertungsgrundlage der ersten 6 Schuljahre.
  • Die Erweiterung der Grundschulzeit auf 6 Schuljahre.
  • Die flächendeckende Einführung von verbindlichen Ganztagsschulangeboten für die Grundschulen in Schleswig-Holstein.


Das Lernen in der Sekundarstufe Längeres gemeinsames Lernen und hohe Bildungsqualität.

Deshalb wollen wir:

  • Kein Schüler darf die Schule in Schleswig-Holstein ohne Schulabschluss verlassen. Zusätzliche Lehrerstunden sollen vorrangig an die Gemeinschaftsschulen und Regionalschulen gegeben werden, um diesen vermehrt Doppelbesetzungen zu ermöglichen.
  • Weiterführung, der in der Grundschule begonnen verbindlichen sozialpädagogischen Beratung bei Schülern mit Entwicklungsdefiziten und Verhaltensauffälligkeiten zur Ermittlung individueller Hilfsangebote für Jugendliche.
  • Den Aufbau und die Weiterentwicklung einer Zusammenarbeit zwischen Jugendsozialarbeit bzw. Jugendhilfe der Kreise mit den Schulen. Jugendhilfe darf nicht länger vom Schulalltag abgekoppelt bleiben, damit Schulen in ihrem Bildungsauftrag auf Unterstützung zurück greifen können.
  • Einführung von so genannten Fallkonferenzen, die sich um Jugendliche mit großen Defiziten und Auffälligkeiten kümmern. An diesen Konferenzen sollen alle an Bildung, Ausbildung, Berufswahl und Jugendhilfe beteiligten teilnehmen und die Betreffenden bis zum Erreichen eines Weiter- oder Ausbildungsplatzes nach der Schule begleiten.
  • Weiterentwicklung des Schulsystems, bestehend aus Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. Am Gymnasium wird das Abitur nach 12 Schuljahren und an den Gemeinschaftsschulen nach 13Schuljahren erreicht.
  • Gymnasien und Gemeinschaftsschulen sollen als offene Ganztagsschulen organisiert werden und mittelfristig in gebundene Ganztagsschulen übergehen. Der Ausbau von Mensen und Aufenthaltsräumen bzw. Lernräumen ist kontinuierlich weiter zu fördern.
  • Notwendige Strukturreformen an den Gymnasien um das Erreichen des Abiturs nach 12 Schuljahren in einem humanen Bildungsverlauf zu ermöglichen. Lehrpläne sind den Anforderungen an das G 8 zu überarbeiten und anzupassen. Kein Gymnasium darf auf die Möglichkeiten einer offenen Ganztagsschule verzichten.
  • In der Profiloberstufe sollen wieder mehr Wahlmöglichkeiten eingeführt werden.
  • Für jeden Bildungsgang sind zentrale Abschlussprüfungen zu erhalten um annähernd einheitliches Bildungsniveau zu erreichen und damit die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen.
  • Um die Mobilität von Familien mit Kindern zu gewährleisten, müssen die Kontingentstundentafelvorgaben erweitert werden.


Das Studium und das Referendariat für den Lehrberuf Hier werden die Grundlagen gelegt

Deshalb wollen wir:

  • Das Studium und die Ausbildung für den Lehrberuf den neuen Schulformen anpassen.
  • Die Erhöhung und Anpassung der Praxisteile in allen Lehramtsstudiengängen.
  • Die Ermöglichung und Qualifizierung für überkonfessionellen Religions- und Ethikunterricht.

Die gleiche Berücksichtigung aller Landesteile mit Lehramtsanwärtern.

Das muss für alle Schulen gelten

  • Keine erhöhte Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte. Die Herausforderungen der Schule und Jugendlichen heute lassen keine höhere Belastung unserer Lehrkräfte zu.
  • Verpflichtende regelmäßige Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für alle Lehrkräfte in angemessener Stundenzahl ohne Ausfall von Unterrichtszeiten.
  • Die Schularten dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das Übertragen von Stellen von Regional- und Gemeinschaftsschulen zu Gunsten der Gymnasien lehnen wir als unsozial und benachteiligend ab.
  • Die Wiedereinführung von EVIT (des Schul-TÜVs), damit Schulen fit für die zukünftigen Herausforderungen sind.


Keine Haushaltskonsolidierung zu Lasten der Bildung

Deshalb wollen wir:

  • Die Rücknahme der Steuergeschenke für Hoteliers und Erben.
  • Eine umfassende Kreisgebietsreform, die nach vorsichtigen Schätzungen 60 Millionen Euro jährlich an Einspareffekten erwirtschaften könnte. Die Einsparungen an Verwaltung könnten z.B. zielgerichtet in die Schulbauförderung fließen.
  • Eine Verwaltungsstrukturreform muss mit einer Reform der Landesverwaltung einhergehen. Bürokratieabbau, Aufgabe von Aufgaben, Aufgabenübertragung an die Kreise mit entsprechendem finanziellen Ausgleich muss endlich umgesetzt werden.
  • Einführung von 2 Schularten in der Sekundarstufe. Dadurch können, wie auch vom Landesrechnungshof bestätigt, Haushaltsmittel im Bildungsbereich effektiver und kostengünstiger eingesetzt werden.
  • Eine ständige Überprüfung der Haushaltsmittel im Bildungsbereich hinsichtlich Zielgenauigkeit und Effektivität wobei die Schulkostenbeiträge nach dem tatsächlichen Bedarf zu berechnen sind.
  • Zusammenlegung der Finanzbehörden von Bund und Länder. Eine einheitliche Finanzverwaltung kann Milliarden einsparen.
  • Wir unterstützen das Ziel des Bundesbildungsgipfels, einen Ausgabenwert von 10 Prozent des BIP für die Bildung und Forschung anzustreben.