Der Frieden ist sicherer zu machen (1979)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Burg auf Fehmarn 1979
Bezeichnung:
Antragsteller: Nicht aufgeführt


Beschluss: Angenommen und Überwiesen an Bundesparteitag

(Veröffentlicht in: „Zur Sache“ Nr. 14, Dezember 1979 - Herausgeber: SPD-Landesverband Schleswig-Holstein)


Der Bundesparteitag möge beschließen:

I.

Der zweite SALT-Vertrag über die Begrenzung nuklearstrategischer Waffen vom 18. Juni 1979 zwischen den USA und der Sowjetunion kann die Möglichkeit eröffnen, weitere Verhandlungen über Steuerung, Begrenzung und Kontrolle der Rüstung und Abrüstung zum Erfolg zu führen, um den Frieden bei Senkung der Rüstungskosten zu sichern.

Es bleibt das Ziel sozialdemokratischer Politik ein vollständiges und allgemeines Verbot von Kernwaffen sowie biologischen und chemischen Waffen zu erreichen. Dafür wie insgesamt für wesentliche Fortschritte in einer Politik der Erhaltung und Festigung des Friedens und des Abbaus der politischen Spannungsursachen sind die beiden Großmächte hauptsächlich verantwortlich. Mit der Stabilisierung des nuklearstrategischen Kräfteverhältnisses durch die Ratifizierung des SALT-II-Vertrages wird es dringender, SALT III zu beginnen und darin das Problem der eurostrategischen Waffen in den Mittelpunkt zu stellen.

Die SPD unterstützt Bemühungen zur weiteren Friedenssicherung auf allen militärischen Ebenen. Sie ist für ein Verbot von Satelliten-Abwehr-Systemen (Killer-Satelliten) und eine Begrenzung der militärischen Tätigkeiten im Indischen Ozean und Südatlantik.

Für Europa und unser Land ist es erforderlich, sich vorrangig auf den Erfolg der Truppenreduktion, wie sie in Wien verhandelt wird (MBFR), zu konzentrieren und auf den Abschluss eines ersten Reduktionsabkommens zu drängen. Die SPD bestätigt ihre Haltung auf dem Hamburger Parteitag zu Strahlenwaffen. deren Stationierung in der Bundesrepublik auch künftig zu verhindern ist.

Die Fortsetzung und Ausweitung der SALT-Verhandlungen erfordern

  1. eine Ratifizierung des SALT-II-Vertrages,
  2. den politischen Vorrang für Rüstungskontrolle und Abrüstung,
  3. eine engere Verzahnung der sicherheitspolitischen Interessen der USA mit denen der europäischen Bündnispartner. In einem intensivierten Bündnisdialog und in der Folge einer Stabilisierung des nuklearstrategischen Kräfteverhältnisses durch SALT II ist darauf hinzuwirken, dass bei der Behandlung des nuklearen Mittelstreckenproblems voreilige Entscheidungen für nukleare Mittelstreckenraketen und Waffensysteme des sogenannten Grauzonenbereichs, über die bisher noch nicht auf der SALT-Ebene verhandelt worden ist, vermieden werden.

Die Sowjetunion mit den Staaten des Warschauer Paktes muss beim Wort genommen werden, über Waffensysteme des sogenannten Grauzonenbereichs zu verhandeln.

In diesem Sinne ist die Antwort der Bundesregierung vom 16. 2. 1979 in der Bundestagsdrucksache 8/2587 auf die Große Anfrage der SPD und FDP zur „Politik der Friedenssicherung durch Verteidigung und Entspannung und zum Stand der Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle“ eine geeignete Grundlage für eine Politik der aktiven Friedenssicherung.


II.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Voraussetzung dieser Politik das von der Regierung Brandt/Scheel gegen den erbitterten Widerstand von CDU/CSU durchgesetzte ost- und deutschlandpolitische Vertragswerk ist. Wenn nunmehr Kanzlerkandidat Strauß und die CSU/CDU die Binsenwahrheit verkündet, Verträge halten zu wollen, so kann das niemanden täuschen, solange die Unionsparteien nicht erklären, wie dieses Vertragswerk konkret ausgefüllt und genutzt werden soll. Nur wenige liberale Kräfte in der CDU/CSU sind willens und fähig, ohne Verlust an Glaubwürdigkeit den Geist des ost- und deutschlandpolitischen Vertragswerkes politisch zur Geltung zu bringen und es mit Leben zu erfüllen.


III.

Ein Scheitern des SALT-II-Vertrages hätte unabsehbare Folgen des Beginns einer neuen Phase eines immer weniger steuerbaren Wettrüstens, wobei die Gefahr eines erneuten kalten Krieges nicht auszuschließen ist Dies würde der Fall sein, wenn sich in den USA und mit der CDU/CSU jene Kräfte durchsetzen könnten, die der weiteren Aufrüstung, und forcierten Rüstungsmodernisierung den Vorrang vor Verhandlungen über Rüstungsbegrenzung, Rüstungskontrolle und Abrüstung geben und den politischen Gesamtzusammenhang von Verteidigung und verhandlungsaktiver Friedenssicherung nicht anerkennen.

Eine Abkehr vom quantitativen und qualitativen Wachstum des Vernichtungspotentials ist heute notwendiger denn je, — weil die Spannungen in anderen, außereuropäischen Regionen der Welt zunehmen und die Großmächte zu einem friedensgefährdenden Eingriff verleiten könnten, — weil die wachsenden Rüstungskosten in zunehmendem Maße der Bewältigung sozialer Konflikte und Aufgaben finanzielle Mittel entziehen und — weil die Entwicklung neuer Waffentechnologien als sogenannte Modernisierung des Verteidigungspotentials in zunehmendem Maße der politischen und nicht zuletzt der parlamentarischen Kontrolle zu entgleiten drohen.


IV.

Aufgabe sozialdemokratischer Friedenssicherungspolitik bleibt es, auf die politische Kontrolle der Entwicklung neuer Waffentechnologien so hinzuwirken, dass vor der Produktion und Stationierung neuer Waffen ein Verzicht in Ost und West sondiert wird.

Rüstung und Wettrüsten sind dabei, sich unabhängig von ursprünglichen Konfliktanlässen immer mehr zu verselbständigen und zunehmend von den Interessen der Rüstungswirtschaft bestimmt zu werden. Rüstung und Wettrüsten sind immer stärker Ursache, immer weniger Folge von Misstrauen und Konflikten. Obwohl eine weitere Vermehrung und Modernisierung der Waffen die in den Bündnissen und bei den Großmächten angesammelte Zerstörungskraft kaum noch in einer für das militärische Kräfteverhältnis zwischen Ost und West entscheidenden Weise erhöhen können, ist das Wettrüsten dennoch nicht verlangsamt werden. Der wichtigste Antrieb zum gegenwärtigen Rüstungswettlauf ist der Ehrgeiz des Versuches der Großmächte, die Lücke zwischen dem erreichten Stand der Waffentechnik und dem, was in der Zukunft waffentechnologisch möglich ist, zu schließen.

Aufgabe sozialdemokratischer Friedenssicherungspolitik bleibt es, diesen Teufelskreis der Rüstung und des Wettrüstens durch Kooperation und Verhandlung durchbrechen zu helfen. Dabei sind von der Bundesregierung auch friedensstärkende kalkulierte Vorgaben des vorläufigen Verzichts auf Beteiligung an jedem weiteren Schritt des Wettrüstens zu berücksichtigen, wenn sie geeignet sind, das Misstrauen zwischen den beiden Großmächten im politischen Prozess der Entspannung abzubauen und Vertrauen zu bilden. Deshalb begrüßen die Sozialdemokraten die Erklärung des Bundeskanzlers vor den Vereinten Nationen am 26. 5. 1978, dass sich das militärische Gleichgewicht nicht notwendigerweise in totaler arithmetischer Identität bei allen Arten von Streitkräften und Waffen ausdrücken muss.


V.

Wir Sozialdemokraten gehen davon aus, dass die Sowjetunion und die USA den Frieden wellen. Sie sind an seiner Erhaltung und Festigung interessiert. Zugleich gehen wir von der Feststellung einer Studie des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Hamburger Universität aus, dass global, aber auch regional in Europa keine für eine erfolgreiche Aggression notwendige Überlegenheit des Warschauer Paktes besteht. Gerade deshalb muss die folgende Phase der Verhandlungen über weitere Maßnahmen der Rüstungsbegrenzung und -kontrolle auf der Grundlage der nuklearstrategischen Parität zum Abbau von Disparitäten auf dem Gebiet der atomaren Mittelstreckenraketen genutzt werden.