EU1: Resolution: Offensive für ein soziales Europa (2008)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Lübeck 2008
Bezeichnung: EU1
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


Europapolitische Eckpunkte der SPD Schleswig-Holstein zur Europawahl 2009
(Stand: 13. August 2008)

Europa neu begründen

In der Tradition des Heidelberger Parteitags von 1925 arbeiten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus Überzeugung am Projekt des geeinten Europa als sozialem und demokratischem Bündnis seiner Bürgerinnen und Bürger. Nach zwei Weltkriegen befindet sich Europa in einer einzigartigen Phase des Friedens und hat die Chance, eine starke Stimme für eine solidarische, friedliche und ökologische Politik in der Welt zu erheben. Trotzdem durchlebt Europa eine Vertrauenskrise. Der Ausgang des irischen Referendums zeigt, dass Europa für zu viele Bürgerinnen und Bürger noch zu undurchschaubar ist. Die eigentlichen Ziele, für die die europäische Integration steht, und die Tatsache, dass der Vertrag von Lissabon gerade die Mängel der EU mit mehr Transparenz, mehr Handlungsfähigkeit und mehr Demokratie beheben will, konnten nicht deutlich vermittelt werden. EU-Gegnerinnen und -Gegner hatten mit ihrer Verunsicherungsrhetorik erneut ein zu leichtes Spiel.

Doch gerade angesichts der Globalisierung, in der sich viele Menschen durch einen aggressiven weltweiten Kapitalismus in ihren Zukunftschancen bedroht sehen, stößt der Gestaltungsspielraum nationaler Politik an seine Grenzen. Deshalb ist es gerade jetzt an der Zeit, für die europäische Idee der Solidarität und Freiheit sowie des Friedens neu zu werben. Gerade weil ein Scheitern der europäischen Idee vor allem zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ginge, bekennen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns zu einem demokratischen, sozialen, leistungsfähigen und ökonomisch starken Europa, das aicj für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen steht. Die Utopie eines friedlichen Europa, die wir seit einem halben Jahrhundert leben dürfen, wollen wir erweitern um die machbare Utopie eines sozialen Europa. Nur wer Europa gestaltet, wird den deutschen Sozialstaat erhalten und ausbauen können. Daher werden wir Europa zu einem Raum der sozialen Gerechtigkeit machen!

Mehr soziale Gerechtigkeit

Für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist Europa weit mehr als nur Markt und Wettbewerb. Europa muss vor allem sein soziales Gesicht deutlich zeigen. Nicht Lohn- und Sozialdumping, sondern gute Arbeit, fairer Lohn, ein hoher Arbeitnehmerschutz und Chancengleichheit und die Verwirklichung der Menschenrechte und die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern zählen zu den Grundprinzipien des sozialen Europas.

Wir brauchen deshalb wieder sozialdemokratische Mehrheiten in Europa, um mit Erfolg kämpfen zu können für:

  • verbindliche Mindestlöhne in Deutschland und Europa. Lohndumping ist keine zukunftsweisende Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung. Wir wollen angemessene Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen überall in der EU verwirklichen. Um Deutschland europafit zu machen, brauchen wir Mindestlöhne und für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge.
  • europaweit faire Sozialstandards für alle, die mindestens einzuhalten sind. Deshalb setzen wir uns für eine rechtsverbindliche Sozialklausel als Ergänzung zum Lissabonvertrag ein. Sie wäre dann auch für die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bindend. Es muss Schluss damit sein, dass die Dienstleistungsfreiheit über den Arbeitnehmerschutz gestellt wird und das Streikrecht zum Teil ausgehebelt werden kann.
  • Aus der von EU-Kommission in Juli 2008 vorgelegten erneuerten Sozialagenda für Chancen, Zugang und Solidarität im 21. Jahrhundert muss ein wirkungsvoller sozialpolitischer Handlungsrahmen für die Europäische Union werden. Aus dem gleichfalls vorgelegten Richtlinienvorschlag zur Antidiskriminierung ist ein einheitlicher Rahmen für die gesamte EU zu schaffen.
  • eine Weiterentwicklung der europäischen Tarifautonomie: Das Recht der Tarifparteien, grenzüberschreitend Tarifverträge auszuhandeln, abzuschließen und diese durchzusetzen sowie kollektive Maßnahmen zu ergreifen, muss genauso wie die sonstigen wirtschaftlichen Grundfreiheiten von der EU gewährleistet werden.
  • der von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie über europäische Betriebsräte ist unter Einbeziehung der Überlegungen der Sozialpartner zu einem wirksamen Instrument der Mitbestimmung in Europa weiter zu entwickeln.
  • die Festschreibung der öffentlichen Daseinsvorsorge im europäischen Binnenmarkt. Vor allem Gesundheits- und Pflegedienstleistungen dürfen auch in Zukunft nicht dem freien Wettbewerb ausgesetzt werden. Hierfür werden wir uns, wie schon bei der Dienstleistungsrichtlinie, einsetzen.
  • eine europäische Steuerpolitik. Eine Abstimmung der nationalen Steuerpolitiken und eine einheitlichere Bemessungsgrundlage würden den Spielraum für eine bessere Finanzpolitik vergrößern. Nur so ist der schädliche Wettbewerb um die niedrigsten Steuersätze zu beenden.
  • Sicherung der Menschenrechte. Die Verpflichtung auf die Menschenrechte muss Europa in besonderer Weise dazu bringen, in seiner Asyl- und Einwanderungspolitik Solidarität, Transparenz und Offenheit zu zeigen. Gleichzeitig muss der Menschenhandel gemeinsam und effektiv bekämpft werden.