Es ist Zeit für mehr Vermögensgerechtigkeit! (2019)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteirat
Sitzung: Landesparteiratssitzung, September 2019
Bezeichnung: Soz 22
Antragsteller: Ortsverein Reinfeld und Kreisverband Stormarn


Beschluss: Überwiesen an Bundestagsfraktion

Unsere Gesellschaft teilt sich auf in die Besitzenden und die Besitzlosen. Die Vermögensungleichheit verharrt auf hohem Niveau, und Teile der Bevölkerung am unteren Ende verlieren immer mehr. Nach Schätzungen des DIW[i] besitzen in Deutschland die reichsten Haushalte den Großteil des Privatvermögens: die reichsten 5% mehr als 50%, die reichsten 1 % über 30 % und die reichsten 1‰ mehr als 16 % des Gesamtvermögens. Die unteren 50% der Haushalte besitzen hingegen nur ca. 2% des Vermögens.[ii] Das ärmste Fünftel der Erwachsenen hat überhaupt kein Vermögen, 7% sogar ein negatives Nettovermögen.[iii] Mit Blick auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in unserem Land stehen wir weiterhin vor großen Herausforderungen.[iv]

Eine Politik für gute Bildung und gute Arbeit eröffnet Chancen für Menschen, am Wohlstand unseres Landes zu partizipieren. Trotzdem vererbt sich Vermögensungerechtigkeit über Generationen hinweg, ohne dass die reichsten Haushalte ausreichende Gegenleistungen für die Gesellschaft erbringen. Wir benötigen eine Änderung unseres Steuersystems, um diese Schieflage zu korrigieren. Arbeitseinkommen werden schon jetzt substantiell belastet, Vermögen und Erbschaften hingegen nicht bzw. nur moderat besteuert. Durch den demographischen Wandel wird die Belastung von Arbeitseinkommen weiter verschärft. Zudem werden Digitalisierung und Automatisierung unsere Lebens- und Arbeitswelt verändern. Wie sich dabei Erwerbseinkommen entwickeln, kann heute nur schwer vorhergesagt werden. Automatisierung kann auch bedeuten, dass Erwerbseinkommen für viele als Quelle ihres Lebensunterhalts nicht mehr ausreichen werden.

Unser Ziel ist es, dass alle Menschen an Vermögen, Erträgen und Wachstum partizipieren. Der Spaltung unserer Gesellschaft in Besitzende und Besitzlose muss entgegengewirkt werden. Vermögen müssen adäquat besteuert werden; ein Aufbau von Vermögen auf breiter Basis muss möglich sein. Es ist Zeit für mehr Vermögensgerechtigkeit!

Besteuerung von Vermögen

Die Ausgestaltung der Vermögensbesteuerung und eine progressive Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen unter Gewährung einmaliger, lebenslanger Freibeträge stellen einen wichtigen Hebel dar, um Vermögensgerechtigkeit zu schaffen. Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen müssen abgeschafft werden – eine Fortführung von Betrieben und der Schutz von Arbeitsplätzen bedarf nicht ungerechter, von Fachkompetenz und Leistungsfähigkeit abgekoppelter Vermögensprivilegien, sondern kann z.B. durch staatliche Beteiligungsmodelle gewährleistet werden. Zur vollständigen Erfassung von relevanten Daten durch die Finanzämter und das statistische Bundesamt muss die Politik Vorgaben machen, die eine lückenlose Besteuerung ermöglichen; in Zeiten der Digitalisierung kann eine solche Datenerhebung zu moderaten Kosten umgesetzt werden. Gleichzeitig ist es erforderlich, die Steuergesetzgebung und Doppelbesteuerungsabkommen so zu modifizieren, dass deutsche Staatsbürger unter Berücksichtigung von Freibeträgen weltweit besteuert werden.

Beteiligung an Vermögen

Vermögen und Erträge aus Vermögen ermöglichen den Besitzenden die Finanzierung von Konsum oder Investitionen, ohne dass hierfür Arbeit geleistet wird. Vermögen sind oft ererbt. Gerecht wäre es, allen Menschen solche Einkünfte zu gewähren. Verschiedene Modelle sind denkbar: Ein Vorschlag ist das steuerfinanzierte Grundeinkommen. Ein anderes Instrument ist ein Staatsfond[v] zur Vermögensbeteiligung. Ein solcher Fond stattet die Bürgerinnen und Bürger mit kollektiven Vermögen und mit Kapitaleinkünften aus und kann einen wichtigen Beitrag zur Vermögensgerechtigkeit leisten.

In einen Staatsfond kann konkret aus Steuermitteln jährlich ein definierter Anteil des Bruttoinlandsprodukts investiert werden. Umgekehrt zahlt der Fond einen Anteil der erwirtschaften Rendite aus, z.B. in gleicher Höhe an alle Bürgerinnen und Bürger ab einer festgelegten Altersgrenze. Im Unterschied zu einem steuerfinanzierten Grundeinkommen wird ein Staatsfond über viele Jahre finanziert und ermöglicht damit Generationengerechtigkeit und langfristige kapitalbasierte Vorsorge. Gleichzeitig können die Investitionen weltweit diversifiziert werden, und die Bürgerinnen und Bürger an Wachstum und Erträgen auch außerhalb Deutschlands partizipieren.

Der norwegische Government Pension Fund Global sollte ein Vorbild für die Einrichtung eines Staatsfonds sein und illustriert wichtige Anforderungen an seine Struktur: Ein deutscher Staatsfond sollte regierungsunabhängig, z.B. durch die Bundesbank, verwaltet werden; Investitionen müssen von einer Ethikkommission überprüft werden; inländische Investitionen dürfen nur in kleinem Umfang zulässig sein, um eine breite Diversifikation zu ermöglichen und Korruption vorzubeugen; schließlich sollten die von der International Working Group of Sovereign Wealth Funds im Jahr 2008 formulierten Santiago Principles (GAPP) eingehalten werden.

Zeit für mehr Vermögensgerechtigkeit

Ohne Vermögensgerechtigkeit kann es keine wirkliche Gerechtigkeit geben. Vermögensgerechtigkeit muss als ein zentrales Ziel in das neue Grundsatzprogramm der SPD aufgenommen werden.

Endnoten

[i]S. Bach, A. Thiemann, A. Zucco: Looking for the Missing Rich, DIW Discussion Papers 1717, 2018.

[ii] S. Bach, A. Thiemann, A. Zucco: Looking for the Missing Rich, DIW Discussion Papers 1717, 2018.

[iii] M. Grabka, C. Westermeier: Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in Deutschland, DIW Wochenbericht 9, 2014.

[iv]Wichtige programmatische Positionen hat die SPD Schleswig-Holstein bereits auf dem Landesparteitag vom 23. April 2016 unter der Überschrift "Gerechtigkeit heute – Die Zeit ist reif: Mehr Gerechtigkeit wagen" beschlossen. Diese Überlegungen zu Verteilungsgerechtigkeit, guter Arbeit und sozialer Sicherheit, Bildungsgerechtigkeit, starken Familien und Kindern, starker Gesellschaft und Gerechtigkeit im globalen Maßstab haben nach der Bundestagswahl nicht an Bedeutung verloren und müssen weiterhin im Fokus unserer politischen Diskussion stehen.

[v] T. Böhnke, A. Harnack: Ein Staatsfond für Deutschland?, Bertelsmann Stiftung, 2017.