Flensburger Erklärung (1981)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Harrislee 1981
Bezeichnung: Nicht aufgeführt
Antragsteller: Nicht aufgeführt


Beschluss: Angenommen


Die SPD Schleswig-Holstein führt ihren Landesparteitag 1981 unmittelbar an der deutsch-dänischen Grenze durch. Sie nimmt dies zum Anlaß‚ ihre grundsätzliche Haltung zum deutsch-dänischen Verhältnis und zur Minderheitenpolitik in der folgenden Erklärung zu bestätigen:

Wir wollen zur Vertiefung der deutsch-dänischen Beziehungen beitragen.

Die deutsch-dänischen Beziehungen sind gut. Sie bedürfen jedoch der verständnisvollen Pflege und können weiter verbessert werden. Dazu wollen wir schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten beitragen.

  1. Auf allen Ebenen bestehen Kontakte zwischen deutschen und dänischen Sozialdemokraten. Die Kreisverbände und Ortsvereine sind aufgefordert, diese Kontakte kontinuierlich zu pflegen und auszubauen. Die Beziehungen zwischen unseren Parteien haben eine lange und gute Tradition. Wir denken dankbar daran, wie deutschen Sozialdemokraten in Zeiten der Verfolgung von dänischen Freunden geholfen wurde. Die Begegnungen heute haben uns menschlich reicher gemacht und wertvolle Anregungen für unsere Politik gegeben.
  2. Wir bekennen uns zu der Aufgabe Schleswig-Holsteins‚ eine Brücke des besseren gegenseitigen Verständnisses zwischen den nordischen Ländern und dem übrigen Europa zu schlagen. Dazu gehört, auf europäischer und nationaler Ebene im Sinne guter Nachbarschaft für die Berücksichtigung der besonderen Situation und Probleme Dänemarks einzutreten.

Wir wollen unsere Minderheitenpolitik konsequent fortsetzen.

  1. Das Verhältnis zwischen Mehrheiten und nationalen Minderheiten im Grenzgebiet beeinflußt das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Dänemark. Eine vorbildliche Minderheitenpolitik ist eine nationale und europäische Aufgabe. Für uns Sozialdemokraten ist die Art des Umgangs der Mehrheit mit der nationalen Minderheit ein Maßstab für gelebte Demokratie. Das Aufkommen antidemokratischer Einstellungen geht stets einher mit der Intoleranz gegenüber Minderheiten.
  2. Unter einer sozialdemokratischen Landesregierung wurden in der "Kieler Erklärung" 1949 die Grundsätze-einer demokratischen Minderheitenpolitik formuliert. Sie fanden ihren Niederschlag in der Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949. In der Bonner Minderheitenerklärung von 1955 werden sie wiederholt: "Das Bekenntnis zum dänischen Volkstum und zur dänischen Kultur ist frei und darf von Amts wegen nicht bestritten und nachgeprüft werden." Die friedenstiftende Formel des Grenzlandes lautet also: Deutscher ist, wer Deutscher sein will; Däne ist, wer Däne sein will.
  3. Ziel unserer Minderheitenpolitik in Schleswig-Holstein ist es, unseren dänischen Mitbürgern zu ermöglichen, gleichberechtigt als deutsche Staatsbürger und als Dänischgesinnte zu leben. Dazu gehört, jede offene und versteckte Benachteiligung abzubauen. Es ist stets schwer, sich als nationale Minderheit zu behaupten. Deshalb sind gewisse positive Sonderregelungen für die Minderheit nötig, um Chancengleichheit zu verwirklichen. Vor allem sind eigene soziale und kulturelle Einrichtungen erforderlich, in denen eine dänische Identität erhalten und gepflegt werden kann.
  4. Im Mittelpunkt dieser Einrichtungen stehen die dänischen Schulen. Die Landessatzung garantiert ein besonderes Elternrecht: "Die Erziehungsberechtigten entscheiden, ob ihre Kinder die Schule einer nationalen Minderheit besuchen sollen." Die Schulen der dänischen Volksgruppe sind deshalb keine Privatschulen wie andere. Ihr privater Status hat historische Gründe und gewährleistet ihre Unabhängigkeit. Sie haben den Charakter öffentlicher Schulen für den dänischen Teil des Staatsvolkes. Daraus ergibt sich die Verpflichtung des Landes, die öffentlichen Mittel für das dänische Schulwesen nach dem Prinzip der Gleichberechtigung der Kulturen zu bemessen.
  5. Wir unterstützen auch die Förderung der dänischen Einrichtungen, die für ein dänisches Leben in unserem Lande unverzichtbar sind. Soweit einzelne Gemeinden, in denen sich dänische Einrichtungen konzentrieren, dadurch finanziell über Gebühr belastet werden, muß ein Ausgleich geschaffen werden.
  6. Die Prinzipien unserer Minderheitenpolitik begründen unsere Auffassung, daß die dänischen Abgeordneten in den kommunalen Vertretungen und im Landtag ohne jede Einschränkung ein Vollgültiges Mandat mit allen Rechten und Pflichten wahrnehmen. Diese Rechte in Frage zu stellen oder einzuengen‚ ist undemokratisch und verstößt gegen Inhalt und Geist der Minderheitenerklärungen von Bonn und Kopenhagen. Wir lehnen jeden Versuch dazu entschieden ab.

Die Lage im Grenzgebiet weiter zu stabilisieren, ist für uns eine ständige politische Aufgabe.

  1. Die politische Lage im Grenzland wird zu Recht als gut bezeichnet. Ob das positive Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit auch Belastungsproben gewachsen ist, vermag niemand zu sagen. Deshalb bleibt es eine täglich neu gestellte Aufgabe, das Verhältnis zwischen Deutschen und Dänen zu stabilisieren und zu verbessern.
  2. Eine wichtige Aufgabe muß es sein, mehr übereinander zu erfahren. Aus Unwissenheit und Desinteresse können gegenüber der Minderheit Äußerungen gemacht und Entscheidungen gefällt werden, die verletzend und diskriminierend wirken. Deshalb fordern wir unsere Mitglieder auf, in den Organisationen die Kontinuität der Information über Minderheitenfragen sicherzustellen. Wir appellieren an Landtag und Landesregierung, an Presse, Rundfunk und Fernsehen, noch mehr und noch besser über die Situation und Probleme der Minderheiten und des Grenzlandes zu informieren.

Wir fühlen uns mit der deutschen Minderheit in Dänemark solidarisch.

Von den Prinzipien unserer Minderheitenpolitik ist auch unsere Haltung zur deutschen Volksgruppe in Nordschleswig bestimmt. Die schleswig—holsteinische SPD wird ihre guten Kontakte zur deutschen Minderheit fortsetzen und vertiefen. Sie setzt sich für ihre berechtigten Forderungen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Schleswig-Holstein ein. Sie ist überzeugt, daß optimale Lösungen im Verhältnis zwischen der deutschen Mehrheit und der dänischen Minderheit sich positiv auf die berechtigten Forderungen der Deutschen in Dänemark auswirken werden. Die deutsche Volksgruppe kann sich auf die aktive Solidarität der schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten verlassen.