G15: Änderungsantrag zum Grundsatzprogramm / Hamburger Programm (2007)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Kiel 2007
Bezeichnung: G15
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


Der Bundesparteitag möge beschließen:


Kapitel 4. „Unsere Ziele, unsere Politik“, Ziff. 4.8 „Kinder und Familien stärken“ (S. 64 ff.) wird Ziff. 4.9 und erhält folgende Fassung:


4.9. Kinder und Familien stärken

Kinder verkörpern Freude auf die Zukunft. Wir wollen eine kinderfreundliche Gesell­schaft. Dazu gehören die Unterstützung von Familien, in denen Kinder aufwachsen, und ein Klima der Aufgeschlossenheit und Akzeptanz gegenüber den Bedürfnissen von Kindern.

Wir sehen in einer erfolgreichen Kinder- und Familienpolitik eine Schlüsselfrage für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes – sozial, wirtschaftlich und politisch. Familien leisten viel für unsere Gesellschaft. Aber Familien sind in der Vergangenheit allzu oft mit ihren Aufgaben allein gelassen worden. Überholte Rollenbilder und politische Versäumnisse führten zu einer anhaltend niedrigen Geburtenrate in Deutschland; mangelndes Problembewusstsein und öffentliche Ignoranz ließen viele Bildungs- und Lebenschancen für Kinder verloren gehen. Kinder- und Familienpolitik müssen vom Rand ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rücken. Wir brauchen eine Kinder- und Familienpolitik, die Grenzen von Ressorts und Zuständigkeiten überwindet.

Nur eine kinderfreundliche Gesellschaft kann Zukunft haben. Wir wollen, dass junge Frauen und Männer ihre Lebenspläne - ihre Wünsche nach Kindern und nach Berufstätigkeit – gleichermaßen verwirklichen können. Auch wer sich mehrere Kinder wünscht, auch wer sich dabei noch in der Phase von Ausbildung oder Berufseinstieg befindet, soll neben finanziellen Hilfen ausreichende Betreuungsangebote und flexible Regelungen bei der Arbeit vorfinden. Es ist eine massive Einschränkung von individueller Freiheit und von Lebenschancen, wenn viele Männer und Frauen wegen der mangelnden Vereinbar­keit von Familie und Beruf kinderlos bleiben. Das gilt auch wenn umgekehrt ein Elternteil wegen dieser mangelnden Vereinbarkeit auf eine der persönlichen Qualifikation, Interessenlage und Leistungsbereitschaft entsprechende Berufstätigkeit verzichten muss. Daher muss die Arbeitswelt endlich den Bedürfnissen von Familien Rechnung tragen.

Erwerbsverhältnisse, die auf Dauer weder Planbarkeit noch wirtschaftliche Selbstständigkeit ermöglichen, erschweren jungen Menschen die Entscheidung für Kinder. Arbeitsbedingungen, die sich immer einseitiger am Ideal des allzeit verfügbaren Individuums ausrichten, gefährden stabile zwischenmenschliche Beziehungen und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land. Arbeitszeiten, aber auch betriebliche Aus- und Fortbildungszeiten müssen sich stärker an den Bedürfnissen von Eltern orientieren. Somit eröffnen wir ihnen gleiche Chancen auf eine Existenz sichernde Erwerbsarbeit, gleiche Chancen auf Karriere und Führungspositionen und die Möglichkeit für eine partnerschaftliche Teilung der Erziehungs- und Familienaufgaben. Das nutzt Familien und Unternehmen.

Wir finden uns nicht damit ab, dass Alleinerziehende das größte Armutsrisiko in unserer Gesellschaft tragen – dass Kinder, die von Sozialhilfe leben müssen, Ausgrenzung, Stigma­tisierung und Chancenlosigkeit erfahren. Wenn Eltern sich trennen, muss zuerst für ihre Kinder gesorgt sein. Der Staat hat durch Betreuungsangebote, Bildung und Weiterqualifikation zu gewährleisten, dass Alleinerziehende erwerbstätig sein können.

Wir akzeptieren nicht länger, dass soziale Situation und Herkunft der Eltern über Bildungs- und spätere Erwerbschancen ihrer Kinder entscheiden. Familien-, Betreuungs- und Schulpolitik ist darum ein wichtiger Bestandteil von Integrationspolitik. Kindertageseinrichtungen erhalten einen Bildungsauftrag und werden personell und finanziell so ausgestattet, dass sie diesen erfüllen können. Schule wird, etwa nach dem Vorbild der schleswig-holsteinischen Gemeinschaftsschule, zu einem „Ort längeren gemeinsamen Lernens für alle“.

Wir orientieren unser Familienbild an der gesellschaftlichen Wirklichkeit und an den Wünschen der Menschen. Wir unterstützen somit neben der Ehe auch andere gemeinsame Lebenswege, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und allein erziehende Eltern. Familie ist dort, wo Kinder sind und wo Lebenspartner oder Generationen füreinander einstehen. Jeder hat Familie, auch Menschen ohne eigene Kinder.

Unser Leitbild ist die Familie, in der Mutter und Vater gleichermaßen für den Unterhalt und die Fürsorge verantwortlich sind. Das will die große Mehrheit der jungen Menschen. Es entspricht den Bedürfnissen der Kinder nach Mutter und Vater, und es sichert die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Familien. Daher ist das Ehegatten­splitting überholt und wird von uns zugunsten einer auch wirtschaftlichen Gleich­stel­lung beider Partner abgeschafft werden. Gleichzeitig verdient die Leistung allein erziehender Eltern mehr Anerkennung und Unterstützung.

Die Entscheidung für Kinder ist und bleibt privat. Aber zugleich beeinflusst jedes Ja oder Nein zu einem Kind die Zukunft unseres Landes. Wir wollen deshalb die gesellschaftliche Verantwortung für Kinder stärken. Das heißt: intensive fachliche Begleitung für alle Eltern und einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung ab dem zweiten Lebensjahr. Eltern brauchen gerade in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder mehr Unterstützung. Was Mütter und Väter in dieser frühen Phase versäumen, kann später nur schwer ausgeglichen werden. Beide Elternteile haben das Recht, aber auch die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder.

Eine besondere Verantwortung hat der Staat für Kinder, die in ihren Familien keine ausreichende Unterstützung bekommen oder sogar Gewalt erfahren. Das Elternrecht findet seine Grenzen, wo das Kindesrecht verletzt wird. Kinder haben eigene Rechte und wir wollen, dass sie in der Verfassung verankert werden. Wenn Konflikte in der Familie in Gewalt gegen Frauen oder die Vernachlässigung von Kindern ausarten, müssen Staat und Gesellschaft eingreifen.