Grundwert Arbeit für Frauen (1977): Unterschied zwischen den Versionen

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''(Veröffentlicht in: „Zur Sache“ Nr. 5, August 1977 - Herausgeber: SPD-Landesverband Schleswig-Holstein)''
''(Veröffentlicht in: „Zur Sache“ Nr. 5, 1977 - Herausgeber: SPD-Landesverband Schleswig-Holstein)''




# Das Recht auf Arbeit ist unteilbar. Es muss für alle Menschen, für Frauen und Männer, Jugendliche und Ältere und Behinderte in den Verfassungen des Bundes und der Ländern verankert werden.
Das politische System der Bundesrepublik steht vor der Aufgabe, Strukturprobleme bisher nicht bekannten Ausmaßes bewältigen zu müssen. Herkömmliche Erklärungsmuster reichen als Grundlage für künftiges politisches Handeln ebenso wenig aus wie herkömmliche Strategien und Instrumente zu ihrer Bewältigung.
# Das Recht auf Arbeit ist als Grundwert des demokratischen Sozialismus das Fundament sozialdemokratischer Politik. Der Kampf um das Recht auf Arbeit ist die geschichtliche Wurzel der SPD. Das Recht auf Arbeit ist ein Fundament sozialdemokratischer Politik. Das Recht auf Arbeit gibt den Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität (Godesberger Programm) erst ihren konkreten Sinn.
 
# Arbeit bedeutet für Sozialdemokraten mehr als Vollbeschäftigung und Geldverdienen. Das heißt, dass der Mensch sich durch seine Arbeit verwirklichen kann.
In einer Zeit, in der neue Maßnahmen und Instrumente zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme gesucht und gefunden werden müssen, gewinnen die Grundwerte des demokratischen Sozialismus ein neues Gewicht als Leitlinien sozialdemokratischen Handelns.
# Das Recht auf Arbeit für Frauen und Männer ist Voraussetzung für Wahlmöglichkeiten ihrer Lebensform. Weder dem Mann noch der Frau darf aufgezwungen werden, sich entweder für Erwerbstätigkeit oder für Familie entscheiden zu müssen. Beide haben das gleiche Recht auf Arbeit und das gleiche Recht auf Familie und Kindererziehung.
 
# Das Recht auf Arbeit ist gefährdet,  
Der Grundwert der Solidarität, der in der Geschichte der Arbeiterbewegung und des demokratischen Sozialismus stets eine entscheidende Rolle gespielt hat, hat dabei heute besondere Bedeutung:
#* weil die Investitionen der Wirtschaft sich einseitig am privatwirtschaftlichen Gewinnstreben orientieren;
* weil um die erkennbar langfristig knappen Arbeitsplätze ein harter Verteilungskampf der Arbeitnehmer entstanden ist, der sich noch zu verschärfen droht;
#* weil die Lasten von Wirtschaftskrisen einseitig den Arbeitnehmern aufgebürdet werden;
* weil bestimmte Gruppen unserer Gesellschaft wegen ihrer spezifischen Probleme stärker als andere Gruppen die Folgen dieser Strukturkrise und dieses Verteilungskampfes um Arbeit zu tragen haben - dazu zählt die große Gruppe der Frauen - und
#* weil der Anspruch junger Menschen auf Ausbildungs- und Arbeitsplätze nicht erfüllt wird;
* weil die Probleme der Frauen zwar theoretisch als Probleme der Gesellschaft anerkannt werden (Grundgesetz, Godesberger Programm, Orientierungsrahmen '85), in der Praxis aber die Problemlösungen nicht Schritt gehalten haben mit den theoretischen Zielsetzungen, und
#* weil in den öffentlichen Haushalten Sparpolitik zu Lasten von Arbeitsplätzen betrieben wird und durch Privatisierung Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst verloren gehen;
* weil nun außerdem die Gefahr besteht, dass den Frauen in der Krise das wieder weggenommen wird, was im Aufbruch der Reformpolitik, in den Zeiten des Konjunkturhochs, von der SPD und den Gewerkschaften für sie erkämpft werden konnte.
#* weil Rationalisierung und Automatisierung schneller fortschreiten als die Bereitstellung neuer Arbeitsplätze;
 
#* weil Arbeitnehmer von den Arbeitgebern aus ihren Betrieben ausgesperrt werden können;
Dass diese Sorgen berechtigt sind, zeigt sich an folgenden Tatbeständen:
#* weil von privaten Arbeitgebern ausgeklügelte Persönlichkeitstests angewendet werden, die tief in die persönliche Sphäre der Bewerber um einen Arbeitsplatz eingreifen;
# Überproportionaler Rückgang der Zahlen der Mädchen bei Abschlüssen von Ausbildungsverträgen und der  Aufnahme von Studiengängen,
#* weil die regionale und überregionale Strukturpolitik ein ausreichendes Arbeitsplatzangebot nicht garantiert;
# überproportionaler Anteil der Frauen an der Arbeitslosigkeit,
#* weil durch Zentralisation und Konzentration wirtschaftlicher Macht der Wettbewerb zunehmend ausgeschaltet wird.
# unterdurchschnittlicher Anteil der Frauen an der Entlohnung,
# Das Recht auf Arbeit ist für Frauen besonders gefährdet,
# unterdurchschnittlicher Anteil an industriellen Arbeitsplätzen,
#* weil Frauen traditionell von der Gesellschaft die Aufgabe zugewiesen wird, im privaten Bereich die Versorgung des Haushalts, die Erziehung der Kinder, Hilfe für Pflegebedürftige und die Wiederherstellung der Arbeitskraft der Männer leisten;
# Wiederaufleben des traditionellen Rollenverständnisses durch Rückdrängung der Frauen,
#* weil Mädchen schon in Familie und Schule rollenspezifische Lerninhalte und Verhaltensmuster eingeübt werden, die ihre Berufswahl beschränken;
# keine Fortschritte in der Präsenz der Frau in der Politik, Wirtschaft und Forschung.
#* weil durch die Existenz eines für Männer und Frauen geteilten Arbeitsmarktes die Mehrheit der Frauen in ihrer Berufswahl und ihren Berufschancen eingeengt werden;
 
#* weil Frauen immer noch keine oder nur eine geringere Ausbildung erhalten;
Im Bewusstsein, dass für die Mehrheit der Frauen soziale, wirtschaftliche und politische Benachteiligungen erst in dem Maß eingebaut werden, wie die Frauen in die Industriegesellschaft und die Politik einbezogen werden, bekräftigt die SPD Schleswig-Holstein den Grundwert Arbeit auch für Frauen und erklärt ihre Solidarität mit dem Ziel, das Recht auf Arbeit, Ausbildung und politische Mitbestimmung für Frauen durch geeignete Maßnahmen in der Praxis zu verwirklichen. Dabei sind wir uns bewusst, dass nur in der engen Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und durch die Stärkung von Arbeitnehmerrechten unsere Ziele verwirklicht werden können.
#* weil die gesellschaftlichen Verhältnisse viele Frauen zur Übernahme von Teilzeitarbeit zwingen, mit den Folgen: hohes Arbeitsplatzrisiko - keine Aufstiegschancen - unzureichende soziale und wirtschaftliche Sicherung;
#* weil die Mehrfachbelastung durch Beruf und Familienaufgaben verhindert, dass Frauen beruflich aufsteigen und gesellschaftliche Aufgaben wahrnehmen können;
#* weil Frauen durch Machtstrukturen und Vorurteile an Erwerbstätigkeit, Beruf und Aufstieg gehindert werden.
# Sozialdemokratische Politik muss deshalb für alle Menschen, die arbeiten können und arbeiten wollen, sicherstellen die Verwirklichung
#*  des Rechts auf Bildung und Ausbildung,
#*  des Rechts auf einen Arbeitsplatz,
#*  des Rechts auf soziale Sicherheit,
#*  des Rechts auf Menschlichkeit und Demokratie in der Arbeitswelt.
# Die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit ist das politische Ziel und der Maßstab, mit dem die Glaubwürdigkeit und die politische Praxis der Sozialdemokraten in Regierung, Parlamenten und Partei gemessen werden.

Aktuelle Version vom 3. Juni 2015, 15:10 Uhr

Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Bad Bramstedt 1977
Bezeichnung:
Antragsteller: Nicht aufgeführt


Beschluss: Angenommen


(Veröffentlicht in: „Zur Sache“ Nr. 5, 1977 - Herausgeber: SPD-Landesverband Schleswig-Holstein)


Das politische System der Bundesrepublik steht vor der Aufgabe, Strukturprobleme bisher nicht bekannten Ausmaßes bewältigen zu müssen. Herkömmliche Erklärungsmuster reichen als Grundlage für künftiges politisches Handeln ebenso wenig aus wie herkömmliche Strategien und Instrumente zu ihrer Bewältigung.

In einer Zeit, in der neue Maßnahmen und Instrumente zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme gesucht und gefunden werden müssen, gewinnen die Grundwerte des demokratischen Sozialismus ein neues Gewicht als Leitlinien sozialdemokratischen Handelns.

Der Grundwert der Solidarität, der in der Geschichte der Arbeiterbewegung und des demokratischen Sozialismus stets eine entscheidende Rolle gespielt hat, hat dabei heute besondere Bedeutung:

  • weil um die erkennbar langfristig knappen Arbeitsplätze ein harter Verteilungskampf der Arbeitnehmer entstanden ist, der sich noch zu verschärfen droht;
  • weil bestimmte Gruppen unserer Gesellschaft wegen ihrer spezifischen Probleme stärker als andere Gruppen die Folgen dieser Strukturkrise und dieses Verteilungskampfes um Arbeit zu tragen haben - dazu zählt die große Gruppe der Frauen - und
  • weil die Probleme der Frauen zwar theoretisch als Probleme der Gesellschaft anerkannt werden (Grundgesetz, Godesberger Programm, Orientierungsrahmen '85), in der Praxis aber die Problemlösungen nicht Schritt gehalten haben mit den theoretischen Zielsetzungen, und
  • weil nun außerdem die Gefahr besteht, dass den Frauen in der Krise das wieder weggenommen wird, was im Aufbruch der Reformpolitik, in den Zeiten des Konjunkturhochs, von der SPD und den Gewerkschaften für sie erkämpft werden konnte.

Dass diese Sorgen berechtigt sind, zeigt sich an folgenden Tatbeständen:

  1. Überproportionaler Rückgang der Zahlen der Mädchen bei Abschlüssen von Ausbildungsverträgen und der Aufnahme von Studiengängen,
  2. überproportionaler Anteil der Frauen an der Arbeitslosigkeit,
  3. unterdurchschnittlicher Anteil der Frauen an der Entlohnung,
  4. unterdurchschnittlicher Anteil an industriellen Arbeitsplätzen,
  5. Wiederaufleben des traditionellen Rollenverständnisses durch Rückdrängung der Frauen,
  6. keine Fortschritte in der Präsenz der Frau in der Politik, Wirtschaft und Forschung.

Im Bewusstsein, dass für die Mehrheit der Frauen soziale, wirtschaftliche und politische Benachteiligungen erst in dem Maß eingebaut werden, wie die Frauen in die Industriegesellschaft und die Politik einbezogen werden, bekräftigt die SPD Schleswig-Holstein den Grundwert Arbeit auch für Frauen und erklärt ihre Solidarität mit dem Ziel, das Recht auf Arbeit, Ausbildung und politische Mitbestimmung für Frauen durch geeignete Maßnahmen in der Praxis zu verwirklichen. Dabei sind wir uns bewusst, dass nur in der engen Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und durch die Stärkung von Arbeitnehmerrechten unsere Ziele verwirklicht werden können.