Initiativ I: Arbeit, Wirtschaft, berufliche Bildung, Mittelstand - Reformen für eine solidarische Gesellschaft (2003)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Bad Segeberg 2003
Bezeichnung: Initiativ I
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


Alte Werte in neuer Bewährung

Zu Beginn des 21.Jahrhunderts prägen insbesondere zwei große Veränderungen unsere Gesellschaft:

  • Der traditionelle Konflikt zwischen Kapital und Arbeit wird zunehmend durch massive neue Interessengegensätze überlagert: zwischen Arbeitsplatzbesitzern und Arbeitslosen, zwischen Familien mit Kindern und Kinderlosen, zwischen der jüngeren und der älteren Generation, zwischen einheimischer Bevölkerung und Migranten.
  • Der Wettbewerb in der globalisierten Wirtschaft wird immer schärfer. Die Spielräume für rein nationale Lösungsstrategien werden immer geringer. Dort, wo die Politik, Tarifpartner und andere Akteure auf den Reformdruck nicht oder unzureichend reagieren, werden Investitionen und Arbeitsplätze abgezogen.


Für uns Sozialdemokraten lautet die Antwort auf diese Entwicklungen: Wir wollen sie nach sozialdemokratischen Werten gestalten. Unsere Ziele sind:

  • Alle haben die gleichen Chancen.
  • Alter, Krankheit, Not werden solidarisch abgesichert und nach Leistungsfähigkeit finanziert.
  • Gesellschaftliche Lasten werden gerecht verteilt.


Grundlegende Reformen des Arbeitsmarktes, des Gesundheits- und Rentensystems, der Schulen und Hochschulen sowie des Steuer- und Abgabensystem sind zur Sicherung dieser Ziele dringend notwendig. Wir begrüßen, dass der Bundeskanzler am 14. März 2003 im Bundestag ein solches Reformpaket vorgestellt hat.


Nur derartige Strukturreformen ermöglichen in Zukunft,

  • dass die notwendigen Mittel für die soziale Sicherheit und für die öffentliche Daseinsvorsorge erwirtschaftet werden können und die Kosten tragbar bleiben;
  • dass jeder Einzelne wieder angemessene Lebenschancen erhält, indem eine wachsende Wirtschaft die zusätzlichen Arbeitsplätze bereitstellt, die zur ökonomischen und sozialen Teilhabe aller gebraucht werden.


Soziale Gerechtigkeit in der sich verändernden Gesellschaft des 21.Jahrhunderts bedeutet zum Beispiel,

  • die Lasten zwischen den Menschen im Ruhestand und den Menschen in der Erwerbsphase angesichts einer älter werdenden Gesellschaft gerecht zu verteilen;
  • allen Gruppen der Gesellschaft einen chancenreichen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen;
  • Leistungen der Solidargemeinschaft auf Kernaufgaben zu konzentrieren und gegebenenfalls von Gegenleistungen abhängig zu machen;
  • die besonders Vermögenden etwa im Rahmen der Erbschaftsteuer oder einer gerechten und mittelstandsfreundlichen Besteuerung der Vermögenserträge und Einkommen stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben heranzuziehen.


Insbesondere bedeutet dieses Verständnis von sozialer Gerechtigkeit, dass – als grundlegende Voraussetzung für Chancengerechtigkeit - Ausbildungsmöglichkeiten für alle geboten werden müssen. Die Chance auf Bildung und berufliche Fortbildung darf nicht von der sozialen Herkunft bzw. sozialen Stellung abhängen.


Arbeit für alle

Es bleibt unser Ziel, jedem Menschen, der arbeiten kann, einen Arbeitsplatz anzubieten. Die Hartz-Gesetze sollen die Vermittlung Arbeitssuchender beschleunigen und die Beschäftigung im Niedriglohnbereich sowie auf Zeitbasis ausweiten. Die Erfolge des Elmshorner Modells zeigen, dass es im Bereich der Arbeitsplätze mit geringer Qualifikation ein beachtliches Potenzial gibt und eine hohe Bereitschaft der Unternehmen, diese mit Arbeitskräften zu besetzen, wenn ihnen der betriebswirtschaftliche Nutzen vermittelt wird. Diese Schritte zur Belebung des Arbeitsmarktes begrüßen wir.

Notwendig ist jedoch vor allem, dass mehr Arbeitsplätze entstehen. Beschäftigungspolitik bedeutet gerade in SH Mittelstandspolitik. Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Er bildet am meisten aus, er schafft am meisten Arbeitsplätze, er übernimmt persönliche Verantwortung für Betrieb und Belegschaft und er engagiert sich im Gemeinwesen. Wir unterstützen die Landesregierung auf ihrem Weg, für die kleinen und mittleren Betriebe günstige Investitions- und Beschäftigungsbedingungen zu sichern. Wir wollen, dass SH ein besonders mittelstandsfreundliches Land bleibt.

Gerade die kleinen und mittleren Betriebe brauchen entscheidende Entlastungen und bessere Rahmenbedingungen, damit sie ihre Kräfte voll entfalten können:

  • Die im internationalen Vergleich viel zu hohen Lohnnebenkosten müssen deutlich gesenkt werden. Wir unterstützen die vom Bundeskanzler am 14. März 2003 angekündigten Reformmaßnahmen. Die Leistungskataloge der Sozialsysteme sind im Sinne einer echten Solidargemeinschaft zu überprüfen sowie Verschwendung und Ineffizienz zu beseitigen.
  • Erforderlich ist - auch aus Gründen der Gerechtigkeit - eine breitere Finanzierungsbasis. Dazu gehören die Einbeziehung weiterer Einkommensarten über Löhne und Gehälter hinaus sowie eine teilweise Umfinanzierung der Sozialversicherungsleistungen aus dem Steueraufkommen. Beispielhaft sei hier das Mutterschaftsgeld erwähnt.
  • Wichtig ist eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, die aber sicherstellt, dass jeder auch weiterhin eine notwendige medizinische Versorgung unabhängig von Alter und Einkommen erhält. Grundvoraussetzung für ein finanzierbares System ist kostenbewusstes Verhalten bei Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken, Pharmaunternehmen und Versicherten.
  • Insbesondere mittelständische Unternehmen müssen von vermeidbaren bürokratischen Pflichten freigehalten werden und durch eine serviceorientierte Verwaltung unterstützt werden.
  • Zur Sicherung der Finanzierung des Mittelstands als dem wirtschaftlichen Kraftwerk erwarten wir von der Bundesregierung entschlossene Maßnahmen. So muss die Eigenkapitalausstattung, unter anderem durch steuerliche Maßnahmen, verbessert werden. Zugleich muss gerade für kleine und mittlere Unternehmen der Zugang zu Beteiligungskapital und die Kreditversorgung sichergestellt sein.
  • Bei kleinen Betrieben, die wegen ihres geringen Mitarbeiterstammes weniger flexibel sind und dennoch Entlassungen eher vermeiden als größere, unterstützen wir eine Flexibilisierung des Kündigungsschutzes. Ein generelles Infragestellen des Kündigungsschutzes und anderer Arbeitnehmerschutzrechte lehnen wir ab.
  • Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen für alle Betriebe, und dies erfordert die Einhaltung der Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen. Wir Sozialdemokraten haben in Schleswig-Holstein ein Landestariftreuegesetz auf den Weg gebracht. Wir fordern die Bundesregierung auf, einen weiteren Vorstoß für ein bundeseinheitliches Gesetz zu starten.


Unser Ziel ist es, dass jedem Jugendlichen ein Ausbildungsplatz angeboten wird. Dazu sollen kurzfristig im Rahmen des erfolgreichen „Bündnis für Ausbildung“ weitere Maßnahmen gestartet werden, um mehr Ausbildungsplätze zu akquirieren, die Jugendlichen intensiver auf die Berufsausbildung vorzubereiten, für Mangelberufe zu werben und die Abbrecherquote zu senken. Darüber hinaus unterstützen wir die Initiative des Landeswirtschaftsministers für ein Sofortprogramm zur Schaffung von Ausbildungsplätzen.

Eine Ausbildungsplatzumlage soll nach Möglichkeit vermieden werden. Sie wäre das äußerste Mittel, wenn die Wirtschaft ihrer Verpflichtung zu einer angemessenen Bereitstellung von Ausbildungsplätzen nicht nachkommt.

  • Wir fordern die Bundesregierung auf sicherzustellen, dass bei der Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr genügend Mittel zur Finanzierung der beruflichen Ausbildung zur Verfügung stehen.
  • Das erfolgreiche Programm „Arbeit für Schleswig-Holstein 2000“ ist auch darauf zu überprüfen, wie die Finanzierung von Ausbildungsplätzen stärker unterstützt, besondere Zielgruppen gefördert und die berufliche Weiterbildung ausgebaut werden können. Die Integration möglichst vieler Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt ist vorrangiges Ziel. Dabei soll es für Gruppen, die derzeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht untergebracht werden können, auch weiter besondere Angebote geben.
  • Die Förderprogramme des Landes sind insgesamt darauf auszurichten, dass durch sie Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden.


Zur Vermeidung eines zunehmenden Investitionsstaus und zur Verstärkung konjunktureller Impulse muss die öffentliche Investitionstätigkeit auf einem wachstumsfördernden Niveau stabilisiert werden. Die beabsichtigten Maßnahmen der Bundesregierung zur Stärkung der Investitionskraft der Kommunen werden ausdrücklich begrüßt. Wir erwarten eine schnelle und konsequente Umsetzung.