K1: Ohne starke Kommunen kein Staat! (2013)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
Version vom 20. August 2013, 15:42 Uhr von Julia (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Büdelsdorf 2013
Bezeichnung: K1
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


Die Städte und Gemeinden in unserem Land sind Orte der sozialen Demokratie. In ihnen entfaltet sich das soziale Leben, hier arbeiten die Menschen, hier verbringen sie ihre Freizeit. In Schleswig-Holsteins Städten und Gemeinden treffen Handel und Dienstleistungen aufeinander und sind vielfache Standorte von Industrie und Gewerbe. Hier kristallisiert sich kulturelles Leben, hier sind die Orte der Kommunikation, Integration und Begegnung. Unsere Städte und Gemeinden haben jede für sich ihre eigene Geschichte und die Summe dieser geschichtlichen Entwicklungen bildet das solide Fundament unserer schleswig-holsteinischen Landesgeschichte. Zugleich sind unsere Städte und Gemeinden immer wieder Orte der Modernisierung. Sie stiften Identität und sind die Trägerinnen wichtiger öffentlicher Einrichtungen sowie Infrastrukturen der Daseinsvorsorge. Ohne die Kommunen wären Staat und Gesellschaft in Schleswig-Holstein nicht funktionsfähig. Von ihrem Wohl hängt der Zusammenhalt unseres ganzen Gemeinwesens ab: Ohne Städte und Gemeinden kein Staat!

Besonders ist der ehrenamtliche Einsatz in unseren Gemeinden und Kreisen hervorzuheben. Hier setzen sich Bürgerinnen und Bürger für ihre Mitmenschen tatkräftig ein. Wir brauchen mehr ehrenamtlich Tätige. Daher sind auch vom Land Anreize zur Förderung des kommunalen Ehrenamtes zu setzen.

Die SPD gestaltet die solidarische Gesellschaft vor Ort. Unsere Fraktionen in den Kommunalvertretungen unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben einen kommunalen Gestaltungsanspruch, der nicht am Ortsschild der jeweiligen Stadt oder Gemeinde endet. Unsere Städte und Gemeinden sind uns dabei Heimat und Herausforderung zugleich. Unsere Leitlinie ist gesellschaftlicher Zusammenhalt, soziale Gerechtigkeit und ein wirtschaftliches Wachstum, das gute Arbeit schafft und erhält. Die SPD ist die Partei, die für jene Menschen einsteht, die ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen und verdienen wollen. Und die sich kümmert, die auch Gutes und Bewährtes bewahrt und die für die Schwächeren eintritt. Unsere Vorstellung von Gemeinwohl stellen wir dabei gegen eine Politik der Bevorzugung von Einzelinteressen und eine gesellschaftliche Entsolidarisierung.


Der demografische Wandel – die zentrale Herausforderung

Unsere Städte und Gemeinden stehen vor enormen Veränderungen: Zentrale Herausforderung ist der demografische Wandel. Dies führt dazu, dass die Einwohnerzahl in Kiel, Flensburg und in den meisten Kreisen des Hamburger Umlandes bis zum Jahr 2025 zunimmt, während die Städte Lübeck und Neumünster und die anderen Kreise im gleichen Zeitraum mit einer deutlich zurückgehenden Bevölkerung rechnen müssen. Außerdem wird es in Schleswig-Holstein weniger Kinder und deutlich mehr ältere Menschen geben. Auch hier werden die ländlichen Kreise die Veränderungen am stärksten spüren. Städte und Gemeinden müssen sich auf diese Herausforderungen einstellen. Während Städte sich überwiegend auf einen Bevölkerungsanstieg und einen Ausbau der Infrastruktur einstellen müssen, sind die Gemeinden im ländlichen Raum im Gros stärker bei deren Erhalt und der Weiterentwicklung der Angebote gefordert.

Eins ist allen Städten und Gemeinden gemein: Die Ansprüche an öffentliche Leistungen sind gestiegen. Erwartet werden ein gleichberechtigter Zugang zu öffentlichen Gütern und deren gerechte Verteilung. Soziale und ökologische Ziele sollen gleichermaßen beachtet werden. Klimaschutz und Energiewende eröffnen neue Chancen, verlangen aber ebenso einen veränderten Markt und Investitionen in dezentrale Strukturen vor Ort. Gute, bedarfsgerechte Kinderbetreuungsangebote und zukunftsweisende Schulinfrastruktur sind die Grundlage für Wachstum und Wohlstand in unserer Gesellschaft.

Unsere Kommunalpolitik richtet sich an alle Städte und Gemeinden – egal welcher Größe. In ihrem Hamburger Programm hat sich die SPD deshalb zum Leitbild der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse bekannt. Ob Stadt oder ländliche Gemeinde: Jede und jeder muss vergleichbare Chancen bekommen. Damit dieses Ziel erreicht wird, ist uns wichtig, die Lebensverhältnisse in der Region in den Blick zu nehmen. Bereits jetzt gibt es in vielen Bereichen eine Arbeitsteilung zwischen den Zentren in einer Region und den umliegenden Gemeinden. Dies gilt es auszubauen. Solidarisch Kräfte bündeln – das ist unsere sozialdemokratische Antwort auf die zentrale kommunalpolitische Herausforderung, den demografischen Wandel. Dabei sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten besonders gefordert. Wir „können“ Stadt und haben den ländlichen Raum im Blick. Städte und Gemeinden haben sich ihre Einheit bewahrt. Städte und ländlicher Raum werden von uns nicht gegeneinander ausgespielt.

Das Leitbild unseres Hamburger Programms wird sich aber nur dann in die Praxis umsetzen lassen, wenn endlich den Städten und Gemeinden auch die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Zu lange haben die Städte und Gemeinden im Schatten von Bund und Land gestanden. Es ist daher konsequent von der rot-grün-blauen Landesregierung, künftig die Städte und Gemeinden in den Fokus des politischen Handelns rücken zu wollen. Die sofort nach Regierungsübernahme gestartete Kommunalkonferenz ist hierfür nur ein Beispiel.


Kommunale Finanzen stärken – für ein starkes Gemeinwesen

Aus den Kommunalhaushalte nmüssen heute bei zu wenigen Einnahmen zu viele Aufgaben finanziert werden. Deshalb gilt es, Defizite Schritt für Schritt abzubauen und zugleich intelligent in die Infrastruktur zu investieren. Über viele Jahrzehnte aufgebautes Vermögen der Städte und Gemeinden darf nicht dadurch aufgezehrt werden, dass notwendige Instandsetzungen veralteter Anlagen unterlassen oder marode Gebäude nicht saniert werden. Solidität geht vor Zügigkeit: Defizite der Vergangenheit, die über viele Jahre aufgelaufen sind, verschwinden nicht über Nacht.

Gemeinsam werden wir alles daran setzen, trotz knapper öffentlicher Mittel die Kommunalfinanzen in Schleswig-Holstein zu stabilisieren. Nur so können Kommunen die ihnen zugewiesene Rolle bei den Bildungsinvestitionen ausfüllen. Ein erster Schritt ist bereits getan: Die SPD hat in ihrem Regierungsbündnis das Konsolidierungshilfegesetz neu aufgelegt. Die 16 am stärksten Not leidenden Kommunen erhalten von der Solidargemeinschaft der Kommunen und des Landes über 7 Jahre hinweg Hilfen in Höhe von jährlich 75 Mio. € zur Rückführung ihrer aufgelaufenen Defizite. Im Gegenzug haben sich diese Kommunen verpflichtet, durch nochmals verstärkte Ausgabenreduzierungen und Einnahmesteigerungen ihren Eigenanteil zur Konsolidierung leisten. Auf Augenhöhe und in gegenseitigem Vertrauen sind entsprechende Verträge mit dem Innenministerium ausgehandelt worden. Sie verlangen allen Beteiligten erhebliche Anstrengungen ab, ohne aber die Kommunen ihrer notwendigen Handlungsspielräume zu berauben. Mit diesem vom Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung geprägten Dialogprozess beschreitet die Landesregierung einen Erfolg versprechenden Weg. Natürlich kann aber mit dieser „ersten Hilfe“ nur die größte Not gelindert werden. Dabei darf es nicht bleiben. Weitere Schritte müssen folgen.

Um der Gesamtverschuldung der öffentlichen Hand wirksam begegnen zu können, bedarf es weiterer gemeinsamer Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen. Wir plädieren daher für einen bundesweiten Altschuldenfonds, der nicht nur Bund und Länder in den Blick nimmt, sondern auch die Kommunen berücksichtigt. Im Gegenzug wären sie dann auch auf dieser Ebene in eine verbindliche Konsolidierungsstrategie einzubeziehen. Konsolidierungshilfe und Altschuldenfonds können nur helfen, die Lasten der Vergangenheit zu bewältigen. Das ist wichtig und notwendig, greift aber zu kurz.

Es gilt, die strukturellen Unwuchten der Finanzausstattung der Kommunen systematisch und nachhaltig zu beseitigen. Nur so lässt sich langfristig und dauerhaft die notwendige Stärkung der Investitionskraft der Städte und Gemeinden erreichen und ihre finanzielle Handlungsfähigkeit in der Zukunft sichern. Dabei müssen allen Stellschrauben in den Blick genommen werden – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Wir brauchen ein umfassendes Lösungspaket, das sowohl den Bund als auch das Land in die Pflicht nimmt.

Mit der schrittweisen Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund sind die ersten Schritte endlich gemacht. Der Bund wird sich zukünftig aber in noch stärkerem Maße an den Kosten der Sozialleistungen beteiligen müssen. So muss er endlich seinen Anteil an den Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen übernehmen. Hierfür muss ein Bundesleistungsgesetz auf den Weg gebracht werden. Aber auch die staatliche Städtebauförderung – z.B. das Programm „Soziale Stadt“ – muss weiterentwickelt und wieder verstärkt werden. Die schleswig-holsteinische SPD setzt sich außerdem dafür ein, dass der Bund die jährlichen Kompensationsmittel für die Soziale Wohnraumförderung in Höhe von über einer halbe Milliarde Euro langfristig fortführt. Wir brauchen in einigen Regionen schlichtweg mehr bezahlbaren Wohnraum.

Daneben muss der Bundesgesetzgeber die kommunale Einnahmebasis stärken. Insbesondere muss die Gewerbesteuer nach dem sog. Kommunalmodell zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer weiterentwickelt werden, die neben den Gewerbetreibenden auch die freien Berufe einbezieht.

Auf Landesebene haben wir nicht nur umgehend das Konsolidierungshilfegesetz erfolgreich auf den Weg gebracht. Wir haben eine Vielzahl weiterer Maßnahmen mit dem Ziel in Angriff genommen, die Kommunen nachhaltig zu stärken. Wir nehmen das in der Landesverfassung verankerte Konnexitätsprinzip ernst und bezahlen den Kommunen den Aufwand, der ihnen aus der Übertragung neuer Aufgaben oder der Erweiterung bereits übertragene Aufgaben entsteht. Was so selbstverständlich klingt, ist in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder mit Füßen getreten worden! So haben die Kommunen beim Landesverfassungsgericht klagen müssen, weil die Vorgängerregierung keine Konnexität für den zur Realisierung des Anspruchs auf einen Kindergartenplatz erforderlichen Ausbau der Kita-Plätze anerkennen wollte. Diesen Rechtsstreit haben wir einvernehmlich beilegen können, indem wir die Konnexität anerkannt haben. Wir werden in mehreren Schritten den 120-Millionen-Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich auf Null zurückführen. Und wir werden, auch vor dem Hintergrund der Energiewende, das Gemeindewirtschaftsrecht in der Kommunalverfassung mit dem Ziel erweiterter wirtschaftlicher Betätigungsmöglichkeiten überarbeiten. Hierzu stehen wir bereits im Dialog mit dem Verband kommunaler Unternehmen.

Vor allem aber hat sich die Landesregierung eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs auf die Fahnen geschrieben. Bereits im August 2012 haben wir auch hierzu einen intensiven Dialogprozess mit den Kommunen gestartet, um dieses inhaltlich anspruchsvolle und gerade in finanziell schwierigen Zeiten besonders ambitionierte Vorhaben im größtmöglichen Konsens in dieser Legislaturperiode realisieren zu können. Immerhin geht es bei dieser Reform um nicht mehr und nicht weniger als eine effiziente, transparente und gerechte Mittelverteilung.

Dabei gilt der Grundsatz: Die Mittelverteilung muss sich am Umfang der Aufgaben orientieren. Wer mehr Aufgaben wahrnimmt, muss auch mehr Geld bekommen. Städte und Gemeinden, die quasi als Dienstleister für eine ganze Region Aufgaben übernehmen und Einrichtungen wie Kita oder Schule vorhalten, müssen dafür die notwendige finanzielle Ausstattung erhalten. Sie müssen aufgrund ihrer Versorgungsfunktion und der Aufgaben, die sie schultern, besser gestellt werden. Wir geben die Fläche nicht auf, sondern konzentrieren uns in der Fläche. Denn: Ohne starke Zentren keine starke Regionen! Hierzu bedarf es klarer Entscheidungen und sachlicher Schwerpunktsetzungen. Wir haben den Mut dazu. Das Gießkannenprinzip mag als Verteilungsgrundsatz bequem sein, da es keine Entscheidungen fordert. Spätestens in Zeiten knapper Ressourcen taugt es aber bestenfalls noch für den privaten Vorgarten, nicht aber für einen nachhaltigen und zielgenau an den Bedürfnissen der Menschen in unserem Lande orientierten Einsatz öffentlicher Mittel!

Auch bei der Finanzausstattung gilt: Solidarisch Kräfte bündeln – damit werden unsere Städte und Gemeinden die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich meistern können. Das stärkt unser Gemeinwesen, unseren Schleswig-Holstein! Wenn es den Städten Und Gemeinden gut geht, geht es auch Schleswig-Holstein gut. Denn: Ohne Städte und Gemeinden kein Staat!