Sozial- und Rentenpolitik (1980)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Eckernförde 1980
Bezeichnung: Leitantrag
Antragsteller: Nicht aufgeführt


Beschluss: Angenommen


(Veröffentlicht in: „Zur Sache“ Nr. 15, April 1980 - Herausgeber: SPD-Landesverband Schleswig-Holstein)

Grundsätzliches

Die SPD hat den Ausbau der sozialen Alterssicherung entscheidend mitgestaltet. Ihrem Drängen ist es zu verdanken, dass mit der Rentenreform 1957 die bruttolohnbezogene, dynamische Rente geschaffen wurde.

Damit wurde bis heute für die meisten Rentner eine ausreichende Altersversorgung gesichert. Dennoch gibt es bei insgesamt hohem Leistungsniveau noch immer Ungerechtigkeiten, Lücken und Widersprüche. Unterschiedliche _ Leistungen und Finanzierungssysteme entsprechen nicht immer dem sozialpolitischen Ziel der sorgenfreien Altersversorgung und den Grundwerten der Solidarität und Gerechtigkeit. Verfahren und Leistungen müssen für den Bürger durchschaubarer und verständlicher werden.

Abnehmendes wirtschaftliches Wachstum und die Verschiebung der Bevölkerungspyramide werden es in den nächsten Jahrzehnten zunehmend schwieriger machen, den Generationenvertrag zu garantieren. Aus diesen sozialpolitischen Gründen hält die SPD Schleswig-Holstein eine schrittweise, gründliche Reform der Altersversorgung für dringend erforderlich.

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine bindende Verpflichtung zur Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung erteilt.

Nach Meinung der SPD Schleswig-Holstein muss das Hauptziel der Rentenreform '84 eine finanziell solide, langfristig abgesicherte Sicherung der Hinterbliebenenversorgung sein, in der Witwern und Witwen ihre Renten unter gleichen Voraussetzungen zu gewähren sind.

Ziele einer Reformpolitik für die Alterssicherung

Die SPD Schleswig-Holstein begrüßt die grundsätzlichen Prinzipien und Ziele des "Programms der zukunftsgerechten Weiterentwicklung der Alterssicherung".

Nämlich:

  • die Hinterbliebenenversorgung - gemäß dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts - auf der Grundlage der Gleichberechtigung von Mann und Frau neu zu ordnen;
  • die partnerschaftliche Verantwortung für die nachwachsende Generation durch Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung zu stärken;
  • die Rente nach Mindesteinkommen auf solidarischer Grundlage auszubauen;
  • die Möglichkeit einer einkommensabhängigen Mindestrente zu prüfen;
  • die soziale Sicherung der Schwerstbehinderten durch Einführung einer Behindertenrente auszubauen;
  • das Prinzip der Lebensstandardsicherung durch gezielte Maßnahmen in der Rentenversicherung weiter zu stärken;
  • den Übergang vom Erwerbsleben in die Rente für die älteren Arbeitnehmer flexibler zu ermöglichen;
  • durch eine stärkere Harmonisierung der unterschiedlichen sozialen Sicherungssysteme mehr Gerechtigkeit zu verwirklichen;
  • die Generationensolidarität durch die gleichgewichtigere Einkommensentwicklung zwischen Rentnern und Arbeitnehmern zu festigen;
  • die Finanzen der Rentenversicherung dauerhaft zu stabilisieren;
  • das Rentenverfahren zu entbürokratisieren und die Beratung weiter zu verbessern.

Reform 1984

Die SPD Schleswig-Holstein geht vom Prinzip der bruttolohnbezogenen, dynamischen Rente aus und unterstützt folgende Reformschritte:

Die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung

  1. Entsprechend der partnerschaftlich gleichwertigen Verantwortung von Mann und Frau in der Familie wird aus den von beiden Ehepartnern erworbenen Ansprüchen eine Gesamtversorgung gebildet, an der der überlebende Ehepartner beteiligt wird.
    Wenn ein Ehepartner stirbt, erhält der überlebende Ehepartner im Alter und bei Invalidität eine Gesamtversorgungsrente in Höhe von 70 Prozent der gemeinsamen Rentenansprüche beider Ehepartner. Eine Verschlechterung gegenüber geltendem Recht soll insoweit vermieden werden, als dass Hinterbliebenenrente von weniger als 1.500 DM nach heutiger Kaufkraft betroffen sein könnte.
    Langfristig muss die Hinterbliebenenversorgung weiter verbessert werden, so dass im Todesfall des Ehepartners der Hinterbliebene seine Lebensführung nicht einschränken muss. Die Verbesserung der Witwenrente aus der Zeit vor 1985 muss vorrangig angestrebt werden. Die Besitzstandssicherung soll für eine Übergangszeit von zehn Jahren und auch für hinterbliebene Frauen gelten, deren Gesamtversorgung nach heute geltendem Recht höher gewesen wäre.
  2. Damit die Betreuung und Erziehung der Kinder nach dem Tode eines Ehepartners ohne wirtschaftliche Sorgen möglich ist, soll Erziehungsrente gezahlt werden, wenn der überlebende Ehepartner ein Kind unter 16 Jahren zu erziehen hat. Die Erziehungsrente soll 70 Prozent der Rentenansprüche des verstorbenen Ehepartners betragen. Erwerbseinkommen soll in angemessener Weise angerechnet werden.
  3. Besteht noch kein Anspruch auf Familienrente, weil der überlebende Ehegatte nicht Invalide ist oder noch nicht die allgemeine Altersgrenze erreicht hat, erhält er dann eine Rente, wenn er älter als 45 Jahre ist. Eigene Erwerbseinkommen werden auf diese Rente insoweit angerechnet, als dies nicht die Bereitschaft zur Berufstätigkeit beeinträchtigt.
  4. Für jüngere Hinterbliebene ohne betreuungsbedürftige Kinder muss der Lebensstandard während der Umstellung auf die neue Lebenssituation durch eine Übergangsrente sichergestellt werden. Die Übergangsrente soll 70 Prozent der Rentenansprüche des verstorbenen Ehepartners betragen und für eine Dauer bis zu drei Jahren gewährt werden.
    Die Übergangsrente soll mit einem Rechtsanspruch auf Hilfen zur beruflichen Qualifizierung und dauerhafter beruflicher Wiedereingliederung verbunden werden.

Anerkennung der Kindererziehung

Kindererziehung darf nicht zu einer erheblichen Benachteiligung in der Rentenversicherung führen. Deshalb müssen Zeiten der Kindererziehung als Beitragszeiten berücksichtigt werden. Eine Anrechnung entfällt, soweit Pflichtbeiträge entrichtet sind. Bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung sind drei Jahre anzustreben. Sie soll wahlweise Müttern oder Vätern zugute kommen.

  1. Zunächst wird ein Babyjahr pro Kind in der Rentenversicherung als Beitragszeit anerkannt. Die Kosten werden aus Steuermitteln getragen.
  2. Das Babyjahr soll auch bei den Frauen berücksichtigt werden, die bereits Rente beziehen, unabhängig davon, ob es sich um eine Versichertenrente oder eine Witwenrente handelt.
  3. Für die Zukunft können Beitragszeiten wahlweise für Väter oder Mütter angerechnet werden. Für Versicherungsfälle ab 1. 1. 1985 wird für vor diesem Zeitpunkt geborene Kinder eine einjährige fiktive Beitragszeit berücksichtigt.
  4. Die Tabellenwerte für Männer und Frauen werden vereinheitlicht.
  5. Bei der Nachentrichtung von Beiträgen aufgrund früherer Heiratserstattung leben die Arbeitgeberanteile wieder auf. Bestehende Einschränkungen für die Nachentrichtung sind aufzuheben.

Die Beiträge an die Rentenversicherung werden aus öffentlichen Mitteln gezahlt. Deshalb ist zurzeit nur ein Kindererziehungsjahr finanzierbar.

Ausbau der Rente nach Mindesteinkommen

Für die soziale Sicherung im Alter - insbesondere für Frauen, denen bisher wegen mangelnder Ausbildung und niedriger Entlohnung Benachteiligungen entstanden - soll die Rente nach Mindesteinkommen mit der Rentenreform 1984 zu einer dauerhaften Regelung ausgebaut werden. Teilzeitbeschäftigung soll anteilig berücksichtigt werden.

Einführung einer bedarfsorientierten, einkommensabhängigen Mindestrente

Für ältere und erwerbsunfähige Mitbürger, die zurzeit noch Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, soll eine einkommensabhängige Mindestversorgung entsprechend dem Godesberger Programm eingeführt werden. Sie muss den notwendigen Lebensbedarf decken und die zusätzliche Inanspruchnahme von Sozialhilfe überflüssig machen. Eine Finanzierung ist erst bei zusätzlichen Einnahmequellen der öffentlichen Hand und bei einer Umstrukturierung der sozialpolitischen Lasten und Kompetenzen von Bund und Ländern möglich.

Einführung einer Behindertenrente

Für die von Jugend an Schwerstbehinderten, die bereits bei Beginn der Volljährigkeit erwerbsunfähig sind und deshalb in der Regel keinen Zugang zur Rentenversicherung haben, soll in der Rentenversicherung eine Behindertenrente eingeführt werden, die den notwendigen Lebensunterhalt sicherstellt und aus Einsparungen in der Sozialhilfe finanziert wird.

Versicherungspflicht für geringe Einkommen

Die Einkommensuntergrenze für die Versicherungspflicht wird gestrichen. Für Einkommen unter 390 DM monatlich trägt der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge allein.

Einführung einer neuen Bemessungsgrundlage

Bei den gegenwärtigen, ausschließlich lohnbezogenen Arbeitgeberbeiträgen besteht die Gefahr, dass Unternehmen, die durch Rationalisierung menschliche Arbeitskraft ersetzen, in diesem Ausmaß aus der Verantwortung für die Finanzierung der sozialen Sicherung entlassen werden. Wir Sozialdemokraten wollen deshalb erreichen, dass diese Unternehmen in vollem Umfange an der Finanzierung der sozialen Sicherung beteiligt bleiben. Es muss deshalb für den Arbeitgeberbeitrag eine neue Bemessungsgrundlage eingeführt werden, die die Finanzierung der sozialen Sicherung auch an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, das heißt vor allem am wirtschaftlichen Ertrag des Kapitaleinsatzes orientiert.

Entsprechende Verfahren sind zu entwickeln: Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wird aufgefordert, in zwei Jahren einen Bericht vorzulegen.

Senkung der flexiblen Altersgrenze für besonders belastete Arbeitnehmer

Für besonders belastete Arbeitnehmer wie Schichtarbeiter wird die flexible Altersgrenze schrittweise gesenkt. Die Kosten sind durch eine überbetriebliche Umlage bei den Unternehmen aufzubringen, die Schichtarbeit durchführen.

Soziale Sicherung für Pflegebedürftige

Versicherungspflicht für Strafgefangene

Berufs-und Erwerbsunfähigkeit

Finanzierung

Offenbleibende Strukturfragen einer Rentenreform

Gemeinsame soziale Zukunftssicherung