Vorschläge für die Jahre 1983-1987 (1982)
Gremium: Landesparteitag |
Sitzung: Landesparteitag Timmendorfer Strand 1982 |
Bezeichnung: |
Antragsteller: Nicht aufgeführt
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Beschluss: Angenommen |
(Veröffentlicht in: „WIR-Mitgliederzeitschrift der SPD Schleswig-Holstein“ Nr. 5-6, Dezember 1982 - Herausgeber: Landesvorstand und Landtagsfraktion der SPD Schleswig-Holstein)
Vorwort: Wir wollen den Frieden - nach innen und nach außen
Wir wollen den Frieden nach außen
Frieden sichern — das ist die wichtigste Aufgabe der Politik. Zur Verständigung und Entspannung durch Verträge und gutnachbarliche Beziehungen gibt es keine Alternative.
Wir Schleswig-Holsteiner wissen das. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind Deutsche und Dänen aufeinander zugegangen und deshalb nach leidvoller Geschichte heute gute Nachbarn und Freunde.
Wir Schleswig-Holsteiner wissen auch, dass unser Land in der Mitte Europas das erste Opfer eines Krieges zwischen Ost und West wäre.
Wir Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein haben schon frühzeitig für eine Politik der Entspannung zwischen den Blöcken und zwischen beiden ‚deutschen Staaten geworben. Wir haben vor fast 20 Jahren wichtige Anstöße für die Ostpolitik gegeben, wie sie von Willy Brandt und Egon Bahr in die Tat umgesetzt und von der Bundesregierung unter Helmut Schmidt fortentwickelt worden ist.
Tausende von Atomwaffen in Ost und West gefährden den Frieden und machen den Menschen in der Welt Angst. Deshalb haben wir uns in den letzten Jahren immer wieder für die Fortsetzung der Entspannungspolitik eingesetzt und Vorschläge für eine Wirksame Abrüstung unterbreitet. Es gibt keine Sicherheit vor einem möglichen Gegner. Sicherheit ist nur mit dem Gegner möglich. Daher muss die Doktrin der Abschreckung durch die Doktrin der gemeinsamen Sicherheit ersetzt werden. Wir leiten daraus zwei Forderungen ab:
Unser Ziel ist ein atomwaffenfreies Europa. Voraussetzung dafür ist eine atomwaffenfreie Zone in Europa. Alle Atomwaffen müssen aus den europäischen Staaten abgezogen werden, die nicht über sie verfügen.
Auch die Zahl der konventionellen Streitkräfte und Waffen muss sowohl beim Warschauer Pakt als auch bei der Nato verringert werden.
Wir Sozialdemokraten werden alles daran setzen, damit der Frieden sicherer wird.
Deshalb wollen wir,
- dass die „Deutsche Gesellschaft für Friedens— und Konfliktforschung“ als Förderungseinrichtung erhalten bleibt und Schleswig-Holstein dort wieder Mitglied wird;
- dass in Schleswig-Holstein ein Friedensforschungsinstitut mit einer besonderen Aufgabenstellung eingerichtet wird: Forschung zur Militärpolitik im Ostseeraum und zur Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Güter;
- dass Erziehung zum Frieden und zum verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt in der Schule und in der Lehrerausbildung besondere Berücksichtigung finden.
Wir wollen den inneren Frieden
Häufiger als früher stehen sich heute Gruppen und Generationen in unserer Gesellschaft misstrauisch gegenüber. Schlagworte und Vorurteile ersetzen das gemeinsame Gespräch darüber, wie unsere Gegenwart und Zukunft sinnvoll gestaltet werden sollen.
Der Staat und seine Verwaltungen, die Parteien und Parlamente, die Wirtschaft und die Verbände — sie alle reagieren häufig zu spät und oft genug arrogant, wenn sich berechtigter Protest äußert. Verbitterung und ein Gefühl der Ohnmacht sind in vielen Fällen die Folge. Und oft genug müssen dann Polizeibeamte für das Versagen von Politikern herhalten.
Der innere Frieden ist gefährdet, wenn es an der Bereitschaft zum Gespräch mangelt; wenn den Bürgern eine wirksame Mitsprache und Mitbestimmung verweigert wird; wenn die persönlichen Daten eines einzelnen perfekt erfasst und in Computern gespeichert werden; wenn bei der Einstellung für den öffentlichen Dienst Gesinnungsschnüffelei betrieben wird; wenn bürokratische Gängelung das Verhältnis von Bürger und Staat belastet.
Wir Sozialdemokraten vertrauen den Bürgern. Wir wollen deshalb mit ihnen gemeinsam für eine Gesellschaft eintreten, die frei ist von Gängelei und Besserwisserei.
Deshalb wollen wir die Mitbestimmung ausbauen. Deshalb wollen wir Freiräume schaffen, in denen sich die Ideen und Eigeninitiativen der Bürger entfalten können. Deshalb wollen wir die Arbeit der Verwaltungen durchschaubar machen und einfacher gestalten. Deshalb wollen wir die Polizei nicht militärisch aufrüsten, sondern von der Ausbildung her und in der praktischen Arbeit als Partner der Bürger begreifen und gewalttätige Kriminalität durch vorbeugende und nachsorgende Maßnahmen abbauen. Deshalb sagen wir mit Nachdruck all denen den Kampf an, die Ausländerfeindlichkeit verbreiten. Und deshalb ist für uns Gewalt kein Mittel der Politik.
Wir wollen soziale Gerechtigkeit
Soziale Gerechtigkeit — das ist seit über hundert Jahren die erklärte Politik der Sozialdemokraten. Die sozialdemokratische Partei und die Gewerkschaften haben in den letzten hundert Jahren große sozialpolitische Fortschritte durchgesetzt. Diese Erfolge sind aber immer wieder gefährdet.
Heute bedrohen die hohe Arbeitslosigkeit und der Mangel an Ausbildungsplätzen die soziale Gerechtigkeit. Die Angst vieler Menschen vor der Zukunft wächst.
Wir wissen, dass die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten der Landespolitik begrenzt sind. Dennoch werden wir Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein auch in diesem Rahmen alles tun, um die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen und jedem einen Ausbildungsplatz zu garantieren, der einen solchen Platz sucht. Dabei werden wir uns nicht auf wirtschaftspolitische Rezepte von gestern verlassen.
Eine sichere Zukunft lässt sich aber nicht „von oben herab“ verordnen.
Nur durch eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern, ihren Vertretern im Betrieb und den Gewerkschaften und durch wirksame gesetzliche Bestimmungen für die Wirtschaft können in unserem Lande menschenwürdige und sichere Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden.
Dabei müssen wir gemeinsam aus Fehlern der Vergangenheit lernen. Ehrgeizige Großprojekte der Industrieansiedlung sind gefährlich, weil sie die Landschaft zerstören und außerdem auch keine angemessene Zahl neuer Arbeitsplätze schaffen. Deshalb lehnen wir sie ab.
Wir wollen Arbeitsplätze in einer lebenswerten Umwelt. Wir wollen vorrangig bestehende Betriebe fördern, behutsam mit unserer Natur umgehen und die Risiken moderner Technologien so gering wie möglich halten. Deshalb wollen wir uns in der Energieversorgung auch nicht für alle Ewigkeit an den Atomstrom fesseln lassen.