B11: “Ich kann alles werden, was ich möchte.” - Chancengleichheit in der MINT-Bildung (2023)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Husum 2023
Bezeichnung: B11
Antragsteller: Juso Landesverband‏‎


Beschluss: Angenommen

(MINT: Mathe Informatik Naturwissenschaften und Technik)

Der Landesparteitag möge beschließen:

Eine echte Gleichstellung der Geschlechter ist nur zu erreichen, wenn diese auch in den MINT-Bereichen gleichberechtigt sind. Momentan sind weniger als 30 Prozent aller MINT-Studierenden weiblich. Im Ausbildungsbereich sind es weniger als 15 Prozent und nicht mal 20 Prozent aller Beschäftigten im MINT-Sektor sind weiblich. Dies zeigt sich auch in Schleswig-Holstein. Im Prüfungsjahr 2019 waren von den Studienbeginner*innen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 53 Prozent weiblich. Auffällig ist jedoch die Technische Fakultät, dort lag 2019 der Frauenanteil etwa unter den Studierenden der „Elektrotechnik und Informationstechnik “ bei lediglich rund 15 Prozent.

(FINTA*: Frauen, Inter, Trans, Nichtbinär, Agender *)

Auch im späteren Berufsleben ist dieses zu erkennen. Gerade in den meist gut bezahlten Jobs im IT-Bereich mangelt es an FINTA*-Personen. Durch den Mangel an FINTA*-Personen mangelt es auch an deren Perspektiven in Technik und naturwissenschaftlicher Forschung, was sich in Erfindungen und Entwicklungen widerspiegelt. So kommt es meistens dazu, dass technische Neuerungen in der Entwicklung unbemerkte Fehler zu Lasten von FINTA*-Personen aufweisen. Dies macht sich beispielsweise beim Suchalgorithmus von Google bemerkbar, der z.B. Anwältinnen weiter hinten unten anzeigt, als Anwälte. Gerade in einer digitalisierten und technisierten Zukunft führt dies zu erheblichen Nachteilen für weibliche Personen. Auch zur Bekämpfung des Klimawandels tragen Personen im MINT-Bereich viel bei. Gerade zur Entwicklung nachhaltiger Alternativen zu herkömmlichen Produkten oder der Umstellung auf erneuerbare Energien braucht es mehr MINT- Fachpersonal. Deshalb ist es umso wichtiger, FINTA*-Personen für den MINT-Bereich zu begeistern und zu fördern.

Es wäre möglich, FINTA*-Personen im MINT-Bereich durch Quoten zu fördern, doch wie soll man dies tun, wenn der Anteil der Studierenden bereits sehr gering ist? Eine Förderung muss deshalb deutlich früher beginnen. Dabei gibt es einzelne Projekte, wie z.B. den Girls Day, um Frauen im MINT-Bereich zu stärken und Mädchen zu motivieren. Doch die Zahl der FINTA*-Personen, die bei ihrer Berufswahl den MINT-Bereich wählen, bleiben noch immer gering. Dabei machen FINTA*-Personen bereits im jungen Alter die Erfahrung, dass sie sich in der MINT-Bildung weniger gut aufgehoben fühlen. Viele weibliche Personen geben an, ein geringeres Vorwissen zu haben, wodurch ihnen die MINT-Fächer schwerer fallen. Ebenso zeigen Studien, dass sich viele weibliche Personen besonders in Teamarbeit wohlfühlen und von den Anwendungen der Naturwissenschaften im sozialen Bereich, wie Medizintechnik, angesprochen werden. Dieses entsteht unter anderem aus den vorherrschenden gesellschaftlichen Rollenbildern. Wie, dass Naturwissenschaften besonders schwer seien und nur männliche Personen es schaffen könnten. Dabei interessieren sich 70 Prozent der Mädchen für Naturwissenschaften.

Deshalb wollen wir:

  • die Förderung von Konzepten zum experimentell-forschenden Lernen an naturwissenschaftlichen Phänomenen in Kitas, mit besonderem Fokus auf Finta*-Personen,
  • mehr Schulbücher im MINT-Bereich von weiblichen Autorinnen, sowie Unterrichtsmaterialien, die vermehrt FINTA*-Personen in Berufen aus den entsprechenden Bereichen zeigen,
  • einen zusätzlichen landesweiten MINT-Wettbewerb für FINTA*-Personen,
  • Wahlpflichtfächer in der Mittelstufe an Gymnasien, die den MINT-Bereich mit sozialen Anwendungen verknüpfen (z.B. Klima-/ Umwelttechnik statt “Technik Informatik”).
  • An Gemeinschaftsschulen soll das Wahlfach Technik in der 7. bis 10. Klasse ebenfalls zu einer Alternative werden, die soziale und ökologische Anwendungen in diesem Bereich mehr mit einbezieht.
  • In den Fachanforderungen der MINT Fächer verstärkt die Anwendungen des erlernten Wissens verankern (z.B. Verwendung von Röntgenstrahlung in der Medizin in der 12/13 Klasse). Dabei soll nicht nur der Technische Vorgang, sondern auch die Anwendung und der Anwendungsnutzen hervorgehoben werden.
  • Mehr Unterstützung von Projekten an Schulen zur Förderung MINT-begeisterter Schülerinnen.
  • Um interessebedingtes Vorwissen auszugleichen, ist die Gestaltung der MINT-Fächer an Schulen barrierefrei und insbesondere fremdwortarm vorzunehmen.

Auch nach der Schule muss eine Förderung weiterhin stattfinden, denn es entscheiden sich nicht nur weniger FINTA*-Personen für ein Studium im MINT-Bereich, sondern es wechseln auch viele im Studium in einen anderen Fachbereich oder arbeiten später nicht im MINT-Bereich. Eine Ursache für den Wechsel liegt nicht zuletzt in überkommenen Rollenbildern. MINT-Frauen werden häufig mit Sätzen wie „Was, so was machst du als Frau?!“ oder „Das sind gar keine richtigen Frauen!“ konfrontiert. Auch fehlen weibliche Vorbilder nicht nur unter den “großen Wissenschaftlerinnen”, sondern häufig auch im persönlichen Umfeld. Dies suggeriert vielen, Männer wären die Norm in den Naturwissenschaften und Frauen eine Ausnahme. Auch dass neben einem MINT-Studium zeitlich kaum ein Nebenjob möglich ist, dass wenige in Regelstudienzeit studieren und die Aussicht, ein zeitintensives Studium zu machen, obwohl es sich später eventuell nicht “gelohnt haben könnte”, schrecken viele FINTA*-Personen ab, auch weil das naturwissenschaftliche Arbeitsumfeld besonders häufig wenig familienfreundlich gestaltet ist.

Deshalb wollen wir:

  • die Förderung von dualen Studiengängen in Schleswig Holstein, die den MINT-Bereich mit sozialen Anwendungen verknüpfen,
  • Förderung und Entwicklung einzelner Studiengänge in Schleswig Holstein, die den MINT-Bereich mit sozialen Anwendungen verknüpfen (Hybridstudiengänge), z.B. Medizintechnik oder Entwicklungsingenieurwesen, diese Studiengänge können dabei auf die regionalen Begebenheiten in Schleswig Holstein angepasst werden,
  • Einführung von Studiengängen nur für FINTA*-Personen an Universitäten in Schleswig-Holstein im MINT-Bereich, ähnlich wie der Frauenstudiengang Maschinenbau an der HRW,
  • die Unterstützung von Universitäten bei der Einsetzung von FINTA*-Personen als Tutorinnen und Übungsgruppen-Leitungen,
  • Mehr Unterstützung von Angeboten, die zeigen, dass MINT-Studiengänge auch für FINTA*-Personen attraktiv sind, wie den Physik-Projekttagen an der CAU,
  • Beauftragen einer Studie zu Studienabbrüchen im MINT Bereich in Schleswig -Holstein,
  • Beauftragen einer Studie Zu FINTA*-Personen im MINT Bereich an Hochschulen in Schleswig Holstein.

Auch bei Ausbildungen im MINT-Bereich ist der Anteil an FINTA*-Personen deutlich geringer. Gerade bei Ausbildungen im IT Bereich macht sich das bemerkbar. In Schleswig-Holstein lag der Frauenanteil in technischen Ausbildungsberufen 2022 bei 11,4 Prozent. Dabei gibt es keine natürlichen Unterschiede in den Fähigkeiten zwischen verschiedenen Geschlechtern im technischen Bereich. Auch wenn dies leider noch immer an einigen Stellen propagiert wird.

Deshalb wollen wir:

  • mehr Informationsangebote für FINTA*-Personen für nicht akademische MINT-Berufe.
  • die Qualifizierung von Ausbilder*innen im MINT-Bereich, Ausbildungen geschlechtergerecht zu gestalten, in Schleswig Holstein fördern.
  • die Betriebe verpflichten, Auszubildende und Student*innen nicht deshalb Praktikumsplätze zu verwehren, weil die Betriebe nicht die erforderlichen Voraussetzungen schaffen wollen (z.B. fehlende Arbeitskleidung oder Toiletten).
  • Beauftragung einer Studie zu FINTA*-Personen, die eine Ausbildung im MINT -Bereich machen.

Doch auch im späteren Berufsleben zeigt sich im MINT-Bereich ein gravierender Fachkräftemängel an FINTA*-Personen. Dabei fällt vielen Frauen der Wiedereinstieg in den Beruf hier besonders schwer, da sich der MINT-Bereich sehr schnelllebig weiterentwickelt. Selbst wenn weibliche Fachkräfte gesucht werden, begegnen sie an einigen Stellen einem abweisenden Umfeld. Auch in anderen Bereichen sind FINTA*-Personen bei dem Umgang und Zugang mit Computer-bezogenen Kompetenzen benachteiligt. Deshalb fordern wir:

  • Angebote, z.B. an Universitäten, um Frauen den Berufswiedereinstieg zu erleichtern (siehe Wiedereinstiegsqualifizierung an der HAWK),
  • Förderprogramme für FINTA*-Personen, die Gründer*innen im IT-Bereich sind,
  • die Weiterbildung in digitalisierungsbezogenen Kompetenzen auch für Teilzeitarbeitskräfte,
  • die Prüfung gendergerechter Gestaltung von Open Educational Resources (= öffentlich zugängliche Lehr- und Lernmittel)
  • die Einführung von Qualitätsstandards für Geschlechtergerechtigkeit bei Aus- und Weiterbildung im IT-Bereich.
  • Besondere Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf im MINT Bereich.
  • Eine wirkliche Gleichberechtigung der Geschlechter kann nur stattfinden, wenn sie in allen Bereichen gelingt.