G3: Präambel zum Grundsatzprogramm / Hamburger Programm (2007)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Kiel 2007
Bezeichnung: G3
Antragsteller: Landesvorstand


Beschluss: Angenommen


Der Bundesparteitag möge beschließen:


Dem Programm wird folgende Präambel vorangestellt:


Unser Weg: Eine Politik der Nachhaltigkeit

Wir leben in einer Zeit großer Möglichkeiten, aber auch ungekannter Gefahren. In jeder Krise gibt es auch neue Chancen. Unser Weg in eine Zukunft heißt Nachhaltigkeit. Sie verwirklicht Frieden und Freiheit, stärkt die Innovationskräfte der Wirtschaft und verbindet sie mit sozialer Gerechtigkeit und dem Schutz der Natur. Nachhaltigkeit ist die Antwort der Sozialdemokratie auf die Herausforderungen der Globalisierung. Sie ist eine Erweiterung unserer Idee der sozialen Demokratie, die das letzte Jahrhundert geprägt und den Menschen Sicherheit und Wohlfahrt gegeben hat. Für diese Ziele stehen wir auch heute.

Mit der Globalisierung verschmilzt die Welt immer mehr zu einem einzigen Markt. Das Kapital ist grenzenlos und nimmt keine Rücksicht auf die Demokratie, die Bürgerinnen und Bürger, und sogar auf große Teile der Wirtschaft in den Nationalstaaten. Der globale Kapitalismus hat in den letzten Jahren mit Rücksichtslosigkeit und Kurzfristigkeit im Handeln verheerende Folgen gezeigt. Weltweit schreitet die Zerstörung der Natur voran, in vielen Gesellschaften nimmt die Ungleichheit zu. Auch unser Land droht aus der sozialen Marktwirtschaft zu einer bloßen Marktgesellschaft zu werden, in der kurzfristige ökonomische Spekulation alle gesellschaftlichen Bereiche beherrscht.

An dieser Weichenstellung fühlen besonders wir Sozialdemokraten uns verantwortlich, unserer geschichtlichen Verpflichtung gerecht zu werden. Wir haben in unserer Geschichte nie die Verhältnisse hingenommen, sondern sie gestaltet. Das brachte den Menschen mehr Freiheit, mehr Sicherheit und mehr Wohlstand. Auch heute ist die soziale Bändigung des Kapitalismus, der globaler, mächtiger und anonymer geworden ist, der politische und moralische Auftrag der Sozialdemokratie.

Doch wir müssen neue Wege gehen, um unsere Ziele zu verwirklichen, denn die alte Formel „Wachstum löst alle Probleme“ hilft nicht mehr weiter. Der enge Zusammenhang zwischen Wachstum, Beschäftigung und Verteilung, der in den letzten Jahrzehnten viele Probleme entschärfen konnte, gerät an soziale und ökologische Grenzen des bisherigen Wachstums.

Die Idee der Nachhaltigkeit schafft neue Voraussetzungen für mehr Freiheit, Frieden und Wohlstand. Statt sich den globalen Zwängen anzupassen, wendet sich Nachhaltigkeit gegen die Gleichschaltung der Welt. Sie bewahrt die Vielfalt der Kulturen. Sie fördert Fairness, Partnerschaft und Kooperation.


Am Beginn einer neuen Epoche

Wir erleben den Beginn einer neuen Epoche. Die Leitidee der Nachhaltigkeit eröffnet die Perspektive eines neuen Fortschritts, der allen Menschen die gleichen Rechte und die gleiche Würde gibt, die Freiheit erweitert und auch künftigen Generationen ein gutes Leben ermöglicht.

Wir streiten für eine Kultur des neuen und qualitativen Wachstums im Sinne der Nachhaltigkeit. Die technischen, wirtschaftlichen und kulturellen Möglichkeiten sind vorhanden, um unser Land zu erneuern und Europa zu stärken. Nachhaltigkeit fordert von uns eine große Gemeinschaftsanstrengung, an der sich alle beteiligen sollen, die aber auch allen zu gute kommt.

Nach dem Ende der politisch zweigeteilten Welt ist die Verständigung auf eine gemeinsame Sicherheit, auf ein gemeinsames Überleben und auf eine gemeinsame Zukunft die unverzichtbare Grundlage für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Das sind die Grundwerte der deutschen und der internationalen Sozialdemokratie, um auch unter den Bedingungen der Globalisierung zu einem guten Leben für alle Menschen zu kommen.

Willy Brandt hatte Recht: Neuer Fortschritt ist möglich, wenn wir ihn wollen und wenn wir für ihn kämpfen. Diese Überzeugung gewinnen wir aus dem Glauben an die Menschen, an ihren Sinn nach Gerechtigkeit, an ihrem Streben nach Freiheit sowie an ihrer Fähigkeit, eine Zukunft zu gestalten. Wir glauben an die Kraft der Freiheit und Gerechtigkeit, denn die Geschichte hat gelehrt, dass nicht Systeme, sondern Menschen die Verhältnisse ändern.

Deshalb ist und bleibt die Botschaft der Sozialdemokratie, dass wir individuelle Freiheit mit der Verantwortung für das Gemeinwesen verbinden, um Fortschritt zu verwirklichen.


Ein Jahrhundert der Ökologie

Nachhaltigkeit bewahrt unser soziales Erbe, geht aber neue Wege. Die sozial- und umweltverträgliche Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist die Schlüsselfrage unseres Jahrhunderts. Dies ist nicht nur für unser Land wichtig. Damit stärken wir auch Europa und setzen in der Welt ein Zeichen, dass ein dauerhafter Fortschritt möglich ist.

Wir treten in Deutschland und Europa ein für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft, in der das schrumpft, was nicht sozial- und umweltverträglich ist. Und in der das schnell wächst, was die Wohlfahrt und Leistungskraft unseres Landes steigert, ohne die natürlichen Lebensgrundlagen zu schädigen und die soziale Gerechtigkeit zu verletzen. Das ist eine gewaltige Kraftanstrengung. Wir wollen den technischen Fortschritt auf die ökologische Modernisierung lenken. Wir festigen den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft und nehmen alle Menschen mit, weil wir den Wandel sozial verträglich organisieren. Dafür werben wir um einen breiten Konsens in unserer Gesellschaft.

Wir stärken Freiheit und Gemeinwohl. Wir sind die Wegbereiter der Nachhaltigkeit – national, europäisch und international. Dafür suchen wir zukunftsweisende Allianzen - mit der Wirtschaft, der Wissenschaft und den gesellschaftlichen Gruppen, die Mut machen und Zuversicht geben.


Für einen neuen Gesellschaftsvertrag

Unsere Antworten auf die Fragen der Zeit gehen über die nationale Politik hinaus. Auch deshalb bekennen wir uns zu dem großen Projekt Europa. Die Europäische Union, die nach der Katastrophe der europäischen Kriege das Zusammenwachsen der Staaten vorangetrieben hat, bietet großartige Chancen, um wirtschaftliche Dynamik, soziale Sicherheit und ökologische Verträglichkeit gemeinsam und in Frieden zu gestalten.

Deshalb arbeiten wir daran, dass die Europäische Union zu einer Union der Nachhaltigkeit wird, beispielgebend und ermutigend für die zusammenwachsende Welt. Wie schon bei der visionären Friedens- und Entspannungspolitik der SPD in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wollen wir uns mit unseren Nachbarn verständigen, wie wir leben wollen: Über Freiheit und Sicherheit, über soziale und wirtschaftliche Normen, über kulturelle Vielfalt, über die Bewahrung der Schöpfung und die Entfaltung der Demokratie.

Gerechte und demokratische Rahmenbedingungen erwachsen nicht aus technischer Beherrschung, ökonomischer Dominanz oder militärischem Zwang, sondern aus einem fairen Gesellschaftsvertrag zwischen den unterschiedlichen Interessen.

In unserer Welt, in der alle Menschen von Nord bis Süd, in Ost und West aufeinander angewiesen sind, darf niemand nur den eigenen Vorteil sehen. Niemand hat eine gute Zukunft, wenn er sich nur von Egoismus und Gewinninteressen leiten lässt. Es gibt keine unsichtbare Hand, die alles regelt und für den gerechten Ausgleich sorgt. Das muss die Politik leisten - die Menschen selbst.

Internationale Solidarität gehört zu den Grundüberzeugungen der SPD, um Unheil zu verhindern und um Frieden, Freiheit und Fortschritt zu ermöglichen. Wir setzen dabei auf die Idee der Nachhaltigkeit, in Deutschland, Europa und der Welt.