K4: Die Würde des Menschen ist unantastbar - sogenannte defensive Architektur verhindern (2023)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Husum 2023
Bezeichnung: K4
Antragsteller: Juso Landesverband‏‎


Beschluss: Angenommen

Wir fordern eine starke Regulierung der defensiven Architektur in deutschen Städten und Gemeinden. Dies beinhaltet das Verbot defensiver Architektur in kommenden Bauprojekten im öffentlichen Raum und im öffentlichen Personennahverkehr sowie den Rückbau solcher Bauelemente. Solche Bauelemente beinhalten (beispielhaft):

  • Bänke mit starken Rundungen oder Armlehnen in geringem Abstand zueinander
  • Betonklötze mit Spitzen
  • unter Brücken blaues Licht (damit Menschen, die Drogen konsumieren ihre Venen nicht sehen können)
  • Musik oder Ultraschall in Orten wie Bahnstationen
  • das bewusste Entfernen von Objekten, z.B. Bänken, damit diese nicht als Schlafmöglichkeit genutzt werden

Außerdem fordern wir schlussfolgernd, dass es auf kommunaler Ebene eine Möglichkeit geben muss, defensive Architektur auf öffentlichem Grund zu melden. Dies soll ermöglichen, auf übersehene architektonische Probleme hinzuweisen und muss möglichst bürokratiearm erfolgen können.

Unter defensiver Architektur (auch häufig Anti-Obdachlosen-Architektur; Feindliches Design, englisch: hostile architecture) versteht man im Städtebau technische Maßnahmen, die Menschen nicht dazu verleiten lange zu verweilen. Beispiele für solche Installationen sind Bänke mit starken Rundungen oder Armlehnen in geringem Abstand zueinander sowie Betonklötze mit Spitzen unter Brücken. Solche Maßnahmen sollen vor allem dazu führen, dass sich Menschen ohne festen Wohnsitz aber auch junge Menschen an diesen Orten nicht allzu lange aufhalten. Das Ziel dieser Maßnahmen ist es, dass es nicht zu kriminellen Handlungen kommt oder zu einer Vermüllung, um das Ansehen der jeweiligen Stadt und Kommune zu wahren.

Dies führt dazu, dass vor allem Menschen ohne festen Wohnsitz es noch schwieriger haben einen Ort zum Schlafen oder für die Betreibung von Körperhygiene zu finden. Außerdem werden diese Menschen aus dem gesellschaftlichen Leben gedrängt, da ihre Art zu leben nicht in das Normbild vom privilegierten Menschen passt. Dies hat große Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Menschen ohne festen Wohnsitz. Nur durch das Errichten defensiver Architektur wird Obdachlosigkeit nicht bekämpft, nur aus dem Blick anderer Menschen verbannt. Probleme werden nicht gelöst, sondern nur verlagert oder verschlimmert. Das kann und darf nicht unser Ziel sein!

Auch jungen Menschen werden häufig keine Räume zur Verfügung gestellt und die Plätze, die sie für sich finden durch solche Maßnahmen genommen. Statt in defensive Architektur zu investieren könnten die dafür nicht genutzten finanziellen Mittel benutzt werden, um öffentliche Räume des Zusammenkommens zu fördern und auszubauen. Der Einsatz von blauem Licht, z.B. in öffentlichen Toiletten und Bahnunterführungen soll den Gebrauch von intravenösen Drogen verhindern, da die blauen Venen nicht mehr zu erkennen sind. Dies führt aber nicht dazu, dass keine Drogen konsumiert werden, sondern dass diese in einem riskanten Umfeld injiziert werden. Dies erhöht das Risiko medizinischer Notfälle und in schweren Fällen kann es zum Tod führen. Diese Maßnahme muss augenblicklich verboten werden!

Wir setzen uns stattdessen für die Errichtung von Konsumräumen ein. Dort können Suchtkranke sicher konsumieren und bei drogenbezogenen, gesundheitlichen oder sozialen Problemen entsprechende Hilfen in Anspruch nehmen.

Der Blick auf die Ursprünge defensiver Architektur verdeutlicht noch einmal, dass hinter diesem Begriff eine diskriminierende und menschenfeindliche Überzeugung steckt: Die ersten aufgezeichneten Beispiele defensiver Architektur sind im 19. Jahrhundert in den USA zu finden. Hier wurde diese Form der Architektur genutzt, um die Segregation nach Hautfarbe zu unterstützen. Allein diese geschichtliche Herkunft macht deutlich, dass wir uns von diesem Konzept schon längst verabschiedet haben müssten! Defensive Architektur ist ein Einschnitt für alle Bevölkerungsgruppen. Der Abbau von Bänken und Rastmöglichkeiten in Innenstädten führt dazu, dass ältere Menschen keine Stellen für Pausen finden und somit für sie ein Besuch in Städten immer unattraktiver gestaltet wird. Des Weiteren kann defensive Architektur dazu führen, dass Orte ihre Barrierefreiheit verlieren. Man sieht: Defensive Architektur löst keine Probleme und führt ebenfalls nicht zu einer höheren Sicherheit. Sie führt nur dazu, dass eine Vielzahl von Menschen unter einer unmenschlichen und von Verachtung geprägten Überzeugung Nachteile erfahren - unserer Meinung nach ist dies untragbar.