U1: Europäische Umweltunion (1997)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Husum 1997
Bezeichnung: U1
Antragsteller: Umweltforum


Beschluss: Angenommen


Die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, der zunehmende Energie- und Ressourcenverbauch und die steigende Flächenversiegelung machen einen nachhaltigen und sparsamen Umgang mit begrenzten Rohstoffen zum wichtigsten Gebot unserer Zeit. Diese Erkenntnis muß auch die Weiterentwicklung der Europäischen Union und den bevorstehenden Abschluß der Regierungsverhandlungen der EU-Mitglieder bestimmen.

Die SPD Schleswig-Holstein setzt sich für eine Stärkung der Umweltpolitik in den Mitgliedsstaaten und für die Schaffung einer "Europäischen Umweltunion" ein. Das Ziel der dauerhaft natur- und umweltgerechten Entwicklung erfordert eine vertragliche Verankerung des Schutzes von Natur und Umwelt als zentrale Zielvorgabe für die Entwicklung und die Entscheidungen der Union. Dies erfordert eine umfassende Integration ökologischer Ziele in alle Politikbereiche der Gemeinschaft.

Die Bilanz der bisherigen EU-Umweltpolitik ist widersprüchlich. Einer verbesserten Umweltpolitik in den "klassischen" Bereichen wie Immissionsschutz, Wasser oder Abfall steht ein eklatantes Versagen bei der Einbeziehung der Umweltpolitik in andere Politikbereiche, vor allem in der Landwirtschaft, Energiepolitik und im Verkehrssektor gegenüber. Auf der Haben—Seite steht eine Stärkung des Umweltschutzes in vielen Ländern der Union, in denen die EU zum Teil erst die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen hat. Dort hat die Gemeinschaft rund 90 Prozent aller Umweltgesetze angestoßen.

Die von der Europäischen Union bewirkte Vereinheitlichung im europäischen Raum begünstigt auch international die Weiterentwicklung und Durchsetzung ökologischer Ziele. Sie wirkt sich insofern stabilisierend gegenüber Tendenzen eines umweltzerstörerischen Wirtschaftswettlaufs aus. Aber gerade im internationalen Bereich hat die EU in den letzten Jahren an Glaubwürdigkeit verloren, insbesondere weil sie in so wichtigen Fragen wie dem Klimaschutz kein überzeugendes Konzept zur Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen vorgelegt hat. Ähnliches gilt für eine ökologische Steuerreform oder eine umweltverträgliche Regelung des Flugverkehrs.

Zu den gravierenden Schwachstellen der EU-Umweltpolitik gehören

  • das Vollzugsdefizit und stillschweigende Unterlaufen von Umweltnormen,
  • die fehlende Integration der Umweltpolitik in andere Politikbereiche,
  • die fehlende Orientierung von Investitionsförderungen an den gesellschaftlichen Folgekosten.

Vor allem der Agrarsektor, die Verkehrspolitik und die Struktur- und Kohäsionsfonds, aber auch die Bereiche transeuropäische Netze, Energie, Forschung und Entwicklung sowie internationaler Handel und Entwicklungszusammenarbeit erfüllen bei weitem nicht die heute zu stellenden ökologischen Anforderungen.

Dies ist natürlich nicht allein ein Problem der Europäischen Kommission, sondern spiegelt auch das wider, was in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft nicht geleistet wird. Die gleichberechtigte Berücksichtigung ökologischer Ziele ist nicht gegeben, aber ohne sie ist eine dauerhaft sozial- und umweltverträgliche Entwicklung nicht zu verwirklichen. Bei den bevorstehenden Verhandlungen ist es deshalb unbedingt notwendig, daß in die Finanz—‚ Wirtschafts- und Sozialpolitik auch Umweltziele integriert werden.


Die SPD erhebt folgende Forderungen zur Fortentwicklung des Maastricht-Vertrages:

  1. Verankerung des Prinzips der dauerhaft sozial-, natur- und umweltverträglichen Entwicklung im Vertragstext. Es muß die bisherige Formulierung des "beständigen, nicht inflationären und umweltverträglichen Wachstums" in Artikel 2 des Vertrages ersetzen. Mit der Orientierung am Prinzip der Nachhaltigkeit wird im Vertrag verbindlich festgehalten, daß die Gemeinschaft bei der Erfüllung ihrer Aufgaben den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen gewährleisten will. Dies entspricht den wiederholt gemachten Selbstverpflichtungen der EU im Rahmen der Rio-Konferenz, aber auch der deutschen Staatszielbestimmung Umweltschutz in Artikel 20 a des Grundgesetzes.
  2. Eine vertragliche Klarstellung, daß auch für die Umweltpolitik das Integrationsprinzip gilt. Dies bedeutet, daß Umweltschutzanforderungen gleichberechtigt in allen zentralen Politikbereichen verbindlich festgeschrieben werden. Sie sind keine nachrangigen Aspekte.
  3. Entscheidungen im Bereich der Umweltpolitik dürfen grundsätzlich nur noch mit Mehrheit gefällt werden. Dabei ist sicherzustellen, daß es den Einzelstaaten freigestellt ist, weitergehende und strengere Umweltauflagen national zu erlassen bzw. beizubehalten.
  4. Dringend erforderlich ist mehr Transparenz in den Entscheidungen und eine Erweiterung der Mitwirkungs- und Initiativrechte des Europäischen Parlaments. Dazu zählt auch ein Akteneinsichtsrecht und eine Ausweitung der Beteiligungsrechte für Nichtregierungs-Organisationen.
  5. Ebenfalls erforderlich ist eine Verbesserung des Vollzugs der vorhandenen Umweltrichtlinien und Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft. Die Anwendung der bereits bestehenden Regelwerke muß besser kontrolliert werden, um die heute stark vorhandenen Vollzugsdefizite zu beseitigen.
  6. Den anerkannten Umweltverbänden ist eine Verbandsklage beim Europäischen Gerichtshof einzuräumen.