I1: Für eine andere Welthandelspolitik (2003): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 40: Zeile 40:
* '''Mode 3''': Erbringung einer Dienstleistung durch einen Anbieter des Landes A im Land B über eine kommerzielle Präsenz z.B. Auslandsnierlassungen von Banken, private Krankenhäuser, Versicherungen
* '''Mode 3''': Erbringung einer Dienstleistung durch einen Anbieter des Landes A im Land B über eine kommerzielle Präsenz z.B. Auslandsnierlassungen von Banken, private Krankenhäuser, Versicherungen
* '''Mode 4''': Erbringung einer Dienstleistung durch einen Anbieter des Landes A im Land B über die Präsenz natürlicher Personen im Land B z.B. Arbeitsmigration, Pflegerinnen aus Polen
* '''Mode 4''': Erbringung einer Dienstleistung durch einen Anbieter des Landes A im Land B über die Präsenz natürlicher Personen im Land B z.B. Arbeitsmigration, Pflegerinnen aus Polen
Alle im Rahmen des GATS Abkommens festgelegten Übereinkommen, gelten gleichermaßen, für alle Mitgliedsstaaten der WTO und für sämtliche GATS-Sektoren. Dies nennt man das Meistbegünstigungsprinzip: Handelsvergünstigungen für ein Land müssen allen anderen WTO-Mitgliedern ebenfalls zugestanden werden.
Teilweise Ausnahmen hiervon bilden„Marktzugang“ [Keine quantitativen Handelsbeschränkungen (d.h. keine Beschränkungen der Zahl der Anbieter, des Umsatzes, der Stückzahlen etc.)] und „Inländerbehandlung“ [In- und ausländische Anbieter müssen gleich behandelt werden; es darf keine Vorzugsbehandlung von inländischen Anbietern geben].
Diese beiden spezifischen Verpflichtungen sind nicht allgemein verbindlich, sondern sind Folge von länder- und fallweisen Zugeständnissen. Diese Zugeständnisse sind in den sog. Listen der spezifischen Verpflichtungen („schedules of specific commitments“) zusammengefasst. Wird eine Dienstleistung nicht in diese Liste aufgenommen, dann bleiben die Vertragspartner frei, bestehende Handelshemmnisse beizubehalten oder neu einzuführen. Aber auch hierbei müssen allgemeine Prinzipien und Regeln der WTO und des GATS eingehalten werden.
Im Hinblick auf das Meistbegünstigungsprinzip enthält das GATS allerdings wichtige Ausnahmen für regionale Integrationsabkommen. Insbesondere für die Europäische Union hat diese Ausnahmeregelung des GATS eine wichtige Bedeutung, da sie verhindert, dass Vorteile des hohen Liberalisierungsniveaus innerhalb des Europäischen Binnenmarktes bedingungslos auch Drittstaaten außerhalb des EU gewährt werden müssten.
===Verpflichtung zu weiteren Verhandlungen===
Das GATS verpflichtet darüberhinaus zu weiteren Verhandlungen und besitzt damit einen eingebauten Zwangsmechanismus, der zu einem völlig freien, unkontrollierten Welthandel führen wird.
Festgelegt ist diese Verpflichtung in Artikel XIX Abs.1 GATS. Dort heißt es: „Entsprechend den Zielen dieses Übereinkommens treten die Mitglieder in aufeinander folgende Verhandlungsrunden ein, die spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des WTO Übereinkommens beginnen und danach regelmäßig stattfinden, um schrittweise einen höheren Stand der Liberalisierung zu erreichen.“
'''Es muss darauf hingewiesen werden, dass durch diese Einbahnstraßen-Verhandlungen unvorhergesehene Schwierigkeiten und Probleme in den Mitgliedsstaaten entstehen können. Deshalb muss die Möglichkeit geschaffen werden, Liberalisierungsschritte unter Berücksichtigung vernünftiger Fristen zurückzunehmen.'''
===Änderung oder Rücknahme von Verpflichtungen===
Bei einer Rücknahme von Verpflichtungen, die frühestens nach drei Jahren möglich ist, muß eine gleichwertige Kompensation in Form anderer Privatisierungen und/oder Liberalisierungen erfolgen. Auf einen solchen Ausgleich müssen sich die betroffenen Staaten einigen. Gibt es keine Einigung, wird ein Streitschlichtungsverfahren eingeleitet, dessen Ergebnisse verbindlich sind.
Diese Regelung führt dazu, dass der erreichte Verhandlungsstand im GATS de facto unumkehrbar sind, weil Rücknahmen der Liberalisierung und Privatisierung gleichwertig kompensiert werden müssen. Insbesondere – aber nicht nur – für Entwicklungsländer entstehen Probleme dadurch, dass bestimmte Maßnahmen für die Bevölkerung Nachteile bedeuten.
'''Entscheidungen über die Erbringung öffentlicher Güter müssen sowohl weltweit als auch überall in Deutschland im Rahmen demokratischer Kontrolle getroffen werden. So dass jedes Land und jede Kommune autonom und immer wieder neu für ihre BürgerInnen entscheiden kann, wie sie die Erbringung regeln will.'''
'''Öffentliche Güter müssen also grundsätzlich von internationalen Liberalisierungsabkommen wie dem GATS ausgenommen werden. In allen anderen Bereichen muss eine sogenannte Schutz-Klausel eingeführt werden, die eine kurzfristige, zeitlich befristete Rücknahme von Zusagen unter bestimmten Umständen ohne Kompensation ermöglicht.'''
===Die GATS-Verhandlungen===
Im Februar 2000 begannen die Dienstleistungsverhandlungen im Rahmen der WTO. Seit März 2001 gab es eine intensive Sachdiskussion der WTO-Mitgliedstaaten über generelle Verhandlungsziele für einzelne Dienstleistungssektoren und Formen der Dienstleistungserbringung.
Vom 09. bis 14.11.2001 fand in Doha/Quatar die 4. WTO-Ministerkonferenz statt. Dort wurden folgende Punkte auf die Tagesordnung für die nächste Verhandlungsrunde gesetzt:
* umfassender Abbau von Industriezöllen
* weitere Liberalisierung beim Handel mit Agrarprodukten
* verstärkte Marktöffnung im öffentlichen Auftragswesen
* Schutz des geistigen Eigentums (TRIPS)
* Verstärkte Einbindung der Entwicklungsländer in den Welthandel
* Schaffung eines multilateralen Regelwerks, um ausländische Direktinvestitionen weltweit den gleichen Mindeststandard beim Marktzugang und beim Investitionsschutz zu garantieren
* Stärkere Berücksichtigung ökologischer Aspekte
* Berücksichtigung von Arbeitsstandards

Version vom 25. Juni 2013, 20:30 Uhr

Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Kiel 2003
Bezeichnung: I1
Antragsteller: Jusos Schleswig-Holstein


Beschluss: Überwiesen an Landesparteirat, Europaforum

Der Landesparteitag möge beschließen:


Für eine andere Welthandelspolitik

Allgemeine Einordnung

In der EU dominiert schon länger ein Hang zu Deregulierungen, Liberalisierungen und Privatisierungen. Die Arbeitsmärkte wurden dereguliert, die Energiemärkte wurden liberalisiert und große Staatsunternehmen wie in Deutschland die Deutsche Bundesbahn oder die Deutsche Bundespost wurden privatisiert und zu Aktiengesellschaften umgewandelt.

Vor allem bei den Privatisierungen gab es katastrophale Misserfolge in Europa: Der Börsencrash der Deutschen Telekomaktie und das Desaster mit den Umstrukturierungen bei der Deutschen Bahn sind in Deutschland keinem verborgen geblieben. In Großbritannien brach durch eine Grippewelle im vorletzten Winter die Gesundheitsversorgung zusammen. Und das in den achtziger Jahren privatisierte britische Eisenbahnwesen wurde wieder verstaatlicht.

Sozialdemokratische Politik hat es immer ausgezeichnet, aus der Vergangenheit für die Zukunft zu Lernen. Deshalb müssen auch die gerade beschriebenen Erfahrungen in der EU-Handelspolitik berücksichtigt werden.

Das GATS in der WTO

Im Rahmen der laufenden Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) gilt dies besonders für das Abkommen zum Dienstleistungshandel (GATS – General Agreement on Trade in Services). Es wurde 1995 ins Leben gerufen und bildet neben dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) und dem Abkommen über Urheberschutzrechte (TRIPS) eine der drei wesentlichen Säulen des WTO-Vertragswerks.

Ziel des GATS ist die „fortschreitende Liberalisierung“ sämtlicher Dienstleistungssektoren der WTO-Mitgliedsstaaten (zurzeit 146, 26 weitere Staaten –darunter Russland- haben sich um einen Beitritt beworben).

Diese Zielsetzung geht einher mit der Aufgabe der WTO, den weltweiten Handel mit möglichst wenigen Hindernissen zu ermöglichen. Diese Aufgabe entspricht der neoklassischen Aussenhandelstheorie, wonach der weltweite Abbau von Handelshemmnissen zu mehr Wachstum und damit zu mehr Wohlstand führen würde.

Struktur des GATS

Das GATS erfasst alle den Handel mit Dienstleistungen betreffenden Maßnahmen der Mitglieder. Diese Mitglieder sind zum einen die zentralen, regionalen und lokalen Regierungen und Behörden und zum anderen nichtstaatliche Stellen, die mit der Ausübung öffentlicher Aufgaben betreut sind.

Das GATS gliedert die Dienstleistungen nach dem Standortkriterium der Erbringung und Nutzung dieser Dienstleistungen. Dabei wird zwischen vier wirtschaftlich relevanten Erbringungseinheiten („modes of supply“) von Dienstleistungen unterschieden:

  • Mode 1: Erbringung einer Dienstleistung durch eine Person oder ein Unternehmen im Land A für einen Kunden im Land B d.h. grenzüberschreitende Dienstleistung, z.B. Ferndiagnosen, Internethandel mit Medikamenten
  • Mode 2: Erbringung einer Dienstleistung im Land A bei gleichzeitiger Nutzung durch einen Dienstleistungsnachfrager aus dem Land B z.B. Konsum im Ausland, Zahnersatz in Polen
  • Mode 3: Erbringung einer Dienstleistung durch einen Anbieter des Landes A im Land B über eine kommerzielle Präsenz z.B. Auslandsnierlassungen von Banken, private Krankenhäuser, Versicherungen
  • Mode 4: Erbringung einer Dienstleistung durch einen Anbieter des Landes A im Land B über die Präsenz natürlicher Personen im Land B z.B. Arbeitsmigration, Pflegerinnen aus Polen

Alle im Rahmen des GATS Abkommens festgelegten Übereinkommen, gelten gleichermaßen, für alle Mitgliedsstaaten der WTO und für sämtliche GATS-Sektoren. Dies nennt man das Meistbegünstigungsprinzip: Handelsvergünstigungen für ein Land müssen allen anderen WTO-Mitgliedern ebenfalls zugestanden werden.

Teilweise Ausnahmen hiervon bilden„Marktzugang“ [Keine quantitativen Handelsbeschränkungen (d.h. keine Beschränkungen der Zahl der Anbieter, des Umsatzes, der Stückzahlen etc.)] und „Inländerbehandlung“ [In- und ausländische Anbieter müssen gleich behandelt werden; es darf keine Vorzugsbehandlung von inländischen Anbietern geben].

Diese beiden spezifischen Verpflichtungen sind nicht allgemein verbindlich, sondern sind Folge von länder- und fallweisen Zugeständnissen. Diese Zugeständnisse sind in den sog. Listen der spezifischen Verpflichtungen („schedules of specific commitments“) zusammengefasst. Wird eine Dienstleistung nicht in diese Liste aufgenommen, dann bleiben die Vertragspartner frei, bestehende Handelshemmnisse beizubehalten oder neu einzuführen. Aber auch hierbei müssen allgemeine Prinzipien und Regeln der WTO und des GATS eingehalten werden.

Im Hinblick auf das Meistbegünstigungsprinzip enthält das GATS allerdings wichtige Ausnahmen für regionale Integrationsabkommen. Insbesondere für die Europäische Union hat diese Ausnahmeregelung des GATS eine wichtige Bedeutung, da sie verhindert, dass Vorteile des hohen Liberalisierungsniveaus innerhalb des Europäischen Binnenmarktes bedingungslos auch Drittstaaten außerhalb des EU gewährt werden müssten.

Verpflichtung zu weiteren Verhandlungen

Das GATS verpflichtet darüberhinaus zu weiteren Verhandlungen und besitzt damit einen eingebauten Zwangsmechanismus, der zu einem völlig freien, unkontrollierten Welthandel führen wird.

Festgelegt ist diese Verpflichtung in Artikel XIX Abs.1 GATS. Dort heißt es: „Entsprechend den Zielen dieses Übereinkommens treten die Mitglieder in aufeinander folgende Verhandlungsrunden ein, die spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des WTO Übereinkommens beginnen und danach regelmäßig stattfinden, um schrittweise einen höheren Stand der Liberalisierung zu erreichen.“

Es muss darauf hingewiesen werden, dass durch diese Einbahnstraßen-Verhandlungen unvorhergesehene Schwierigkeiten und Probleme in den Mitgliedsstaaten entstehen können. Deshalb muss die Möglichkeit geschaffen werden, Liberalisierungsschritte unter Berücksichtigung vernünftiger Fristen zurückzunehmen.

Änderung oder Rücknahme von Verpflichtungen

Bei einer Rücknahme von Verpflichtungen, die frühestens nach drei Jahren möglich ist, muß eine gleichwertige Kompensation in Form anderer Privatisierungen und/oder Liberalisierungen erfolgen. Auf einen solchen Ausgleich müssen sich die betroffenen Staaten einigen. Gibt es keine Einigung, wird ein Streitschlichtungsverfahren eingeleitet, dessen Ergebnisse verbindlich sind.

Diese Regelung führt dazu, dass der erreichte Verhandlungsstand im GATS de facto unumkehrbar sind, weil Rücknahmen der Liberalisierung und Privatisierung gleichwertig kompensiert werden müssen. Insbesondere – aber nicht nur – für Entwicklungsländer entstehen Probleme dadurch, dass bestimmte Maßnahmen für die Bevölkerung Nachteile bedeuten.

Entscheidungen über die Erbringung öffentlicher Güter müssen sowohl weltweit als auch überall in Deutschland im Rahmen demokratischer Kontrolle getroffen werden. So dass jedes Land und jede Kommune autonom und immer wieder neu für ihre BürgerInnen entscheiden kann, wie sie die Erbringung regeln will.

Öffentliche Güter müssen also grundsätzlich von internationalen Liberalisierungsabkommen wie dem GATS ausgenommen werden. In allen anderen Bereichen muss eine sogenannte Schutz-Klausel eingeführt werden, die eine kurzfristige, zeitlich befristete Rücknahme von Zusagen unter bestimmten Umständen ohne Kompensation ermöglicht.

Die GATS-Verhandlungen

Im Februar 2000 begannen die Dienstleistungsverhandlungen im Rahmen der WTO. Seit März 2001 gab es eine intensive Sachdiskussion der WTO-Mitgliedstaaten über generelle Verhandlungsziele für einzelne Dienstleistungssektoren und Formen der Dienstleistungserbringung.

Vom 09. bis 14.11.2001 fand in Doha/Quatar die 4. WTO-Ministerkonferenz statt. Dort wurden folgende Punkte auf die Tagesordnung für die nächste Verhandlungsrunde gesetzt:

  • umfassender Abbau von Industriezöllen
  • weitere Liberalisierung beim Handel mit Agrarprodukten
  • verstärkte Marktöffnung im öffentlichen Auftragswesen
  • Schutz des geistigen Eigentums (TRIPS)
  • Verstärkte Einbindung der Entwicklungsländer in den Welthandel
  • Schaffung eines multilateralen Regelwerks, um ausländische Direktinvestitionen weltweit den gleichen Mindeststandard beim Marktzugang und beim Investitionsschutz zu garantieren
  • Stärkere Berücksichtigung ökologischer Aspekte
  • Berücksichtigung von Arbeitsstandards