B5 Schleswig-Holstein braucht eine moderne Bildungspolitik? ohne Klug! (2010)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Kiel 2010
Bezeichnung: B5
Antragsteller: Kreisverband Lauenburg


Beschluss: Überwiesen an Landesparteitag

siehe B4 Schleswig-Holstein braucht eine moderne Bildungspolitik? ohne Klug! (2011)

Die Proteste, Demonstrationen und Streiks der vergangenen Tage und Wochen haben gezeigt, dass der Minister Klug der CDU/FDP-Regierung keinerlei Rückhalt mehr in der Bevölkerung für seine Bildungspolitik hat. Schon vor Monaten gab es deutliche Kritik von Schulleitungen, Kita-Einrichtungen, Lehrerverbänden, Kommunalpolitikern/innen und vom Städteverband an dem neuen Schulgesetzentwurf. Auch innerhalb der CDU wurden die kritischen Stimmen immer lauter. Herr Minister Klug schenkte den Kritikern/innen aber kein Gehör, sondern regierte mit Verordnungen und Zwang – auf Gutsherrenart! Mit seiner Strategie „Verordnen statt Verhandeln“ stört er den seit vielen Jahren praktizierten Stil des wechselseitigen Austausches und stiftet damit sozialen Unfrieden in der Bildungslandschaft Schleswig-Holsteins.

Erst jetzt zeigt sich, wie viel Rückhalt die bildungspolitischen Reformen der ehemaligen SPD-Bildungsministerin Erdsiek-Rave bei den Betroffenen haben. Sehr engagiert haben Vertreter/innen der Schulen und der Kita-Einrichtungen sowie auch parteiübergreifend die Kommunalpolitiker/innenan den Neuerungen gearbeitet: Aufbau der Gemeinschaftsschulen, Bildungsanspruch der Kita-Einrichtungen, G8 an den Gymnasien, binnendifferenzierter Unterricht und längeres gemeinsames Lernen und vieles andere mehr. Schwachstellen müssen noch bearbeitet werden. Insgesamt waren die Weichenstellungen der SPD- Bildungspolitik aber richtig und müssen weitergeführt werden.

Die Kritikpunkte an der Bildungspolitik der CDU/FDP-Regierung sind vielfältig:

  1. Mit dem Streichen des beitragsfreien letzten Kita-Jahres hat die CDU/FDP-Regierung Vertrauen verspielt, da diese Entlastung den Eltern ja schon zugesagt worden war. Schwerwiegend ist weiterhin, dass mit der Streichung der Bildungsanspruch der Kita- Einrichtungen in Frage gestellt wird.
  2. Das starre Festhalten an der Wiedereinführung von G9 geht an den Realitäten vorbei. Alle Gymnasien Schleswig-Holsteins sind seit mindestens zwei Jahren mit dem Umbau zu G8 beschäftigt und haben viel Arbeit geleistet. Die Kommunen haben als Schulträger viel Geld investiert, etwa in den Bau einer Mensa und in die Anschaffung neuer Schulbücher. Der Landeselternbeirat sowie zahlreiche Kreiselternbeiräte haben sich deutlich für die Weiterführung von G8-Gymnasien ausgesprochen, weil sie über diesen Weg große Chancen auf eine Verbesserung der Unterrichtskultur sehen.
    Völlig abwegig ist das von Klug favorisierte Y-Modell, nach dem G8 und G9 an einer Schule nebeneinander angeboten werden sollen. Zu Recht wehren sich die Gymnasien gegen diese Variante. Es führt zu einem enormen organisatorischen Mehraufwand an der einzelnen Schule, belastet Lehrer/innen in der Vorbereitung und Durchführung von Unterricht unnötig und macht zusätzliche Unterrichtsstunden notwendig, ohne dass ein angemessener Ertrag zu erkennen ist. Das bedeutet, dass mehrere 100 Lehrerstellen an die Gymnasien verlagert werden müssten, was auf Kosten der Gemeinschaftsschulen geht und sie bei der Organisation des binnendifferenzierten Unterrichts schwächt und schwächen soll.
    Für eine Durchführung von G8 ist eine sorgfältige Überarbeitung der Lehrpläne notwendig - auch vor dem Hintergrund, den Schüler/innen eine ausgleichende Freizeitgestaltung am Nachmittag zu ermöglichen.
    In der Kooperation von Gymnasium und Gemeinschaftsschule macht das Nebeneinander von G8 und G9 Sinn, denn G9 findet in der Mittelstufe statt. Hier haben Gemeinschaftsschüler/innen ein Jahr mehr Zeit als die Gymnasiasten, um den Einstieg in die dreijährige Oberstufe zu schaffen. Dieses Kooperationsmodell will Herr Klug aber nicht akzeptieren. Ideologische Scheuklappen hindern ihn daran, eine solche vor Ort gewachsene Kooperation anzuerkennen.
  3. Die CDU/FDP-Regierung hat EVIT abgeschafft, ebenso VERA und Parallelarbeiten – angeblich um Lehrer/innen zu entlasten. Auf der Strecke bleibt dabei aber die institutionelle Entwicklung der Teamarbeit unter Lehrer/innen. In einer modernen Schullandschaft müssen sich Lehrer/innen dem Feed-back-Verfahren stellen, denn nur so kann die Unterrichtsqualität verbessert werden. Die Landesregierung führt lieber eine völlig unfruchtbare Schulform-Diskussion, als sich mit dem Kernbereich der Schulentwicklung zu beschäftigen – nämlich mit der Unterrichtsqualität. Angesagt ist nunmehr wieder das Einzelkämpferdasein unter Lehrern, Unterricht hinter verschlossenen Türen, Intransparenz, fehlender Überblick und Verharren in alten Gewohnheiten.
  4. Unter der CDU/FDP-Regierung feiert der Selektionsgedanke sein Come-back. Durch die Einführung der äußeren Differenzierung an den Gemeinschaftsschulen – das ist nichts anderes als die Wiedereinführung von Realschule und Hauptschule durch die Hintertür – folgt Klug dem Trugbild sogenannter homogener Lerngruppen. Diese gibt es aber gar nicht. Jedes Kind ist verschieden, hat seine individuellen Lernstrategien und spricht auf unterschiedliche Lernmethoden verschieden an. Die Vielfalt als Chance zu nutzen und die Individualität des einzelnen Schülers in den Mittelpunkt zu rücken – das sind die Stärken des Gemeinschaftsschulkonzeptes. Jedem Kind den bestmöglichen Schulabschluss zu ermöglichen, muss die Leitlinie der Schulpolitik sein. Herr Klug hat dies nicht erkannt, sondern verordnet Gleichmacherei im Klassenraum und Rückkehr zum dreigliedrigen Schulsystem. „Wer nicht reinpasst, muss gehen“ – so lautet die Devise. So werden wir die Zahl der Abiturienten in den nächsten Jahren bestimmt nicht erhöhen.
  5. Die Reform der Oberstufe war angesichts des kommenden demografischen Wandels richtig, wies aber Schwächen auf. So war die Anzahl der Pflichtstunden zu hoch, die Belastung der Schüler/innen zu groß. Das fächerübergreifende Unterrichten passt nicht zur Einführung des Zentralabiturs. Bisher war außerdem nicht gewährleistet, dass Schüler, die die Klasse wiederholen, das gleiche Profil belegen können. Profile an einer Schule müssen langfristig angelegt sein. Hier sind Überarbeitungen dringend erforderlich.


Die SPD Schleswig-Holstein muss Alternativen zur jetzigen Bildungspolitik vertreten. Die bildungspolitische Kompetenz lag in den letzten Jahren bei uns und dies müssen wir für die Zukunft auch wieder deutlich vertreten.


Was Schulen wirklich brauchen:

  1. Die Forderung nach mehr Autonomie der einzelnen Schulen ist richtig. Dazu gehört aber eine echte Kompetenzerweiterung. Kernpunkte dabei sind die Personalhoheit und ein eigenes Budget. Nur dann macht das pflichtgemäße Schreiben von Schulprogrammen Sinn, nur dann können einzelne Schulen wirklich eigene Entscheidungen treffen und auch eigene Wege gehen.
  2. Unsere Schullandschaft braucht Klarheit und Transparenz: ein zweigliedriges System von verbindlichen ganztägigen Gemeinschaftsschulen und Gymnasien reicht mittelfristig aus. Die Kooperation beider Schularten soll gefördert und ausgebaut werden. Um Konkurrenz gegeneinander darf es nicht gehen.
  3. Schulentwicklung muss von der einzelnen Schülerbiografie ihren Ausgangspunkt nehmen. Die individuelle Entwicklung eines jeden einzelnen Kindes gehört in den Mittelpunkt der Schulreformen. Die frühe Selektion ist falsch und führt zu Ungerechtigkeiten. Unterricht muss sich an den jeweiligen individuellen Entwicklungspotentialen von Kindern ausrichten, braucht klare, stabile Rahmenbedingungen für individuelles Lernen, gezieltes Fördern gerade in den Anfangsjahren und braucht auch Feed-back-Verfahren zur Verbesserung von Unterricht.
  4. Die Heterogenität einer Lerngruppe muss als Chance begriffen werden und nicht als Hindernis. Inklusion bedeutet mehr Chancengerechtigkeit und diese ist das Fundament einer demokratischen und sozialen Gesellschaft.
  5. Die Integration sozialpädagogischer Betreuung in den Unterricht ist heutzutage eine Notwendigkeit. Immer mehr Eltern verabschieden sich aus verschiedenen Gründen von der Erziehung ihrer Kinder, sodass Defizite von der Schule aufgefangen werden müssen. Dies kann von den Lehrkräften nicht zusätzlich erwartet werden. Lehrer müssen sich auf das Kerngeschäft des Unterrichtens konzentrieren können. Jede Schule soll mindestens eine ganze Stelle eines Sozialpädagogen vorhalten. Das Betätigungsfeld wird vom Bildungsministerium klar definiert, die Weisungsbefugnis unterliegt den Schulleitern, die finanzielle Zuständigkeit im Bildungsministerium. In diesem Zusammenhang soll auch eine Überprüfung und gegebenenfalls Neuordnung des schulpsychologischen Dienstes erfolgen.
  6. Die Unterrichtsstundenverpflichtung von Lehrern/innen soll 24 Wochenstunden nicht überschreiten. Wir streben eine maximale Klassenstärke von 24 Schülern/innen an. Einen Abbau von Lehrerstellen – geplant sind ein Minus von 3.650 Lehrerstellen insgesamt – lehnen wir ab. Der demografische Wandel soll zu einer Verbesserung von Unterricht genutzt werden.
  7. Im Zuge des weiteren Ausbaus der Regelschulzeit in den Nachmittag hinein entsteht die Notwendigkeit, Kinder mit kostenfreiem Mittagessen zu versorgen.
  8. Die Zuschüsse für die Schülerbeförderung auch für Schüler ab Klasse 11 sind zu erhalten. Eine Beteiligung der Eltern wird abgelehnt.