Entschließung: Deutschland und Europa (1989): Unterschied zwischen den Versionen

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Die diese Ziele hat die SPD immer gearbeitet.
Die diese Ziele hat die SPD immer gearbeitet.
'''III.'''
Wir sehen aber auch die Risiken auf dem Weg zur Verwirklichung unseres Traumes.
Das moralische und ökonomische Versagen des Staatskommunismus ist offensichtlich. Über die Fehler der anderen dürfen wir aber nicht Fehlentwicklungen im eigenen Lande verdrängen: Das Modell der Zweidrittel-Gesellschaft im Westen ist keine Alternative zur Herrschaft der östlichen Parteibürokratien. Die Freiheit des Individuums muss immer und überall gegen die Macht von Staat und Bürokratie verteidigt werden. Auch im Westen sind ökologische und soziale Reformen notwendig.
Die Rechte nationaler Minderheiten müssen gestärkt werden. Aber der Verlust an Zentralmacht und der Gewinn von Freiheit für die Völker der Ostens dürfen nicht zu nationalistischen und chauvinistischen Reaktionen führen.
Öffnung und Schließung von Grenzen führen unter den gegebenen Bedingungen zu Fluchtbewegungen. Wer aus Not, Unterdrückung und menschenunwürdigen Zuständen als Deutscher zu uns kommt, bedarf unserer Hilfe. Sie ist selbstverständlich, so wie wir auch denen helfen wollen, die als Nichtdeutsche wegen Verfolgung in ihrem Heimatland bei uns Asyl suchen. Fluchtbewegungen werden erst zum Stehen kommen, wenn es gelingt, ihre Ursachen zu beseitigen: die Defizite an persönlicher und politischer Freiheit sowie den Mangel an wirtschaftlicher Wohlfahrt und sozialer Gerechtigkeit im Osten. Nur eine Reformpolitik kann nötige Antworten liefern.
Wir in den Staaten Westeuropas haben eine Mitverantwortung dafür, dass der Reformprozess in Osteuropa gewaltfrei erfolgen kann. Strategien der Destabilisierung und Hoffnungen auf Zusammenbrüche sind unverantwortlich. Sie können für alle Menschen in Europa unabsehbare Folgen haben.
Die Wiedervereinigungsrhetorik aus den Reihen der Konservativen kann den Reformprozess im Osten gefährden. Nicht anachronistische Angliederungsvorstellungen, sondern nur die bedrohungsfreie und solidarische Begleitung einer eigenständigen und souveränen Reformpolitik in der DDR und in Osteuropa kann den Völkern in Osteuropa und den Deutschen helfen.

Version vom 5. Dezember 2014, 11:56 Uhr

Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Timmendorfer Strand 1989
Bezeichnung:
Antragsteller: Nicht aufgeführt


Beschluss: Angenommen


I.

Die Eutiner Beschlüsse der SPD Schleswig-Holstein von 1966 waren ein Anstoß zu einer neuen Ost- und Deutschlandpolitik der SPD und der Bundesrepublik Deutschland.

Diese Politik wurde auf den Trümmern der gescheiterten Deutschlandpolitik der Union und gegen ihren erbitterten Widerstand durchgesetzt. Sie hat seit 1969 unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung Verträge und Abmachungen mit der DDR, Polen und der Sowjetunion ermöglicht, die der Entspannung in Europa und der Normalisierung zwischenstaatlicher Beziehungen dienten.

Sie hat zur Existenzsicherung Berlins geführt, durch erweiterte Reise- und Besuchsmöglichkeiten sowie durch Familienzusammenführung die Teilungsfolgen für viele Menschen gemildert, den Helsinki-Prozess gefördert und dazu beigetragen, dass die Bürgerinnen und Bürger der DDR gegenüber der Staatsmacht ihre Rechte aus den KSZE-Beschlüssen einfordern können. Unsere Politik war so erfolgreich, dass die Kohl-Regierung sie übernommen hat und sich ihrer Erfolge rühmt.

Auf den Erfolg ihrer Regierungspolitik bauend, hat die SPD in der Opposition in Gesprächen mit der Staatspartei der DDR Vorschläge für eine atomwaffenfreie Zone in Europa erarbeitet. Sie hat damit in der internationalen Spannungsphase atomarer Aufrüstung zur deutsch-deutschen Verantwortungsgemeinschaft und zur Entspannung im Zentrum Europas beigetragen.

Unsere Politik bleibt richtig. Sie muss heute um die sozialdemokratische Vision eines einigen und friedlichen Europas ergänzt werden. Sie muss die neuen Chancen nutzen durch unsere Bereitschaft zu einem solidarischen Beitrag zum demokratischen Wandel in der DDR, damit die historische Chance der Freiheit, die sich in Osteuropa durch die Politik Gorbatschows eröffnet hat, auch von den Bürgerinnen und Bürgern der DDR genutzt werden kann.


II.

Europa hat eine historische Chance

Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte Europas besteht die reale Möglichkeit, durch Abrüstung und Zusammenarbeit Krieg in Europa unmöglich zu machen und durch einen demokratischen Reformprozess den Frieden auf die freie Zustimmung der Menschen in Ost und West zu gründen.

Zum ersten Mal besteht eine Chance, die drängenden ökologischen und ökonomischen Probleme im gemeinsamen Haus Europa gemeinsam zu lösen.

Zum ersten Mal führen Reformbewegungen in einer Reihe von Staaten des Warschauer Vertrages zu revolutionären Veränderungen.

Zum ersten Mal könnte der Traum einer sozialen und friedlichen europäischen Staatsgemeinschaft Wirklichkeit werden, die auf den zugleich vielfältigen und gemeinsamen Traditionen der Aufklärung und des Humanismus, der Demokratie und des sozialen Rechtsstaats fußen.

Zum ersten Mal besteht in Europa die historische Chance, den Demokratischen Sozialismus mehrheitsfähig zu machen.

Die diese Ziele hat die SPD immer gearbeitet.


III.

Wir sehen aber auch die Risiken auf dem Weg zur Verwirklichung unseres Traumes.

Das moralische und ökonomische Versagen des Staatskommunismus ist offensichtlich. Über die Fehler der anderen dürfen wir aber nicht Fehlentwicklungen im eigenen Lande verdrängen: Das Modell der Zweidrittel-Gesellschaft im Westen ist keine Alternative zur Herrschaft der östlichen Parteibürokratien. Die Freiheit des Individuums muss immer und überall gegen die Macht von Staat und Bürokratie verteidigt werden. Auch im Westen sind ökologische und soziale Reformen notwendig.

Die Rechte nationaler Minderheiten müssen gestärkt werden. Aber der Verlust an Zentralmacht und der Gewinn von Freiheit für die Völker der Ostens dürfen nicht zu nationalistischen und chauvinistischen Reaktionen führen.

Öffnung und Schließung von Grenzen führen unter den gegebenen Bedingungen zu Fluchtbewegungen. Wer aus Not, Unterdrückung und menschenunwürdigen Zuständen als Deutscher zu uns kommt, bedarf unserer Hilfe. Sie ist selbstverständlich, so wie wir auch denen helfen wollen, die als Nichtdeutsche wegen Verfolgung in ihrem Heimatland bei uns Asyl suchen. Fluchtbewegungen werden erst zum Stehen kommen, wenn es gelingt, ihre Ursachen zu beseitigen: die Defizite an persönlicher und politischer Freiheit sowie den Mangel an wirtschaftlicher Wohlfahrt und sozialer Gerechtigkeit im Osten. Nur eine Reformpolitik kann nötige Antworten liefern.

Wir in den Staaten Westeuropas haben eine Mitverantwortung dafür, dass der Reformprozess in Osteuropa gewaltfrei erfolgen kann. Strategien der Destabilisierung und Hoffnungen auf Zusammenbrüche sind unverantwortlich. Sie können für alle Menschen in Europa unabsehbare Folgen haben.

Die Wiedervereinigungsrhetorik aus den Reihen der Konservativen kann den Reformprozess im Osten gefährden. Nicht anachronistische Angliederungsvorstellungen, sondern nur die bedrohungsfreie und solidarische Begleitung einer eigenständigen und souveränen Reformpolitik in der DDR und in Osteuropa kann den Völkern in Osteuropa und den Deutschen helfen.