A 1 Willkommen in Schleswig-Holstein: Solidarische Flüchtlingspolitik gestalten! (2015)
Gremium: Landesparteirat |
Sitzung: Landesparteiratssitzung, September 2015 |
Bezeichnung: A1 |
Antragsteller: Kreisverband Stormarn
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Beschluss: Angenommen |
Der beschlossene Antrag soll durch Kai Dolgner und Serpil Midyatli redaktionell überarbeitet und aktualisiert werden, weil sich Inhalte überholt haben.
Das starke Flüchtlingsaufkommen der letzten Woche und Monaten hat an vielen Stellen gezeigt, dass bestehende rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen an ihre Grenzen stoßen und sich neue Anforderungen an Flüchtlings- und Integrationspolitik stellen. Verantwortung und Solidarität in Europa und der Welt Jeder Geflüchtete hat eine eigene Fluchtgeschichte und einen individuellen Grund, warum er_sie sein_ihr gewohntes Umfeld verlassen hat. Armut, Bevölkerungswachstum, Umweltzerstörung, Ausbeutung, kriegerische Konflikte, Diskriminierung, Willkür und Gewalt gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention sind unter anderem Ursachen, warum Menschen sich auf die Suche nach einem neuen, sicheren Leben begeben. Wenn sich die Europäische Union als Wertegemeinschaft versteht, die die Menschenrechte und Humanität in den Mittelpunkt ihres Wertekanons stellt, bedarf es auf europäischer Ebene eines Umdenkens.
Eine globale, friedenspolitische Strategie ist für eine breit angelegte Flüchtlingspolitik zentral. An erster Stelle einer europäischen Strategie muss deshalb die zivile Unterstützung der Herkunftsländer stehen, um Fluchtursachen wirksam zu bekämpfen. Unser Ziel ist ein gemeinsames Asylverfahren mit gleichen Tatbeständen und Regelungen in ganz Europa, die Ausgestaltung eines europäischen Asylrechts und europäische Solidarität zugunsten der Migrant_innen und Asylsuchenden. Daraus folgt aber auch, dass die Länder, die nicht von großen Flüchtlingsaufkommen betroffen sind, sich endlich stärker engagieren.
Das Dublin-II-Abkommen ist überholt und wird der Zeit nicht mehr gerecht. Es muss ein europäischer Solidaritätsmechanismus für die Verteilung von Asylbewerber_innen geschaffen werden, der sowohl die Wirtschaftskraft der Aufnahmeländer berücksichtigt, als auch die Wünsche der Asylbewerber_innen nach Familienzusammenführung, Sprachkenntnissen, Arbeitsplatzchancen, Bezug zu Verwandtschaft oder Landsleuten und Länderwünschen. Langfristiges Ziel muss dabei Neuordnung der Dublin-II-Verordnung sein.
Zudem darf sich im Sinne einer Rettung von Menschenleben statt der Abwehr von Zuwanderung das vom Europa-Parlament beschlossene Eurosur-System nicht primär an den Zielen des Grenzschutzes und der Abwehr von Zuwanderung orientieren, sondern muss um Elemente erweitert werden, die die Mitgliedsstaaten zur Verbesserung der Seenotrettung verpflichtet. Die Seenotrettungsmission der EU „Triton“ muss im Umfang von „Mare Nostrum“ ausgeweitet werden. Dass die EU-Grenzschutzbehörde Frontex die Abdrängung von Flüchtlings-Booten im Mittelmeerraum als Mittel zur Verhinderung illegaler Einwanderung anwendet, ist absolut inakzeptabel und darf sich nicht wiederholen.
Für ein weltoffenes Deutschland
Bevor die europäischen Weichenstellungen angegangen werden können, sollten kurzfristig deutsche Behörden den Spielraum, den sie in der Praxis haben, maximal zugunsten der Flüchtlinge ausschöpfen. Sprachkurse und gesellschaftliche Einbindung, Krankenkassenkarte und auskömmliche finanzielle Mittel sind nötig - hierfür brauchen wir bundesweit einheitliche Standards. Die Menschenwürde eines Flüchtlings darf nicht vor seinem Wohnsitz abhängen. Auch wenn wir schon viel erreicht haben, erschweren noch immer integrationshemmende und bürokratische Hürden das Ankommen in der neuen Heimat.
Auf Bundesebene fordern wir deshalb:
- Leitbild einer humanen Verteilung von Flüchtlingen, Familienzusammenhänge stärker berücksichtigen.
- Eine aufgabengerechte finanzielle Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
- Abschiebehaft muss bundesweit abgeschafft werden, weil sie grundsätzlich eine unangemessene Maßnahme ist.
- Keine Neueinführung eines Abschiebegewahrsams.
- Durch personelle Aufstockung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schnellere und qualitativ bessere Verfahren ermöglichen.
- Erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge - die Vorrangprüfung ist abzuschaffen und eine bessere Betreuung der Flüchtlinge durch die Bundesagentur für Arbeit muss gewährleistet werden.
- Ein Konzept für Umgang mit unbegleitete minderjährige Jugendliche (UMF) ist auszuarbeiten.
- Kurzfristig eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge einzuführen.
- Langfristig das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen und Flüchtlinge im Rahmen des SGB II behandeln.
- Sorgfalt bei Auswahl der Dolmetscher_innen in Anhörungsverfahren des BAMF
- Anhörende des BAMF im Umgang mit interkultureller Kompetenz und traumatisierten Flüchtlingen schulen.
- Keine Grenzkontrollen an den Bundesgrenzen
Für eine humanitäre Flüchtlingspolitik in Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein ist ein weltoffenes Land. Seit über 20 Jahren haben wir eine lange Tradition in der Integrations- und Flüchtlingspolitik. Wir haben die Residenzpflicht abgeschafft und die Abschiebehaftanstalt geschlossen. Auch der Winterabschiebestopp war ein wichtiger Schritt einer humanen Flüchtlingspolitik. Humanität und Integration sollen weiterhin oberstes Ziel einer Schleswig-Holsteinischen Flüchtlingspolitik sein.
Deshalb fordern wir auf Landesebene:
- Eine Sozialkarte nach Hamburger Vorbild einzuführen.
- Integrations- und Sprachkurse auszubauen und auch für nicht-anerkannte Flüchtlinge zu öffnen.
- DaZ an Schulen bedarfsgerecht in der Fläche auszuweiten.
- Unterstützung der Kommunen bei Unterbringung und Wohnungsbau auszubauen.
- Psychosoziale Beratungsstellen und Traumatherapie in jedem Kreis einzurichten.
- Die Kreistagsfraktionen werden aufgefordert, die Umsetzung dieser Maßnahmen vor Ort zu unterstützen.
- Die Aussetzung des Winterabschiebestopps zurückzunehmen.
Die Praxis vor Ort zeigt uns, dass hier Willkommenskultur gelebt wird. Die letzten Wochen und Monaten zeigten eindrucksvoll, wie groß die Bereitschaft in Schleswig-Holstein ist, das Ankommen der Flüchtlinge im Alltag zu erleichtern. Der Betreuungsbedarf ist hoch.
Verwaltung und Politik erarbeiten kreisweit Integrationskonzepte und viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gestalten Freundeskreise, Sprachvermittlungen auf hohem Niveau oder helfen beim Ausfüllen von Formularen, Papieren und Anträgen. Das ist sehr gut und hilft vielen Flüchtlingen. Um dieses Engagement jedoch besser zu bündeln und die Situation der Flüchtlinge vor Ort zu verbessern, gibt es noch einiges zu tun.
Deshalb fordern wir auf Kreisebene:
- Unterstützung und Beratung des Ehrenamts durch Hauptamtlichkeit auszubauen und besser zu vernetzen und Einsatz von BuFDi, FSJ´lern_innen aus Deutschland und den Herkunftsländern.
- Betreuungspauschale durch den Kreis an Kommunen durchzureichen
- Die Kommunen anzuhalten, die Unterbringung menschenwürdig auch dezentral zu realisieren.
- Bezahlbares Wohnen/ sozialen Wohnungsbau in der Kommune für Flüchtlinge vorantreiben, um Flüchtlingen nach erfolgreichem Anerkennungsverfahren, aber auch Bedürftigen den Verbleib auf dem lokalen Wohnungsmarkt zu erleichtern.
- Bürger_innen nach Möglichkeit bei der kommunalen Planung von Flüchtlingsunterkünften einzubeziehen und ebenso die Wohnungseigentümerverbände wie auch die Wohnungsbaugesellschaften und –genossenschaften mit einzubeziehen.
- Einrichtung von Integrationsberatungsstellen in der Fläche.
- Integration in Vereine, Verbände, Feuerwehren, Kommunalpolitik zu ermöglichen.
- Erleichterter Zugang zur Sprachförderung - auch in der Fläche zu garantieren.
- Erstattung der Fahrkosten für DaZ-Schüler_innen über 16 Jahren durch die beruflichen Schulen.