Ä1 zu EU1: Entwurf für ein neues Eingangskapitel zu den Eckpunkten der SPD-SH für die Europawahl 2009 (2008): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 13. Mai 2013, 13:02 Uhr
Gremium: Landesparteitag |
Sitzung: Landesparteitag Lübeck 2008 |
Bezeichnung: Ä1 zu EU1 |
Antragsteller: Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF)
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Beschluss: Überwiesen an Wahlkampfkommission, Europaforum |
Beschluss: Weiterleiten als Material für die Wahlkampfkommission und das Europaforum zur Vorbereitung einer inhaltlichen Argumentation
Nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte steckt Europa in einer aufreibenden Entscheidungssituation – viele meinen: in einer Krise. Zum einen zeigt sich anhand der Auseinandersetzungen in Georgien und im Nahen Osten, dass die EU als Vermittler und Partner für den Frieden gefragt ist wie eh und je; auch hat die Anziehungskraft der Union nicht nur für ihre weiteren Beitrittskandidaten, sondern für alle ihre Nachbarstaaten in keiner Weise nachgelassen. Auf der anderen Seite steht das Nein der Iren beim Referendum über den Lissabon-Vertrag, die Hinhaltetaktik in anderen Ländern (auch Deutschland) – steht eine sorgsam gepflegte Europaskepsis in weiten Teilen der Medien und bei vielen primär nationalistisch motivierten PolitikerInnen.
Wie kann die EU auch in Zukunft der Verantwortung gerecht werden, die sich aus fünfzig Jahren friedlicher Entwicklung, aus ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem politischen Gewicht, ja schon aus ihrer schieren Größe und EinwohnerInnenzahl und ihrer geographischen Lage ergibt ? Wie können die entscheidenden Fragen richtig gestellt werden, damit die europäische Erfolgsgeschichte weitergehen kann und nicht von nationalen Egoismen oder politischer Verzagtheit blockiert wird?
Die jüngsten Rückschläge im Prozess der politischen Einigung und Vertiefung Europas lassen vermuten, dass Europa seine Fragen in letzter Zeit nicht richtig und nicht deutlich genug gestellt hat. Zu nahe lag es, diffusen Protest und allgemeines Misstrauen an einem Vertragswerk festzumachen, welches alles andere als perfekt ist und als „kleinere Lösung“ nach dem vorläufigen Scheitern des EU-Verfassungsvertrages seine vermeintliche Schwäche bereits in sich trug. Dennoch wäre der Vertrag von Lissabon geeignet gewesen, das „Europa der 27“ transparenter, handlungsfähiger und vor allem demokratischer zu machen. Aber seine Schattenseiten – der Vorwurf des Bürokratismus, der Verdacht der Militarisierung – ließen sich von den unterschiedlichsten Gegenkräften allzu leicht instrumentalisieren. So erschien die Niederlage für ein einigeres Europa als Sieg „der eigenen Sache“ – was immer das sein mag.
Ob den ProtestwählerInnen und BedenkenträgerInnen in den einzelnen Ländern hinlänglich bewusst ist, wie brüchig diese „eigene Sache“ inzwischen geworden ist ? In allen seinen Einzelstaaten funktioniert nichts ohne Europa – existiert nichts ohne Europa. Bildung, Wirtschaft, Frieden und Menschenrechte, soziale Sicherheit und steuerliche Gerechtigkeit sind ohne einen geeinten europäischen Lebensraum, ohne starke europäische Institutionen nicht denkbar und nicht gestaltbar. Ein Rückfall in kleinteiligen Nationalismus würde das friedliche Zusammenleben, die Realität von Freiheit und Solidarität, den Austausch von Wissen und Waren, den rechtlichen und sozialen Fortschritt auf unserem Kontinent unmittelbar gefährden. Angesichts der Globalisierung würde ein solcher Rückfall einzelne Länder und ihre BewohnerInnen – in erster Linie die ArbeitnehmerInnen – hilflos einem aggressiven weltweiten Kapitalismus aussetzen.
Dies kann keine sozialdemokratische Perspektive sein!
Dabei würde schon ein schlichtes „weiter so“ auf der – mittlerweile gründlich überholten – Basis von Nizza alle Chancen vergeben, die ein erweitertes und immer noch wachsendes Europa für sich beanspruchen muss. Ohne die Möglichkeit echter demokratischer Entscheidungen, ohne eine Stärkung des Europäischen Parlaments, ohne erkennbare Zuständigkeiten für die Politik auf unserem Kontinent und vor allem: ohne eine Verständigung über unsere Grundrechte und unser Sozialsystem bleibt die EU wenig mehr als ein offener Markt mit dissonanter – aber meistens national bestimmter – Meinungsbildung.
Das Europa der SPD sieht anders aus!
Wir wollen:
- ein Europa der Bürgerinnen und Bürger: demokratisch, sozial und transparent
- die Gültigkeit der Europäischen Grundrechtecharta jetzt – auch als Ergänzung und Weiterentwicklung zum deutschen Grundgesetz
- die Stärkung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente in der EU – weg von der reinen Ministerialpolitik
- die Möglichkeit zu europaweiter Meinungsbildung durch übernationale Referenden bürgernahe und handlungsfähige europäische Institutionen
- eine EU, die ihren BürgerInnen soziale Gerechtigkeit und Sicherheit bietet
- einen offenen Markt, aber kein Lohn- und Sozialdumping
- eine erkennbare europäische Außenpolitik, aber keine Militarisierung
- keine Abschottung gegenüber anderen Räumen und Staaten, aber auch keine Preisgabe unserer Werte und Strukturen
Ob der Lissabon-Vertrag dabei weiterhin unser Ausgangspunkt bleibt, ist noch offen.
Schließlich wollten SoziademokratInnen Lissabon wegen Europa – und nicht Europa wegen Lissabon! In einem stärker von der PES (= sozialdemokratische Fraktion) geprägten Europäischen Parlament werden neue und andere Weichenstellungen für unseren Kontinent möglich sein. Dazu braucht die SPD bei der Europawahl 2009 allerdings das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.
Weitere Ergänzungen:
Das demokratische Europa
Europa muss ebenso demokratisch werden wie die Staaten, Regionen und Kommunen, aus denen es sich zusammensetzt. Das heißt: Das demokratisch gewählte Europäische Parlament muss zu einer echten gesetzgebenden Kraft werden, welche den politischen Willen der BürgerInnen ausdrücken und umsetzen kann. Dabei kann die Europäische Kommission nicht auf Dauer mehr Kompetenzen als das Parlament behalten, sondern muss sich langfristig zur Exekutive der EU entwickeln.
Im Zusammenspiel der Nationen (Ministerrat etc.) muss es – so wie im Vertrag von Lissabon vorgesehen – in Zukunft die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen geben, um Europa auf der internationalen Bühne erkennbarer und handlungsfähiger zu machen. Dies betrifft auch ein gemeinsames Auftreten in außenpolitischen Angelegenheiten. Nur wo die Sicherheit einzelner Länder berührt ist, soll weiter das Prinzip der Einstimmigkeit gelten.
In Fragen, die alle BürgerInnen der EU gleichermaßen angehen, muss die Möglichkeit übernationaler Referenden geschaffen werden. Es kann nicht sein, dass die Meinungsbildung des europäischen Souveräns – der BürgerInnen der EU in ihrer Gesamtheit – weiterhin im nationalen Korsett gefangen bleibt ! Gegenstand solcher Referenden sollten allerdings nicht wie in der Vergangenheit komplette Vertragswerke sein, sondern wichtige Tendenzentscheidungen in gesamteuropäischen Belangen (Ein gutes Beispiel dafür wäre der Daten- und Verbraucherschutz oder die Energie- und Umweltpolitik.).
Zugleich müssen mehr als bisher die Verpflichtungen deutlich werden, die aus der Zugehörigkeit zur EU hervorgehen. Klar ist: Bei der Schaffung der „Montanunion“ vor 57 Jahren hatten die wenigsten ein auch politisch geeintes, sozial harmonierendes und in sich demokratisches Europa im Blick. Klar ist aber auch: Die notwendige Vertiefung der Union hat mit der Erweiterung seit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ nicht Schritt gehalten. (Dabei waren beide Prozesse ursprünglich als Einheit gedacht – und auch nur als Einheit darstellbar.) Um hier den Gleichklang wiederherzustellen und die EU auf Dauer handlungs- und modernisierungsfähig zu halten, muss auch die Frage erlaubt sein, wie ernst es einzelnen Ländern mit ihrer Mitgliedschaft ist.
Diese Frage muss nach Auffassung der schleswig-holsteinischen SPD mit allen weiteren notwendigen Vertiefungsschritten verknüpft werden – wenn sie bisher nicht mit ihnen verknüpft gewesen war.
Das Europa der Menschenrechte
Die EU-Grundrechtecharta – als fortschrittlichste Beschreibung der Menschenrechte auf der Welt – muss ab sofort Gültigkeit erhalten und der Rechtsprechung auf europäischer Ebene als Grundlage dienen. Auch die Rechtsprechung in den Einzelstaaten sollte sich an dieser Leitlinie ausrichten.
Gleichstellung in Deutschland und Europa
Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein zentraler Grundwert in Europa – gleichermaßen Basis und Ziel zahlreicher europäischer Politiken. Wir fordern, dass Gender Mainstreaming und Gender Budgeting (= die Ausrichtung politischer und finanzieller Entscheidungen an den Interessen und Bedürfnissen von Männern und Frauen) auch in Deutschland auf allen Ebenen und in allen Bereichen zur Norm wird.
Unser Land hat im europäischen Vergleich noch viel Nachholbedarf, was die effektive Gleichstellung der Geschlechter angeht. Der Emanzipationsrückstand in Deutschland, ablesbar an Lohnungerechtigkeit, an mangelnden Karrierechancen und Mitsprachemöglichkeiten für Frauen, wird zu einer schweren Belastung für unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft.
Hier können wir von anderen europäischen Ländern lernen, die Familien- und Gleichstellungspolitik wirksam miteinander verzahnt haben, um Frauen ihre gleichen Rechte auch tatsächlich leben zu lassen!
Nach diesen Beispielen fordert die schleswig-holsteinische SPD:
- bedarfsgerechte Bildung und Betreuung für Kinder aller Altersgruppen, wobei Ganztagsbetreuung die Norm sein muss
- klare Zielvorgaben für die paritätische Beteiligung von Frauen und Männern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, deren Erfüllung öffentlich transparent dokumentiert und deren Nichteinhaltung wirksam sanktioniert wird.
Die EU als Partner für die internationale Konfliktprävention
Es steht außer Frage – und die gegenwärtigen Konflikte in unserer unmittelbaren Nachbarschaft erinnern wieder daran -, dass die EU eine eindeutige außenpolitische Identität und eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur benötigt, um ihrem eigenen Interesse an friedlichen Lösungen Geltung verschaffen zu können; um nicht – als Ganzes oder in ihren einzelnen Mitgliedsländern – Strategien übergestülpt zu bekommen, die mit diesem Interesse unvereinbar sind.
Es steht allerdings ebenso außer Frage, dass die Furcht vor einer „Militarisierung“ der EU einer der – nachvollziehbaren – Beweggründe der Bürgerinnen und Bürger sind, um einer weiteren politischen Vertiefung zu misstrauen.
Auf diese Weise bleibt die EU in einem außenpolitischen Dilemma gefangen, das absehbar bereits zu mehr anstatt weniger militärischem Engagement und Risiko führt. Daher brauchen wir einen umfassenden Sicherheitsdialog mit folgenden Prioritäten:
Die EU gibt friedlicher Konfliktprävention jederzeit und unter allen Umständen den Vorrang und entwickelt zu diesem Zweck eigene diplomatische Strategien.
Diese Strategien sind unabhängig und zuverlässig und spiegeln glaubwürdig das Interesse der EU an Frieden in ihrem engeren und weiteren Umfeld – nicht etwa andere Interessen.
Eine Sicherheitsarchitektur der EU, gleichviel worin sie eines Tages bestehen mag, führt nachprüfbar zu weniger anstelle mehr Bewaffnung in ihrem gesamten Gebiet und insbesondere zu einer wirksamen Kontrolle umstrittener, einem endgültigen Verzicht auf verbotene Waffen (inklusive Herstellung und Vertrieb).
Alle sicherheitspolitischen Aktivitäten der EU bedürfen der Zustimmung des Europäischen Parlaments, so wie alle Aktivitäten einzelner Staaten der Zustimmung der nationalen Parlamente bedürfen.
Durch das gemeinschaftliche Auftreten der EU in außenpolitischen Angelegenheiten darf niemals die Sicherheit eines ihrer Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden.
Weiterer Text zu ergänzen mindestens um Thema „Ostseeraum“
Umwelt- und Naturschutz, alternative Energien präzisieren – geschieht schon durch LV?