A4: Jugend - Arbeit - Ausbildung (1996)

Aus Beschlussdatenbank der SPD Schleswig-Holstein
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Gremium: Landesparteitag
Sitzung: Landesparteitag Kiel 1996
Bezeichnung: A4
Antragsteller: Jusos Schleswig-Holstein


Beschluss: Angenommen


Jugend - Arbeit - Ausbildung

In der Bundesrepublik findet zur Zeit ein tiefgreifender wirtschaftlicher Strukturwandel statt, der im wesentlichen eine Abkehr von der standardisierten Massenproduktion hin zu einem flexiblen Produktionsmodell darstellt. Die Durchsetzung dieses Strukturwandels stellt z.T. ganz neue Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten. Von ihnen wird -neben der nach wie vor wichtigen Fachkompetenz - erwartet, sich flexibel auf neue Anforderungen einzustellen, in neuen Kooperationsformen zu arbeiten und bereichsübergreifend zu denken. Bei ihrer Qualifikation wird die Vermittlung von Methoden- und Sozialkompetenzen immer wichtiger. Die Methodenkompetenz soll die Beschäftigten dazu befähigen, das Fachwissen besser zu nutzen, mit anderem Wissen zu kombinieren und sich selbständig neues Wissen anzueignen. Die Sozialkompetenz ist die Fähigkeit, mit anderen Beschäftigten und anderen Bereichen des Betriebes kooperieren zu können. Nötig wird ein neuer Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnen-Typ, der die bisherige Facharbeiter- bzw. Facharbeiterinnen-Ausbildung grundsätzlich in Frage stellt. Anstelle der Vermittlung von ein ganzes Leben lang gültigen Berufsprofilen kann die Erstausbildung nur die Grundlage für die Herausbildung betrieblicher Handlungskompetenzen als Ergebnis eines ständigen Qualifikationsprozesses ("lebensbegleitendes Lernen") sein. Die Qualifikation der Beschäftigten wird eine Schlüsselgröße für wirtschaftliche Innovationsfähigkeit.

Entgegen manchem Gerede vom Ende der Arbeitsgesellschaft und dem Bedeutungsverlust der Arbeit im Lebenskonzept der Menschen haben Jugendliche sehr wohl ausgeprägte Ansprüche vor allem an die Qualität von Erwerbsarbeit. Die Chancen zur Verwirklichung einer zufriedenstellenden Ausbildung bzw. Arbeit sind allerdings derzeit ungleich verteilt. Dies gilt besonders, weil gleichzeitig eine gegenläufige Entwicklung stattfindet, die eine Ausweitung ungeschützter, gering qualifizierter Arbeit bedeutet. Diesen Trend müssen wir stoppen und umkehren. Qualifikation ist nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch für die individuelle Lebensperspektive wichtig. Eine qualifizierte Ausbildung ist eine wesentliche Grundlage für demokratische Teilhabe und gesellschaftliche Anerkennung.

Krisentendenzen des dualen Systems

Seit 1991 hat sich die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze in Schleswig-Holstein kontinuierlich verringert. Noch vor fünf Jahren kamen statistisch gesehen auf einen Bewerber bzw. eine Bewerberin mehr als drei Ausbildungsplätze. Heute liegt das Verhältnis bei 1 : 1,2 (Stand März 1996). Dieser Trend setzt sich fort. Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze sinkt, die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber steigt: Im April 1996 waren 7.100 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, 7.600 Ausbildungsplätze waren noch unbesetzt. Damit ist im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der offenen Ausbildungsplätze um 12,7 % gesunken, die Nachfrage um 23,7 % gestiegen.

Der Abbau von Ausbildungsplätzen vollzieht sich mittlerweile in allen wirtschaftlichen Bereichen. Den deutlichsten Rückgang gab es bei den Metall-, Bau- und kaufmännischen Dienstleistungsberufen. Bei öffentlicher Finanzknappheit und durch das Streben nach einer "schlanken" Verwaltung sind auch im öffentlichen Dienst Ausbildungsplätze in nicht unerheblicher Zahl weggefallen. Insbesondere bei Post und Bahn ist der Veränderung der Unternehmensform eine große Zahl von Ausbildungsplätzen zum Opfer gefallen.

Auch an der zweiten Schwelle, dem Übergang von der Ausbildung in das Berufsleben, hat sich die Lage in Schleswig-Holstein verschärft: Im April 1996 waren 3.216 Jugendliche unter 20 Jahren arbeitslos gemeldet, das sind 5,6 % mehr als im Vorjahr. In der Altersgruppe von 20 bis unter 25 Jahren waren 11.694 Jugendliche arbeitslos gemeldet, das sind 10,5 % mehr als im Vorjahr. Insgesamt lag die Arbeitslosenquote für Jugendliche unter 25 Jahren im April 1996 bei 10,8 %.

Gerade die Übernahme nach der Ausbildung - auch wenn sie nur befristet sein sollte - ist sehr wichtig. Nur so können Berufserfahrungen gesammelt und damit die Vermittlungschancen gesteigert werden. Außerdem entstehen so erst Leistungsansprüche an die Bundesanstalt für Arbeit.

Ausbildungsplatzmangel und Jugendarbeitslosigkeit sind keine neuen Phänomene. In den 70er und 80er Jahren gab es sie ebenfalls. Damals ließen sie sich auf ein konjunkturell und demographisch bedingtes Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen zurückführen, das trotz Bemühungen der SPD nicht zufriedenstellend reguliert werden konnte. Die heutige Krise läßt sich nicht allein auf diese Faktoren zurückführen, sondern hat vielschichtigere strukturelle Ursachen, die ein politisches Eingreifen nötiger denn je machen:

  • Der Abbau von Ausbildungsplätzen und die Verweigerung der Übernahme nach erfolgter Ausbildung hat seine erste Ursache im allgemeinen Arbeitsplatzabbau. Das bedeutet für uns: Einerseits ist die Reform der beruflichen Bildung eine Grundvoraussetzung für eine wirtschaftliche Modernisierung. Andererseits müssen gleichzeitig Strategien zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit entwickelt und politisch durchgesetzt werden. Nur so können alle Jugendlichen eine zukunftsorientierte Beschäftigungsmöglichkeit bekommen.
  • Mit zunehmendem internationalen Wettbewerb und politischem Druck auf die gewerkschaftliche Gegenmacht verschärft sich kurzfristiges Kostenkalkül in den Betrieben. Die Ausbildung wird immer häufiger nur noch als Kostenfaktor betrachtet. Die mittel- bzw. langfristige Nachwuchsplanung und mittelfristige Einsparungen bei der Personalplanung (z.B. Kosten für Personalrekrutierung und Einarbeitung) sind kurzatmigen Sparkonzepten zum Opfer gefallen. Dieser Trend wird durch Umbrüche der Betriebsorganisation - wie z.B. die Ausgliederung von Betriebsteilen - verstärkt.
  • Durch eine neue Betriebs- und Arbeitsorganisation haben sich auch die Personalrekrutierungsstrategien verändert. Da die Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten vielfach unklar sind, werden selbst auf der mittleren Ebene mittlerweile Fachhochschul- oder Hochschulabsolventen eingesetzt. Der Modernisierungsrückstand des dualen Systems führt dazu, daß beruflich ausgebildete junge Leute für immer mehr Bereiche nicht eingestellt werden. Die Unternehmen verlagern ihre Bildungsaktivitäten zunehmend weg von der Erstausbildung hin zu Weiterbildungsmaßnahmen, da letztere ihnen kurzfristigere Reaktionen ermöglichen.
  • Die Struktur der Ausbildungsordnungen entspricht zunehmend nicht mehr zukunftsorientierten Qualifikationsanforderungen und dem wirtschaftlichen Strukturwandel. Viele Ausbildungsordnungen sind veraltet: 121 von ihnen sind noch vor 1969 entstanden. Für etliche zukunftsorientierte Berufsfelder - wie z.B. den Umwelt- und den Medienbereich - gibt es noch keine Ausbildungsordnungen. Es zeichnet sich eine Auseinanderentwicklung von Ausbildungs- und Beschäftigungssystem ab. So spiegelt sich z. B. der Anstieg der Beschäftigtenzahlen im Dienstleistungsbereich bei der Ausbildung nicht wider.
  • Die Attraktivität einer Ausbildung im dualen System ist stark gesunken, da sie den veränderten Anforderungen Jugendlicher an eine zufriedenstellende Erwerbsarbeit nicht entgegenkommt und mittlerweile als Qualifikations- und Karrieresackgasse gilt. Ihre Absolventinnen und Absolventen haben mit geringerer Entlohnung, schlechteren Aufstiegsperspektiven und erschwerten Zugangsmöglichkeiten zu Weiterbildungsmaßnahmen zu rechnen. Jugendliche mit Fachhochschulreife oder Abitur nutzen die Ausbildung im dualen System fast ausschließlich als Durchgangsstation zur akademischen Fortsetzung ihres beruflichen Werdeganges. Diese Tatsache zeigt einen steigenden Bedarf nach doppelqualifizierenden Ausbildungsgängen auf. Der Abbau von Ausbildungsplätzen drängt immer mehr Jugendliche in Berufe und Bildungsgänge, die sie gar nicht wollten. Dies führt wiederum zu hohen Abbruchzahlen und vermindert die Attraktivität.
  • Der schulische Bereich der Berufsausbildung führt ein Schattendasein. Unternehmen wie auch Auszubildende sehen ihn nicht mehr als gleichberechtigten Lernort, sondern nur als lästiges Anhängsel. Den Berufsschulen fehlt es massiv an qualifiziertem Lehrpersonal und moderner Ausstattung. Die Folge ist Unterrichtsausfall. Hinzu kommt, daß die Abstimmung zwischen Schule und Betrieben unzureichend ist und daß die gewollte Trennung zwischen Theorie und Praxis mit der Realität in den Betrieben kollidiert. Zudem haben die Berufsschulen den Wandel von Alter und Zusammensetzung der Schülerschaft noch nicht verarbeitet. Das pädagogische Konzept ist nicht auf die Zielgruppe "junge Erwachsene" ausgerichtet und wird den neuen Qualifikationsanforderungen nicht gerecht.


Vor dem Hintergrund dieser vielschichtigen Ursachen der heutigen Krise des Ausbildungssystems wirken die auf Appelle reduzierten politischen Maßnahmen nur noch zynisch. Die Unternehmer haben ihre Kanzlerrundenversprechen - mehr Ausbildungsplätze zu schaffen (Kanzlerrunde 1995: "600.000 Ausbildungsplätze zusätzlich") - nie eingehalten. Wer weiterhin auf die Versprechungen der Unternehmer zur Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen setzt, hat die grundsätzlichen Widersprüche unseres Wirtschaftssystems und damit die aktuellen Krisentendenzen des dualen Systems nicht durchschaut. Gerade vor dem Hintergrund wachsender Schulabgänger- und Schulabgängerinnen-Zahlen in den nächsten Jahren, wird man mit gutgemeinten Appellen nur zaghafte Zahlenkosmetik betreiben können.

Politische Regulierungen sind dringend erforderlich.

Von Schröder und Biedenkopf ist der Vorschlag gemacht worden, über die Kürzung der Ausbildungsvergütungen (bis zu 50 %) die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Das öffentliche Echo zeigt, daß dieser Vorschlag bei Bundesregierung, Unternehmensverbänden und Kammern gut ankommt. Wir lehnen die Kürzung von Ausbildungsvergütungen ab. Wer solche Vorschläge macht, zeigt, daß er die heutige Lebensrealität junger Menschen nicht kennt. Sie haben das Recht auf ein eigenständiges Leben, das auch eine finanzielle Grundsicherung beinhaltet. Zudem kann man nicht Flexibilität und Mobilität bei der Ausbildungsplatzwahl predigen, wenn man gleichzeitig die Grundlage dafür - die finanziellen Mittel - kürzen will; denn welcher Unternehmer stellt seinen Auszubildenden eine kostenlose Unterkunft zur Verfügung?

Reform des dualen Systems

Wir wollen die Reform des dualen Systems und eine deutliche Aufwertung der beruflichen Bildung vorantreiben. Die Ausbildung im dualen System muß wieder attraktiver werden und mehr Chancengleichheit durchsetzen. Eine Reform des dualen Systems muß schon vor der Berufsausbildung mit einer besseren Berufsvorbereitung in der Schule beginnen. Dazu gehören die Vermittlung sozialer Kompetenzen und die Befähigung zum selbständigen, kritischen Lernen. Die Schüler und Schülerinnen müssen mit einer stärkeren Praxisorientierung in der Schule und über Praktika die Möglichkeit erhalten, sich besser beruflich orientieren und auf das Erwerbsleben vorbereiten zu können. Dies gilt besonders für junge Frauen.

Kein Beitrag zur besseren Vorbereitung auf die Berufsausbildung wäre es - wie von der Bundesregierung geplant -, das Vermittlungsmonopol der Arbeitsämter aufzuheben. Mit der Not junger Menschen ohne Ausbildungsplatz dürfen nicht auch noch Geschäfte gemacht werden. Wir lehnen diese Pläne ab.

Einzelne Berufe müssen soweit möglich und sinnvoll, zu Berufsfeldern zusammengefaßt werden (so wie bei der Neuordnung der Metall- und Büroberufe). Nach einer breiten Grundausbildung, in der Basiswissen vermittelt und die theoretische mit der allgemeinen Bildung verknüpft wird, folgt eine Spezialisierung auf einen bestimmtem Bereich. Alle Ausbildungsordnungen müssen einer kritischen Bewertung unterzogen werden: Neue zukunftsorientierte Berufsfelder sind zu entwickeln und veraltete Berufe, die keine Perspektiven mehr bieten, sind zu streichen. Neben den Gewerkschaften muß auch die staatliche Seite in Bund und Ländern auf eine zügige Reform der Ausbildungsordnungen hinarbeiten. Benachteiligte Jugendliche (Kinder aus Einwandererfamilien, schulisch gering qualifizierte Jugendliche) müssen über staatliche Fördermaßnahmen zur Absolvierung einer Berufsausbildung befähigt werden.

Die berufliche Erstausbildung kann nur die Grundlage für den Eintritt in das Erwerbsleben bilden. Sie muß durch Qualifizierungsmaßnahmen stetig erneuert und ergänzt werden. Hierzu ist die Weiterbildung als vierte Säule des Bildungssystems auszubauen. Allen Beschäftigten muß zumindest durch tarifliche Regelungen ein gleichberechtigter Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen während der Arbeitszeit ermöglicht werden.

  1. Für die Bereitstellung eines ausreichenden und qualifizierten Angebots an Ausbildungsstellen sind nach dem Gesetz und der Rechtsprechung die Betriebe und Verwaltungen zuständig. Wir fordern sie auf, dieser gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.
  2. Die SPD setzt sich für eine solidarische Finanzierung der beruflichen Bildung über einen Leistungsausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben ein. Um die Ausbildungsbereitschaft und -fähigkeit der Handwerksbetriebe und des Mittelstandes zu erhalten, halten wir es für erforderlich, daß deren Anstrengungen honoriert werden.
  3. Wir streben eine gemeinsame Bundesratsinitiative der SPD-regierten Länder für eine solidarische Finanzierung der beruflichen Bildung an und fordern die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen.
  4. Unter den diskutierten Möglichkeiten für einen Leistungsausgleich spricht sich die schleswig-holsteinische SPD für das Instrument aus, das am gerechtesten ist, das am wenigsten bürokratischen Aufwand verursacht und das die Leistung für die berufliche Bildung honoriert.
  5. Dieser Leistungsausgleich soll nicht vom Staat, sondern von der Selbstverwaltung organisiert werden. In Frage kommen entweder die Kammern oder die Bundesanstalt für Arbeit. Tarifverträge oder Branchenregelungen sind in Anrechnung zu bringen.
  6. Der vorgesehene Umlagemodus wird in den Ländern nur dann in Kraft gesetzt, wenn in einem Jahr das Angebot an Ausbildungsstellen nicht mindestens bei 112,5 % der nachgefragten Stellen liegt.

Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen

Die Situation junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt erfordert noch mehr als bisher, sie als Zielgruppe arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen zu sehen, die dabei einen hohen Qualifizierungsanteil brauchen. Gleichzeitig müssen sie aber auf die sehr unterschiedliche Leistungsfähigkeit Jugendlicher in Berufsnot abgestimmt sein, denen es oft an jeglicher Erfahrung mit Erwerbsarbeit fehlt.

Die Forderungen zur Verbesserung der allgemeinen Arbeitsmarktlage — Arbeitszeitverkürzung, Überstundenabbau, öffentliche Zukunftsinvestitionen — müssen mit der spezifischen Stoßrichtung eingefordert werden, Jugendarbeitslosigkeit unmöglich zu machen. Öffentliche Aufträge und Subventionen sollen bevorzugt Betrieben zugutekommen, die ihrer Ausbildungsverpflichtung nachkommen.

Solange junge Menschen ohne Arbeit und Ausbildung dastehen, kommt eine Heraufsetzung des Rentenalters nicht in Betracht. Die Verringerung der Rentenwirksamkeit von Ausbildungszeiten setzt ein falsches Signal, indem sie die Bildungsbereitschaft senkt. Wir lehnen sie ab.

Gerade für junge Frauen und Männer mit Kindern oder vor der Familiengründung ist das Angebot sozial gesicherter Teilzeitarbeit zu verbessern. Geringfügige Beschäftigung ohne soziale Sicherung ist keine Alternative für junge Menschen. Sie ist abzuschaffen.

Junge Menschen bis zum 27. Lebensjahr sollen spätestens nach einem Jahr der Arbeitslosigkeit Anspruch auf eine befristete Arbeitsbeschaffungsmaßnahme erhalten, damit keine/r auf Dauer vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen bleibt.

Regionalisierung

Die Reform der beruflichen Bildung ist in erster Linie Gegenstand der Landes- und Bundesgesetzgebung. Es gibt aber auch auf kommunaler Ebene eine Vielzahl von Eingiffsmöglichkeiten, um die Quantität und Qualität der Ausbildung zu verbessern.

Die Kommunalpolitik kann insbesondere die folgenden Punkte angehen:

  • Verbindung des regionalen Qualifizierungbedarfs mit der Struktur- und Arbeitsmarktpolitik
  • Sensibilisierung des politischen Umfeldes
  • beschäftigungsorientierte Wirtschaftsförderung
  • Schaffung von Ausbildungsverbünden
  • Arbeitsmarktpolitische Vorreiterrolle

Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung

Die Attraktivität des dualen Systems kann nicht gesteigert werden, solange die berufliche Ausbildung sich als Bildungssackgasse darstellt. Ein an die Ausbildung anschließender gesonderter schulischer Erwerb von Abitur oder Fachhochschulreife verlängert die Ausbildungzeit unnötig. Wir streben die Gleichwertigkeit und die stärkere Integration von beruflicher und allgemeiner Bildung an. Das bedeutet die Ausweitung praxisorientierter und polytechnischer Bildung im allgemeinen Schulsystem und eine breitere Allgemeinbildung im beruflichen Bildungssystem.

Die Berufsschule muß ein gleichberechtigter Lernort im Berufsbildungssystem sein. Die Ausstattung mit "modernen" Lernmitteln und qualifiziertem Personal muß deutlich verbessert werden. Der Berufsschulunterricht muß generell auf mindestens 14 Wochenstunden festgeschrieben werden. Außerdem müssen neue berufspädagogische Konzepte entwickelt werden, um eine sinnvolle Verzahnung mit anderen Lernorten zu gewährleisten und andererseits einen Unterricht zu bieten, der die Auszubildenden als junge Erwachsene ernst nimmt.

(Kursiv gesetzter Text: Überweisung an AK Berufliche Bildung)

Um der steigenden "Nachfrage" nach doppeltqualifizierenden Bildungsgängen gerecht zu werden, muß als nächster Schritt die Gleichstellung von berufsbildenden Abschlüssen mit einer fachgebundenen Fachhochschul- bzw. Hochschulreife ausgebaut werden.

Dies kann aber nur eine Übergangslösung sein. Als zweiten Schritt fordern wir eine grundlegende Reform der Berufsschule. Ein mögliches Modell ist die in NRW erfolgreich erprobte Kollegschule, die die Berufsausbildung mit der Erlangung des Abiturs verknüpft. Perspektivisch wollen wir ein einheitliches und integriertes Bildungssystem, mit einem doppeltqualifizierenden Abschluß in der Sekundarstufe II als Ersatz für die gymnasiale Oberstufe.